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Sonderkommando: Rotationen und Selektionen

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Dies alles erforderte jedoch den Aufbau ständiger Arbeitskommandos, die diese Monsteranlagen bedienten – und zwar ständig wechselnder Arbeitskommandos. Denn die Art des Betriebs brachte es naturgemäß mit sich, dass Rotationen – der turnusmäßige Austausch der Eingeweihten – vorgenommen wurden.

Die Bezeichnung „Heizer Krematorium“ ist in den Verwaltungsakten des KL Auschwitz bereits seit September 1940 dokumentiert. Parallel zum „Kommando Krematorium“ bestand seit Mai 1942 ein „Fischl-Kommando“, benannt nach dessen Vorarbeiter Goliath Fischl140. Dieses Kommando war recht klein und bestand nach der Vereinigung mit dem Krematoriumskommando anfangs aus zehn, später, während der Einarbeitung eines „Kommando Krematorium II“, kurzzeitig aus 36 Mitgliedern141: aus drei und später sieben Polen (einschließlich des Kapos Mietek Morawa) sowie aus sieben und später dann aus 29 Juden. Der Kontakt zu anderen Häftlingen war den Juden des Sonderkommandos nicht mehr gestattet, weshalb sie im Keller des Bunkers untergebracht wurden, in den Zellen 13 und 7 des berüchtigten Blocks 11. Die polnischen Mitglieder des Sonderkommandos hausten hingegen ganz normal im Block 15, zusammen mit anderen Häftlingen: Nach den Worten von Filip Müller war der Kapo Morawa ein gnadenloser Antisemit, weinte jedoch um jedes Opfer aus der Reihe der Polen.

Fünf der sieben Polen wurden zum Schluss in Mauthausen erschossen, einige Juden aus dem ursprünglichen Aufgebot überlebten aber durch irgendein Wunder die ganzen Säuberungen des Sonderkommandos und schafften es bis zur Befreiung. Wahrhaft Unsterbliche! Einer dieser Unsterblichen: Stanislaw Jankowski. Sein echter Name war Alter Feinsilber142. Er hatte in Spanien gekämpft und sich für einen polnischen Katholiken ausgegeben. Den Namen „Stanislaw Jankowski“ gab er sich in Frankreich, um seine jüdische Abstammung zu verbergen. Doch der Trick half nichts. Er wurde von der französischen Polizei festgenommen und als Jude identifiziert. Damit war sein weiterer Weg vorbestimmt: Erst ging es ins jüdische Sammellager in Drancy bei Paris, dann ins Transitlager in Compiègne und von Compiègne aus schließlich am 27. März 1942 in einem Transport von 1.118 Menschen (allesamt erwachsene Männer ohne Frauen und Kinder) nach Auschwitz, wo er am 30. März ankam.

Nach der Aufnahme im Block 11 des Stammlagers gelangte der ganze Transport schließlich, über einen schlammigen Weg stapfend, nach Birkenau, wo Feinsilber-Jankowski vollständig registriert und im Block 13 des Abschnitts B I b untergebracht wurde. Der Blockführer war ein SS-Mann, der Blockälteste war deutscher Strafgefangener, der die Häftlinge bei jeder Gelegenheit verprügelte, um dem Blockführer am Morgen danach zu melden, wie viele von denen in der Nacht umgekommen waren. Je nach Anzahl der Opfer war der Blockführer zufrieden oder eben nicht: 15 war nicht ausreichend, 30 bis 35 Erschlagene mussten es schon sein.

Bald jedoch wurde Feinsilber-Jankowski, von der Ausbildung her Tischler, aus Birkenau nach Auschwitz zurückgebracht, wo das Überleben unvergleichlich leichter war. Im November 1942 musste er seine Tätigkeit allerdings jäh ändern: Er wurde dem ersten Aufgebot des Sonderkommandos zugeteilt und dem Krematorium I als Heizer zugewiesen. Seine Aufgabe war, die Leichen der Verstorbenen oder Getöteten in die Öfen zu schieben.

