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Einführung Gute Zäune, gute Nachbarn?
ОглавлениеIn seinem einfachen und doch tiefgründigen Gedicht Mending Wall erzählt uns Robert Frost von einem fiktiven Gespräch, das er mit einem seiner Nachbarn in Neu-England führt. Es geht um die Reparatur der verfallenen Trockenmauer, die ihre beiden Farmen trennt. Farmen, auf denen kein Vieh mehr gehalten wird:
There where it is we do not need the wall:
He is all pine and I am apple orchard.
My apple trees will never get across
And eat the cones under his pines, I tell him.
An diesem Platz bedarf es keiner Mauer:
nur Kiefern er, und ich nur Apfelhain.
Mein Apfelwald wird nie hinübersteigen
Und seine Kiefernzapfen fressen.1
Sein wortkarger Nachbar ist davon nicht überzeugt:
He only says, ‚Good fences make good neighbours.’
Er sagt nur: „Gute Zäune, gute Nachbarn.“
Woraufhin Frost Fragen aufwirft, die für die Diskussion über Gerechtigkeit in einer zunehmend globalisierten Welt bestimmend sind:
Spring is the mischief in me, and I wonder
If I could put a notion in his head:
‚Why do they make good neigbours? Isn’t it
Where there are cows? But here there are no cows.
Before I built a wall I’d ask to know
What I was walling in or walling out,
And to whom I was like to give offence.
Something there is that doesn’t love a wall,
That wants it down.’
Der Frühling weckt den Schalk in mir, vielleicht
setz ich ihm heut mal einen Floh ins Ohr.
„Warum sind Zäune gut für Nachbarn? Gilt das
nicht bloß, wo Kühe sind? Die seh ich nicht.
Bevor ich eine Mauer baue, frag
ich mich, was mauere ich ein, was aus,
und wen ich etwa damit kränke.
Da ist etwas, das mag die Mauern nicht,
das will sie brechen.
Sind Mauern und Zäune, Grenzen und Begrenzungen wirklich notwendig für gute Beziehungen und Gerechtigkeit? Oder zementieren sie nicht vielmehr die Ungerechtigkeit und schreiben sie fort? Was kann denn Unrechtmäßiges geschehen, wenn man sie nicht beibehält? Lässt sich dieses „Einmauern und Ausmauern“, das die Grenze zieht und fixiert, tatsächlich rechtfertigen? Sollte „der Schalk“, der Frost in Versuchung führt, eher abgelehnt oder eher begrüßt werden? Seit unvordenklicher Zeit wurden Mauern gebaut und ausgebessert, um etwas ein- oder auszuschließen: Stadtmauern, Festungsmauern, Gartenzäune und Weidezäune. Die Chinesische Mauer, der Hadrianswall, die Berliner Mauer, die Mauern um die Townships der Apartheid und die West Bank Barrier (die Mauer um das Westjordanland, wo die Ein- und Ausgegrenzten sich nicht einmal über den Namen einig sind). Alle nur zu dem einen Zweck, nämlich „ein- und auszumauern“. Aber wann und wie hat die Ausgrenzung, die sie konkret vornehmen, eine gerechtere bzw. eine ungerechtere Welt zur Folge?