Читать книгу Der gefesselte Dionysos - Patrik Knothe - Страница 19

XII

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Doch am nächsten Morgen um sieben Uhr war Orthos noch am Leben. Galateia brachte ihm ein kräftiges Frühstück, bestehend aus Eiern, Toast, Obst, Kaffee und Orangensaft und war überrascht ihn wach vorzufinden. Heute würde sie nicht mit aufs Feld gehen. Zum einen weil sie immer noch Angst hatte ihrem Bruder könne etwas zustoßen und sie zum anderen mit ihm zum Arzt wollte. Waren sein Körper und Geist doch in einem mehr als besorgniserregenden Zustand.

Nur einige einzelne Laute von sich gebend nahm er leer geradeaus starrend seine Mahlzeit ein. Allein an seiner Essgeschwindigkeit, die sonst um das vielfache höher war, spürte Galateia, dass mit ihm etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Doch für einen kurzen Augenblick war Orthos von einem seltsamen Gefühl ergriffen. Er freute sich als er seine Schwester sah, freute sich, dass sie ihm Frühstück brachte und ihm beim essen zusah. Ein seltenes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab als er in Galateia’s helle, gütige Augen sah.

„Du musst dich nachher gleich waschen und umziehen. Dann gehen wir zum Arzt.“

Diese Worte reichten aber bereits aus um das schöne Gefühl zu verscheuchen. Sein Blick versteifte sich wieder und er musste unwillkürlich an den schmalen Gang im Keller denken und was darin lag; oder vielleicht nicht darin lag.

So folgte Orthos weder ihrer Bitte sich doch endlich umzuziehen und zu waschen, noch hatte er die kleinste Lust zum Arzt zu gehen. Das einzige was ihn gerade interessierte war der Keller. Sobald er wieder aufrecht stehen konnte jagte er als erstes Galateia aus der Wohnung und stieg dann, so schnell es sein Zustand erlaubte, die alten, knarzenden Holzstufen hinunter. Jetzt musste er nur noch das Weinregal beiseite rollen. Ein Schauer überlief ihn – Der Gang war leer.

Orthos Finger verkrampften sich im Holz des Regals und vor seinen Augen begann es zu flimmern.

Ein weißer Zettel lag an der Stelle an der eigentlich seine Vorräte stehen sollten. Mit zitternden Händen hob er ihn auf. Es stand nur ein Satz darauf, doch es erforderte all seine Konzentration ihn richtig lesen zu können:

Am Baumhaus warten wir auf dich!

Die Worte prallten auf ihn ein wie eine Sturmflut kalten Wassers. Wie konnte jemand außer ihm von dem Gang wissen? All seine Angst und Verwirrtheit verwandelte sich auf der Stelle in grenzenlose Wut. Endlich hatte er eine Erklärung; endlich wusste er, dass er nicht völlig den Verstand verloren hatte; und endlich konnte er sich an jemandem rächen. Und wie er sich an diesen unverschämten, kleinen Bastarden rächen würde.

Orthos spürte wie die Kraft langsam in seine Glieder zurückkehrte. Als hätte er noch nie etwas anderes vorgehabt, ging er die Treppe nach oben und zog sich an.

„Was tust du? Wo gehst du hin?“ Galateia war wieder in der Wohnung.

„Lass mich in Ruhe. Ich muss meine Sachen zurück holen.“

„Was für Sachen? Orthos, du brauchst Ruhe und musst dringend zum Arzt. Du bist krank …“

„Mein Bier. Meine Kippen. Das was sie mir geklaut haben. Denen werd’ ich’s zeigen!“

„Was redest du da?“ Sie trat an ihn heran. „Bitte … hör auf zu trinken, du …“

„LASS MICH IN RUHE HAB ICH GESAGT“, schrie er und schlug seiner Schwester mit voller Wucht die flache Hand ins Gesicht. Galateia schlug auf dem Boden auf während Orthos schon draußen auf dem Hof war und zielstrebig Richtung Wald lief.

Jetzt galt es seine Ehre und seinen Stolz wiederherzustellen. Nur dieser Gedanke beherrschte ihn und keine Sekunde dachte er daran, was ihn wohl im Wald erwarten würde.

Nach ein paar Minuten musste er dennoch kurz anhalten und nach Luft schnappen. Sein Körper war immer noch geschwächt.

„Was is denn los Orthos? Wohin biste denn so zielstrebig unterwegs?“ Er erschrak. Diogenes stand auf der anderen Straßenseite und sah ihn interessiert, ja sogar leicht amüsiert an.

Orthos starrte ihm feindselig in die Augen, würdigte ihn aber keiner Antwort und ging weiter.

Er war auf dem Feldweg auf dem sich einige Tage zuvor Dionysos und Apollon vor ihm versteckt hatten, als er erneut stehen blieb. Dieses mal nicht vor Müdigkeit – er hatte ein seltsames Rascheln im Gebüsch gehört. Orthos drehte sich um; doch er war zu langsam … das letzte was er sah bevor er einen Schlag auf dem Kopf verspürte war ein Paar eindringlicher, tiefblauer Augen.

Der gefesselte Dionysos

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