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I. Die Kelten.

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Die alten griechischen schriftsteller wussten wenig von dem westlichen und nördlichen Europa. Herodot erzählt nur, dass der äusserste westen Europa’s von einem volke bewohnt war, welches er Kyneten oder Kynesier nennt, und dass die Kelten in den anstossenden ländern wohnten (Herod. Euterpe cap. 33 und Melpomene cap. 49).A Die brittischen inseln kennt Herodot unter dem namen Kassiteriden, von denen die Phönicier das zinn holten (Herod. Thalia cap. 115). Der autor des dem Aristoteles zugeschriebenen buches „von der welt“ (cap. 3) wusste bereits, dass jenseits der säulen des Hercules in dem ocean zwei grosse inseln Albion1 und Ierne (Erin—Irland), die britannischen genannt, jenseits der Kelten lägen, und in dem orphischen argonautengedicht (edid. Hermann. Lipsiæ 1805. v. 1186) kommt die insel Iernis vor. Dieses ist die älteste kunde von den namen dieser inseln, welche auch von Polybius nicht vermehrt wird, indem er ebenfalls nur die britannischen inseln als die fundorte des zinns bezeichnet. Strabo verbindet die namen der Kassiteriden und britannischen 2 inseln. Ausser den Phöniciern hatten auch die kaufleute von Karthago und Tartessus die zinninseln unter dem namen Oestrymniden kennen gelernt, welche in der nähe von Albion und zwei tagereisen zur see von Ierne lagen. Auch die phocäische colonie Massilia und Narbo in Gallien trieben den zinnhandel über land. Nachdem das zinn, wie Diodorus Siculus berichtet, von seinem fundorte nach der insel Ictis (eine von der Scilly Islands) vor Britannien gebracht und von da nach Gallien hinübergeführt worden war, wurde es auf packpferden in dreissig tagereisen bis nach Narbo und nach Massilia befördert (Diod. Sicul. V, 22. 39). Die Römer konnten trotz der eifrigen nachfrage Scipio’s in Massilia und Narbo nichts näheres über die eigentlichen fundorte des zinnes erfahren. Erst Publius Crassus, wahrscheinlich von Cäsar gegen ende des ersten gallischen feldzugs zur unterwerfung der gallischen stämme am kanal ausgeschickt, entdeckte den weg des zinnhandels. Cäsar’s übergang nach Britannien im jahre 60 v. Chr. lüftete den schleier gänzlich. Seine berichte (de bello Gall. V, 13) über die britannischen inseln erwähnen bereits das um die hälfte kleinere Irland unter dem namen Hibernia und eine zwischen diesem und Britannien (medio cursu) liegende kleinere insel Mona, so wie mehrere nördlich gelegene kleine inseln.

Nach Cäsar waren die bewohner des innern von Britannien die ureinwohner3 der insel und keltischen stammes, während die küsten mit belgischen colonien, welche den namen ihrer mutterstämme auf dem festlande führten,4 besetzt waren. Die belgischen einwanderer, wahrscheinlich ebenfalls von keltischer5 abkunft, besassen gebäude nach sitte der Gallier, bedienten sich abgewogener stücke erzes als geld, trieben ackerbau und viehzucht und waren weit gebildeter als die brittischen ureinwohner, welche von milch und fleisch lebten, sich tätowirten und in thierhäute kleideten. Von jenen Belgen besassen wiederum die bewohner von Cantium (Kent) die meiste bildung.6 Diodorus Siculus (V, 22) berichtet, dass auch die bewohner des belerischen Vorgebirges (The Land’s End, Cornwall) wegen des grossen, durch den zinnhandel entstandenen Verkehrs mit fremden feinere sitten hatten.

Die von Cäsar besiegten Britten bemühten sich bald um die freundschaft ihrer sieger und unterhielten einen lebhaften verkehr mit Rom unter Augustus und Tiberius. Während der regierung des letzteren hatte in Britannien Cunobelinus die grösste gewalt, welcher unter dem namen Cymbeline gegenstand der muse Shakespeare’s geworden ist. Nach Cunobelin’s tode entstanden innere unruhen in Britannien, welche den Römern eine erwünschte gelegenheit gaben, das land zur provinz zu machen. Der kaiser Claudius sandte im jahre 43 n. Chr. zuerst den Aulus Plautius nach Britannien, worauf er sich selbst dorthin begab, die söhne des Cunobelinus besiegte, deren hauptstadt Camulodunum (Colchester) in Essex einnahm und die herrschaft der Römer im südosten von England befestigte. Vespasian fügte den südwesten der römischen provinz zu, welche der Proprætor Ostorius Scapula mit einer reihe von befestigten lägern oder forts vom Avon zum Severn beschützte. Derselbe befestigte Camulodunum und machte es zum hauptquartier der Römer; die stadt wurde als colonia mit öffentlichen gebäuden und einem tempel des Claudius geschmückt, das eroberte land in ihrer nähe aber unter die veteranen der legionen vertheilt. Nach mannigfachen blutigen kämpfen mit den gegen das römische joch anstrebenden Britten, in denen einerseits der sitz der druidischen macht auf der insel Mona (Anglesea) von Suetonius Paullinus zerstört, und andererseits Camulodunum und der emporstrebende handelsort Londinium von den eingeborenen unter ihrer anführerin Boadicea verwüstet und geplündert wurden, gelang es endlich dem römischen führer Agricola, welcher eine menge castella in Britannien angelegt und im jahre 81 eine anzahl forts quer über die insel von der mündung des Clyde bis zum Forth gezogen hatte, ganz Britannien im jahre 84 unter die herrschaft der Römer zu bringen. Dieser tapfere general, dessen flotte ganz Britannien umschiffte und die Orkneys besuchte, machte sogar einen einfall in Irland.7

Nunmehr hatten die verschiedenen keltischen stämme in Britannien, denn brittisches volk kann man wohl nicht sagen, ihre unabhängigkeit zum grössten theil auf immer verloren. Ihre nationalität war damit gebrochen und wurde noch mehr geschwächt, als die neuen herrscher ihr provinzielles verwaltungssystem auf die neue eroberung übertrugen, das land mit legionen und hilfstruppen überzogen und befestigte städte bauten; aus den wilden, aber freien Britten wurden römische unterthanen und leibeigene. Zwar zählt noch Ptolemäus in seiner geographie eine menge keltischer stämme in Britannien zugleich mit ihren wohnsitzen8 auf, allein ihre namen verschwinden nach und nach. Nur diejenigen Kelten, welche in den gebirgen von Wales, oder von Schottland hausten, behielten noch lange ihre wildheit und zum theil ihre unabhängigkeit, indem sie sich auf das, wenn auch von den Römern angegriffene, aber nicht unterworfene Irland und dessen stammverwandte bewohner stützen konnten.

