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Erstes Kapitel

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Bristol, Rhode Island – April 1890.

Emma Tremayne empfand die neugierigen Blicke wie Schläge auf die nackte Haut. Sie war so schüchtern, daß es ihr Folterqualen bereitete, wenn man sie nur ansah. Eigentlich hätte sie daran gewöhnt sein sollen, schließlich war sie eine Tremayne, eine der eigenwilligen, leidenschaftlichen und unsagbar reichen Tremaynes. Und sie war schön – das hatte man ihr zumindest schon immer versichert.

Emma hatte gesellschaftliche Anlässe nie gemocht, aber sie kannte ihre Pflichten und versuchte im allgemeinen, sie zu erfüllen. Sie nahm an dieser letzten Fuchsjagd der Saison teil, weil es ein traditionelles Ereignis der guten Gesellschaft von Bristol war, und die Tremaynes pflegten alle Traditionen der guten Gesellschaft gewissenhaft.

»Du bist jetzt unsere letzte Hoffnung«, hatte ihre Mutter noch an diesem Morgen zu ihr gesagt.

Deshalb war sie hier, für Mama und für die Familie. Deshalb und weil die Jagd ihr Spaß machte, das heißt eigentlich nicht die Jagd an sich, sondern vielmehr das Reiten. Es war für sie wie eine Befreiung, im vollen Galopp über die gepflügten Felder, durch das hohe Gras und durch Birken- und Kiefernwälder zu fliegen. Wenn sie tief über den Pferdehals gebeugt über Mauern und Hecken setzte und sich dem Augenblick ganz überließ, in dem das Pferd vom Boden abhob und sie die Schwerelosigkeit voll von wunderbarer Freiheit spüren konnte.

Im Augenblick aber stand sie auf der Veranda des Farmhauses ihres Cousins. Aufmerksam betrachtete sie die unruhigen Pferde, die kläffenden Hunde, den scharlachroten Rock des Jagdherrn, die vielen hellen ledernen Reithosen, die schwarzen Reitkostüme und die schwarzen seidenen Zylinder. Emma kannte diese Leute schon ihr ganzes Leben. Trotzdem zögerte sie, hinunter auf den Vorplatz zu gehen und sich zu ihnen zu gesellen. Aber bei dem Gedanken an den bevorstehenden wilden Ritt erfaßte sie eine Woge der Erregung und das Gefühl unbändiger Lust.

Emma entdeckte die Brüder Alcott am anderen Ende des Platzes, nahe dem Tor. Sie saßen jeder auf einem hellbraunen Wallach. Emma hatte vergessen, wie ähnlich sie sich sahen. Beide hatten lange schmale Gesichter, die gleiche spitze Nasen und dichte hellbraune Haare.

Geoffrey saß betont aufrecht, aber locker im Sattel und wirkte sehr vornehm mit seinem schwarzen Zylinder und der ordentlich gebundenen weißen Halsbinde. Stuart dagegen saß lässig auf dem tänzelnden Wallach. Er wirkte zugleich elegant und dekadent, aber das war schon immer seine Art gewesen. Er war seit mehr als sieben Jahren zum ersten Mal wieder zu Hause, und Emma freute sich sehr, ihn wiederzusehen. Am liebsten hätte sie bei seinem Anblick den Rock gehoben, wäre über den Platz gelaufen und hätte laut seinen Namen gerufen. Vor sieben Jahren hätte sie so etwas vielleicht getan, selbst wenn wie heute alle dabei gewesen wären, aber jetzt schickte sich das wohl kaum noch für sie.

Nein, auch als Kind hätte sie das nicht getan. Ein so natürliches Verhalten kannte nur die »andere« Emma. Die Emma Tremayne ihrer Träume war immer sehr viel mutiger und beherzter.

Geoffrey hob die Hand zum Gruß, und sie lächelte, ohne jedoch selbst zu winken. Sie hatte Geoffrey Alcott erst vor zwei Tagen, am Mittwoch, gesehen. Alle Welt, zumindest ganz Bristol, hielt ihn für ihren Verehrer, für den Mann, den sie heiraten würde. Nur daß er bis jetzt noch nicht um ihre Hand angehalten hatte.

