Читать книгу Schriften vom Gebet - Origenes - Страница 11
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1.
Wenn es hierauf nun eurer Aufforderung76 entsprechend nötig ist. zuerst die Beweisgründe derjenigen auseinanderzusetzen, welche meinen, dass durch Gebete nichts erreicht würde, und deshalb das Beten für überflüssig erklären, so werden wir nicht zögern, nach Kräften auch dies zu tun, wobei jetzt das Wort εὐχὴ von uns in der allgemeineren und einfacheren Bedeutung gebraucht wird. …77 Diese Lehre ist nun so unangesehen und hat so wenig bedeutende Vertreter, dass von denen, welche eine Vorsehung annehmen und Gott an die Spitze des Weltalls stellen, sich durchaus niemand findet, der das Gebet nicht billigt. (Das Gegenteil) ist nämlich die Meinung entweder der reinen Atheisten, die das Dasein Gottes leugnen, oder derjenigen, die zwar Gott dem Namen nach annehmen, ihm aber die Vorsehung aberkennen. Freilich hat bereits die Wirksamkeit des Widersachers, der die gottlosesten Ansichten an den Namen Christi und die Lehre des Sohnes Gottes anknüpfen will, einige auch dazu überreden können, dass das Beten nicht nötig sei. Diese Ansicht vertreten die Leute, welche das sinnlich Wahrnehmbare gänzlich verneinen und weder Taufe noch Abendmahl gebrauchen, wobei sie den Sinn der (heiligen) Schriften verdrehen, als ob diese sogar dieses Beten nicht wünschten, sondern etwas anderes, in seiner Bedeutung von diesem ganz Verschiedenes lehrten.
2.
Die Gründe der Leute, nämlich derjenigen, die Gott an die Spitze des Weltalls stellen und eine Vorsehung annehmen; denn es ist jetzt nicht unsere Aufgabe, die Äußerungen derer zu prüfen, die Gott oder Vorsehung gänzlich verneinen - also die Gründe der Leute, welche die Gebete verwerfen, dürften diese sein: „Gott weiß alles, ehe es geworden ist78“, und nichts wird von ihm erst infolge seiner Verwirklichung dann erkannt, wenn es zur Wirklichkeit geworden ist, gleich als wäre es vordem nicht von ihm erkannt worden; was liegt nun für ein Bedürfnis vor, zu dem ein Gebet empor zu senden, der auch vor dem Gebet weiß, wessen wir bedürfen? Denn „der himmlische Vater weiß, wessen wir bedürfen, bevor wir ihn darum bitten79“. Es ist aber wohlbegründet, dass er, der Vater und Schöpfer des Alls, der „all das Seiende liebt und nichts von dem verabscheut, was er geschaffen hat80“, die Angelegenheiten eines jeden auch ohne sein Beten zu seinem Heile leitet, einem Vater gleich, der sich der unmündigen Kinder annimmt und nicht erst auf ihr Begehren wartet, da sie entweder überhaupt nicht zu bitten imstande sind, oder aus Unkenntnis oft das Gegenteil von dem (ihnen) Zuträglichen und Nützlichen nehmen wollen. Wir Menschen aber stehen hinter Gott weiter zurück, als die ganz kleinen Kinder hinter dem Verstand ihrer Eltern.
3.
Gott hat [aber] natürlich das Zukünftige nicht nur vorher erkannt, sondern auch vorher angeordnet, und nichts geschieht im Gegensatz zu dem von ihm vorher Angeordneten. Wie nun jemand für töricht gelten würde, der darum bäte, dass die Sonne aufgehe, da er das auch ohne sein Gebet Eintretende durch sein Gebet herbeizuführen verlangte, so wäre auch ein Mensch unverständig, welcher meinte, dass um seines Gebetes willen das einträte, was auch ohne sein Beten auf jeden Fall eintreten würde. Wiederum wie derjenige allen Wahnwitz überbietet, der zur Zeit der Sommersonnenwende durch die Sonne belästigt und vor Hitze vergehend der Meinung ist, die Sonne werde sich infolge seines Gebets zu den Sternbildern des Frühjahrs entfernen, damit er mäßige Luftwärme genießen könnte; ebenso dürfte (auch) der, welcher seines Betens wegen nicht (all) das (Widerwärtige) erleiden zu müssen glaubt, was dem Menschengeschlecht notwendigerweise zustößt, wohl alle Verrücktheit übertreffen.