Die sprache der alten Britannier zu jener zeit, als die Römer ihre siegreichen adler von Gallien aus nach Britannien trugen, war ein zweig des alten Keltischen,9 welches im ganzen westlichen Europa gesprochen wurde, gegenwärtig aber nur noch in Wales, in den hochlanden und auf den inseln von Schottland, in Irland und auf der insel Man unter dem namen des Welschen,10 Gælischen,11 Ersischen12 und Mankschen13 lebt, auf dem festlande aber sich noch in dürftigen trümmern in der Bretagne14 und vielleicht am biskayischen15 meerbusen erhalten hat.

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Das heutige Englisch hat von jener einst so weitverbreiteten und in Britannien ausschliesslich gesprochenen sprache ausser einer beträchtlichen anzahl eigener namen zur bezeichnung von orten, bergen und flüssen nur sehr wenige wörter (flannel, mattock, plaid, tartan, gyve, tackle, bran etc.) und die meisten derselben erst in neuerer zeit angenommen. Schriftliche denkmale der alten keltischen zeit existiren nicht mehr. Die Druiden, deren vernichtung die Römer eifrig betrieben, da sie in ihnen die erhalter der keltischen nationalität sahen und fürchteten, hielten es nach Cäsar’s erzählung für unziemlich, ihre lehren der schrift zu übergeben und überlieferten dieselben, so wie die volksmythen und volkspoesien nur mündlich (Cæs. de bell. Gall. VI, 14). Die brittischen münzen, deren mehrere erhalten sind, waren nachahmungen der römischen und enthalten nur römische schriftzeichen.

II. Die Römer.16

Das römische Britannien stand bald in eben so lebhaftem verkehr mit Rom und den provinzen des weltreichs, als Gallien, wozu Britannien der verwaltung nach lange zeit gerechnet wurde. Die triumphe der römischen heerführer und imperatoren über Britannien wurden als siege über die bewohner der enden der erde zu Rom nicht minder durch glänzende aufzüge als durch lobreden der ersten geister Rom’s gefeiert. Auch die genüsse und herrlichkeiten, welche Britannien bot, wurden dabei nicht übersehen. Juvenal besingt die brittischen austern aus Rutupiæ (Richborough):

Rutopinove edita fundo ostrea,

und schildert die wallfische der brittischen gewässer:

Quanto delphinis balæna britannica major.

Martial schrieb ein epigramm auf die zierliche gestalt (decus formae) einer schönen Brittin, welche er Claudia Rufina nennt.

Dafür trug aber auch Rom seine cultur, der Gallien schon in so hohem masse theilhaftig geworden war, nach Britannien. Martial brüstet sich:

Dicitur et nostros cantare Britannia versus;

und Juvenal feiert die ausbreitung der klassischen gelehrsamkeit und redekunst von Gallien aus nach Britannien:

Nunc totus Graias nostrasque habet orbis Athenas:

Gallia causidicos docuit facunda Britannos;

De conducendo loquitur jam rhetore Thule.

Die römischen legionen und zuströmenden bewohner aus allen gegenden des römischen weltreiches veränderten auch das äussere aussehen des landes; überall entstanden aus den stehenden lägern und in der nähe der römischen forts örter und städte, welche durch ein umfassendes strassensystem mit einander verbunden waren; tempel und altäre, villen, säulenhallen, bäder, kostbares mosaik und alle andern schöpfungen der römischen baukunst fanden sich in Britannien. Schon Tacitus spricht von London als einem grossen handelsorte, und Ptolemäus erwähnt eine menge römisch-brittischer städte, darunter Rutupiæ (Richborough) als hauptlandungspunkt vom festlande aus, Darvernum oder Durovernum (Canterbury), Venta (Winchester), Aquæ calidæ (Bath), Ischalis (Ilchester), Durnovaria (Dorchester), Saliva (Silchester), Corinium (Cirencester), Camulodunum (Colchester), Verulamium (St. Albans), Lindum (Lincoln), Ratæ (Leicester), Eburacum (York), Isurium (Aldborough), Caturactonium (Catteric), Olicana (Ilkley), Epiacum (Lanchester), Vinnovium (Binchester), Deva (Chester), Viroconium (Wroxeter) u. s. w. Allein im norden zählt Ptolemäus mehr als zwanzig grössere städte auf.

Dass die Römer Britannien als völlig unterworfen betrachteten, geht auch daraus hervor, dass sie mehrere legionen als überflüssig allmälig aus dem lande zogen und nur noch vier, die II., VI., IX. und XX. als genügende besatzung darin stehen liessen. Von diesen stand die II. zu Isca (Cærleon) und die XX. zu Deva (Chester), um die bergbewohner von Wales, Cumberland und Westmoreland im zaume zu halten und das land vor den raubzügen der irischen seeräuber zu schützen, welche im Severn und Dee zu landen pflegten. Die VI. legion stand zu Eburacum (York), um die nördlichen gebirgsbewohner zurückzuscheuchen, wo sich auch die IX. wahrscheinlich in kleineren grenzforts zerstreut befand, denn der norden von Britannien bis an den caledonischen wald war dicht mit forts und militärischen posten besetzt. Im süden befanden sich dagegen in der ersten zeit der römischen herrschaft nur geringere mannschaften zerstreut.

Während sich die Römer so in den fruchtbaren niederungen des südlichen und östlichen England’s ausbreiteten und befestigten, wurden die schwer zugänglichen gebirge im westen und norden die natürlichen festen der alten aus ihren früheren besitzungen verjagten Kelten, welche sich zunächst von der Sylva Caledonica17 im norden unter dem namen Caledonier den römischen besitzungen so furchtbar und bekannt machten, dass der gesammten alten keltischen und unabhängigen gebirgsbevölkerung Britanniens der name Caledonier zu theil wurde. Als der kaiser Hadrian im jahre 120 persönlich nach Britannien kam, war es seine hauptsorge, diese Caledonier zurückzutreiben und zu ihrer abwehr quer über die insel eine 70 englische meilen lange, ununterbrochene, massive mauer vom Solway bis zum Tyne (von Carlisle bis Newcastle, oder genauer von Bowness am Solway Firth bis Wall’s End am Tyne) aufzuführen, welche auf der südlichen seite durch einen erdwall und tiefen graben vermehrte sicherheit erhielt und ausserdem noch von 23 stationsplätzen mit dazwischen liegenden forts und wachtthürmen geschützt wurde. Unter dem nachfolger Hadrian’s, dem kaiser Antoninus Pius, trieb der proprätor Lollius Urbicus die Caledonier noch weiter zurück und führte eine neue befestigungslinie mit forts und thürmen weiter nach norden quer über das land vom Forth bis zum Clyde, indem er dabei alte, schon von Agricola angelegte befestigungen benützte. Die verbindung der forts war durch einen ununterbrochenen erdwall hergestellt, welcher zu ehren des kaisers den namen Antonin’s wall erhielt. Gegenwärtig heisst dieser wall Graham’s Dike, und die mauer Hadrian’s18 ist unter dem namen Pictenmauer bekannt.

