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WENN KÖRPER ZU EISSÄULEN FRIEREN

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Wenn der Fang eines Hundes geschlossen ist und sein gesamter Körper wie auf der Stelle angefroren erscheint, dann sollten Sie besser Acht geben. Profis lernen früh, auf diese Kombination zu achten, denn wer sie ignoriert, riskiert, gebissen zu werden. Wenn ich einem Hund begegne, der mit Schließen des Fangs und Steifwerden des Körpers auf mich reagiert, dann halte ich mich schön von ihm fern. Ich spreche dann vielleicht im Singsang-Ton zu ihm und achte darauf, dass mein eigener Körper locker und entspannt bleibt, aber ich werde ganz bestimmt nicht die Hand ausstrecken, um ihn zu streicheln. Ein steifer Körper und ein geschlossener Fang sind Anzeichen für einen höchst wachsamen Hund, dessen nächste Bewegung durchaus der Angriff nach vorn sein kann. Buddy, der Hund aus der Geschichte am Kapitelanfang, stand mehrere Sekunden lang still wie eine Statue in der Tür, als ich ihm begegnete. Weil er so steif war und direkt in meine Augen schaute, verstand ich ihn als einen Hund, der sich in meiner Gegenwart unwohl fühlte und der entschlossen war, mich anzugreifen, wenn ich eine falsche Bewegung machen würde.

Leider hat es auch einen Nachteil, wenn Sie diese Signale bei einem Hund erkennen: Sie gehören ab sofort zu der unglücklichen Sorte Menschen, deren Herzen jedes Mal vor Schreck einen Schlag aussetzen, wenn sie sehen, wie ein kleiner Junge auf der anderen Straßenseite einen fremden Hund tätschelt, der Hund dabei seinen Fang geschlossen und seinen Körper versteift hat und die ahnungslosen Erwachsenen weiter miteinander plaudern, während Sie jeden Moment auf die Katastrophe in Form von aufblitzenden Zähnen und Kinderschreien warten. Tut mir leid. Unwissenheit kann ein Segen sein. Wissen dagegen kann Probleme verhindern – wenn Sie das nächste Mal Zeuge einer solchen Szene werden, könnten Sie den kleinen Jungen zu sich herüberrufen oder versuchen, die in der Luft liegende Spannung abzubauen, indem Sie rufen »Hey, wer hat Lust auf einen Spaziergang?« Sie wissen nun auch, wann Sie einen Gast bitten müssen, mit dem Streicheln Ihres Hundes aufzuhören. Wenn die Allgemeinheit lernen würde, auf dieses wichtige Warnsignal zu achten, könnten Zehntausende von Hundebissen jedes Jahr verhindert werden.

Hunde benutzen das »Einfrieren« oft als Signal an Artgenossen. Wenn Sie sehen, dass zwei sich begrüßende Hunde beide mehr als ein oder zwei Sekunden lang ruhig und steif dastehen, sollten Sie besser etwas unternehmen, um die Spannung zu durchbrechen. Die Lage könnte sich dramatisch verschärfen, wenn Sie es nicht tun. Klatschen Sie in die Hände und rufen Sie »Gassi gehen!«, werfen Sie einen Ball, singen Sie »Wer will denn was zu essen!« – was auch immer Sie tun, Hauptsache ist, Sie werden selbst nicht steif und unbeweglich, sonst machen Sie alles noch schlimmer.

Eine weniger problematische Version des Einfrierens können Sie auch sehen, wenn Hunde miteinander herumtoben. Zuerst springen sie fröhlich mit lockeren, entspannten Körpern umher, und dann sehen Sie, wie ein Hund innehält und nur für einen Augenblick einfriert.16 Oft wird dieses Einfrieren von einer Kopfdrehung direkt in Richtung des anderen Hundes begleitet – eine gute Beschreibung dafür ist »das Gesicht zuwenden«. Tulip macht das, wenn ein Hund, mit dem sie spielt, sie zu besteigen versucht. Queen Tulip spielt sehr gerne, aber niemand darf je die Queen besteigen. Besteigen im Spiel hat nichts mit Sex, sondern mit sozialem Status zu tun, und Tulip hat keinerlei Interesse daran, ihren Titel mit jemand anderem zu teilen. Wenn Sie wissen, worauf Sie schauen müssen – es passiert so schnell – können Sie sehen, wie Tulip ihren Kopf herumdreht und für weniger als eine halbe Sekunde einfriert, wenn ein anderer Hund auf sie aufzureiten versucht. Der andere Hund hält in seinem Vorhaben inne, zeigt vielleicht eine Spielaufforderung, um die Stimmung wieder ins Fröhliche zu wandeln und beide rennen miteinander fort, die Körper wieder entspannt und locker.

