Читать книгу Rosenegg - P.B.W. Klemann - Страница 13
Kapitel 4
ОглавлениеErzählt von der unzufälligen Begegnung mit einem Teufel ohne Namen
So lebte ich jedenfalls als Räuber dahin und lebte dergestalt fröhlicher, als es sich wohl für einen Predigersohn gebührt, bis schließlich im Frühjahr anno 1616 es zu jener unglückseligen Begegnung kam, die manches Leben verändern und manches kosten sollte, mich jenem Mann vorstellte, der für so viel Gräuel und Leid in meinem eigenen Werdegang Verantwortung trug.
Wir im Süden lieben unsere Feste, vor allem die im Frühjahr, feiern am St.-Burkhards-Tag, wo kräftig Most ausgeschenkt wird und dazu die gute Sau serviert, ganz besonders aber feiern wir die “Fastnacht”, was man dort die “Fasnet” nennt, lieben doch die Hegauer, sich zu verkleiden und zu tanzen und zu saufen, haben viele Ortschaften dann ihre eigenen Feste an bestimmten Tagen und laden die umliegenden Dörfer ein, trifft man sich auf großen Festwiesen, wo Zelte und Stände aufgebaut werden, es gutes Essen und Trinken gibt, tragen die Damen dann gewobene Blumenkränze auf dem Haupte, auf den weißen Hauben sitzend, haben die Haare schön geflochten zu langen Zöpfen, ihre besten Kleider an; laufen Horden von Narren umher, verkleidet mit den buntesten Kostümen, verziert mit klimpernden Glöckchen und ratternden Holzrasseln, andere binden sich Strohbündel um die Arme, um die Beine, um den ganzen Körper, tragen geschnitzte Holzmasken dazu, manche lachend mit halbmondförmigen Augen, andere schrecklich grinsend oder grausig schauend mit spitzen, gruseligen Zähnen und schlitzigen Augen, führen sie allesamt grobe Besen, die Wintergeister auszukehren.
Herrlich wird dann getanzt und Musik gespielt, tanzen und springen und lachen die Jungfrauen mit den Kerlen ihrer Wahl, lassen sich im Kreise drehen, an den Hüften halten und hochwerfen, dass es die Kleider hebt und die Mieder drückt, man Dinge sieht, dem Beichtvater zu berichten.
Aufs Trefflichste feierten auch wir Räuber damals, ließen uns den Spaß nicht nehmen, uns unters Volk zu mischen. Allerorts hieß es dann saufen und fressen, als gäbe es kein Morgen, wurde aufs Herrlichste Völlerei betrieben, dass einem Franziskus das Herz geblutet haben möge. Und redlich getan haben sie’s, die guten Hegauer Leute damals, denn zu feiern gab es einige Jahre später wahrlich nicht mehr viel, ist viel schönes Brauchtum verschwunden und vergessen seither, gefressen vom Kriege und seinen Kindern.
Damals jedenfalls ging es noch hoch her, war der Höhepunkt, der “schmotzige Dunschtig”, wie man bei uns sagt – wo jedes Dorf wetteifert mit dem nächsten, wer die schönste Festlichkeit ausrichte, und wir von Ort zu Orte zogen und blieben, wo es uns gerade gefiel –, bereits vorüber gewesen und galt es nun, den letzten der Festtage zu genießen, den Aschermittwoch, bevor die guten Katholiken sich ans Fasten machten.
Ich durfte mit dem Hauptmann und einigen anderen mit nach Radolfzell, war jenes bekannt für seinen schönen Aschermittwoch. Wie stets hatten wir ausgelost, wer mit dürfe, hatten Stöckchen gezogen, ließ der Wagner doch nicht zu, dass mehr als zehn Mann auf einmal an einen bestimmten Ort gingen, um kein zu großes Aufsehen zu erregen, aus Sorge, dass wir erkannt würden, kamen viele der Unseren aus den umliegenden Dörfern und Städten, waren bekannt und standen zur Verhaftung ausgeschrieben. Bastian war auch mit von der Partie, der Wagner selbst war freilich stets dabei, so er denn Lust verspürte, was er meist tat.
Gut kann ich mich an jenen Tag entsinnen, waren wir zusammen zur Messe gegangen zu Radolfzell im Münster dort, und ich, der ich zeitlebens kein katholisches Gotteshaus betreten hatte, machte große Augen, als ich unter den hohen Kuppeln durchschritt, hoch zur hohen, verzierten Decke starrte und ernstlich dachte, es müsse eine der größten Kirchen überhaupt sein. Selbst heute noch gaukelt mir das Gedächtnis ihre Größe vor, obzwar ich wohl weiß, dass jenes Münster nichts Besonderes ist, weder berühmt noch bekannt. Voll war es dort gewesen, voll die Straßen und die Plätze, voll das Gotteshaus, und wir drängten uns vor zu den Pfaffen, von denen eine ganze Meute vor dem Altar aufgereiht stand, in ihrer Mitte ein besonders prächtig Ausstaffierter, mit goldbestickter Mitra nebst goldbestickter Kasel, einem goldenen Stab mit gewundener Spitze, goldenen Ketten mit Kreuzen daran und goldenen Ringen, mit Edelsteinen geziert, fast an jedem Finger einen, ein Bischof, wohlgemerkt. Sie streuten den Leuten Asche über die Häupter, und auch meine Kameraden gedachten, sich dergestalt segnen zu lassen. Die meisten drängten zu jenem Goldpfaffen, doch mir war es einerlei, und so ging ich zu einem weniger frequentierten am Rande, lauschte dem Chor, der über dem Altar auf einem Balkon beisammenstand und lateinische Lieder trällerte, mit vielen “Deus” und vielen “Sanctus”, indessen der Pfaffe mir kreuzförmig die Asche übers Haupt streute und mich segnete.