Es wurden jetzt auch in Britannien die vorboten des nahenden verfalles der römerherrschaft in dem streite um den besitz des kaiserthrones sichtbar. Auch die britannischen heerführer nahmen mit den in Britannien befindlichen legionen daran theil. Pertinax war kurze zeit kaiser, und Albinus wurde erst nach schwerem kampfe im jahre 197 von Severus bei Lyon besiegt und getödtet. Während dieser kämpfe, durch welche die aufmerksamkeit der römischen soldaten nach süden gelenkt wurde, erneuerten die Caledonier ihre einfälle. Zu gleicher zeit tritt an der nördlichen ostküste England’s, unmittelbar nördlich von dem Antonin’s walle ein neues streitbares volk gegen die Römer auf, welches von Dio Cassius Mäaten genannt wird, deren rückzug der nach Albinus tode von Severus zum proprätor ernannte Virius Lupus nur mit golde erkaufen konnte. Die plötzliche erscheinung dieser Mäaten zwischen den jenseits derselben hausenden Caledoniern und den Römern hat zu der annahme veranlassung gegeben, dass sie ein über das meer gekommener skandinavischer stamm gewesen seien. Sicheres ist nicht aufzufinden, indem ihr name bald wieder verschwindet. Als Virius Lupus nach einigen jahren dem erneuten andrängen der nördlichen feinde keinen erfolgreichen widerstand leisten konnte, eilte der kaiser Severus im jahre 208 nebst seinen beiden söhnen Geta und Caracalla durch Gallien mit einem grossen heere nach Britannien und drang im folgenden jahre nach Herodian’s bericht unter unsäglichen beschwerden und ununterbrochenen kämpfen durch gebirge, wälder und sümpfe bis an die nördlichste küste Britannien’s vor, durch welchen zug es zum ersten mal über allen zweifei erhoben wurde, dass Britannien eine insel sei. Gegen ende des Jahres 209 kehrte Severus nach Eburacum (York) zurück, wo er am 4. februar 211 starb.

In den folgenden jahren der schwäche des römischen reiches zeigte sich bei den befehlshabern in Britannien die neigung, sich unabhängig zu machen, welches auch dem Carausius unter der regierung des Diocletian gelang. Unterdessen ging eine grosse veränderung im norden vor. Man nimmt nach einer späteren, zu Beda’s zeit bekannten Überlieferung an, dass einwanderer aus Irland unter einem führer, welcher Reuda genannt wird, in das westliche Schottland drangen und die grundlage desjenigen Volkes wurden, das später dem ganzen norden von Britannien den namen Schottland gab. Die alten Caledonier und die jüngeren Mäaten verschwinden von dem geschichtlichen schauplatz, und an ihre stelle treten die Picten19 und Scoten nebst einem neuen stamme, den Attacotten, deren wildheit bald gefürchtet wurde. In diese zeit fallen auch die ersten streif- und raubzüge der germanischen und scandinavischen seefahrer nach den östlichen und südöstlichen küsten Britannien’s. Um diesen einfällen zu begegnen, wurde eine reihe forts an den südöstlichen küsten errichtet und zu Gessoriacum (Boulogne) in Gallien, ferner in den häfen des heutigen Kent, Sussex und Hampshire eine bewaffnete flotte unterhalten. Ein Bataver aus dem stamme der Menapier, Carausius, schwang sich zum oberbefehlshaber der flotte auf und errang viele siege über die seeräuber. Durch seine erfolge kühn gemacht, verband er sich mit den deutschen stämmen auf der Britannien zunächst liegenden nordküste des festlandes, bemächtigte sich Gessoriacum’s, des schlüsseis zur überfahrt nach Britannien, und machte sich zum mitkaiser Diocletian’s und Maximian’s, welche würde und macht er während eines zeitraumes von sieben jahren 287 bis 293 zu behaupten verstand, indem er zugleich die seeräuber und die Scoten von den grenzen zurückhielt. Seine macht endete mit seinem tode, den er von der hand des Allectus erhielt, welcher sich bis 296 als herrscher behauptete, in welchem Jahre Constantius seine truppen schlug, und Allectus in der schlacht das leben verlor. Constantius selbst starb 306 zu York, der römischen hauptstadt von Nordbritannien, worauf sein sohn Constantin der grosse noch bis 312 in Britannien blieb, ehe er alleinherrscher der römischen welt wurde. Die folgenden inneren kriege um den römischen thron entblössten Britannien von truppen, weshalb die Picten und Scoten ihre raubzüge in den süden des landes erneuerten. Sie wurden von dem magister armorum Lupicinus mit in der eile zusammengerafften Herulern, Mösiern und Batavern vertrieben, wonach das land einige zeit der ruhe genossen zu haben scheint.

Unter Julian’s regierung mögen die stürme der nördlichen feinde, so wie die einfälle der Dänen und Sachsen zur see von neuem begonnen haben, denn bald nach der thronbesteigung des Jovian ist Britannien von allen seiten bedrängt, ohne dass bis in die zeit seines nachfolgers Valentinian irgend ein erfolgreicher widerstand geleistet worden wäre. Valentinian überliess seinem bruder Valens die regierung des ostens und verwendete seine eigene ganze kraft auf die erhaltung des westens. Im jahre 368 erhielt er auf dem wege von Amiens nach Trier die nachricht von einem neuen und furchtbaren einfalle der barbaren, welche den befehlshaber der seeküste (bereits litus saxonicum genannt) Nectaridus besiegt und erschlagen und den befehlshaber des nördlichen Englands, Fullofaudes, in einen hinterhalt gelockt und getödtet hatten. In dieser grossen noth wurde Theodosius nach Britannien geschickt, welcher die feinde mit der plünderung der gegend um London beschäftigt fand. Es gelang ihm, die raubscharen zu verjagen und ihnen die beute zum theil wieder abzunehmen. Aus seiner proklamation, wonach denjenigen, welche zu ihrer pflicht zurückkehren würden, verzeihung zu theil werden sollte, worauf auch eine grosse anzahl von den räuberischen horden abfiel, geht deutlich hervor, dass die unterjochte eingeborene (keltische?) bevölkerung gemeinsame sache mit den fremden machte. Nachdem Theodosius die ankunft des Civilis, eines neuen civilgouverneurs von Britannien, und des Dulcitius mit hilfstruppen, unter denen sich auch ein haufe Deutscher (numerus Allemannorum) mit ihrem „rex“ Fraomarius befand, in London abgewartet hatte, begann er seinen feldzug gegen norden und endigte ihn so glücklich, dass er den Picten und Scoten sogar den theil des landes zwischen der mauer Hadrian’s und dem walle Antonin’s, welchen sie in vollem besitze hatten, wieder abnahm und die sehr beschädigten städte und forts zur abhaltung der barbaren wiederherstellen konnte. Mit dem danke der friedlichen einwohner und dem wegen der besiegung der germanischen seeräuber erhaltenen beinamen Saxonicus (Pacatus Paneg. Theod.) verliess Theodosius die insel, nachdem er zuvor die ehrgeizigen pläne des Valentinus und Frontinus durchkreuzte; sie waren wegen politischer intriguen nach Britannien verbannt worden und setzten dieselben hier fort, indem sie eine verschwörung anstifteten, welche die losreissung Britannien’s von der römischen herrschaft bezweckte.

