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VERWIRRTES GRINSEN UND SCHMOLLMÜNDER

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Wir haben bereits früher darüber gesprochen, wie unser Mund entspannt und geöffnet ist, wenn wir lächeln. Die andere Schlüsselkomponente eines Lächelns ist die Bewegung der Mundwinkel. Das Zurückziehen und Anheben der Mundwinkel ist es, was ein Lächeln zu einem Lächeln macht. Selbst unehrliche Lächler erweitern ihren Mund in Richtung Ohren. Probieren Sie es einmal selbst aus: Stellen Sie sich vor einen Spiegel und lächeln Sie zuerst nur mit dem Mund, dann lassen Sie das Lächeln über Ihr ganzes Gesicht bis zu den Augen wandern. Der Unterschied ist frappierend, und zwar sowohl was Ihren Ausdruck betrifft als auch, wie Sie sich dabei fühlen. Ein echtes Lächeln, das die Muskeln von Mund, Wangen und Augen mit einbezieht, ist von allen Gesichtsausdrücken am leichtesten zu lesen. Ein lächelndes Gesicht wird von praktisch jedermann auf der ganzen Welt als glücklich erkannt.

Im Gegensatz zum Ausdruck von Angst oder Wut zeigen wir Lächeln aber viel häufiger in Gesellschaft anderer, als wenn wir alleine sind. Für Menschen scheint das Lächeln ein wichtiges Signal im sozialen Kontext zu sein, denn gelächelt wird fast immer nur beim Anschauen einer anderen Person. Bowlingspieler lächeln nach einem guten Wurf normalerweise erst in dem Moment, in dem sie sich zu ihren Freunden umdrehen, und wenn Olympiasportler ihre Medaillen verliehen bekommen lächeln sie erst dann, wenn sie sich zu den Zuschauern umdrehen. Natürlich lächeln wir alle auch gelegentlich, wenn wir alleine sind (während ich das hier schreibe, kann ich gerade gar nicht damit aufhören – ist Lächeln vielleicht ansteckend, so wie Gähnen?), aber eben nicht mit der Häufigkeit, wie wir es in Gesellschaft tun. Wo immer wir auch lächeln und ob das Lächeln echt ist oder nicht – unser Lächeln ist immer dadurch definiert, dass der Mund teilweise geöffnet ist und dass die Mundwinkel nach oben und zurück in Richtung Ohren gezogen sind.

Auf die Mundwinkel zu achten ist nicht nur unserer Spezies eigen. Viele Säugetierarten ziehen ihre Mundwinkel zurück, wenn sie nervös sind, weshalb Ethologen diese Bewegung eine »Angstgrimasse« nennen. Bei manchen Spezies wird es im sozialen Kontext auch »unterwürfiges Grinsen« genannt, weil nur Individuen in untergeordneter Position es zeigen. Wie viele Tiere auch ziehen Menschen die Mundwinkel zurück, wenn sie Angst haben. Unsere Spezies drückt Angst auf der ganzen Welt mit zurückgezogenen Mundwinkeln, gerundeten Augen und erhobenen Augenbrauen aus (auf den Bildseiten finden Sie Beispiele dafür). Selbst menschliches Lächeln ist nicht immer unbedingt ein Ausdruck von Freude – so manches Lächeln hat mehr mit Nervosität als mit Glück zu tun. Ethologen nehmen an, dass unser Lächeln aus dem unterwürfigen Grinsen entstanden ist, mit dem die lächelnde Person demonstriert, dass sie keinerlei Angriffsabsichten hat.

