Читать книгу Der Preisgekrönte - Paul Oskar Höcker - Страница 10

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Aber endlich ist er da. Freilich nicht Sonnabend, sondern Sonntag.

Und Percy kann am Sonntag natürlich nicht im Kontor anrufen, weil dieses ja am Sonntag geschlossen ist.

Also lässt er sich in der Nähe des Bahnhofs von einem Briefträger, der soeben von der Morgenbestellung zurückkehrt, Anweisung geben, wie man von hier aus zu der recht komplizierten Adresse gelangt.

Es ist früh zehn Uhr. Von mehreren Kirchen klingen die Glocken.

Die Pensionsmutter ist nicht zu Hause, sonst würde sie um diese Stunde selbst an die Entreetür kommen; Minna, das Hausmädchen, hat genug damit zu tun, die sieben Zimmer fertigzumachen. Als er das zweite Mal klingelt, eilt Dodo den Gang entlang. Es könnte ja der Depeschenbote sein.

Wie sich das abgespielt hat, das weiss keines von beiden hernach genau anzugeben. Ja, soviel ist sicher: Percy hat beide Arme ausgebreitet und gesagt: „Na, meine kleine Dodo —!“ Es sollte wohl heissen: Na, der gute August hat nun ausgelitten, da hilft nun nichts, aber ich bin ja da, und ich bringe Ihnen doch seinen letzten Gruss, nicht? Und Dodo wieder fühlt sich so schutzbedürftig, und da ist dieser Mensch mit den blauen, leuchtenden Lotsenaugen, und sie sieht die ausgebreiteten Arme, und mit einem kleinen Aufschrei, der halb Schluchzen ist, halb Jauchzen, presst sie das Gesicht an zwei Hornknöpfe seiner Düffeljacke ... Hernach stellen sie beide unter Lachen fest, dass Dodo auf Nase und Wange dunkelrote Flecken hat, die sie ganz komisch entstellen.

Sie hat ihn in ihr Stübchen eintreten lassen. Da sitzt er nun auf dem mit Antimakassars versehenen Sofa und starrt den grossen Papierbogen mit den aufgeklebten Zeitungsausschnitten an. Er begreift sonst sehr schnell, aber in diesem Augenblick versagt sein Vertrauen in sein eigenes Begriffsvermögen. Unter 1187 Bewerbungsarbeiten hat die seinige den zweiten Preis erhalten? Das ist ja fast wie das grosse Los!

„Heiliger Himmel, warum hat das August nicht noch miterlebt! Ach! Dodo, wie wir uns dabei noch in die Haare geraten sind, als die Unterlagen eintrafen! Mach du’s, sagt’ ich, es ist ja nur für geprüfte deutsche Architekten ausgeschrieben, nicht für vogelfreie spanische Bauhilfsarbeiter. — Zum Donner, nein, du wirst es machen, Percy, denn die Sache verlangt einen Kerl wie dich. — Aha, geb’ ich ihm zurück, einen Phantasten, einen halben Malermeister. — So ging es hin und her, bis er sich hinsetzte und in seiner umständlichsten Art anfing. So recht schulmässig, um mich zu reizen. Na, mein Plan stand im rohen ja schon nach ein paar Tagen fest. Und als ich fertig war, korrigierte er mir richtig wieder ein paar akademische Zöpfe hinein. Wir stritten uns darum bis zum letzten Tag, an dem die Arbeit abgehen musste. Dem Namen nach ist er der Einlieferer und damit auch der Preisgekrönte. Ich höre ihn ordentlich: Junge, Junge, wenn du auf deine vermaledeite neue Sachlichkeit verzichtet und mir gehorcht hättest, dann wäre jetzt nicht der zweite, sondern der erste Preis fällig geworden!“

Nun lachten sie beide, Percy und Dodo, über den bockbeinigen alten August. Und Dodo erinnert sich, wie Onkel August ihr damals schmunzelnd verraten hat: dass er über eine Preiskrönung gar nicht so masslos erstaunt sein würde — und dass natürlich Percy das ganze Geld zufallen müsse.

„Aber was stellen wir nun an?“ fragt Dodo.

„Du bist Augusts Erbin, also fällt das Geld dir zu.“

„Aber die Arbeit stammt doch von dir, Percy. Das muss man den Preisrichtern doch alles erst sagen.“

„Ich bin kein Jurist, weiss nicht, wie die Leute darüber entscheiden werden. Jedenfalls haben wir beide Grund, uns zu freuen. Ich gratuliere dir also, Dodo. Halt, so geht das nicht, einfach shakehands, nein, das müssen wir feierlicher machen.“

Er will sie um die Schultern nehmen und abküssen, hat nur noch nicht so den rechten Mut dazu. Aber jetzt öffnet sie beide Arme. Und schlingt sie um seinen Nacken. „Dir wünsche ich Glück. Dir, dir, dir. Lieber, lieber Percy. Ach, ich bin ja so stolz auf dich.“

Sie haben sich lange in den Armen gelegen und einander geküsst, mit geschlossenen Augen, selig hingegeben. Erst eine ganze Weile danach, als sie Arm in Arm auf dem kleinen Sofa sitzen, von dem die Antimakassars herabgerutscht sind, merken sie, dass sie schon lange vor dieser Umarmung du zueinander gesagt haben. Wie das bloss gekommen sei, fragen sie sich.

„Bettelarm bin ich aus Santiago davongelaufen — und hab’ nun hier so ein unbändiges Glück. Weisst du, kleine Dodo, es ist viel zu gross und zu ungewöhnlich und zu stürmisch, als dass unser wackerer August dulden würde, dass wir’s durch eine Landestrauer schmälern. Wenn es uns mal packt, Dodo, dann wollen wir uns gelegentlich mal gründlich ausheulen. Aber schwarze Fingernägel gibt’s nicht. Keinen Trauerflor. Und keine schwarzen Strümpfe, Dodo. Ich will dich in all deiner Helligkeit und Lebendigkeit haben. Mit lachendem Mund und glücklichen Augen. So wie jetzt eben. Liebe, kleine Dodo. Was freu’ ich mich, dass ich mich im vorigen September nicht in die Marmorbrüche von Compostela hinabgestürzt habe. Weisst du, nach dem grossen Streit damals mit Rioja. Wär’ das eine Dummheit gewesen!“

Dodo hat ihm ihre kleinen Fäuste gegen die mageren Schläfen gepresst und sieht ihm tief in die Augen. „So gottlos hast du einmal sein wollen, Percy! Aber nun bist du nicht mehr allein für dich verantwortlich, Percy. Du, weisst du auch, in deinen Augen bin ich drin. Ganz klein — aber doch lebensgross. Du nähmst mich also mit. Wo du bist, werde ich auch sein. Hörst du, Percy? In allem Glück — aber auch in allem Leid.“

„Still. Keine schwarzen Strümpfe jetzt, kleine Dodo.“

*

Der Preisgekrönte

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