Als der sohn des Theodosius, von Gratian zum nachfolger auserlesen, die kaiserliche würde annahm, empörte sich im jahre 383 Maximus, ein geborener Spanier, mit dem heere in Britannien und machte sich zum gegenkaiser. Dieser aufstand war in so weit glücklich, als Maximus nach seiner landung an der mündung des Rheins auch von den legionen in Germanien als kaiser begrüsst wurde. Theodosius sah sich genöthigt, dem neuen kaiser die provinzen Spanien, Gallien und Britannien zu überlassen, womit dieser sich aber nicht begnügte, sondern im günstigen Augenblicke über die Alpen ging und in Italien einfiel, wo er aber, von Theodosius besiegt, die krone mit dem leben verlor. Nach dem siege über Maximus begab sich Theodosius nach Gallien und schickte den Chrysanthus als statthalter nach Britannien, welcher dort die ruhe wiederherstellte. Der zug des Maximus ist von den alten geschichtsschreibern, besonders von Geoffrey von Monmouth (V, 14) zur einführung mancher fabeln in die englische geschichte benützt worden. Britannien, sagen sie, soll durch Maximus so von aller waffenfähigen mannschaft entblösst worden sein, dass es nicht mehr im stande gewesen, sich gegen die einfälle der barbaren zu schützen; ferner sollen die brittischen scharen, welche dem Maximus nach Gallien folgten, nach dessen niederlage sich in Armorica niedergelassen und diesem lande den namen Bretagne oder Kleinbritannien gegeben haben, worauf man die 11000 Jungfrauen, deren gebeine der stadt Cöln zugefallen seien, aus Britannien nach der Bretagne geschickt habe, um jenen scharen als weiber zu dienen. Aus der notitia imperii, welche um diese zeit entstanden ist, geht indessen hervor, dass zwar die XX. legion, welche lange zu Deva (Chester) gestanden hatte, gänzlich aus Britannien herausgezogen war, dass aber zwei legionen mit zahlreichen hilfstruppen immer noch zum schutze Britannien’s dienten und zwar dieselben, welche immer in diesem lande gestanden hatten: die VI. legion in ihrem alten hauptquartier zu Eburacum (York), und die II. legion, welche aber von Isca nach Rutupiae an die südöstliche küste verlegt worden war, entweder um die einfälle der Sachsen abzuwehren, oder um die Verbindung mit Gallien zu unterhalten. Dabei waren die südöstlichen und östlichen küsten stark befestigt und mehrere neue forts errichtet worden.

Im anfange des fünften Jahrhunderts empörten sich die soldaten in Britannien und machten einen gewissen Marcus und bald darauf den Gratian, einen britannischen stadtbürger,20 zum kaiser, welcher jedoch nach vier monaten von ihnen wieder erschlagen wurde. Hierauf folgte ein gemeiner soldat, der wegen seines namens Constantinus zum kaiser gewählt wurde. Dieser hielt sich einige zeit, wurde auch in Gallien, wo er die hereinbrechenden Deutschen schlug, als kaiser des abendreiches begrüsst und bekam auch Spanien in seine gewalt. Einige jahre später, als der kaiser Honorius durch den tod Alarich’s im jahre 411 von diesem furchtbaren feinde befreit war, sandte er Constantius mit einer grossen armee gegen Constantinus, welcher in Arles eingeschlossen, zur übergabe gezwungen und später in Ravenna getödtet wurde. Der sieg des Constantius war weder im stande, das in seinen grundfesten erschütterte reich zu halten, noch Spanien, Gallien und Britannien zu beruhigen. Diese provinzen unterwarfen sich der römischen herrschaft nicht mehr, sondern erwehrten sich ihrer feinde, so gut sie konnten.

Während Constantinus in Gallien kriegte, hatten die brittischen städte im jahre 409 die unmächtigen kaiserlichen regierungsbeamten21 abgesetzt, die plündernden Sachsen mit den waffen in der hand vertrieben, und waren von Honorius, welcher in Italien von den Gothen geängstigt wurde, im jahre 410 sogar aufgefordert worden, sich selbst zu beschützen,22 denn die römischen legionen, welche ununterbrochen fast fünfhundert jahre lang in Britannien geherrscht hatten, waren von Constantinus nach Gallien geführt worden und kehrten nicht mehr zurück, da der abendländische kaiser zu grosse mühe hatte, Italien vor den anstürmenden barbaren zu beschützen, um eine entfernte und an den grenzen durch fortwährende einfälle unermüdlicher feinde bedrohte provinz zu vertheidigen: Britannien ward sich selbst überlassen.

Durch die römerherrschaft war Britannien der civilisation gewonnen worden. Das land befand sich während derselben in einem blühenden zustande, war in allen theilen mit schön gebauten Städten bedeckt und mit einem netz gut angelegter strassen überzogen, wovon das grosse Itinerarium23 des römischen reiches, welches unter dem namen des Antoninus Augustus bekannt ist und wahrscheinlich aus dem jahre 320 herrührt, so wie ein anderes Itinerarium zeugniss ablegt, welches Richard von Cirencester, ein mönch des vierzehnten jahrhunderts, aus einem alten wegebuche oder einer alten karte entnommen haben soll.24 Die vielen römischen alterthümer, strassen, brücken, wasserleitungen, tempel, villen, thürme, wohngebäude, altäre, votivtafeln, gräber, waffen, schmucksachen und andere gegenstände des täglichen lebens wie der kunst, welche in späterer zeit über ganz England zerstreut gefunden worden sind, liefern den unumstösslichen culturhistorischen beweis von Britannien’s blüthe unter den Römern.25

Wenn man aber von Römern in den provinzen des grossen weltreichs spricht, so darf man während der kaiserzeit bei diesem worte nur noch selten an die bewohner Rom’s denken. Die ältesten römischen colonisten in den eroberten ländern bestanden freilich meist aus römischen bürgern und soldaten, welche ihre zeit ausgedient hatten, oder nicht länger zu dienen im stande waren, und für geleistete kriegsdienste durch landschenkungen belohnt werden sollten. Sie überkamen mit dem lande, das ihnen gegeben ward, zugleich die pflicht, die neue stadt und ihr gebiet zu schützen. In dieser weise ward Camulodunum (Colchester) gegründet, wie wir aus Tacitus erfahren. Als sich die herrschaft der römer ausdehnte, wurden den römischen legionen zahlreiche hilfstruppen beigegeben, welche aus der jungen mannschaft der unterjochten provinzen ausgehoben waren. So stand nach der Notitia imperii die 26. cohorte der Britten in Armenien, die 4. Ala der Britten kämpfte in Egypten, ein haufen Britten hatte sein standquartier in Spanien, ein anderer in Illyrien; andere brittische hilfstruppen standen in Gallien, Italien und anderen theilen des römischen reiches. In Britannien dagegen befanden sich fremde krieger, unter andern auch eine afrikanische legion, zu welcher auch schwarze Aethiopier gehörten. Aus solchen hilfstruppen entstanden zuweilen colonien in fremden ländern, wodurch die Römer nicht nur eine stütze ihrer herrschaft zu errichten, sondern auch eine allmälige assimilirung der verschiedenartigen bevölkerung ihres reiches zu erzielen suchten. Cicero nennt nicht mit unrecht die römischen colonien propugnacula imperii. Indessen verlor Rom durch diesen auflösungsprocess der nationalität fremder völker zugleich seine eigene. Männer aus stämmen und völkern, welche das alte Rom einst unter seine füsse getreten hatte, erhoben sich zu befehlshabern in den armeen, zu senatoren, stiegen sogar auf den kaiserlichen thron!

