Читать книгу Der Preisgekrönte - Paul Oskar Höcker - Страница 11

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Ihr seid zwei rechte Festtagsmenschen, ihr zwei!“ sagt die Pensionsmutter, als sie dem Brautpaar gratuliert. Es ist auch wirklich ein Staat, zwei so gesunde, strahlend glückliche, junge Menschenkinder Arm in Arm vor sich stehen zu sehen.

Natürlich wird Percy — das bleibt für sie nun einmal sein Rufname — das kleine Hofzimmer bekommen, das durch den Wegzug von Fräulein Forstner soeben freigeworden ist. Manche Pensionsmütter hier in Hamburg nehmen ja grundsätzlich keine Brautpaare bei sich auf, sagt sie — aber dafür sogenannte Ehepaare, die nie im Leben getraut sind und auch gar nicht die Absicht haben, sich jemals trauen zu lassen.

Von der Preiszuerteilung haben sie Frau Skull gegenüber nichts erwähnt. Sie braucht sie nicht gleich für Nabobs zu halten. Und man muss doch erst sehen, wie sich das alles noch entwickeln wird. Wenn Dodo sich in der nächsten Woche einmal zwei Tage vom Geschäft freimachen kann, dann fahren sie zusammen nach Berlin und lassen sich beim Preisrichterkollegium melden ... Oder ob man lieber abwartet, bis die offizielle Mitteilung der Preiszuerteilung in Percys Hände gelangt? Wenn das Schreiben der Berliner richtig nach Rúa del Villar 37 adressiert war, so ist es in Santiago gleich von der Post aus nach dem Hamburger Hauptpostamt weitergeleitet worden.

Herr von Glüher scheint die kleine Sekretärin zu schneiden. Es fällt auch den andern auf. Sie wagt unter diesen Umständen doch nicht, um Urlaub zu bitten. Percy hat auf dem Dammtor-Bahnhof eine grosse Karte von Berlins Umgebung gekauft, sitzt den ganzen Tag in seinem Zimmer, zeichnet und rechnet. Die Kopien seiner Preisarbeit, die er aus dem Gepäck herausgekramt hat, liegen auf Tisch, Bett und Kommode verstreut.

„Ich hab’ ja nicht gewusst, dass in dem Gelände dort an der Havel so grosse Niveau-Unterschiede sind. Aus den Unterlagen war das gar nicht zu ersehen. Sonst hätte ich doch die Zufahrtsstrassen von Osten und Westen her in viel weiterem Bogen ausholen lassen. Sieh nur, Dodo, etwa so. Wie? Das hätte doch gleich ein ganz anderes Gesicht gehabt. Ich begreife nicht, dass die Leute eine so stümperhafte Lösung haben preiskrönen können. Man muss sich ja geradezu für sie schämen. Nicht?“

Sie kniet neben ihm am Tisch, noch in Lederkappe und Regenmantel, wie sie eben von der Strasse hereingesprungen ist, um ihm rasch guten Abend zu sagen.

„Aber wie siehst du denn aus, Dodo?“ ruft er in plötzlichem Schreck.

Sie hat einen kleinen blutenden Riss an der Wange, ihre ganze linke Seite ist patschnass und beschmutzt.

„Du bist draussen hingefallen?“

„Ich wollte dir doch bloss durch den Türspalt einen Gruss zurufen. Nun siehst du mich in so einer wüsten Verfassung. Rasch ins Badezimmer. Und der Mantel kommt gleich in den Waschzuber.“ Sie ist lachend wieder aufgesprungen.

Er eilt hinter ihr drein. „Aber du bist verwundet, Dodo. Um Gottes willen, du warst in Gefahr? Doch nicht etwa überfahren?“

Sie lacht noch immer, aber verstellen kann sie sich ja nicht, er merkt also, dass sie irgendeinen grossen Schrecken durchgemacht hat. Er folgt ihr bis in die Tür vom Badezimmer. Frau Skull tut abends Dienst als Garderobenfrau im Thaliatheater, aber das Mädchen springt sofort aus der Küche herbei und nimmt der Chambregarnistin die nassen Sachen ab.

„Jetzt musst du aber aus der Tür, Percy. Minna, kommen Sie rasch mal herein. Ich sag dir hernach alles, Percy ... Also da war so ein Taperfritze, ein kurzsichtiger Mann, der blieb mitten beim Übergang an den Grossen Bleichen im tollsten Verkehr stehen, um sein Pincenez auf dem Asphalt zu suchen. Von rechts kommt ein Lastwagen, der Schutzmann ruft ihn an, hinter dem Lastwagen ein Motorradfahrer, der überholen will, von links eine ganze Reihe Autos. Alles schreit auf. Da flitze ich über die Strasse und gebe dem Mann einen Stoss, auf dem nassen Damm geht es wie gehext, wir rutschen beide und schlagen beide hin, und der Motorradfahrer rammt den Taperfritzen noch gerade mit dem Kotflügel an der Schulter. Jetzt mit einemmal stand alles. Und man schimpfte natürlich in allen Tonarten. Die Leute helfen uns auf die Beine. Der Schutzmann zieht gleich sein Notizbuch. Der Mann müsse Strafe zahlen, sagen die Leute. Es fehlt nur noch, dass auch ich ein Strafmandat erhalte. Ich weiss selbst nicht, wie ich dazu gekommen bin, mich so einzumischen. Aber nur eine halbe Sekunde — und der Mann wäre unter die Räder des Lastautos geraten!“

„Du nichtsnutzige Lebensretterin, du!“ Jedesmal, wenn Minna die Tür öffnet und mit einem weiteren Stück von Dodos durchweichter Garderobe herauskommt, bleibt ein kleiner Spalt offen.

Nun wird drinnen die Dusche gezogen.

„Ich habe — solches Herzklopfen!“ versichert er und lehnt sich wie erschöpft an die Korridorwand.

Unter der Brause lacht sie hell auf. Plötzlich gewahrt sie den Türspalt. „Aber das ist ja ... Um Himmels willen, wenn Frau Skull ...“ Die Brause klatscht in die Wanne, nackte Füsse eilen unsicher über die Kacheln, rasch schliesst sich der Türspalt.

Percy kehrt in sein Zimmer zurück. Da sieht man noch am Tisch die Spuren von Dodos nassem Regenmantel. Er setzt sich in den Lehnstuhl am Fenster, ringt nach Atem und muss schlucken, weil ihm die Kehle ganz trocken geworden ist.

Endlich steckt Dodo in ihrem Kimono und huscht an seiner Tür vorbei. Er hört ihre leichten Schritte.

Auf den Fussspitzen folgt er ihr in ihr Zimmer. „Böse?“ fragt er schüchtern.

Sie steht vor dem Spiegel und bürstet ihr Haar. Stumm schüttelt sie den Kopf.

„Blutet die Wunde noch?“

„Ach, es ist nur eine Schramme.“

„Zeig!“ Er umfasst und küsst sie. „Mädel — um einen fremden Menschen sich so in Gefahr zu stürzen! Wenn du nun statt seiner unter die Räder gekommen wärst!“

„Lass nun gut sein. Ich lebe. Und ich freue mich, dass ich lebe.“

„Heut feiern wir ein hohes Fest, Dodo. Unser Lebensfest.“

Sie umarmt ihn, hüllt ihn ganz ein mit ihren weiten Kimonoärmeln. Er fühlt ihre samtweiche, kühle Haut, die sich rasch erwärmt.

*

Der Preisgekrönte

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