Vielleicht haben Sie ein solches »Mikro-Einfrieren« schon einmal bei einem Hund gesehen, wenn Sie versucht haben, seine Krallen zu schneiden oder Kletten aus seinem Fell zu ziehen. Hundefriseure und Hundetrainer wissen, dass sie aufpassen müssen, wenn ein Hund seinen Kopf herumwirft und für den Bruchteil einer Sekunde einfriert. Ich nehme es als Drohgeste, als klare Warnung dafür, nicht zu wiederholen, was ich gerade getan habe. Wenn ein Hund das mit geschlossenem Fang tut, teilt er Ihnen damit höchstwahrscheinlich mit, dass er verachtet, was Sie gerade tun. Es ist ein tolles Signal, das zu erkennen sich lohnt – und wenn Sie es können, sind Sie damit 99 Prozent aller Hundeliebhaber der Welt voraus.

Ob der Körper eines anderen entspannt oder steif ist, ist in der Kommunikation von Hund zu Hund eine wichtige Information – und meiner Ansicht nach ist es keine Frage, dass Hunde ähnliche Körperhaltungen bei Menschen auf genau die gleiche Weise interpretieren. Als ich Buddy traf, achtete ich darauf, entspannt und locker zu bleiben, denn wenn Sie selbst einfrieren, signalisiert das dem Hund, dass auch Sie angriffsbereit sind. Diese eine Veränderung der Körperhaltung kann genügen, um Sie in Schwierigkeiten zu bringen, oder auch andersherum einen Biss verhindern. Ein gutes Beispiel dafür erlebte ich einmal auf einem Seminar, als eine niedliche kleine Lhasa Apso-Hündin den Boden entlang schnüffelte. Als sie in meine Richtung kam, begann ich, wie ein seltsam verrückter zweibeiniger Labrador meinen Körper vor- und zurückzuschaukeln, setzte ein Spielgesicht mit offenem Mund auf und zwinkerte als universelles Zeichen von Freundlichkeit mit den Augen. Als ich mich ihr näherte, drehte sie sich, drückte sich an mein Bein, hob ihren Kopf und schmiegte sich an meine Hand, als ich ihren Hals streichelte. »Das gibt’s doch nicht,« sagte ihre Besitzerin. »Das ist ja gar nicht typisch für sie. Wissen Sie, sie ist als Fallbeispiel hier, weil sie nach Leuten schnappt, die sie zu streicheln versuchen.«

Als die Hündin dann auf die Bühne geholt wurde und Fremde sich ihr näherten, versteifte sie wie vorhergesagt ihren Körper. Wenn ich nicht einige Menschen mehrere Meter von ihr entfernt gestoppt hätte, habe ich keinerlei Zweifel, dass sie geschnappt oder gebissen hätte. Die Art und Weise der Annäherung machte den ganzen Unterschied aus: Ich konzentrierte mich darauf, mich wie ein freundlicher Hund zu benehmen, während die meisten Menschen sich so benahmen, wie Menschen sich von Natur aus benehmen. Die normale Annäherung eines Menschen, der einen anderen Mensch oder einen Hund begrüßt, ist genau das Gegenteil dessen, was in der Hundewelt als höfliche Begrüßung gilt. Hunde nähern sich einander von der Seite an, biegen ihre Körper in Bewegungsrichtung und vermeiden direkten Blickkontakt, während sie ihre Körper entspannt halten. Wir tun das Gegenteil: Wir halten unsere Körper aufrecht und relativ ruhig, nehmen direkten Blickkontakt auf und strecken unsere Pfoten aus, noch bevor wir zumindest Gerüche ausgetauscht haben.