Froh war ich, wieder draußen zu sein, fühlte ich ein schlechtes Gewissen, waren mir noch zu sehr die Predigten meines Vaters in Erinnerung, vom lästerlichen Prunk und Protz der Katholischen, von ihren abergläubischen Sitten und Gebräuchen, dass ich mir gramvoll die Asche vom Haupt schüttelte. Indessen ich draußen auf meine Kameraden wartete, denen es wichtig war, sich vom Bischof persönlich zu salben, beobachtete ich die holde Damenwelt, war ich damals noch sehr schüchtern und unbeholfen, wagte nur verstohlen hinter schönen Röcken herzuschauen, und sah, dass sie den Weibern mit der Asche ein Kreuz auf die Stirn gemalt statt wie bei unsereins übers Haupte gestreut.
Ich beschaute mir gerade ein besonders schönes Exempel jener Gattung, als ich einen Kerle bemerkte, der mir irgendwie bekannt vorkam und der, wie ich mir einbildete, meiner Wenigkeit mehr Beachtung schenkte, als ein Dahergelaufener gemeinhin zu tun pflegt. Kaum dass er bemerkt hatte, dass ich ihn bemerkte, wandte er schnell den Blick ab und tat, als interessiere ihn allein das Treiben vor dem Münster. Doch bevor ich mir noch weitere Gedanken dazu machen konnte, erscholl ein Ruf: Lakai! Komm! Der Wagner war’s, verließen meine Räuberkameraden eben das Gotteshaus. So gingen wir zusammen hinüber zum großen Marktplatz, wo schon die Narren ihr Unwesen trieben, tranken dann gutes Frühjahrsbier aus großen Krügen, von welchen mir der Wagner ein ganzes spendierte, beobachteten die Tänzer und Musizierer, und alsbald hatte ich den schaulustigen Gesellen ganz vergessen.
Nachmittags dann beschloss der Wagner, in ein bekanntes Wirtshaus zu gehen, liebte selbiger doch das Spiel, die Würfel, aber vor allem den Karnöffel, bei dem ihm keiner was konnte. Es roch nach Rauch und Essen, nach Bier und Wein, war laut und fröhlich, und schöne Kurzweil hatten wir. Der ein oder andere nahm sich eine der Dirnen, die sich feilboten, meist dann, wenn das Spieleglück den Beutel füllte. Und ich und Bastian hatten den besten Spaß, uns im Biersaufen zu messen, von unseren Kameraden angefeuert, wobei ich bei Weitem den Kürzeren zog, was mir allein nicht zum Nachteil gereichen sollte, denn alsbald waren wir beide so trunken und fröhlich, dass wir mit den Spielleuten um die Wette tanzten. Als die Sonne schon niedrig stand, wurde endlich zum Aufbruch geblasen, hatten wir doch noch einen rechten Weg vor uns. Ans Gehen machten wir uns also, schwankend gen Ausgang hin, da fiel mir erneut der Kerle von vorhin ins Auge. Am Tresen saß er mit einem weiteren noch, was freilich keiner Rede wert wäre, doch wieder hatte ich den unbestimmten Eindruck, er habe an unserem Volk besonderes Interesse. Noch ehe ich jemandem von meiner Entdeckung berichten konnte, schwang der Bastian seinen Arm um meine Schulter, zog mich aus dem Wirtshaus und stimmte ein Marschlied an, und sei es meinem trunkenen Zustande geschuldet, war jedenfalls kurz darauf der seltsame Kerle erneut meinem Geiste entschwunden.
Der Wagner hatte noch zwei Schläuche guten Wein für den Rückweg spendiert, war ihm das Spieleglück wie meist hold gewesen, was auch daran gelegen haben mag, dass ich, holte ich ihm neuen Wein oder anderes, unauffällig in die Karten der Mitspieler spickte und so ich den Karnöffel oder die böse Sieben entdeckte, es ihm sogleich signalisierte. Wir spazierten jedenfalls fröhlich durch die Lande, spritzten uns gegenseitig Wein ins Maul, schuckten und rauften uns und sangen aufgeschnappte Lieder, waren so unbeschwert, wie Räuber es sich nicht gestatten sollten, und erkannten deshalb die Gefahr erst viel zu spät.
Eine vertraute Brücke über die Aach überschritten wir, hernach der Weg eine strenge Kurve rechtswärts nimmt, als vor uns auf dem Wege eine rechte Zahl an Kürassieren steht. Einfach da standen sie, als erwarteten sie jemand bestimmten, allesamt zu gutem Ross und schwer bewaffnet, was zu jener Zeit, als der Krieg seinen Einstand noch nicht gegeben hatte, ein durchaus ungewöhnlicher Anblick war. Entsprechend stockten wir, machten große Augen und blieben stehen. Da vernahmen wir hinter uns Geräusche, und als wir uns umblickten, ersahen wir weitere Berittene, die uns den Fluchtweg zur Brücke hin abschnitten, und wieder andere kamen von der dem Fluss gegenübrigen Seite hervor, uns endlich auch des letzten Fluchtwegs zu berauben.