Die Arbeit begann um fünf Uhr morgens und endete um sieben Uhr abends, mit einer 15-minütigen Pause für das Mittagessen. Doch im Vergleich zu dem, was ihn bald schon in Birkenau erwartete, war das noch gar nicht so viel Arbeit. Außer den Leichen derjenigen, die die Selektion nicht passiert hatten, wurden die in Auschwitz I und in Auschwitz III (Monowitz) verstorbenen und getöteten Juden verbrannt. Erschossen wurden hier in der Regel die „Fremden“, meist sowjetische Kriegsgefangene, die – nicht aus dem Konzentrationslager – eigens zum Erschießen hierhin gebracht wurden. Hin und wieder erschoss man hier auch die „Eigenen“, darunter fast wöchentlich zehn bis 15 sowjetische Kriegsgefangene aus den Kellern des Blocks 11143 (weil sie ständig irgendeine Vorschrift brachen). Leichen – auch von Frauen und Kindern, häufig seziert – kamen zudem von den Medizinern aus dem Block 10 (dem Versuchslabor von Mengele) und dem Block 19, wo ebenfalls Versuche vorgenommen wurden – aber mit Bakterien –, sowie aus dem Block 13, dem jüdischen Lazarett. Freitags wurden Leichen aus der Stadt und dem gleichnamigen Amtsbezirk Auschwitz übernommen144.

Im April 1942 kam der Zweite der „Unsterblichen“ nach Auschwitz und im Mai dann zum Sonderkommando: Filip Müller, ein slowakischer Jude aus dem Städtchen Sered‘145. Weitere drei am Leben gebliebene „Fischler“: Adolf Burger, Max Schwarz und Kiel. Bei der Einlieferung Filip Müllers ins Konzentrationslager befanden sich hauptsächlich Polen und Deutsche im Lager – insgesamt „gerade mal“ 10.629 Häftlinge. Unter ihnen waren auch 365 sowjetische Kriegsgefangene, der kümmerliche Rest jener 11.500 Gefangenen, die zwischen Juli 1941 und März 1942 hier registriert worden waren. Müllers „Laufbahn“ fing dann auch mit sowjetischen Kriegsgefangen an.

Er beschreibt seinen ersten „Sündenfall“, nämlich als er gierig das Brot aufaß, das er in der Kleidung der Getöteten gefunden hatte. Nachdem drei seiner Kameraden, die er selbst entkleiden und auf die Kremierung vorbereiten musste, vor seinen Augen ermordet worden waren, geriet er an den tiefsten Abgrund der Verzweiflung. Und an jenem Abgrund blieb er stehen: Selbst in den Ofen zu springen, hätte er nicht fertiggebracht. Alles – nur nicht der Tod: „Ich wollte nur eins: leben!“ Im Grunde konnte man nur mit einer solchen Einstellung und dazu der Hoffnung, irgendwie und irgendwann hier auszubrechen, versuchen, diese Hölle durchzuhalten. Dem rückhaltlosen Überlebenswillen mengte sich die zaghafte Hoffnung bei, alles zu erzählen, was hier geschah146 – wenn du überlebst.

Nachdem Müller im Juli 1943 in Birkenau in das Kommando Krematorium II eingewiesen worden war (etwa Mitte August 1943 kam er ins Krematorium V), hörte er mit Entsetzen dem Heizer Jukl (Wrobel?) zu: Dieser zeigte ihm den Aufbau des Monsterkrematoriums mit den Gaskammern, den Haartrocknungsräumen und den 15 Öfen mit der Einäscherungskapazität von einem ganzen Eisenbahnzug (und ganz in der Nähe war ja noch so eines).

Die erste Mannschaft des Sonderkommandos, eine recht kleine, war dem Krematorium I in Auschwitz I zugewiesen. Die zweite, 70 bis 80 Männer (größtenteils slowakische Juden), arbeitete schon ab Frühjahr 1942 in Birkenau im Bunker 1. Anfangs bestand sie noch aus dem eigentlichen Sonderkommando, das mit den Leichen und in den Gaskammern arbeitete, und dem Begräbniskommando, das das Verscharren der Leichen in riesigen Gruben147 sicherstellte.

Bald schon wurde eine Rotation an ihnen vorgenommen – teils stückweise am Arbeitsplatz (Tötung durch SS-Männer), teils massenweise.