Sie hatten beim Weihnachtsball zweimal miteinander getanzt. Um Mitternacht hatte er ihr den Arm gereicht und war mit ihr auf die Terrasse hinausgetreten, um, wie er sagte, die Sterne zu betrachten. Als Emma die Hand auf das Geländer legte, hatte er seine Hand auf ihre gelegt, und Emma glaubte, durch die seidenen Handschuhe hindurch die Wärme seiner Haut zu spüren. Der weiße Atem umhüllte ihre Gesichter wie zarte Schleier, und sie sahen sich lange an – nicht zu den Sternen hinauf. Damals hatte sie gedacht, er werde um ihre Hand anhalten, doch er hatte es nicht getan. Später wußte sie nicht genau, ob sie darüber enttäuscht oder erleichtert war.

Geoffrey musterte sie jetzt mit gerunzelter Stirn und schmalen Lippen. Emma fragte sich leicht beunruhigt, was sie sich an diesem Morgen bereits hatte zuschulden kommen lassen, um seine so offensichtliche Mißbilligung zu erregen.

Sie griff nach der schweren Schleppe des schwarzen Rocks ihres Reitkostüms und trat hinaus auf den Vorplatz. Ein Mann in einer schwarzen Jacke und einem großem Schlapphut auf dem Kopf brachte ihre Stute. Die breite Hutkrempe verdeckte sein Gesicht, aber das war unbedeutend, denn sie beachtete ihn kaum. Sie schenkte ihm auch dann noch keine Aufmerksamkeit, als er ihr beim Aufsitzen auf die unruhige Rotschimmelstute half.

Emma legte das Bein um den Sattelknauf und richtete den Rock. Das Sattelleder war kalt und feucht. Die Stute schnaubte, tänzelte und warf den Kopf. Plötzlich hob der Mann die Hand und umfaßte Emmas Fußgelenk.

Sein Griff war fest, und sie spürte seine starken Finger durch das weiche Leder der Stiefel. Es verschlug ihr den Atem. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und eine leise Panik erfaßte sie. Emma erstarrte unwillkürlich und stieß einen Schrei aus, der jedoch eher wie ein tiefes Seufzen klang.

»Der Gurt ist lose!« hörte sie ihn sagen. »Sie sind zweifellos ein hübsches kleines Fräulein, aber wenn Ihnen nicht eine gute Seele wie ich den Gurt festzieht, dann landen Sie mit dem Hintern in der erstbesten Dornenhecke.«

Die derben Worte entsetzten sie weit weniger als seine rauhe Stimme. Er hatte die typisch irische melodiöse Art zu sprechen, aber seine Stimme klang merkwürdig rauh und heiser, eher als flüstere er. Irgendwie lag etwas Bedrohliches darin.

Er hatte ihr Fußgelenk wieder losgelassen, hob den Sattel und zog die Gurtschnallen fest. Der Mann hatte große, breite und schwielige Hände.

Sie starrte schockiert auf den Schlapphut und die langen, zerzausten Haare, die über den Kragen seiner Jacke fielen. Langsam hob er den Kopf. Noch verbarg die breite Krempe sein Gesicht, aber dann blickte sie in zwei funkelnd grüne Augen, deren Tiefen sie nicht ergründen konnte.

Das Gesicht paßte zu den Händen. Vom rechten Augen zog sich eine weiße messerdünne Narbe über die Wange. Die Nase war krumm und wies etwas nach links. Auch am Hals hatte er eine große, dunkelrote Narbe.

Es tut mir leid, hätte sie beinahe gesagt. Aber das wäre albern gewesen, denn es gab nichts, wofür sie sich hätte entschuldigen müssen. Wenn überhaupt, dann wäre es an ihm gewesen, sich zu entschuldigen, weil er sie ohne Erlaubnis angefaßt hatte. Außerdem erdreistete er sich, mit ihr zu sprechen und gab ihr obendrein auch noch spöttisch zu verstehen, daß sie sich für ein »hübsches junges Fräulein« hielt.

Aber da hatte er sich bereits umgedreht und war weggegangen.