Erschrocken sahen wir uns um, doch kein Ausweg verblieb und an Kampf wäre selbst dann nicht zu denken gewesen, wenn wir unsere Waffen dabeigehabt. Ein dicker, kräftiger Kerl, der seine Rüstung derart ausfüllte, dass die Schnallen im letzten Loch steckten, kam mit seinem Gaul zwischen den Kürassieren hervor. Wer wir Burschen denn seien?, fragte er. Der Hauptmann antwortete, nur Tagelöhner seien wir und auf dem Weg nach Hause. So, so, meinte jener. Tagelöhner also? Seht allein zu gut gekleidet aus, will ich meinen. Zwar waren meine Begleiter nicht so ausstaffiert, wie sie es bei ihren Raubzügen zu tun pflegten, doch ließ es sich der Hauptmann nicht nehmen, den guten Stoff zu tragen und einen schönen breiten Hut mit Feder. Es sei wohl nichts Verwerfliches daran gelegen, sich dergestalt zu kleiden, gab der Wagner zurück, und ich staunte über seine ruhige Art, mit der er solches erwiderte. Da deutete der Dicke auf mich und orderte seine Männer, mich zu ihm zu bringen. Gegen den Protest der Unseren packten sie mich, zerrten mich weg und hin zum Dicken, der derweil vom Ross gestiegen war und mir seinen schweren bewehrten Arm um die Schulter legte. So, mein Junge, sprach dieser zu mir. Nun sag mir mal schön leise ins Ohr, wo ihr denn genau wohnt und schafft? Ich durchschaute freilich sogleich seinen Plan und dachte scharf nach, doch hatten wir nichts abgesprochen, waren auf keinerlei Gefahr gefasst gewesen, sagte daher ausweichend, dass wir verschiedentlich wohnen und schaffen würden. Da packte er mich feste am Genick, rüttelte mich und sagte: Treib keine Spielchen, Lümmel! Sag mir, wo zum Beispiel jener dort wohnt, und zwar genau, und sag’s leise! Auf Gustav hatte er gezeigt. Was hätte ich wohl sagen sollen in dieser Situation? Ich wusste es nicht, dachte mal dieses, mal jenes, überlegte, mein altes Heim in Horn zu beschreiben, doch würde danach der Gustav befragt, wie sollte jener solches je richtig erraten? Weißt es wohl nicht, was? Na, ihr seid Kameraden! Und wo wohnt der da?, fragte er weiter und zeigte auf einen anderen, und wieder wusste ich nicht, was sagen. Und der?, brüllte er. Und endlich sagte ich gar nichts mehr, brauchte nichts mehr sagen, denn augenscheinlich war, wie die Sache stand. Einen rechten Haufen Schelme haben wir hier. Jetzt wird der nächste Baum mit euch geschmückt! Meine Kameraden stellten sich dicht zusammen, bereit, ihr Leben zu defendieren. Die Kürassiere zogen blank und mancher richtete eine Pistole auf die Unsrigen. Da hob der Dicke den Arm und sagte: Ruhig Blut, meine Freunde, wohl wissen wir, wer ihr Schelme in Wirklichkeit seid. Von der Wagnerischen Bande seid ihr, will ich meinen. Dann direkt zu unserem Hauptmann: Mag sich gar der Räuberfürst in persona unter euch befinden. Der Wagner trat einen Schritt vor, zwecklos wäre die Leugnung gewesen, so fragte er: Was wollt ihr? Die Frage ignorierend, fragte der Dicke zurück: Stimmt es denn, was mancher spricht, dass unter eurem Regiment an die hundert Mannen sich befinden? Was deutlich übertrieben war, zählten wir zu jener Zeit etwas über sechzig. Worauf der Hauptmann erwiderte: Stark genug seien wir wohl und auch willig, einen Preis für unser Leben zu bezahlen, der höher ausfalle als ausgeschriebenes Kopfgeld. Der Dicke lächelte erneut, ein Lächeln, dass sich einem die Nackenhaare sträubten. Ich will euch jemanden vorstellen, werter Hauptmann, der gerne das ein oder andere Wort an euch richten würde. Stumm gab der Hauptmann sein Einverständnis.