In Britannien befanden sich nun besatzungen aus einer grossen anzahl fremder stämme, deren physiognomie und sprache eine auffallende verschiedenheit gezeigt haben muss. In der römischen sprache lag ihr hauptverbindungsmittel. Die notitia imperii giebt eine liste von den besatzungen der südöstlichen und östlichen küsten, welche den einfällen der Sachsen, so wie der nördlichen grenzen Britannien’s, welche den raubzügen der Picten und Scoten unterworfen waren. So standen z. b. zu Othona (später Yttanceaster in Essex) Fortensier aus Fortia in Sarmatien, zu Dubrae (Dover) Tungrier26 aus Tongern im Lüttichschen, zu Portus Lemanis (Lymne) Gallier aus Tornacum oder Tournay, zu Anderida (Pevensey) Abulcen aus Spanien, zu Regulbium (Reculver) Betasier aus dem belgischen Gallien, u. s. w. An der nordgrenze waren die racen in den besatzungen noch gemischter; es finden sich darunter Belgier, Asturier, Gallier, Dalmatier, Dacier, Thracier und sogar Afrikaner. Unter den besatzungen im inneren des landes kommen besonders Bataver, Friesen, Germanen vom Rhein, aber auch andere stämme vor. Diese besatzungen wurden wenig gewechselt; inschriften auf altären und grabsteinen, welche an den stationsplätzen gefunden worden sind, zeigen uns, dass die truppen von einer frühen zeit der römischen eroberung dort gleichsam ansässig waren, denn es finden sich denkmäler, welche von dem oder den erben des oder der verstorbenen gesetzt worden sind, ein beweis, dass die militairischen colonisten eigenthümer des landes waren. Da nun solche besatzungen ohne zweifel mit ihrem mutterlande in verbindung standen und erforderlichen falles recruten von dort bezogen, so mussten die städte, wo sie sich aufhielten, einen bestimmten volkscharakter erhalten, obwohl mit der zeit modificirt durch römische civilisation, römisches gesetz, römische verfassung und durch den offiziellen gebrauch der römischen sprache, in welcher die muttersprache allmälig aufging, jedoch nicht ohne wiederum jene wesentlich nach aussprache, beugungsfähigkeit und satzbildung zu verändern. Dieses letztere geschah überall, we die Römer eine längere, ununterbrochene herrschaft ausübten, besonders aber in Italien, Gallien und Spanien, we die römische sprache sich im laufe der zeit in die verschiedenen romanischen mundarten umwandelte, welche allmälig auch als schriftsprachen benützt wurden. Wie weit dieses in Britannien der fall war, welches, bei seiner insularen abgeschlossenheit weiter von Rom entfernt war und später den römischen eroberungen beigefügt wurde, als die übrigen provinzen, lässt sich nicht mehr mit sicherheit bestimmen; aus dem umstande aber, dass die germanischen eroberer die römische cultur theilweise, und die römische sprache als volkssprache gänzlich verdrängten, während in Italien, Gallien und Spanien wenigstens letztere stark genug war, um die sprache ihrer germanischen sieger zu verwischen, lässt sich schliessen, dass das römische Sprachelement in Britannien mindere gewalt und tiefe besessen habe und namentlich in der letzten zeit der Römerherrschaft bedeutend geschwächt und von dem germanischen an mehreren orten verdrängt oder angegriffen worden sei. Aus dem heutigen Englisch lassen sich nur die worte Chester (cester), street und coln (Lin-coln) mit sicherheit auf die Zeit der Römerherrschaft, nämlich, auf die Wörter castrum, strata (via), colonia zurückführen.

Die keltische bevölkerung Britannien’s war ohne zweifel während der Römerzeit in die tiefste abhängigkeit und unterthänigkeit herabgedrückt worden. Ihre waffenfähige mannschaft wurde ausgehoben und in andere theile des grossen reiches geschickt, um die schlachten der Römer zu schlagen und ihre herrschaft an den entgegengesetzten grenzen befestigen zu helfen. In den städten mit römischen besatzungen konnte eine keltische bevölkerung nicht aufkommen, daher es mehr als wahrscheinlich ist, dass besonders im osten und südosten von Britannien Kelten und keltische sprache nur noch auf dem lande aufgefunden wurden, während sich im westen und norden die wilden keltischen bewohner zusammendrängten und im fortwährenden kampfe mit den Römern und ihren von diesen unterjochten stammesgenossen befanden. Dort, besonders im westen, war es auch, wo sich bei den Kelten nach wahrscheinlich von der Bretagne aus erfolgter einführung christlicher gesittung die ersten spuren von staatenbildung und eigener cultur zeigten, welche seit der vernichtung der Druiden unter fortwährenden kämpfen und plünderungszügen verschwunden war. Dort entstand, auf alte überlieferungen gegründet, zuerst wieder eine eigene keltische literatur, welche sich zum theil bis in die neueste zeit erhalten hat.

III. Die Germanen.27

Die zeit, welche dem aufgeben der römischen provinz folgte, und in welche die aufrichtung der angelsächsischen herrschaft fällt, ist in grosse dunkelheit gehüllt, die nur durch spärliche lichter von zeit zu zeit vorübergehend erhellt wird. Die brittischen städte waren bei ihrer der römischen nachgebildeten verfassung eben so viele kleine, für sich bestehende staaten, welche sich selbst verwalteten und regierten28, während die nunmehr abgesetzte römische provincialverwaltung nur für die erhebung der steuern, eine geordnete rechtspflege und das allgemeine beste der provinz sorgte, und die ebenfalls verschwundene römische militairherrschaft dieselbe gegen äussere feinde beschützte und im innern zusammenhielt. Die romanisirte einwohnerschaft der städte hatte sich im laufe der jahre aus sich selbst und besonders durch neue ankömmlinge von dem festlande verstärkt. In den letzten jahren der römischen herrschaft war dieser zuschuss neuer einwohner der städte hauptsächlich aus Deutschland geflossen, so dass deutsches blut in den adern eines starken bruchtheiles der städtebevölkerung strömte, als Honorius die civitates Britanniae sich selbst überliess. Schon seit einem Jahrhundert hatten die bewohner der nördlichen küsten Deutschlands, welche man unter dem namen Sachsen begriff, wahrscheinlich auch die verwandten stamme der anstossenden jütischen halbinsel raub- und beutezüge nach den zunächst liegenden küsten Britannien’s unternommen, welche endlich zu bleibenden niederlassungen auf jenem theile der östlichen küste führten, welcher schon zu den zeiten der Römer litus saxonicum hiess und mit diesem namen auf eine sächsische bevölkerung schliessen lässt. Nach neuen einwanderungen dehnte sich auch die germanische bevölkerung von osten nach westen weiter aus und drang, sei es auf feindlichem, oder auf friedlichem wege, in die römischen städte, wo sie sich mit den romanisirten einwohnern vermischte. Dieses zusammenleben der Romanen und Germanen in manchen städten lässt sich z. b. dadurch beweisen, dass zu Canterbury, Colchester, Rochester und an ändern orten römische und sächsische gräber untermischt auf dem nämlichen beerdigungsplatze gefunden worden sind. Kurz, es erscheint sicher, dass die germanische bevölkerung im südosten der ehemaligen römischen provinz bereits das übergewicht gewonnen hatte, ehe die grossen einwanderungen der Sachsen und Angeln in späterer zeit statt fanden, und dass sie es war, welche nach dem wegzuge der römischen legionen dem weiteren vordringen und ferneren verwüstungen der Picten und Scoten im norden, und der Cymren und Cornen im westen England’s einen damm entgegenstellte.