Er ist ganz schön eingebildet, dachte Emma und fühlte, wie sie diesen schwarzhaarigen muskulösen Iren um sein Selbstvertrauen beneidete. Er ging geradewegs zu ihrem Vetter Aloysius, der als Jagdherr inmitten der Meute auf dem Pferd saß und sich lachend unterhielt. Die Hunde kläfften und sprangen vor Aufregung durcheinander, aber alle wurden augenblicklich still, als der Mann sie erreichte.

Als ob seine Gegenwart bereits Gehorsam forderte.

Von diesem Augenblick an verlor Emma ihn nicht mehr aus den Augen.

Die Brüder Alcott ritten über den Platz zu ihr herüber. Es gelang Emma, Geoffrey anzulächeln und ihn auf harmlose Art zu necken. Sie errötete dabei nur leicht, denn Geoffrey war der Mensch in ihrer Welt, in dessen Gegenwart sie sich immer schon am wenigsten gehemmt fühlte. Dann konnte sie sogar Stuart sagen, wie sehr sie sich darüber freute, ihn nach so langer Abwesenheit wiederzusehen. Aber immer wieder richteten sich ihre Augen bewußt oder unbewußt auf jenen Mann.

Er mußte gespürt haben, daß sie ihn ansah, denn einmal drehte er sich um und erwiderte den Blick. Emma wandte schnell den Kopf ab und schloß ihre Hand fest um den Griff ihrer Reitgerte.

Ihr Cousin Aloysius setzte das Kupferhorn, das er um den Hals trug, an die Lippen und blies weithin hallende Töne in den morgendlichen Himmel.

Der Ire schien ihrem Cousin offensichtlich als Pikör zu dienen. Sie sah, daß er inzwischen auf einem kastanienbraunen Pferd saß und die Meute um sich sammelte. Es war soweit. Die Jagdgesellschaft setzte sich langsam in Bewegung und ritt mit wippenden Zylindern, knarrenden Sätteln unter dem Klappern der Pferdehufe durch das Tor.

Morgendlicher Aprilnebel lag bläulichkalt über dem Weg. An den langen Grashalmen der Wiese hing glitzernder Raureif. Der Ire schlug mit der Peitsche an seinen Stiefel und stürmte mit den Hunden davon.

Und dann konnte Emma ihn nicht mehr sehen.

Der Jagdclub von Bristol versammelte sich zur letzten Jagd der Saison stets auf der alten Hope Farm.

Das Anwesen hatte früher einmal den Tremaynes gehört, doch eine Tochter hatte es geerbt, die keinen guten Mann geheiratet hatte. Deshalb war die Farm nicht so, wie sie es eigentlich hätte sein sollen. Die meisten Zwiebelfelder lagen brach und waren von Unkraut überwuchert. Auch das Farmhaus wirkte etwas heruntergekommen. Es war aus einem exotischen gelben marmorierten Stein gebaut, der auf einem Sklavenschiff als Ballast aus dem tiefsten Afrika über das Meer hierher gebracht worden war. Man erzählte sich, daß es in dem Haus Gespenster gäbe, aber außer Fledermäusen im Speicher hatte man noch nie etwas Unheimliches gesehen oder gehört.

Gespenster hin oder her, die Jagd fand an jedem Freitagmorgen von November bis zur ersten Aprilwoche statt. Die Hope Farm und das umliegende Land hatten nicht mehr zu bieten als ein paar alte Mühlen, Sumpf und Gestrüpp, sumpfige Tümpel und giftigen Efeu. Aber die erste Jagd auf der Hope Farm war bereits vor über zweihundert Jahren veranstaltet worden, und seitdem wiederholte sich dieses Ereignis im Winter Jahr für Jahr an jedem Freitagmorgen.

Alle bedeutenden alten Familien von Bristol gehörten dem Club an. Die gute Gesellschaft, wie sie sich selbst nannten, bestand aus den alten und sehr reichen Familien. Es waren die Spinnereibesitzer und Schiffsbauer, die Bankiers und die Rechtsanwälte mit all ihren Söhnen, Töchtern und Enkelkindern. Daran änderte sich nichts – Generation um Generation.