Zwei Kerle stiegen von ihren Pferden, visitierten den Wagner gut, nahmen ihm seine verborgenen Messer ab. Dann führten sie ihn zwischen den Ihren davon. Als sie ihn zwischen den Reihen wegführten, entdeckte ich hinter den Kürassieren eben jenen schaulustigen Gesellen von Radolfzell zuvor, und da verstand ich. Nicht der Zufall war’s, der uns zusammengeführt. Der Dicke ließ mich los und schickte mich zu den Meinen. Gegenseitig warfen wir uns Blicke zu, machten fragende Gesten, doch was verblieb schon als zu warten? Ich versuchte, zwischen den Reitern hindurch den Wagner zu erspähen, doch er war tief zwischen den Bäumen verschwunden. Eine ganze Zeit lang warteten wir gleich dem Verurteilten auf seinen Henker, als schließlich der Wagner retour kam. Gut sehe ich ihn noch vor mir, mit jenem gespannten Ausdruck im Gesicht, der zeugte, dass ihm Übles schwante. Sie ließen ihn nicht zu uns kommen, sondern, von den Kerlen bewacht, blieb er hinter den Reitern stehen. Dann sprach er zu uns: Sie werden euch jetzt mitnehmen. Lasst es geschehen. Es wurde mir gesichert, dass euch keine Gefahr drohe und dass wir beizeiten euch wieder auslösen können. Der Zweifel klang in seinen Worten mit.
Sie brachten einen leeren Wagen heran, den wir zuvor nicht gesehen hatten. Nacheinander packten sie uns, visitierten jeden nach Waffen, banden uns die Hände hinter den Rücken fest und hießen uns, auf dem Wagen Platz zu nehmen. Als wie alle gesessen, suchten meine Augen die des Wagners, der machtlos zusah, wie sie uns wegführten, und als unsere Blicke sich kreuzten, sagte er: Bleib ruhig! Es wird schon gut werden. Ich hole euch da raus. Ernst meinte er es, das wusste ich. Sie holten Säcke hervor, sie uns über den Kopf zu ziehen und die Sicht zu nehmen. Zuletzt beobachtete ich den schaulustigen Gesellen, der unsereins ausgespäht und verraten hatte, sah, wie der Dicke ihm einen Beutel Münzen zuwarf. Dann dunkelte grobes Leinen meine Sicht.
Ruckelnd fuhr der Wagen los, hörte ich die Reiter sich Befehle zurufen, und bald schaukelte ich blind ins Ungewisse. Kaum nach der Abfahrt lauschte ich einem Flüstern des Korporals Stätter. Ob einer von uns etwas ersehen könne?, fragte er, da rief sogleich eine Stimme nah bei uns, dass das Maul zu halten sei, und ich hörte einen Schlag und ein Stöhnen. Danach war Ruhe. Ich schärfte meine Sinne, zu erspüren, wohin sie uns brächten, allein ganz vergebens, müssen wir über eine Stunde unterwegs gewesen sein. Irgendwann hielt der Wagen an. Einzeln führte man uns in ein Gebäude, etliche Treppen hinab, endlich in einen Raum, wo man uns die Säcke von den Köpfen zog. In einem Verlies fanden wir uns wieder. Ich und vier weitere Kameraden, Korporal Volker Brand, Christoph Stelzer, Martin Zimmermann und der Bastian, mussten sie die Übrigen in einen anderen Raum gebracht haben. Sie banden uns die Hände los, und ohne ein weiteres Wort sperrten sie die Türe zu, und zurück verblieben wir, ohne zu wissen, wohin noch weshalb man uns hergebracht, umgab uns alsbald völlige Dunkelheit in dem niedrigen, fensterlosen Raum.
Die Jungen schlafen besser als die Alten, heißt’s, und wahrlich so, schlief ich der widrigen Umstände zum Trotze die ganze Nacht hindurch. Und mag auch der Rausch das Seine dazugetan haben, würde ich heute unter ähnlichen Umständen gewiss kein Auge zubekommen haben. Ich erwachte jedenfalls, recht munter und zuvorderst schien mir Erlebtes als ein böser Traum, bis ich merkte, wo ich mich befand. Der Geruch alter Pisse stieg mir in die Nase, und als ich mich aufrichtete, erhörte ich die Stimmen meiner Kameraden. Der Kleine ist wach!, stellte Martin Zimmermann fest. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich die Gestalten meiner Kameraden, kauerten sie verteilt auf dem steinernen Boden. Eine winzige Öffnung unterhalb der Decke ließ einen dünnen Strahl morgendliches Licht hinein, der kaum reichte, unsere Gesichter zu erhellen. Was haben die mit uns vor?, frug ich. Korporal Brand war’s, der antwortete: Wenn wir das nur wüssten, Lakai. Zum fröhlichen Bankett werden sie uns aber nicht hergebracht haben. Ich sagte: Der Hauptmann meinte, er werde uns auslösen. Worauf Christoph Stelzer ärgerlich antwortete: Sah er für dich aus, als glaubte er, was er da schwätzte? Und Korporal Brand ihn anfuhr: Mach dem Kleinen keine Angst, Herrgott! ’S steht schlimm genug. Dann an mich gewandt: ’S wird schon alles gut kommen, Lakai. Was meiner Angst freilich keine Linderung verschaffte.
