Читать книгу Der gefesselte Dionysos - Patrik Knothe - Страница 14

VII

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In den nächsten beiden Tagen schafften es Dionysos, Apollon und Sophia tatsächlich das Baumhaus fertig zu bauen und sie alle freuten sich auf einen langen, heißen Sommer den sie in den kühlen Wipfeln des Waldes verbringen konnten.

Das einzige was noch fehlte war die Tür. Petros hatte zu Hause in der Garage die Scharniere angebracht und alles was noch getan werden musste war das fertige Teil einzuhängen.

Dionysos kam sich blöd vor als er die schwere Tür schleppend hinter Sophia und dem im Erklären nie müde werdenden Apollon her lief (warum hatte er sich nur freiwillig als Träger gemeldet und jede Hilfe abgelehnt?).

Am Baumhaus angekommen ging er schnurstracks tiefer in Wald ohne seine beiden Begleiter zu beachten. Er musste dringend seine Blase entleeren und war außerdem verwirrt von den ganzen Gefühlen, die in den letzten paar Minuten wie ein Hagelschwarm auf ihn einprasselten.

Sollte er sich nicht für Apollon freuen? Und wenn er sein Freund war, wieso hatte er dann das Bedürfnis den nächstbesten Stock zu packen und ihn ein paar Mal auf dessen Schädel niedersausen zu lassen. Sophia würde dann einfach vergessen, dass es ihn gegeben hat und sie wären zu zweit glücklich bis ans Ende aller Tage …

Ach, alles nur Hirngespinste! Es kommt wie es kommen muss. Wenn sie sich lieben wollen, dann sollen sie sich lieben! Aber wieso hatte er dann das Gefühl, dass er viel mehr für Sophia empfand als Apollon? Wieso war das ungerecht? Wieso hatte er das Gefühl, dass es Apollon lediglich darum ging auch sie überall zu berühren und dann damit vor den Klassenkameraden anzugeben?

Und der schlimmste Gedanke war die Möglichkeit, dass ihr das überhaupt nichts ausmachte …, dass sie vielleicht genau das wollte; dass er sie nie davon überzeugen konnte, dass seine Gefühle richtiger waren als Apollons … was auch immer das bedeuten sollte.

Dionysos hatte jedoch keine Zeit, seine Gedanken zu ordnen denn ein lautes Brüllen ließ ihn aufschrecken.

„SO! HAB ICH EUCH ERWISCHT!!!“ Die Stimme kam ihm schrecklich bekannt vor. Sie kam vom Baumhaus. Rasch machte er seine Hose zu und rannte zurück.

„Hab doch gewusst, dass ihr hier irgend n Unsinn macht … unseren schönen Wald verschandeln, ihr kleines Gesindel! Na warte, euch werd ich helfen …“

„NEIN!“, hörte er Apollon rufen.

Dionysos konnte schon von weitem den grünen Anglerhut und die massige Gestalt von Orthos erkennen. Er stand gegenüber von Apollon und beide hatten ein Ende ihrer neuen Tür in den Händen.

„Lass los, du kleiner Drecksack oder ich mach’ dir Beine!!“

„Die haben wir ganz neu gebaut!“, krächzte Apollon und sah seinen Gegenüber mit einer Mischung aus Angst und Verwirrung an.

Orthos Gesicht war rot angelaufen und von Wut verzerrt. Er schnaubte mit seiner von Pusteln besetzten Säufernase und stieß Apollon die Tür mit voller Wucht in den Magen.

„WAS? Du hast sie wohl nicht alle! Mach gefälligst was ein Erwachsener dir sagt“, schrie er während Apollon stöhnend zu Boden ging. Sophia stand wie festgefroren mit der Säge in der Hand da. An ihren vor Schreck geweiteten Augen liefen stumme Tränen hinab.

„Ich sollt zur Polizei gehen ihr kleinen Dreckskerle! Wo ist der andere? Der Schwarzhaarige! WO??“

Viele andere Menschen in seinem Alter hätten sich wohl versteckt und wären nie auf die Idee gekommen es zu einem Kampf kommen zu lassen; nicht so jedoch Dionysos.

Eine nie gekannte Welle des Zorns überkam ihn. Er rannte immer noch; genau auf Orthos zu. Sicher würde er gegen ihn verlieren, Schläge bekommen, doch in diesem Moment war ihm alles egal.

Orthos, der immer noch dabei war Apollon anzuschreien sah zu spät, dass jemand im Sprint auf ihn zu kam.

„DA! Du kleiner …“, bekam er gerade noch hinaus als ein Knie ihn mit voller Wucht auf die Brust traf. Dionysos hatte eigentlich auf sein Gesicht gezielt doch der Sprung war nicht hoch genug. Orthos fiel um und stieß ein Brüllen aus während Dionysos im Purzelbaum über ihn hinüber rollte und im nächsten Gebüsch landete.

Bevor er sich jedoch wieder fassen konnte, zog ihn eine kräftige Hand an den Haaren nach oben.

Ein Schrei entfuhr ihm als Orthos ihn aufrichtete und ein stechender Schmerz durch seinen linken Knöchel fuhr. Beinahe wäre er wieder umgefallen, aber die Pranke die seine Haare umklammerte hielt ihn oben. Orthos’ Gesicht war nur ein paar Zentimeter von seinem entfernt. Sein Hut war ihm vom Kopf gefallen und offenbarte die Glatze, auf der nur noch ein paar wenige, dunkle, fettige Strähnen zu sehen waren.