Das dritte Aufgebot des Sonderkommandos unter dem Befehl von Obersturmführer Franz Hößler zählte schon rund 200 Mann148. Anfangs blieb die Arbeit unverändert: Entkleidungsbaracken, Gaskammern, Totengruben. Doch im September, nach Himmlers Besuch im Juli, fand plötzlich eine Umorganisation statt: Von da an wurden die Leichen nicht mehr vergraben, sondern in großen Gruben auf Scheiterhaufen verbrannt. Schon im September zählte das Sonderkommando 300 Mitglieder149, und diese Anzahl wuchs unaufhörlich weiter (einigen Angaben zufolge auf bis zu 400 Mann). Diese 300 Neulinge waren größtenteils damit beschäftigt, die bereits gefüllten Massengräber zu öffnen und zusammen mit den frischen auch noch die halbverwesten Leichen zu verbrennen. Natürlich fürchtete man die Verseuchung des Grundwassers und Epidemien. Das Wichtigste aber war etwas anderes: In Anbetracht der bevorstehenden grandiosen „Aufgabe“ (die Krematorien wurden zu dem Zeitpunkt schon unter Hochdruck gebaut) hätte es für Erdbestattungen einfach nicht genug Erde gegeben!

Bis Dezember 1942 war die „Aktion 1005“ in Birkenau erfolgreich verlaufen: Einigen groben Schätzungen zufolge wurden mindestens 107.000 Leichen exhumiert und verbrannt. An dieser Stelle gab es keinen Zweifel mehr: Die Aktion war definitiv vollumfänglich und schlussendlich vollendet. Es war nun für diejenigen an der Zeit, zu sterben, die die Leichen ausgruben, hinüberschleppten und verbrannten.

Das begriffen sie offensichtlich auch, vielleicht wussten sie es sogar mit Bestimmtheit, weil die Meldung bereits die Runde machte. Deshalb auch die vagen Gerüchte über die Vorbereitung eines Aufstands und die realen Fluchtversuche einiger Gruppen Anfang Dezember. Am 9. Dezember 1942 wurde das gesamte Kommando nach Auschwitz I gebracht und dort in die Gaskammer des Krematoriums I getrieben150. Das waren größtenteils slowakische und französische Juden, unter ihnen auch der Stubendienst Schmuel Katz und einige andere, alle aus Trnava, über die Rudolf Vrba und Alfréd Wetzler berichteten: Alexander und Wojtech Weiss, Fero Wagner, Oskar Scheiner, Dezider Wetzler und Aladar Spitzer151.

Pery Broad betonte, dass diese Aktion auch bei den SS-Wachen einen tiefen Eindruck hinterließ, begriffen sie doch plötzlich, dass auch sie im Grunde genommen ebensolche „unerwünschte Augenzeugen“ waren und dass irgendwann sie selbst152 in die Gaskammern gepfercht werden könnten.

Zwei Fluchtversuche sind dokumentiert und nachgewiesen: einer am 7. und einer am 9. Dezember153.

Am frühen Morgen des 7. Dezember flohen zwei: der slowakische Jude Ladislaus Knopp und der rumänische Jude Samuel Culea. Der Lagerführer Hans Aumeier gab den Befehl, sie zu suchen – wobei im Befehl speziell darauf hingewiesen wurde, dass es aus staatspolizeilichen Gründen besonders wichtig sei, die Geflohenen zu fassen. Weit kamen die zwei Häftlinge nicht: Noch am selben Tag wurden sie um 20.30 Uhr in Harmense gefangen und an die Stammlagerwachen übergeben154. Am 10. Dezember wurden sie im Gefängnis(bunker)buch des Blocks 11155 registriert und fünf Tage später ins Lager entlassen, wonach sie offenbar ermordet wurde156. Am Vortag, dem 9. Dezember 1942, hatte der Chef des Wachdienstes um 12.25 Uhr eine Mitteilung über die Flucht weiterer sechs Mitglieder des Sonderkommandos erhalten. Die Flüchtigen hatten einen sehr dichten Nebel auf ihrer Seite, sodass die Suche nach ihnen um 17 Uhr abgebrochen wurden157. Am nächsten Tag wurden zwei aus der Sechsertruppe gefangen und in den Block 11 eskortiert. Dies waren die Brüder Bar und Nojech Borenstein. Beide waren weniger als einen Monat vor ihrer Flucht nach Auschwitz-Birkenau gekommen, am 14. November mit einem Transport aus Zichenau158. Offenbar zur Abschreckung aller anderen Häftlinge wurden die zwei Brüder öffentlich gehängt – am 17. Dezember159. Wir sehen also, dass einigen die Flucht gelang, obwohl wir über das weitere Schicksal dieser aus der Hölle Geflohenen keine Informationen haben.