Der Tag war schon nicht mehr jung, als schließlich die Tür aufgesperrt und zum ersten Mal der enge Raum ausreichend beleuchtet wurde, dass ich gut sehen konnte. Drei Bewaffnete standen in der Tür, deuteten auf unseren Korporal und befahlen ihm, ihnen zu folgen. Er tat wie geheißen, und bald darauf umgab uns wieder Dunkelheit. Einige Stunden blieb er fort. Als sie ihn wiederbrachten, stießen sie ihn grob zu uns hinein, um augenblicklich die Türe wieder zu verriegeln. Geschunden und gemartert hatten sie den armen Kerle, dass selbst im fahlen Licht das Blut zu erkennen war. Was sie von ihm gewollt hätten?, fragten wir, nachdem er sich ein wenig erholt hatte. Wie viele Mannen wir wären, hätten sie wissen wollen, wie bewaffnet wir seien und in welcher Gegend unser Unterschlupf gelegen, berichtete er uns. Keiner fragte, was er erzählt habe, weiß doch jedermann, wie’s sich verhält. So grübelten wir, was solches wohl bedeuten möge. Wären sie hinter der Bande selber her, so mutmaßten wir, niemals hätten sie den Hauptmann ziehen lassen, war auf ihn zudem das höchste Kopfgeld ausgesetzt. Weshalb dann aber unsere Stärke und Lokalität erfahren? Suchten sie jemand anderen? Hinten und vorne passte solches nicht zusammen, weswegen uns endlich nichts verblieb als weiter abzuwarten.
Sieben Tage vergingen so, schreckliche sieben Tage, weiß Gott! Einen Klumpen harten Brotes gab es täglich, den wir uns teilten mussten, dazu abgestandenes Wasser. Allzeit war es so dunkel um uns herum, dass uns das Licht blendete, die wenigen Male, wenn sie die Türe öffneten. Wir konnten nicht aufrecht stehen, der niederen Decken wegen, selbst ich nicht, der ich noch so jung war, und es stank, dass einem übel werden konnte. Und immer wieder kamen sie und nahmen einen von uns mit. Traktierten ihn übel, und geschunden brachten sie ihn zurück. Immer einen anderen holten sie, doch niemals mich. Und war ich freilich die erste Zeit froh darum, ein jedes Mal, dass ich der Marter entkam, begann ich mich irgendwann zu schämen, dass mir allein solches erspart blieb.
Ich entsinn mich noch, mag es der sechste Tag gewesen sein, da kamen sie den Christoph Stelzer holen, zeigten auf ihn und hießen ihn zu kommen. Da jammerte er gottserbärmlich, dass er nicht mehr könne, er’s nicht mehr verhalte, er doch bereits alles gesagt habe, was sie wissen wollten, bettelte, dass einem das Herz blutete. Endlich sagte er, sie sollten doch mich nehmen. Nehmt doch den da! Den da!, jammerte er und zeigte auf mich. Ich wäre mitgegangen, ohne zu klagen, ich wär’s wirklich. Doch der Anführer der Kerle sagte: Nein, der nicht! Du kommst mit. Und muss ich dich holen, so wirst du’s bereuen. Sie mussten ihn holen, kein Zureden half. Halb tot war er, als sie ihn wiederbrachten.
Dann am siebten Tage holten sie mich. Beinahe froh war ich, als unsere Kerkermeister auf mich deuteten, statt auf einen Kameraden, und ich kroch zu den Wachen hinaus und konnte dergestalt seit Langem wieder aufrecht stehen, dass ich zuvorderst meinen Rücken durchdrückte. Durch enge Gänge führten sie mich dann, mussten wir unter der Erde uns befinden, war mir durch den Kopf gegangen, ohne recht zu wissen, woher die Einsicht kam. Etliche Treppen ging es hinauf, manchen Flur entlang und endlich in einen Raum, gänzlich verschieden zu dem, was ich erwartet und auch befürchtet. Denn ein möbliertes Zimmerlein betraten wir, beschien lang entbehrtes Sonnenlicht durch ein offenes Fenster das heimelige Interieur, gab es Tisch und Stühle, Schränke und einen Arbeitstisch, an dem bereits eine Person saß, uns zu erwarten.
Hier nun, lieber Leser, begegnete ich jenem obgemeldeten Menschen zum ersten Male, der freundlich lächelnd hinter seinem Tischlein saß, und was sag ich Mensch zu ihm, nein, kein Mensch war er, denn nichts Menschliches hatte dieser in sich, bloß Teufel nenn ich ihn daher, und nicht im Mindesten hätte mich verwundert, so zwei gespaltene Hufe zum Vorschein gekommen wären, hätte man seine Stiefel ausgezogen. Ganz unteuflisch allerdings war sein Erscheinen, denn milde waren seine Gesichtszüge, harmlos sein Blick. Seine Kleidung war bescheiden, ließ, bis auf den Hut mit einer langen, buschigen Straußenfeder, keinerlei Eitelkeit erkennen, mit schlichtem blauem Wams und schlichter brauner Hose. Schlicht war auch sein Antlitz, das mich bis heute in meinen Träumen verfolgt. Oval war’s und rundlich, ohne Kanten oder Ecken, kindlich fast, mit plumper Nase und müden grauen Augen. Die Haare, die unter dem Hut vorstanden, waren hellbraun und kraus, trug er weder Bart noch Schnauzer. Ideenlos sein Aussehen, ein besseres Wort fällt mir nicht ein, und trefflich barg es jenen teuflischen Geist, der sich dahinter verbarg. Nur ein rundes dunkles Mal inmitten seiner rechten Backe verlieh ihm ein spezifisches Charakteristikum, vom Teufel markiert, gedachte ich mir einmal, als einer seines Schlages oder, so dachte ich ein anderes Mal, von Gott selbst gezeichnet zur Warnung an die Menschen, was Dämon in Menschengestalt man vor sich habe.
