Читать книгу Schriften vom Gebet - Origenes - Страница 15
ОглавлениеIX
1.
Aus den heiligen Schriften läßt sich das Gesagte auf diese Weise begründen. „Heilige Hände“ muß der Betende „aufheben130“ dadurch, dass er einen „jeden von denen, die sich an ihm vergangen haben, vergibt131“, die leidenschaftliche Erregung aus seiner Seele tilgt und niemandem grollt. Ferner muß man, damit der Geist nicht durch andere Gedanken getrübt wird, alles, was außerhalb des Gebets zu der Zeit liegt, in welcher jemand betet, vergessen. Wie sollte dies nicht der glückselige Zustand sein? So lehrt Paulus, indem er im ersten Brief an Timotheus sagt: „Ich will nun, dass die Männer beten an jedem Ort, heilige Hände aufhebend, frei von Zorn und Bedenklichkeiten132.“ Aber außerdem muß die Frau, zumal die betende, innerlich und äußerlich bescheiden und sittsam sein, indem sie vor allem, besonders auch wenn sie betet, Gott fürchtet, jede zügellose und weibische Erinnerung aus ihrer Vernunft verbannt und geschmückt ist nicht „mit Haargeflecht und Gold oder Perlen oder kostbarem Gewand“, sondern „womit es einer Frau, die sich zur Gottesfurcht bekennt, geschmückt zu sein geziemt133“. Ich wundere mich aber, wenn einer Bedenken tragen sollte, schon infolge einer solchen Beschaffenheit diejenige als glückselig zu bezeichnen, die sich zum Beten so dargestellt hat, wie dies Paulus in demselben Brief mit den Worten lehrt: „Ebenso auch, dass die Frauen, züchtig in Kleidung134, sich schamhaft und besonnen schmücken, nicht mit Haargeflecht und Gold oder Perlen oder kostbarem Gewand, sondern, wie es Frauen, die sich zur Gottesfurcht bekennen, ziemt, durch gute Werke135.“
2.
Der Prophet David aber sagt, dass der Fromme beim Beten auch vieles andere (Gute) habe. Dies ist passend hier anzuführen, damit uns der gewaltige Nutzen klar werde, den, schon an sich betrachtet, die Haltung und Vorbereitung zum Beten dem einbringt, der sich Gott geweiht hat. David sagt also: „Zu dir habe ich meine Augen erhoben, der du in dem Himmel wohnst136“, und „Zu dir habe ich meine Seele erhoben, mein Gott.137“ Denn wenn die „Augen“ des Geistes sich „erheben“, sich von dem Verkehr mit dem Irdischen und der Durchdringung mit allzu weltlichen Vorstellungen entfernen und sich so weit nach oben richten, dass sie sogar über die Schöpfung hinwegsehen und sich einzig darum bemühen, Gott zu betrachten und mit ihm, dem Hörenden, würdig und geziemend Gemeinschaft zu pflegen: wie sollte daraus nicht schon der größte Nutzen für diese selbst erwachsen, [die ihre] „Augen [emporheben“]138, „die mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie im Spiegel schauen“ und „in dieses selbe Bild verwandelt werden von Herrlichkeit zu Herrlichkeit139“? Denn sie nehmen dann teil an einem gewissen geistigen Ausfluß von göttlicher Art, was aus dieser Stelle klar wird: „Es zeigte sich über uns das Licht deines Antlitzes, Herr.140“ Wenn aber die Seele sich emporhebt, dem Geiste folgt und sich vom Körper trennt, und nicht nur dem Geiste folgt, sondern auch in ihm weilt, was aus dieser Stelle erhellt: „Zu dir habe ich meine Seele erhoben141“, wie sollte sie da nicht bereits ihr Wesen als Seele ablegen und geistig werden142?
3.
Wenn aber Vergessen des erlittenen Bösen die größte sittliche Tat ist nach dem Urteil des Propheten Jeremia, der hierin das ganze Gesetz zusammengefaßt wissen will, wenn er sagt: „Nicht dies habe ich euern Väter geboten, als sie aus Ägypten auszogen, sondern dies habe ich geboten: keiner soll dem Nächsten in seinem Herzen Böses nachtragen143“ und wenn wir, vorher des erlittenen Bösen gedenkend, beim Kommen zum Gebet das Gebot des Heilands beobachten, welcher spricht: „Wenn ihr euch zum Gebete stellt, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt144“; so ist es klar, dass, wenn wir uns in solcher (innerlichen) Verfassung zum Beten stellen, wir schon den schönsten Besitz gewonnen haben.