Wie dem auch sei: Am 9. Dezember fing man in Auschwitz-Birkenau an, hastig ein neues Sonderkommando aus neuen Häftlingen des Lagerbereichs B I b zusammenzustellen. Eben dann kamen Gradowski, Lewenthal, Langfuß und viele andere polnische Juden an die Reihe, die am Ende der ersten Dezemberdekade nach Birkenau gekommen waren: Durch sie wurden die Toten schnell ersetzt – und zwar unter Bruch aller Regeln ohne jedwede Quarantäne. Den Großteil der Männer stellten diesmal die polnischen Juden. Unter den „Einberufenen“ waren auch die, die das Ende des Lagers erlebten: Milton Buki und Shlomo Dragon. Bis Mitte Juli 1943 wurden sie im isolierten 2. Block des Lagerbauabschnitts B I (B I b) in Birkenau untergebracht. Ab Mitte März nahm eines nach dem anderen der Krematorien in Birkenau den Betrieb auf. „Arbeit“ gab es immer mehr als genug …

Von Dezember 1942 bis März 1943 erhöhte sich die Mitgliederzahl des Sonderkommandos: von 300 auf 400 Mann. Die Mehrheit unter den Neulingen waren Juden aus Polen und Frankreich160, die Minderheit aus Griechenland, der Slowakei und den Niederlanden. Was die griechischen Juden anbelangt, sollte man zwei Deportationswellen in Erinnerung behalten, die sich voneinander unübersehbar unterschieden. Beide zogen sich jeweils über ein halbes Jahr hin, von März bis August – die erste und größte (19 Eisenbahnzüge, 46.000 Menschen) im Jahre 1943, die zweite (23.000 Menschen) 1944.

1943 wurden Juden aus der deutschen und bulgarischen Besatzungszone in Griechenland161 deportiert, hauptsächlich aus Thessaloniki162; 1944 dann aus dem ehemals italienisch okkupierten Gebiet: Italienische wie auch griechische Juden aus der italienischen Besatzungszone hatte der Duce an den Führer nicht ausgeliefert, wie auch der Zar Boris seine Juden nicht hergab (griechische Juden hingegen: bitte sehr!). Nach dem Badoglio-Putsch im Juli 1943 aber entfiel die Notwendigkeit, sich mit dem Duce abzustimmen163.

Dazu muss man sagen, dass die griechischen Sephardim sich auch äußerlich merklich von ihren ost- und westeuropäischen Brüdern, den Aschkenasim, unterschieden. Das zermürbende Leben im Ghetto kannten sie nahezu gar nicht, unter ihnen gab es nicht wenige ehemalige Soldaten und Partisanen – echte Kämpfer, die für sich einstehen konnten, was sie in Auschwitz auch bewiesen.

Nicht umsonst vergleicht einer der Filmcharaktere von Lanzmann sie, die er in Treblinka gesehen hat, mit den Helden-Makkabäern164. Doch in Treblinka II gab es nicht mal Selektionen, weshalb die Häftlinge keine Zeit hatten, sich umzuschauen. Gleich an der Rampe wurden sie ihres Gepäcks entledigt, in den Entkleidungsbaracken dann ihrer Kleidung; danach wurden sie in einen nach oben verlaufenden „Schlauch“ getrieben, einen Korridor, durch Decken und vergilbte Kiefernadeln abgedichtet. Dieser Schlauch führte recht schnell auf die Spitze eines Hügels, auf dem sie das Allerwichtigste erwartete: der Block einer Gaskammer, die mit Verbrennungsgasen betrieben wurde – das Herz der Vernichtungsmaschinerie. Von der Ankunft bis zum „Abgang“ vergingen gerade einmal zwei, drei Stunden; kein einziger Makkabäer überlebte Treblinka.

Die Mitglieder des Sonderkommandos arbeiteten damals in zwei Schichten und in fünf Abschnitten: zwei Brigaden je 100 Mann in den Krematorien II und III, zwei je 60 in den Krematorien IV und V sowie eine Brigade in der Spurenbeseitigung – seit Sommer 1944 wurde die Asche ausgegraben und in die Weichsel geworfen.