Konnte ich damals freilich noch nicht von seinem infernalen Geiste wissen, kann ich durchaus behaupten, dass ich, seinem täuschenden Äußerem zum Trotze, sogleich einen Widerwillen gegen diesen Menschen verspürte. Doch keine Zeit verblieb mir, selbigen zu ergründen, denn kaum war ich im Raum, da packte mich der dicke Kürassier, der unbemerkt von mir neben der Türe gestanden, grob an den Schultern und befahl mir, Platz zu nehmen. Er drückte mich auf einen Stuhl nieder, dass der Unbekannte mir im Rücken saß, indessen der Dicke selber mir gegenüber Platz nahm. Die Wachen hatten den Raum verlassen, dass nur wir drei verblieben. Da war mir klar, dass ein anderes Traktament meiner vorgesehen sein musste, zumal keiner meiner Kameraden von jenem Mann berichtet. So, mein Junge, begann der Dicke, wir haben da eine kleine Aufgabe für dich. Ich hielt mein Maul geschlossen, zu erhören, was jener ferner zu sagen hatte. Du verstehst mich doch, oder? Ich nickte bloß. Teufel, wir haben uns doch keinen Stummen oder gar Schwachsinnigen übergelassen? Gebrauch dein Maul, Bengel, so du in der Lage bist! Ich antwortete, dass ich sehr wohl sprechen könne und, meines Dafürhaltens nach, auch nicht schwachsinnig sei. Fügte brav ein “Mein Herr” an, und gab mich unterwürfigst. Gut!, sagte dieser darauf. Dann höre! Du sollst deinem lieben Anführer nämlich etwas überbringen. Eine Botschaft sollst du ihm bringen. Und ich hoffe, dein Gedächtnis schafft besser als dein Maulwerk, denn sonst ergeht es deinen Freunden schlecht. Ich erwiderte, dass mein Gedächtnis gut sei, und frug zudem: So werde ich denn freigelassen? Darauf der Dicke: Wie in drei Teufels Namen könntest du sonsten eine Botschaft überbringen? Dann an den Unbekannten hinter mir gewandt: Mögen wir den Falschen geschont haben, dieser hier dünkt mir nicht allzu verständig. Da ergriff jener das Wort. Er wird schon genügen. Dann zu mir: So höre und höre gut! Ich traf mit deinem Hauptmann eine Abmachung. Einen Handel, könnte man sagen. Er solle etwas für mich erledigen. Solchem zu entsprechen, bedarf er allerdings noch mancher Information. Und du, mein Lieber, bist erwählt, ihm diese zu überbringen. So du scheiterst oder aber dein Hauptmann sich verweigert, werden den Preis deine armen Kameraden zu zahlen haben, und hoch wird der Preis sein. Der Klang seiner Stimme war befreit von jedem Affekt. Drum höre aufmerksam, denn im Sinn musst du behalten, was ich dir jetzt sage. Kennst du die Burg Rosenegg? Ich nickte, fügte dann ein “Ja, Herr”hinzu, damit man mich nicht erneut schimpfe. Gut! Auf der Rückseite jener Burg, den Berghang hinab, findet sich ein alter Unterstand, sehr verfallen, aber gut sichtbar und leicht zu finden. Läuft man von dort aus rechterseits dicht den Berghang entlang, gelangt man zu einer Stelle, die von dornigem Gestrüpp bewachsen ist. Genau dort, zwischen jenem Gestrüpp liegt ein schmaler Zugang verborgen. Er führt durch den Fels hinauf in die Burg. Ich hörte, wie der Mann aufstand und zu uns rüberkam. Er stellte sich direkt hinter mich. Ein eisernes Tor versperrt den Weg in die Burg daselbst. Das Tor – und nun höre, denn dies ist wichtig – kann allein von innen geöffnet werden. Vergeblich wäre es, es auf andere Weise öffnen zu wollen, ist es tief in den Stein eingelassen und von einem schweren Riegel verschlossen. Von innen jedoch ist es schnell und leicht geschehen. Sein Mund war nun nah an meinem Ohr, und kalt lief es mir den Rücken hinab. So jemand nun die Burg einnehmen wolle, wäre somit gewiss der einfachste und sicherste Weg, gelänge es, selbigen Zugang zu eröffnen, damit eine rechte Truppe in die Burg gelänge. Erst einmal im Inneren der Burg, dürfte es ein Leichtes sein, die wenige Besatzung niederzuhauen, welche sich auf kaum mehr als zwanzig Mann belaufen dürfte. Folgendes ist noch zu Beachten. Führt jener Zugang zwar in die Burg, jedoch nur in den Zwinger und nicht in die innere Burg selbst, befindet sich der Eingang im hintersten Eck des Zwingers versteckt hinter einem offenen Stall und Pferdeunterstands. Gelänge es nun den Defensoren, das innere Burgtor zu verschließen, wäre alle schöne Mühe umsonst gewesen, was doch reichlich schade wäre. Ich hörte, wie der Kerl sich wieder zurück hinter seinen Tisch begab und Platz nahm. Ein Letztes noch, erinnere deinen Hauptmann daran, dass bis Karfreitag der Auftrag spätestens erledigt sein müsse. Dort könnt ihr dann auch eure Kameraden auslösen, wie ich mit ihm bereits akkordierte. Hast du alles verstanden? Ich nickte. Er hieß mich, alles genau zu wiederholen. Ich tat wie geheißen, und gut muss ich es gemacht haben, denn er sagte zum Dicken: Nun, so schlecht scheint deine Wahl nicht gewesen zu sein. Der Dicke nickte und sprach zu mir: So, du Glückshannes, dann werden wir dich mal freilassen. Da sagte ich, ob’s denn nicht besser wäre, würde mir ein Kamerad mitgegeben. Könne ich dergestalt sicherer des Weges sein, und gewisser wäre, dass gemeldete Zeitung unseren Hauptmann auch erreiche. Worauf der Dicke schimpfte, ich solle mein unerhörtes Maul bloß halten und froh sein, dass ich selber gehen dürfe. Doch der Kerl hinter mir lachte trocken und vermeinte: Ein gewitztes Bürschlein hast du da erwählt, in der Tat. Lass ihn einen mitnehmen. An Männern werden sie brauchen, was sie bekommen können. Gesund muss er aber sein. Ich erwählte mir den Bastian.