Vielleicht kamen nicht alle an jedem Freitag im Winter zur Jagd, aber bei der letzten Fuchsjagd der Saison war jeder, der etwas auf sich hielt, dabei. Das war Tradition, und in Bristol gab niemand, weder die reichen noch die einfachen Leute, eine Tradition kampflos auf.

Auch der Eierlikör vor der letzten Jagd war Tradition. Die Herren und Damen der Jagdgesellschaft saßen mit glänzenden Stiefeln auf dem Rücken ihrer gestriegelten Pferde und prosteten sich mit Eierlikör zu, der in Sterlingsilberbechern gereicht wurde, auf denen fliehende Füchse eingraviert waren. Wenn der Jagdherr das Horn blies, ritt die Jagdgesellschaft durch das Tor bis dorthin, wo der Weg die erste Kurve beschrieb. Jetzt wurden die leeren Becher unter lautem Jubel über die Weißdornhecke geworfen.

Diese Geste sollte den Reichtum und die ausgelassene Extravaganz der Gesellschaft unter Beweis stellen. Aber alle wußten, daß die Dienstboten strikte Anweisung hatten, jeden einzelnen Silberbecher hinter der Hecke für das nächste Jahr wieder aufzusammeln.

Der Eierlikör in den Bechern der Herren war natürlich mit Whisky gemischt. Aber an diesem Morgen hatte Stuart Alcott den Becher mit Eierlikör zurückgewiesen und trank den Whisky pur direkt aus der Flasche – ebenfalls silbern, aber dieses Silber war fleckig und verbeult.

Es gehörte sich nicht, die eigene Whiskyflasche zur Jagd mitzubringen. Deshalb runzelten alle die Stirn und warfen Stuart mißbilligende Blicke zu. Das wiederum ärgerte seinen Bruder Geoffrey. Geoffrey Alcott konnte den Gedanken nicht ertragen, daß jemand, der den Namen seiner Familie trug, bei etwas Unschicklichem ertappt wurde.

Als sie nebeneinander durch das Tor ritten, erwiderte Stuart spöttisch den Blick seines Bruders und hob die Flasche in Richtung Aloysius Carter. Der Jagdherr und gegenwärtige Besitzer der Hope Farm ritt voran. Er schwankte im Sattel wie ein leckgeschlagener Schleppdampfer. Aloysius war so dick, daß er den ganzen Sattel von vorne bis hinten ausfüllte. Seit über dreißig Jahren war er dem Alkohol verfallen.

»Sieh ihn dir an!« rief Stuart. »Er ist stockbetrunken. Trotzdem wette ich, daß er jeden Zaun und jedes Hindernis nimmt und uns weit hinter sich läßt.«

Geoffrey seufzte über seinen unbelehrbaren Bruder und trank einen Schluck aus seinem Silberbecher. Die süße Wärme tröstete ihn. Wie die Damen hatte auch er sich nur Eierlikör einschenken lassen. Geoffrey trank äußerst selten Alkohol, und er würde bestimmt nicht wie ein Verrückter betrunken über die Felder galoppieren und über die Hecken springen.

Als er wieder den Kopf hob, stellte er fest, daß sein Bruder ihn anstarrte. Stuarts Augen glänzten vom Whisky, und höhnisches Lachen zuckte um seine Mundwinkel.

»Alle werden heute wie der Teufel reiten. Es ist jedenfalls kalt genug«, erwiderte Geoffrey, dem nichts Besseres einfiel. Aber kaum hatte er das gesagt, stieg ihm die Röte ins Gesicht. Selbst nach all den Jahren gelang es seinem Bruder immer noch, ihm das Gefühl zu geben, er sei ein Dummkopf.

»Verdammt! Es ist so kalt, daß einem buchstäblich alles abfriert.« Stuart nahm noch einen tiefen Schluck und schüttelte sich übertrieben. »Siehst du, Bruderherz, und deshalb trinke ich ab und zu einen Schluck. Du solltest mich also nicht wie ein griesgrämiger Pfarrer anstarren, sondern mich zu meiner klugen Voraussicht beglückwünschen! Schließlich kann das Blut nicht gefrieren, wenn es zu neunzig Prozent aus Alkohol besteht.«

Das wird einen Betrunkenen aber nicht davor bewahren, sich seinen verdammten Hals zu brechen, dachte Geoffrey, aber er schwieg. Sein Bruder, der jedoch wie immer seine Gedanken lesen konnte, lachte und prostete ihm übermütig mit der Whiskyflasche zu.