„So … Mit euch muss man also andere Seiten aufziehen, wie?“, flüsterte er keuchend und Dionysos roch seinen ekelhaften Atem.

„Lass ihn in Ruhe“, kam es in zitternden Lauten von Sophia.

„Schnauze, blödes Gör, sonst komm ich gleich zu dir!“ Er wandte sich wieder Dionysos zu, der einen erneuten Schrei ausstieß. Das Brennen im Knöchel wurde unerträglich. Er kippte zur Seite doch Orthos’ Faust hielt ihn oben.

„Wird Zeit, dass euch mal jemand Manieren beibringt. Wie heißt du kleiner Bastard?“ Dionysos gab ihm keine Antwort; versuchte nur den Schmerz zu kontrollieren und dem Scheusal direkt in die Augen zu sehen. Warum das wichtig war begriff er nicht; er tat es ganz intuitiv als gäbe es keine andere Möglichkeit.

„WIE HEIßT DU?“, schrie der Alte nun völlig außer Kontrolle und Dionysos wurde an seinen Haaren hin und her geschüttelt. Wieder antwortete er nicht. Das dicke Gesicht vor ihm bekam nun endgültig psychopathische Züge: ein leerer Ausdruck fern aller Menschlichkeit lag in Orthos’ weit aufgerissenen, kalten Augen während seine Gesichtsfarbe mit jeder Sekunde dunkler wurde.

Mit seiner freien Hand holte er weit aus. Er ließ sie auf Dionysos’ linke Gesichtshälfte knallen und schmiss ihn zurück in das Gebüsch aus dem er ihn gezogen hatte.

Schwer schnaufend hob er zuerst den mit Schweiß- und Ölflecken beschmutzten grünen Anglerhut und dann die Türe für das Baumhaus auf. Er sah sich um und hielt dann inne, als würde er erst jetzt begreifen was er gerade getan hatte. Orthos war es nicht gewohnt, dass Kinder solchen Widerstand leisteten. Normalerweise rannten sie weg wenn sie ihn sahen. Spätestens wenn er einen von ihnen in die Hände bekam ging das Betteln und Flehen der kleinen Angsthasen los. Aber dieser hier war anders. Direkt in die Augen hatte er ihm gesehen ohne die leiseste Spur der Verängstigung.

Doch Orthos beschäftigte sich nur kurz mit diesem seltsamen Gedanken. Er hatte erreicht was er wollte und seine Miene wurde wieder steinern.

„So, das wird mein Feuerholz für heute Abend“, sagte er mit einem Blick auf die Tür. „Jeden Tag komm ich jetzt her und nehm’ ein bisschen was von der Hütte mit. Wenn ich noch einmal einen von euch hier seh’, geh ich sofort zur Polizei. Lasst euch das eine Lehre s…“, ein Hustenanfall unterbrach ihn. Nach einigen Sekunden zog er den Rotz aus den Tiefen seiner Kehle und spuckte ihn genüsslich auf den Boden. Mit einem verächtlichen, drohenden Blick auf Sophia und den immer noch am Boden liegenden Apollon verabschiedete er sich und ging hustend aber gemächlich zurück Richtung Delphi.

Langsam begann Sophia ihre Glieder wieder zu spüren. Die Zeit schien still zu stehen. Der ganze Moment hatte etwas surreales, als wäre das eben geschehene lediglich die Ausgeburt einer dunklen Phantasie. Sie blickte um sich, noch immer mit der Säge in der Hand. Apollon drehte sich mit einem gequälten Gesichtsausdruck auf den Bauch.

„Ist es schlimm?“, fragte sie ihn, ging jedoch schon Richtung Dionysos der noch immer im Gebüsch verborgen war.

„Es geht. Vielleicht eine Rippe gebrochen.“ Hier muss ich anmerken, dass seine Rippen alle in bestem Zustand waren. Der Leser kann sich denken warum Apollon so geantwortet hat.

„Der will zur Polizei gehen? Was für ein Monster! Unsere schöne Türe. Und jetzt will er unser ganzes Baumhaus verbrennen. Wir gehen sofort zur Polizei. Und zu unseren Eltern.“

„Nein, das werden wir nicht!“, kam eine Stimme aus dem Gebüsch. Ein Blätterrauschen und Stöhnen war zu hören und Dionysos stand wieder vor ihnen. Seine linke Gesichtshälfte war blutüberströmt und begann bereits dick anzuschwellen. Er hinkte zu Apollon und ließ sich neben ihm ins Gras fallen.

Sophia rannte an seine Seite und Dionysos sah ihr in die Augen. Es war das erste Mal, dass er sie anblickte und nicht nervös wurde. Ihre Schönheit und die Wärme ihrer Augen ließen ihn seine Wunden sofort vergessen. Er lächelte. „Alles ok. Ich bin nur umgeknickt.“

„Und was ist mit deinem Gesicht? Du musst zum Arzt.“

„Sieht schlimmer aus als es ist. Tut fast gar nicht weh. Ich wasch nachher alles aus und lege ein bisschen Eis darauf.“

Apollon sah seinen Freund entgeistert an. „Hallo? Wieso sollen wir nicht zur Polizei oder unseren Eltern gehen? Das ist Körperverletzung was der macht. Wie kann man nur so mies sein!? Wir müssen was gegen ihn unternehmen.“

Dionysos schaute in den Himmel. „Richtig. Wir müssen etwas gegen den unternehmen aber nicht unsere Eltern oder die Polizei. Und ich glaube ich weiß auch schon was …“

Der gefesselte Dionysos

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