Erneut zogen sie uns Säcke über den Kopf, banden uns die Hände und packten uns dann bäuchlings auf einen Gaul, mich auf einen und Bastian auf einen anderen. Eine rechte Weile ritten wir so, bis sie irgendwann anhielten, mich grob vom Gaul warfen und dann befreiten. Ob wir wüssten, wo wir uns befänden?, fragte der Dicke. Wir wussten es, waren unweit von wo sie uns verschleppt. Nun denn, sagte der Dicke, ein Gruß an euren Hauptmann. Worauf sie uns stehenließen und sich davonmachten.
Wir eilten zum Hort, fehlten auf dem Wege freilich nicht, uns zu versichern, dass keiner uns folge. Weit vor dem Hort fingen uns schon die Wachen ab, der Richard Wengenroth darunter. Herzlich grüßten wir uns, schlossen uns in die Arme. Der Hauptmann habe allzeit Wachen postiert, seit uns die Kerle fortgeführt, berichtete der Richard. Wie wir entkommen seien und wie es den anderen ergehe?, fragte er ferner. Er solle uns erst zum Hauptmann vorlassen, denn genug zu erzählen gäbe es, was jedermann angehe.
Mir Erleichterung in den Augen grüßte uns der Wagner, und alle anderen auch, bestürmten uns mit tausend Fragen, und von allen Seiten klopfte man uns auf die Schultern. Maul zu halten sei!, befahl der Hauptmann, und wir setzten uns an unseren großen Tisch, er uns gegenüber und unsere ganze Bande drumherum. So berichtet, denn die Neugier brennt mir unter den Nägeln, meiner Treu! Und so taten wir, erzählten von unserer Gefangenschaft, von den Kameraden, erzählte der Bastian von seiner Marter und ich, was jener Unbekannte mir als Botschaft für den Wagner mitgegeben. Hernach wir geendigt hatten, fragte zunächst der Wagner den Bastian, was seine Foltermeister in Erfahrung hätten bringen können. Als der Bastian geantwortet, fragte der Wagner ferner, ob jene nun also wüsten wo der Hort gelegen? Keine Spur des Vorwurfs war in seiner Stimme. Bastian vermeinte darauf: Groß ist der Wald und der Hort nicht leicht zu finden. Und mit Worten allein lässt sich der Weg schwerlich erklären. Doch ungefähr wissen sie es durchaus. Zudem mag sich, nach entsprechendem Traktament, gewiss jemand finden, ihnen den Weg zu weisen. Der Wagner nickte und sprach in die Runde: Fortan gilt noch gründlicher zu wachen als bisher und recht haben wir getan, die Gäule zur Flucht bereit zu machen. Wer weiß schon, was die wahre Intention des Kerlen. Da frug ich den Wagner, worin denn ihre Abmachung bestanden habe, und gebannt horchte ich, obzwar ich mir manches schon selbst zusammengereimt hatte. Den Rosenegg!, sagte der Wagner. Wir sollen ihn einnehmen und brennen, so lautete der Handel. Pah, Handel!, spuckte der Hauptmann aus, als Zeichen, was er von halte. Ich sollte seiner Botschaft erwarten, worin ich genauerer Weisung finden würde, sagte er. Später erst verwunderte ich, wie mich selbige wohl zu erreichen habe. Nun weiß ich es, du warst der Bote. Sodann gelte es die Burg zu brennen. Tun wir’s nicht, so geht’s den Kameraden an den Kragen. Tun wir’s, versprach er, die Unseren freizulassen und obendrauf eine Belohnung von fünfhundert Gulden. Ein “Potztausend!” entfuhr da dem Bastian, hatte ich ihn bis hierher noch von nichts unterrichtet. Der Rosenegg? Er kannte die Burg gut, entstammte der doch aus Rielasingen, welcher Ort den Rosenegger Herrschaften unterstand. Eine richtige Festung sollen wir einnehmen? Worauf die Witwe ergänzte: Mehr noch gilt, die Herrschaften seien zur Strecke zu bringen. Der Wagner bestätigte. Fünfhundert Gulden seien durchaus wert, sich die Finger ein wenig schmutzig zu machen, beschied der Amon. Wessen der Korporal Schuhmann zustimmte und sagte: Hoch ist der Einsatz und hoch der Gewinn! Und was meint ihr, ist erst in der Burg alles zu holen? Und die Augen des alten Kriegsknechts glänzten. Der Wagner sagte: Wir haben uns die Sache gut besehen. Sie stürmend zu nehmen ist freilich unmöglich. Gelänge es aber, hinter die Mauern zu kommen …, der Wagner