Читать книгу Der Preisgekrönte - Paul Oskar Höcker - Страница 4
ОглавлениеHerr von Glüher ist über die Böllerschüsse, namentlich aber über die „Wacht am Rhein“, geradezu entsetzt. Er befindet sich schon im Landanzug mit Melonenhut und hellgelben Handschuhen und hält auf der Kommandobrücke, wo der Kapitän mit dem vor einer Stunde an Bord gekommenen Lotsen spricht, Ausschau nach dem Pier. Richtig, dort stehen ein paar Männer in Zylinder und Gehrock, goldene Ketten auf der Brust. Ist es der Alcalde von Vigo, ist es die Hafenbehörde? Herr von Glüher eilt mit unsicheren Knien die Treppe hinunter aufs Promenadendeck, auf dessen Steuerbordseite sich alle 149 Passagiere, mit Kodak und Fernglas ausgerüstet, versammelt haben.
„Das ist ja ein Kamel mit Eichenlaub!“ fährt er seine kleine Sekretärin an. „Wenn die Auslandspresse das aufnimmt! Die ‚Macht am Rhein‘! Nichts Unpassenderes kann uns hier passieren! Was fällt dem Manne bloss ein? Was haben Sie ihm denn nur geschrieben?“
„Onkel August?“ fragte Dodo völlig verwirrt.
„Wie kommen Sie —?— Eine Staatskarosse am Pier, also offizielle Begrüssung! Grauenvoll! — Kann Hemberger Ihren letzten Brief denn so katastrophal missverstanden haben?“
„Hemberger, ach so, der Agent aus Coruña!“ Dodo atmet erleichtert auf. „Ich hab’ alle Telegramme dem Zahlmeister gegeben. Soll ich sie holen?“
„Jetzt nimmt das Unheil schon seinen Lauf. — Bum, bum! Ich könnte den Mann skalpieren!“
„Aber es ist doch so feierlich, Herr von Glüher! Und wundervoll ausgeschmückt sind die Boote! Nein, die Blumen und die Girlanden!“
Die ersten „Viva Alemania!“ dringen zwischen dem Salut und der Musik übers Wasser. Die Herren an Deck des „General San Pedro“ lüften die Hüte, die Damen winken.
Nun kann sich auch Dodo nicht mehr beherrschen. Jubelnd, zugleich tief gerührt von der Festlichkeit des Augenblicks, schwingt sich ihr zärtlicher Alt zu einem pompösen „Viva España!“ auf. Alle Passagiere wenden sich nach ihr um und stimmen ein. Der Kapitän und sämtliche Offiziere salutieren.
„Der Lotse sagt, es sei der Bürgermeister, der Herr da drüben mit dem ergreifend hohen Zylinder. Die Stadt will die erste deutsche Reisegesellschaft begrüssen, die nach dem Krieg hier spanischen Boden betritt. Fräulein Hartmann, rennen Sie mir bloss nicht davon. Sie müssen dolmetschen ... Nein, die Verteilung der Wagen ist jetzt Nebensache. Inzwischen müssen unsere Herrschaften doch auch gelernt haben, ohne Kinderfräulein ihr Stühlchen zu finden.“
*