Diese Picten und Scoten, so wie die mit den wilden Iren verbundenen Kelten im westen Britannien’s hatten zu der zeit des untergangs der römischen herrschaft und in der zunächst darauf folgenden ihre einfälle mit solchem glücke wiederholt, dass nur wenige städte im norden Britannien’s ihre zerstörungs- und plünderungswuth nicht erfahren hatten; ebenso waren sämmtliche städte an der grenze von Wales nördlich von Gloucester noch vor der massenweisen ankunft der Sachsen zerstört worden. Die furcht vor den anstürmenden barbarenhorden erklärt es, dass die mannhaften und krieggeübten Germanen von den noch verschonten römischen städten im süden und osten nicht mehr als feinde betrachtet, sondern als befreier und beschützer begrüsst wurden, obwohl die städte diesen schutz mit dem opfer ihrer unabhängigkeit und zum grossen theil mit dem Verluste römischer bildung bezahlen mussten.

Nur ein einziger beinahe gleichzeitiger schriftsteller enthält eine nachricht von dem übergange Britaimien’s in die hände der Sachsen; es findet sich dieselbe in der ungefähr um das jahr 455 geschriebenen chronik des Prosper von Aquitanien, welcher erzählt, dass im achtzehnten jahre der regierung des kaisers Theodosius des jüngeren (441) Britannien nach vielen kämpfen und ereignissen (variis cladibus eventibusque) in die gewalt der Sachsen gekommen sei. Spätere Schriftsteller geben einen anderen bericht. Nach der mit vielen fabeln vermischten erzählung des Gildas soll Maximus nicht bloss die römischen truppen, sondern auch alle waffenfähigen eingeborenen aus Britannien geführt haben, so dass das land in einem zustande gänzlicher hilflosigkeit den raubzügen der Picten und Scoten preis gegeben gewesen sei. In dieser noth hätten die bedrängten einwohner von Britannien sich nach Rom gewendet und um hilfe gebeten, welche ihnen auch durch eine hingesandte legion zu theil geworden sei. Ehe diese legion Britannien wieder verlassen habe, seien die Britten bei der errichtung eines erdwalles (des Antonin’s walles) quer über das land als einer schutzwehr gegen die barbaren von den römischen soldaten unterstützt worden. Kaum aber hatten die Römer die insel verlassen, fährt Gildas fort, als auch die nördlichen feinde den wall wieder überstiegen und ihre plünderzüge von neuem begannen. Noch einmal liessen sich die Römer durch das flehen der Britten bewegen, hilfe zu senden. Die römischen Soldaten bauten nach dem siege über die barbaren eine steinerne mauer (Hadrian’s) von see zu see und errichteten längs der südöstlichen küste mehrere forts. Nach der entfernung der Römer überstiegen die barbaren auch diese maner, zerstörten die städte und mordeten die einwohner. In ihrer verzweiflung wendeten sich die Britten zum dritten male nach Rom, allein vergeblich, da Rom keine legionen mehr zu versenden hatte, und die Britten blieben den raub- und mordzügen der barbaren und der hungersnoth ausgesetzt. Nachdem die Britten sich von diesen leiden einigermassen erholt hatten, machten sie sich könige, welche im lande mit grausamkeit herrschten. Endlich fielen die Picten und Scoten nochmals in das land, und jetzt riefen die Britten unter ihrem tyrannen Gurthrigern (Vortiger) die Sachsen zu hilfe. Diese kamen und vertrieben die Picten und Scoten, wurden aber hierauf selbst schlimmere tyrannen, als die verjagten barbaren, weshalb die Britten unter Ambrosius Aurelianus „dem einzig übriggebliebenen Römer“ gegen die Sachsen aufstanden. Die Sachsen blieben jedoch nach einem langen kampfe sieger.29 So Gildas. Beda in seiner kirchengeschichte hat sich der erzählung des Gildas angeschlossen, fügt jedoch einzelnes aus der üerlieferung und vorhandenen quellen hinzu. Er berichtet, dass die germanischen einwanderer unter Hengist und Horsa im jahre 449 ankamen, und dass ihnen die halbinsel Thanet zur niederlassung überwiesen wurde. Bald darauf veranlassten die ersten ankömmlinge ihre freunde und stammverwandten zur nachfolge. Diese kamen: Jüten,30 Sachsen und Angeln. Die Jüten liessen sich in Kent und auf der insel Wight, die Sachsen in Wessex, Essex, Middlesex und Sussex, die Angeln in Ostangeln, Mittelangeln oder Mercia und im ganzen norden nieder.

Dass nach der erzählung Beda’s die einwanderung der Sachsen im süden vor der besetzung des nordens durch Angeln genannt wird, mag seinen grund darin haben, dass Beda seine geschichte gerade auf die kentischen überlieferungen gründete. Es ist aber, wie schon angeführt, weit wahrscheinlicher, dass die nördlicheren theile Britannien’s schon früher von Germanen besetzt wurden; denn als die Angeln zuerst in der englischen geschichte auftreten, befinden sie sich schon längst im ungestörten besitze alles landes zwischen dem Humber und dem Antonin’s wall, welches in zwei königreiche, Bernicia und Deira, getheilt war. Die Angeln mochten von denjenigen nördlichen städten, welche noch nicht von den Picten und Scoten zerstört waren, in den letzten zeiten der römischen schwäche zu ihrem schutz herbeigerufen worden sein. Die wichtigsten dieser städte, Eburacum (Eoforvic, York), Pons Aelii (Munuces-ceaster, New-Castle) scheinen friedlich oder durch vertrag in die hände der Angeln gekommen zu sein; die meisten städte in Northumberland und in dem schottischen niederlande lagen indessen in trümmern.