Wie Sie auf den Fotos sehen können, bewegen auch Hunde ihre Mund- bzw. Lefzenwinkel und genau wie beim Menschen sagt uns die Richtung dieser Bewegung eine Menge über ihre Gefühle. Sowohl Hunde als auch Wölfe und Kojoten ziehen ihre Lefzenwinkel zurück, wenn sie unterwürfig, defensiv oder ängstlich sind. Selbst bei spielenden Hunden werden Sie bemerken, dass es meist der untere Hund ist, dessen Lefzenwinkel zurückgezogen sind. Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck des inneren Gefühlszustandes. Der »Verteidiger« hat die Lefzenwinkel zurückgezogen, während derjenige Hund, der in diesem Spiel den »Angreifer« mimt, sie nach vorn zieht.

Auch wir Menschen ziehen unsere Mundwinkel nach vorn, wenn wir in die Offensive gehen. Die Mundwinkel eines ärgerlichen Menschen bewegen sich in die entgegengesetzte Richtung wie beim Lächeln, nämlich nach vorn in Richtung Gesichtsmitte anstatt in Richtung Ohren. Machen Sie einmal das Schmollgesicht eines trotzigen, bockigen Fünfjährigen, und Sie werden spüren, wie sich Ihr Mund schließt und sich Ihre Lippen nach vorn bewegen. Hunde tun etwas sehr Ähnliches, auch wenn ich nicht sagen würde, dass sie dabei immer ärgerlich sind. Allerdings verwette ich meinen Hof darauf, dass sie nicht ängstlich oder unterwürfig sind. Nach vorn gezogene Lefzenwinkel sind eines der besten mir bekannten Signale dafür, dass ein Hund bereit ist, in die Offensive zu gehen und es scheint nicht überraschend, dass dies mit unserer eigenen Version eines ärgerlichen Gesichtes übereinstimmt.

Schauen Sie sich einmal die Fotos an und achten Sie sowohl bei den Hunden als auch bei den Menschen auf den Unterschied zwischen nach vorn und nach hinten gezogenen Mundwinkeln. Wie so viele andere Dinge auch ist die Bewegung der Mundwinkel absolut offensichtlich, sobald Sie gelernt haben, darauf zu achten – aber Sie schenken ihr wenig Aufmerksamkeit, wenn Sie niemand darauf hingewiesen hat. Fangen Sie an, auf Ihren eigenen Hund zu achten und fragen Sie sich, in welche Richtung seine Lefzenwinkel in verschiedenen Situationen wahrscheinlich bewegt werden. Wenn er mit vorgezogenen Lefzenwinkeln in Richtung eines anderen Hundes losspringt, ist er ganz anderer Stimmung, als wenn er die Lefzenwinkel in einer Angstgrimasse zurückgezogen hätte. Möglicherweise bellt er in beiden Fällen und springt nach vorn, aber das Aussehen seiner Lefzen hilft Ihnen zu verstehen, wie er sich gerade dabei fühlt. Wenn ein Hund seine Lefzenwinkel nach vorn zieht, während ein Kind ihm sein Spielzeug abzunehmen versucht, gibt er damit zu verstehen, dass er bereit ist, sein vermeintliches Eigentum zu behaupten und notfalls unter Einsatz der Zähne zu verteidigen. Wenn er einen Gast mit zurückgezogenen Lefzenwinkeln anknurrt, könnte er Angst vor Fremden haben und braucht folglich Hilfe, um seine beim Klingeln an der Haustür aufkommende Angst zu überwinden.

Sie sehen also, wie hilfreich diese Signale der Gesichtsmimik dabei sind, einen Behandlungsplan für einen Hund aufzustellen, der nach Besuchern schnappt oder sich seinen Kauknochen nicht wegnehmen lässt. Wir werden später noch darüber sprechen, wie man Behandlungspläne passend zu den verschiedenen Gefühlszustän- den von Hunden auswählt, aber für den Moment konzentrieren Sie sich bitte einmal nur darauf, Feldforscher im eigenen Wohnzimmer zu spielen und hinsehen zu lernen, wie sich die Lefzen Ihres Hundes bewegen. Stellen Sie sich vor, dass eine Spezies der anderen »von den Lippen liest«.

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