Dies ist so wichtig in der Interaktion von Hunden, dass wir Profis lernen, tief zu atmen und den Körper selbst dann locker entspannt zu halten, wenn wir Angst vor dem Hund haben, der vor uns steht. (Noch besser sollte es heißen »besonders, wenn wir Angst haben«.) Wenn Sie bewegungslos werden, den Mund schließen und zu atmen aufhören, könnte der Hund zu dem Schluss kommen, dass er gut daran getan hat, achtsam zu sein – die Wahrscheinlichkeit für eine aggressive Reaktion ist stark gestiegen. Wenn Sie Hunde wie ein Profi begrüßen möchten, achten Sie darauf, Ihren Mund leicht geöffnet und entspannt zu halten, Ihre Schultern und Ihre Hüften langsam und nur ein ganz klein wenig vor- und zurückzubewegen und kippen Sie Ihren Kopf zur Seite, legen Sie ihn schräg. (Hunde legen ihren Kopf schräg, um mehr visuelle und akustische Information aufnehmen zu können, wenn irgendetwas ihr Interesse geweckt hat, aber sie tun es nie, wenn sie nervös sind.) Übertreiben Sie es nicht so sehr, dass der Hund sich vor Ihnen zu fürchten beginnt (»Ich habe ja noch nie einen Menschen gesehen, der sich so benimmt …«), sondern achten Sie bewusst auf Entspannung, damit Sie nicht unabsichtlich »dichtmachen« und Signale möglicher Aggression an den Hund senden.

Ich werde niemals eine schon lang zurückliegende Therapiesitzung mit einer Kundin vergessen, deren Hund unbekümmert mit meiner Pip interagierte. Bevor sie mit dreizehn in Rente ging, hatte Pip offenbar viel Spaß daran, mit mir gemeinsam Fälle von aggressiven Hunden zu behandeln. Sie liebte andere Hunde und war meisterlich gut darin, Hunde zu beruhigen, die vorher aus Unsicherheit aggressiv gegenüber anderen Hunden reagiert hatten. Wie immer fragte ich sie auch in dieser Sitzung, ob sie mit diesem Hund zusammenarbeiten wolle und sie antwortete, indem sie begeistert zum Tor lief. (Manchmal ging sie auch weg, nachdem sie nur einen Blick auf einen Hund geworfen hatte. Ich respektierte das immer, weil ich mir sicher war, dass sie die Gefühlslage eines anderen Hundes besser einschätzen konnte als ich.) Pip schien begeistert davon zu sein, mit diesem besonderen Hund arbeiten zu dürfen, also ließ ich die beiden sich in einem umzäunten, großen Freiauslauf hinter dem Haus begrüßen. Aber die Hunde waren nicht allein in dem Auslauf. Ich hatte nicht genug auf die Besitzerin geachtet, die aufgrund der Situation extrem angespannt war. Während die beiden Hunde sich begrüßten, stand sie mit angehaltenem Atem und zur Salzsäule erstarrt an der Seite, während ich versuchte, ihre Angst zu beschwichtigen. Mein Fehler – denn während sie stocksteif neben mir stand, schaute ihr Hund nur einen Augenblick lang nach oben in ihr Gesicht. Dieses war so unbeweglich wie eine Maske, mit vor Angst aufgerissenen Augen und einem gerundeten Mund, als ob sie »Oh!« sagen wolle. Genau so ein Gesicht macht ein Hund, der gleich angreifen wird, und genau das tat der Hund nach einem Blick darauf. Bevor ich reagieren konnte, attackierte er knurrend und beißend meine Pip, die sich vor Angst auf den Rücken rollte. Ich schaffte es, den Hund sofort zur Seite zu schaffen und Pip war nicht verletzt, aber wir beide waren ziemlich geschockt. In dieser Woche bekam Pip mehr Leckerchen als gewöhnlich und ich weniger Schlaf als gewöhnlich, weil ich darüber grübelte, was alles hätte passieren können. Pip ist heute fünfzehn und der Vorfall lange vorbei und vergessen, aber ich werde nie diese teuer bezahlte Lektion darüber vergessen, wie wichtig unser eigener Ausdruck für das Verhalten eines Hundes sein kann.

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