4.
Wenn aber sogar „die Sünder abtrünnig geworden sind vom Mutterschoße an81“ und der Gerechte „vom Mutterleibe an ausgesondert ist82“, [und] wenn gesagt wird: „Der ältere wird dem jüngeren dienen83“, „obwohl sie noch nicht geboren waren, auch nichts Gutes oder Schlechtes getan hatten, damit die von Gott beschlossene freie Wahl bestehen bleibe, nicht nach Werken, sondern nach seiner Berufung84“, so bitten wir ohne Erfolg um Vergebung der Sünden oder um den Geist der Kraft, damit wir „alles vermögen“, „wenn Christus uns stark macht85“. Sind wir nämlich „Sünder“, so sind wir „vom Mutterschoße an abtrünnig geworden86“; sind wir aber „vom Mutterleibe an ausgesondert87“, so wird uns auch ohne Gebet das Schönste zufallen. Denn was für ein Gebet sollte Jakob vor seiner Geburt dargebracht haben, dass ihm prophezeit wird, er werde dem Esau „überlegen sein“ und sein Bruder werde ihm „dienen88“? Was aber hat „Esau“ gefrevelt, dass er vor seiner Geburt „gehaßt wird89“? Wozu aber betet Mose, wie im 89. Psalm geschrieben steht, wenn Gott seine „Zuflucht ist, bevor die Berge gegründet und die Erde und der Erdkreis gestaltet worden sind90“? …91
5.
Aber auch von allen denen, die das Heil erlangen werden, steht im Epheserbrief geschrieben, dass der Vater sie “auserwählt hat in ihm, in Christus, vor Grundlegung der Welt, um heilig und unsträflich vor ihm zu sein, in Liebe sie vorherbestimmend zur Sohnschaft durch Christus bei ihm92”. Also gehört einer entweder zu den “vor Grundlegung der Welt Auserwählten93”, und dann ist es unmöglich, dass er der Erwählung verlustig geht, weshalb er das Gebet nicht nötig hat; oder er ist nicht “auserwählt” und nicht “vorher bestimmt”, und dann betet er vergeblich, da er nicht erhört werden wird, wenn er auch unzähligemal betet. Denn “die Gott vorher anerkannt hat, die hat er auch vorher bestimmt als gleichgestaltig dem Bilde” “der Herrlichkeit” “seines Sohnes”. Die er aber vorher bestimmt hat, die hat er auch berufen; und die er berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt; die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht94“. Wozu müht sich denn Josias ab, oder warum ist er betend darüber bekümmert, ob er je erhört werden wird oder nicht, da er doch vor vielen Menschenaltern von dem Propheten mit seinem Namen genannt und in Betreff seiner späteren Handlungen nicht nur vorher anerkannt, sondern auch vor vieler Ohren vorher verkündet worden ist95? Wozu betet aber auch Judas, so dass sogar”sein Gebet zur Sünde wurde“, obwohl doch schon von den Zeiten Davids her vorher verkündigt war, dass er”sein Amt verlieren und ein anderer es an seiner Stelle erhalten würde96"? Da nun Gott unveränderlich ist und das Weltganze vorher erfaßt hat und bei seinen vorher getroffenen Anordnungen verharrt, so erscheint es ohne weiteres als widersinnig, zu beten, wenn man glaubt, man könne durch das Gebet Gottes Entschluß umändern, oder, als ob er nicht schon vorher Bestimmung getroffen hätte, sondern eines jeden Gebet erst abwarte, ihm anzuliegen, dass er um des Gebetes willen das, was dem Betenden angemessen sei, anordne und dann erst das als Vernünftig Erprobte bestimme, während es früher von ihm nicht in Erwägung gezogen worden wäre.
6.
In diesem Zusammenhang mag aber wörtlich das stehen, was du mir durch dein Schreiben zur Beantwortung vorgelegt hast; es heißt dort: „Erstens, wenn Gott die zukünftigen Ereignisse vorher weiß und diese eintreten müssen, dann ist das Gebet zwecklos. Zweitens, wenn alles nach dem Willen Gottes geschieht und seine Beschlüsse festgelegt sind und nichts von dem, was er will, geändert werden kann, dann ist das Gebet zwecklos.“
Zur Widerlegung der Bedenken, die zum Beten lässig machen, halte ich es nun für nützlich, folgendes vorher zu erörtern97.