Geoffrey biß die Zähne zusammen und wandte den Blick ab.

Auf dem Platz vor dem Haus hatte er seinen Bruder mit zusammengekniffenen Augen verstohlen gemustert. Stuart sah gut aus. Er hatte eine wohlgeformte aristokratische Nase und hohe Wangenknochen. Die vollen Lippen verliehen ihm auch dann noch den gewissen unbändigen Charme, wenn sie wie jetzt unter der Wirkung des Alkohols etwas schlaff waren.

Als Geoffrey das Gesicht betrachtete, das seinem eigenen so sehr glich, fühlte er etwas wie Angst in sich aufsteigen. Es war die Art, wie sein Bruder Emma angesehen hatte.

Aber wer sah Emma nicht an?

Als Emma auf die Veranda des gelben Farmhauses trat, verstummten alle anwesenden Männer, und niemand bewegte sich mehr. Sogar die Pferde erstarrten. Emma hatte allein zwischen den weißen Holzsäulen der Veranda gestanden. Ihre Erscheinung hatte dieselbe Wirkung wie ein Donnerschlag an einem sonnigen Tag.

Geoffrey hörte, wie sein Bruder langsam pfeifend den Atem ausstieß. Er drehte sich um und sah gerade noch das Aufblitzen in Stuarts hellen Augen.

»Großer Gott!« murmelte Stuart. »Wenn das nicht unsere liebe kleine Emma ist. Sie ist wirklich kein Kind mehr.«

»Sie gehört mir«, hatte Geoffrey scharf erwidert. Er staunte selbst über seinen herrischen Ton und wurde natürlich wieder rot.

Stuart wandte den Blick langsam von der Frau auf der Veranda zwischen den Säulen und betrachtete seinen Bruder mit einer hochgezogenen hellen Augenbraue. »Ah! Aber weiß sie das auch?«

»Verdammt! Stuart ... du kannst dich nicht so viele Jahre in der Welt herumtreiben, dann wieder hier auftauchen und erwarten ...«

Geoffrey biß die Zähne so fest zusammen, daß es schmerzte.

Stuart lachte. »Ich erwarte nichts, lieber Bruder. Und das ist meine einzig gute Eigenschaft.«

Wider Willen mußte daraufhin auch Geoffrey etwas lachen. »Du bist einfach unverbesserlich, und du hast noch die Kühnheit, es zuzugeben.«

»Gut, dann habe ich zwei gute Eigenschaften.«

Die Brüder lächelten beide, und wie auf ein Zeichen richteten sich ihre Blicke wieder unwillkürlich auf die Frau zwischen den Säulen. Sie war so jung und unbeschreiblich bezaubernd. Aber ihre Schönheit schien eher die einer Vision entsprungen aus den Träumen der Männer zu sein. Denn aus der Entfernung konnten die beiden nicht einmal sehen, daß die dunklen Locken unter dem schwarzen Seidenzylinderhut wie Lack glänzten. Sie konnten nur ahnen, daß sich das weiße Leinentuch um einen schneeweißen langen Hals schmiegte und daß das Veilchen im Knopfloch über ihrer Brust vor starken Gefühlen bebte – vor Angst oder vielleicht vor Erregung?

Sie waren zu weit entfernt, um ihre Augen zu sehen, die weder grau noch grün oder blau waren, sondern die Farbe des Meeres bei Sonnenaufgang hatten – so tief, so strahlend und so hell. Nur Geoffrey, der sie liebte, wußte, daß sich alle Sehnsüchte dieser Welt in Emmas Augen spiegelten. Und er wußte auch, wer einmal in diese Augen geblickt hatte, konnte seinen Blick nie mehr von ihnen wenden.

Wagnis des Herzens

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