zuckte mit den Schultern, die Schätzung des Kerls ist so falsch nicht. Kaum mehr denn zwanzig Mann unter Waffen dürften sie haben. Ob denn jemandem gemeldete Stelle aufgefallen sei, von welcher der Fremde geredet habe?, fragte er in die Runde. Und Siegfried Schleier, ein großer, hünenhafter Kerle, erwiderte: Aye, einen solchen Unterstand sah ich wohl! Auch an das Gestrüpp vermeine ich mich zu entsinnen. Und mancher stimmte dem bei. Ob man zu jener Stelle gelange, ohne von der Burg aus gesehen zu werden?, wollte der Hauptmann ferner wissen. Der Siegfried bestätigte, sei der Unterstand trefflich verborgen von Hang und Gebüsch. So stünde es im Ideal, unsereins gegen zwanzig, fünfundzwanzig Mann! Er wischte sich übers Gesicht, wie Wahrscheinlichkeiten wägend. Und ich sah in die Runde, sah Sorge und Spannung, nahte eine Entscheidung, die unser aller Leben betreffen sollte. Schwer bewaffnet werden die Kerle sein!, sagte einer. Ist ein Streich, wie wir ihn noch nie geführt haben! Und ein anderer: Sind keine Kriegsknechte, Hauptmann! Haben kaum Musketen, keine Kanonen! Worauf der Amon: Was braucht’s Kanonen, wenn wir so reinkommen! Und Korporal Schuhmann sagte: Gedenkt der Kameraden! Wollt ihr sie einfach sterben lassen? Solches ließ viele der Zweifler verstummen. Darauf der Bastian: Teufel, ein Honigschlecken wird’s gewiss nicht! Und er rieb sich die Finger, die sie ihm ordentlich geschunden hatten. Wenngleich ich den Vogt nur allzu gerne vor mir hätte! Denn selbiger war’s, der einstmals ihre Freunde gehenkt. Ich nicht minder!, vermeinte der Richard, aber was soll man von der Sache halten? Woher kennt er uns? Und weiß von uns? Worauf ich von dem Gesellen zu Radolfzell erzählte. Und die Witwe sagte: Euch Galgenvögel auszumachen bedarf es wahrlich keiner Zauberei. Darauf der Richard trotzig: Dennoch kommt so ein Kerl daher, Gott weiß, wer er ist, will mir nichts, dir nichts, dass unsereins eine Burg für ihn soll einnehmen? Ich trau der Sache nicht weiter, als ich spucken kann! Worauf der Egon mahnte: Mag der Teufel den Kerl geschickt haben! Ob ich eine Ahnung hätte, wer der Fremde gewesen, fragte mich der Wagner, und ich erwiderte, dass es unfraglich ein Edler sei, doch mehr könne ich nicht sagen. Und er nickte und vermeinte, für ihn gelte selbiges, waren wir beiden die Einzigen, die ihn überhaupt zu Gesicht bekommen hatten. Und mit Überzeugung fügte ich, dass ich dem Unbekannten nicht trauen würde. Recht hat der Lakai, vermeinte darauf der Egon, die Sache stinkt! Der Wagner gab dem recht, doch sagte er dann: Allein, was ist des Kerls Gewinn, so wir scheitern? Welchen Nutzen sollte er von haben? Nein, er will, dass es gelingt, sonst würde er keinen solchen Aufwand betreiben. Würde er unsereins Schlechtes wollen, ein Leichtes wäre es gewesen, solches anderweitig und auch leichter zu besorgen. Nein, um die Herrschaften geht es ihm! Und was nun solches für uns bedeute, fragte der Egon. Im Mindesten bedeutet es, dass jener glaubt, es könne solcherart gelingen, konkludierte der Wagner. Was also tun?, fragte Korporal Schuhmann. Der Hauptmann erhob sich, wie stets, wenn er eine Ansprache hielt, und etwa Folgendes sprach er: Ich habe nicht vor, euch in den Tod zu führen, darauf mein Wort. Allein ich lasse die Kameraden nicht einfach im Stich. Drum sage ich, wir schauen uns die Sache an, sehen, ob es besagten Zugang wirklich gibt, und überlegen dann, ob es tatsächlich gelingen könnte. Sehen wir keinen Weg, so soll es nicht sein. Falls aber doch, scheint es möglich und sei die Möglichkeit auch klein, so sage ich, dass wir es riskieren, denn schuldig sind wir solches unseren Freunden. Er sah in die Runde, ich tat es ihm gleich, sah zwar immer noch den Zweifel, aber auch die Köpfe nicken und zustimmen. Danach werden sie uns jagen wie’s Vieh!, warnte die Witwe, wie’s Vieh! Der Wagner nickte: Recht gebe ich dir, doch was bleibt uns Wahl?