Mitte Juli 1943, nachdem in den Blöcken des Bauabschnitts B I b ein Frauenlager eingerichtet worden war, wurden sie in den isolierten Block 13 des neu geschaffenen Männerlagers des Bauabschnitts B II in Birkenau (B II d) verlegt, weiter weg von den Krematorien II und III und näher an die Krematorien IV und V. Eben dorthin, in Block 13, kam später die nachrückende Verstärkung165. Nachdem es in Block 13 eng geworden war, wurden die Neuankömmlinge auch auf die Blöcke 9 und 11 verteilt.

Von der benachbarten eigenen Waschbaracke war Block 13 durch einen von einer Mauer begrenzten Hof getrennt, an deren Tor immer eine Blockwache stand. Der Hof des auf der anderen Seite der Waschbaracke befindlichen Blocks 11 war ebenfalls durch eine Mauer abgesperrt. Doch die Korruption öffnete – dieser Isolation zum Trotz – jede Tür. Den Ruf ausgewiesener Schwarzmarktkenner verdienten sich die Söhne des Kapos Shlomo Kirszenbaum. In dieser Baracke gab es auch eine kleine „Klinik“: eine Krankenabteilung mit 20 Betten, mit dem Franzosen Jacques Pach als Chefarzt ab 1943. Auch ein eigenes Glaubensleben gab es, mit einem eigenen Minjan und sogar einem Dajan166: Lejb Langfuß aus Makow. Sie und einige andere beteten in ihrer ganzen Freizeit! Anfangs wetterte man gegen ihn, genauer gesagt gegen Gott. Dem Letzteren sprach man sowohl Gerechtigkeit als auch Existenz ab. Einer seiner früheren Schüler warf Langfuß an den Kopf: „Es gibt keinen Gott, und wenn es einen gäbe, wäre er ein Ochse und ein Hurensohn.“167 Den Dajan respektierte man dennoch und hörte auf ihn.

In welchem Block auch immer das Sonderkommando in Birkenau untergebracht war, der Blockälteste168 war von April 1943 bis zum Umzug in die Krematorien stets der 32-jährige französische Jude polnischer Abstammung Serge Szawinski, ehemaliger Textilhändler (laut anderen Quellen: Zuhälter) in Paris. Er trug eine rote Armbinde mit weißer Aufschrift: „Blockältester Block 13“. Nach Auschwitz war er schon am 30. März 1942 gekommen, mit dem ersten RSHA-Transport aus Frankreich. Salmen Lewenthal bezeichnete ihn als den „letzten Verbrecher“ und Marcel Nadjari als einen Menschen, wie man ihn sich schlimmer kaum vorstellen könne: Stattlich, immer frisch rasiert und zynisch machte er mit aller Kraft und größtem Vergnügen von seinem Recht Gebrauch, seine „Schutzbefohlenen“169 zu schlagen. Salmen Gradowski jedoch spricht in neutraler Weise über ihn: Der „Lagervater“, groß, hellhaarig, beleibt, lächelnd, gebe beim ersten Kennenlernen mit einem Neuankömmling recht vernünftige psychologische und hygienische Tipps.

Jüdische Kapos waren zu unterschiedlichen Zeiten: Eliezer (Leizer) Welbel aus Lunna in den Krematorien IV und V; Ajzik Kalniak aus Lomza im Krematorium V und später im Haartrocknungsraum des Krematoriums III; Shlomo Kirszenbaum aus Makow war Kapo der Tagesschicht im Krematorium V; Ajzik Nowik aus Lunna war Kapo der Tagesschicht (?) im Krematorium V (?); Daniel Obstbaum im Krematorium IV170 und Chaim-Lemke Pliszko aus Czerwony Bór war Kapo im Krematorium III171.

Die „steilste Karriere“ aber machte Jakob (Jaacov) Kaminski, geboren in Skidel oder Sokolka172: Schon im März 1943 war er Kapo im Krematorium III und von Dezember 1943 bis April 1944 Oberkapo, danach Kapo im Krematorium II. Der Arzt Jakub Gordon, der Kaminski schon von vor dem Krieg kannte, traf ihn zufällig in Birkenau wieder: Von Ende April bis Mitte Juli 1943 waren ihre Baracken (Block 1 und 2) nebeneinander und Kaminski erzählte Gordon im Vertrauen, oft und ausgiebig und manchmal unter Tränen, was das Sonderkommando tun musste und welcher Umgang dort herrschte.

Briefe aus der Hölle

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