Die in Wessex entstandene sächsische chronik, welche freilich aus viel späterer zeit herrührt, enthält die ersten nachrichten von den kämpfen der Sachsen mit den von ihnen beeinträchtigten Britten, den romanisirten städten sowohl, als den keltischen häuptlingen im norden und westen (Arthur).31 Diese berichte sind wahrscheinlich auf alte überlieferungen, sagen und gedichte der Sachsen gegründet. Vieles gehört offenbar der romantik an; die alten eigennamen, Hengist und Horsa nicht ausgeschlossen, mögen wenig geschichtlich sein. Die sächsische chronik lässt Hengist und Horsa im jahre 449 landen und das königreich Kent gründen, dessen hauptstadt das alte Durovernum unter dem namen Cantwara-byrig (Canterbury), Kentmännerburg, wurde. Im jahre 477, erzählt die sächsische chronik weiter, landeten die Sachsen unter Ella und seinen drei söhnen an der südlichen küste; 491 erhielten sie verstärkungen von dem festlande und belagerten, eroberten und zerstörten die stadt Anderida (Andredes-ceaster), worauf sie das königreich Sussex gründeten. Im jahre 495 kamen Sachsen unter Cerdic und dessen sohne an die küste von Hampshire; nachdem sie mehrfache verstärkungen später anlangender stammesgenossen an sich gezogen hatten, machten sie nach längeren, bis 527 andauernden kämpfen die alte stadt Venta unter dem namen Wintan-ceaster (Winchester) zur hauptstadt von Wessex, entrissen auch den Jüten die insel Wight. Cerdic’s sohn, Cynric, und enkel, Ceawlin, setzten die eroberungen der Westsachsen fort, bemächtigten sich der wichtigsten städte der heutigen grafschaften Bedford, Buckingham und Oxford und drangen bis an die grenzen von Wales vor, indem sie die drei grossen römischen städte Glevum (Glev-ceaster, Gleow-ceaster, Gloucester), Corinium (Cyren-ceaster, Cirencester) und Aquae solis (Bathan-ceaster, Bath) besetzten. Gleichzeitig, etwa um 527, hatte sich eine schar Sachsen östlich von Kent niedergelassen, denen es gelang, sich zu behaupten und das königreich Essex zu gründen, welches nebst Middlesex nur dadurch bedeutung erhielt, dass die alte römische hauptstadt Camulodunum (Colchester) und die aufblühende handelsstadt London in dessen bereiche lagen. Wahrscheinlich ist es, dass die Herrschaft der Sachsen an diesem theile der brittischen küste, welche schon längst als litus saxonicum bekannt war, nur durch frische ankömmlinge vom festlande neu gekräftigt wurde.

Von den ersten niederlassungen der Angeln erfahren wir durch die sächsische chronik nur wenig, weil sie wahrscheinlich schon längst vor der gründung der späteren sächsischen königreiche bestanden. Die chronik erzählt nur, dass im jahre 547 Ida in Northumberland zu regieren begann und eine stadt baute, welche er zu ehren seiner frau Bebba Bebbanbyrig (Bamborough) nannte. So viel steht nach dieser quelle fest, dass die küste nördlich von Essex mit Angeln besetzt war, welche sich nach ihrer lage in das Northfolk und Southfolk schieden. Die macht dieser Angeln, von denen Nennius sagt, dass sie ihr heimathsland gänzlich (absque habitatore) verlassen hätten, was Beda (I, 15) bekräftigt, dehnte sich über Cambridgeshire und Lincolnshire aus und umfasste bald das herz von England bis an die grenze von Wales, wo sie die Westsachsen nach süden zurückdrängten. In Mittelengland nahmen die Angeln den namen Mercier an, und ihr königreich erhielt den namen Mercia.32

Weil die Angeln die frühesten und zahlreichsten germanischen ansiedler waren, welche den grössten theil Britannien’s besetzten, wurde dieses land fremden schriftstellern als Anglorum terra, oder Anglia bekannt, ja die Sachsen selbst im süden Britannien’s hiessen das gesammte land nicht Seaxe-land, sondern Engla-land (England), und Athelbert von Kent, als er die ersten christlichen sendboten im jahre 597 empfing, sagte ihnen, er könne die alte weise der gottesverehrung, „welche wir lange zeit mit allem Angelvolk hielten, the we langere tide mid ealle Angel theode heoldan“ (Alfred’s übersetzung des Beda) nicht verlassen. Die sprache aller germanischen bewohner der insel empfing den namen Englisc (Englisch), so wie diese selbst nach dem verschwinden der alten stammbenennungen sich Englishmen nennen.

Trotzdem aber die stämme der Angeln die zahlreicheren und eine zeit lang die mächtigeren waren, erkämpften doch die Sachsen und unter diesen wiederum die Westsachsen allmälig die herrschaft über das gesammte England, welche 827 unter Egbert mit der Unterwerfung von Mercia und Northumberland und der 828 erfolgenden besiegung von Wales gesichert zu sein schien, als ein neuer feind, die Dänen, die kaum erworbene macht wieder zu zersplittern drohte. Egbert, welcher 836 starb, sein sohn Athelwolf und nachfolger Athelbald, Athelbert, Athelred und Alfred der grosse mussten gegen die Dänen kämpfen, welche seit 787 an den englischen küsten erschienen und besonders den nördlichen theil des landes, wo sich die Angeln angesiedelt hatten, zu ihrem ablagerungsplatze erwählten und von hier aus mit abwechselndem glücke herrschten, bis Alfred der grosse sie besiegte.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Dänen bedeutenden einfluss auf die angelsächsische sprache ausgeübt haben, indem damals ihre sprache nicht sehr von der ihrer ehemaligen nachbarn, der Angeln, verschieden gewesen sein mag. Alfred befindet sich nach der alten legende als harfner unerkannt im dänischen lager. In dem heutigen Englisch, namentlich in dem dialekte der nördlichen grafschaften, finden sich jedoch noch mehrere spuren skandinavischer wörter. Der name der Stadt Whitby (hwitbye, weissstadt), welche angelsächsisch Streoneshalh hiess, ist dänisch. Skandinavischen ursprungs sind wörter wie braid, elding, force (Wasserfall), gar, gill, greit (weinen), lag, etc.

Nach Alfred’s tode im jahre 901 herrschten die Westsachsen besonders glücklich unter Athelstan 924 bis 941, welcher eine zeit lang herr von ganz Britannien war, noch bis 1016, wo Cnut, ein Däne, könig von England wurde. Er und seine zwei söhne Harold und Hardicnut regierten 26 jahre bis 1042, we die Sachsen unter Eduard dem bekenner die herrschaft wieder erlangten und sie bis zum jahre 1066 behaupteten, bis Harold II. von Wilhelm, dem herzoge der Normandie, unter dem namen des eroberers bekannt, besiegt wurde und in der schlacht bei Hastings die krone zugleich mit dem leben verlor.

