Читать книгу Insolvenzplan, Sanierungsgewinn, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz - Paul Groß - Страница 72
I. Beurteilung eingetretener Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
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§ 17 Abs. 1 InsO nennt als allgemeinen, für alle Rechtsträger und Vermögensmassen geltenden Eröffnungsgrund die Zahlungsunfähigkeit.
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Die für die Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten entsprechen nicht der Passivseite der Bilanz. Weder das gezeichnete Kapital der Gesellschaft noch die als Eigenkapital ausgewiesenen Rücklagen können als Verbindlichkeiten gegenüber den Gesellschaftern noch die in § 39 InsO erfassten nachrangigen Forderungen zum Ansatz gebracht werden. In Betracht kommen nur die Masseforderungen und Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.
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Ein Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist damit das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende Unvermögen des Schuldners, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu begleichen.
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Die Zahlungsunfähigkeit ist von der Zahlungsstockung abzugrenzen. Zahlungsstockung ist die vorübergehende Unfähigkeit, die fälligen Verbindlichkeiten vollständig zu begleichen. Demgegenüber liegt Zahlungsunfähigkeit und nicht nur Zahlungsstockung dann vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen innerhalb eines absehbaren Zeitraums zu begleichen (vgl. BGH 24.5.2005 – IX ZR 123/04 – DB 2005, 1787).
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Beträgt die Liquiditätslücke am Ende des 3-Wochenzeitraums, den der BGH für die Beseitigung der Liquiditätslücke zubilligt, 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten oder mehr, ist nach der Rspr. des BGH (vgl. BGH 24.5.2005 – IX ZR 123/04 – DB 2005, 1787) regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zumutbar ist. Dieser weitere Zeitraum kann in Ausnahmefällen 3 bis u.U. auch bis längstens 6 Monate betragen.
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Beträgt die Liquiditätslücke am Ende des 3-Wochenzeitraums dagegen weniger als 10 %, ist regelmäßig zunächst von Zahlungsstockung auszugehen. Dennoch ist in diesen Fällen eine Liquiditätsplanung zu erstellen, aus der sich die Weiterentwicklung der Liquiditätslücke ergibt. Zeigt sich daraus, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % betragen wird, liegt Zahlungsunfähigkeit vor (vgl. BGH 12.10.2006 – IX ZR 228/03 – DB 2006, 2312 unter Hinweis auf BGH 24.5.2005 – IX ZR 123/04 – DB 2005, 1787). Ergibt sich aus dieser Liquiditätsplanung, dass die Lücke dauerhaft kleiner als 10 % ist, lässt der BGH mehrere Interpretationen hinsichtlich der Frage zu, ob eine Liquiditätslücke von unter 10 % auf Dauer akzeptiert werden kann. Ökonomisch erscheint ein Unternehmen, das dauerhaft eine – auch nur geringfügige – Liquiditätslücke aufweist, nicht erhaltungswürdig (vgl. BGH 24.5.2005, a.a.O.). Auch im Interesse des Verkehrsschutzes ist eine dauerhafte Unterdeckung bedenklich. Im Übrigen hat der Gesetzgeber vom Merkmal der Dauerhaftigkeit ausdrücklich Abstand genommen und wollte gerade eine über Wochen und Monate andauernde Zahlungsstockung vermeiden. Daher liegt Zahlungsunfähigkeit und keine Zahlungsstockung vor, wenn eine auch nur geringfügige Liquiditätslücke innerhalb des vom BGH zugestandenen Zeitraums nicht vollständig geschlossen werden kann.
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Die 10 %-Grenze erlangt ferner Bedeutung für den Sicherheitsgrad, mit dem die Schließung der Lücke innerhalb des vom BGH zugestandenen Prognosezeitraums zu fordern ist. Je höher die anfängliche Unterdeckung und je länger der Prognosezeitraum ist, umso größere Gewissheit ist für den Eintritt und zeitlichen Verlauf der Besserung der Liquiditätslage zu fordern.