Die germanischen ankömmlinge, welche unter verschiedenen führern in dieser zeit nach England kamen, liessen sich hauptsächlich auf dem lande nieder, wo sie als vasallen und heergefolge in demselben verhältnis zu ihren vielen kleinen häuptlingen und fürsten lebten, als in ihrer ursprünglichen heimath. Sie wurden die herren des bodens, während die alte römisch-brittische bevölkerung des landes als ackerbauer und arbeiter sich in dem verhältniss der unterthanen und leibeigenen befand. Während die Sachsen und Angeln in dieser weise das land besetzten, blieben die städte, obwohl sie den germanischen königen, in deren gebiet sie lagen, abgabenpflichtig wurden und auch eine überwiegend germanische bevölkerung erhielten, im besitz ihrer altrömischen Verfassungen und grösstentheils auch ihrer freiheit und corporativen unabhängigkeit. Die städte vertheidigen noch immer, wie zur römerzeit, ihr eigenes gebiet selbst gegen die sächsischen und gegen die dänischen könige, sie schliessen mit ihnen und sogar später mit dem normannischen eroberer verträge zur sicherstellung ihrer freiheiten und rechte. Vorzüglich aber war es London, dessen bürgerliche macht und selbstständigkeit von den verschiedenen eroberen Britannien’s nicht vernichtet wurde, sondern den mehrmaligen wechsel der macht ertrug. London, welches von den dänischen königen zur residenz gemacht wurde, blieb lange jahre ein kleiner staat im reiche und hat manche alte vorrechte bis auf die heutige zeit durch alle fährlichkeiten hindurchgetragen. Die neueren von den Sachsen erbauten städte, welche theils an den könig, theils an geistliche und weltliche würdenträger abgabenpflichtig wurden, folgten in ihrer verfassung dem beispiele ihrer älteren schwestern und erhielten ähnliche privilegien, so dass auch sie, wie jene, im stande waren, die träger und vermittler der alten kultur während der rohen und blutigen zeit des mittelalters zu werden.

Das christenthum wurde im jahre 597 auf veranlassung des papstes Gregor von vierzig mönchen unter führung Augustin’s zuerst in Kent öffentlich gepredigt und eingeführt, nachdem der fränkische bischof Liudhard schon vorher Berta, die tochter Charibert’s, des christlichen königs der Franken, zu ihrem gatten Athelbert, dem könige von Kent, begleitet und in der nähe von Canterbury in einer kleinen, dem heiligen Martinus geweihten kapelle die mysterien des christenthums verwaltet hatte. Die römischen mönche zogen in feierlicher procession nach Canterbury, wo sie sich niederliessen, und Augustin später zum ersten bischof erwählt wurde. Papst Gregor sendete mehrere kostbare bücher33 an Augustin, mit denen so wie und mit der gleichzeitigen ausbreitung des christenthums für England eine neue zeit der cultur beginnt, und die grundlage derjenigen religiösen und geistigen bildung gelegt wird, auf welcher die ganze englische literatur, vielleicht nur mit ausnahme eines einzigen grösseren, noch aus der heidnischen zeit stammenden epos im laufe der jahrhunderte aufgerichtet worden ist. Von Kent breitete sich das christenthum allmälig weiter aus, besonders durch die predigt des Paulinus um 625 in Northumberland, wo Edwin, könig von Deira, Athelburga, die tochter des kentischen königs Athelbert geheirathet hatte. Northumberland, damals der mächtigste Staat in England, erhob sich durch die einführuug des evangeliums zugleich zum hauptsitze der gelehrsamkeit der Angelsachsen bis zur mitte des achten jahrhunderts. Das volk von Sussex jedoch hing noch im jahre 681 an seinen alten religionsgebräuchen, und auch in London fanden nach dem tode des von Athelbert zum bischofe bestimmten Melitus rückfälle vom christenthume statt.

Während die sächsischen und anglischen stämme von osten und süden in Britannien vordrangen und unter dem namen der Sachsen (Sassanach) den Kelten furchtbare feinde wurden, befestigten sich diese im norden und westen und machten versuche zur staatenbildung. Die hauptsächlichsten dieser keltischen stämme waren die Cumbern im norden, die Cymry (von den Sachsen Wealas, Welsche, nicht deutsch sprechende genannt) in Wales und die Cornen (Cornwealas) in Cornwall. Die cumbrischen Kelten, wahrscheinlich die alten Caledonier, besassen zwei alte römische städte: Luguballium in der nähe der mauer Hadrian’s, welches sie Caer- (Castrum) Luel (Caerleol, Carlisle) hiessen, und Tamea oder Theodosia am Clyde, welches von ihnen nach seiner lage Al-cluyd (die höhe am Clyde), von ihren nachbarn, den irischen Scoten aber Dun-Breton (Dumbarton), Brittenburg, genannt wurde. Carlisle ist in der brittischen sage als lieblingsaufenthalt des königs Arthur berühmt. Die Cymren in Wales und die Cornen in Cornwall, welche früher von der römischen stadt Isca (Exanceaster, Exeter) im zaume gehalten wurden, nahmen besitz von den alten, wahrscheinlich von ihnen zertrümmerten städten Maridunum (Caer-Marddyn, Caermarthen), Segontium (Caer-Sciont), Venta (Caer-went), Nidiun (Neath). Dem silurischen Isca, wo lange zeit das hauptquartier der II. legion gewesen war, gaben sie den namen Caer-legion (Caerleon), womit sie auch das alte Deva (Chester), wo die XX. legion gestanden hatte, bezeichneten. Ihre unabhängigkeit behaupteten die cornischen Kelten bis zur zeit des königs Athelstan, Wales wurde erst von Eduard I. unterworfen, und die nördlichen Kelten bildeten ein besonderes, erst spät mit England vereinigtes königreich Schottland.

Das christenthum hatten die cornischen und welschen Kelten sehr früh, wahrscheinlich von Armorica oder Irland empfangen. Mit der steigenden kultur und den kämpfen der Angelsachsen finden sich auch anfänge einer eigenen keltischen volks-literatur. Sie war von den Engländern verachtet und nicht gekannt, bis Edward Lhwyd (Lloyd), Custos des ashmoleanischen museum’s in seiner Archaeologia Britannica. (Fol. Oxon. 1707), einem cataloge der ihm bekannten welschen manuscripte, zuerst die aufmerksamkeit darauf lenkte. Doch blieb die welsche literatur gänzlich von den Engländern vernachlässigt, bis The Myrvyrian Archaiology of Wales, collected out of ancient Mss. 8. III vols. London 1801-7 eine neue anregung gab. Die reichhaltigkeit der mitgetheilten welschen literatur (vol. I. gedichte auf 584 doppelcolumnen, vol. II. geschichte auf 628 Seiten, vol. III. philosophie, moral, gesetze u. s. w.) überraschte. Die ältesten gedichte auf den ersten 153 seiten des vol. I. reichen mit den Barden, denen sie zugeschrieben werden, bis in das sechste Jahrhundert hinauf. Die ältesten noch vorhandenen handschriften stammen aus dem zehnten, elften und zwölften Jahrhundert.34

Geschichte der Englischen Sprache und Literatur

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