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3.

Willkommensgeschenk

»Hanko Lee«, sagte Sichu Dorksteiger. »Ein Terraner. Kommandant des Kugelraumers CISTOLO KHAN, benannt nach dem LFT-Kommissar, der dieses Amt vor über 700 Jahre innehatte. Richtig so weit?«

Rhodan lächelte. »Völlig korrekt. Überrascht es dich?«

»Dich etwa nicht?«

Die beiden hatten sich in ihre Privatkabine an Bord der TESS QUMISHA zurückgezogen – zum ersten Mal seit ihrem Wechsel von der RAS TSCHUBAI. Das lag noch nicht lange zurück, obwohl sich in dieser kurzen Zeit alles auf den Kopf gestellt hatte.

Die Kabine glänzte blitzsauber mit ihrer nüchternen Standardeinrichtung. Jeder Hauch des tatsächlich Privaten fehlte ihr, was sich auch nicht mehr ändern würde, nun, da der Kreuzer bereits ein halbes Wrack war, das nicht so schnell wieder flugtauglich gemacht werden konnte. Rhodan war überzeugt, dass die TESS ihnen nicht lange als Basis dienen würde.

Er genoss es, dass er sich dank seines Postens als Missionsleiter diese Minuten der Zweisamkeit mit Sichu gönnen durfte – natürlich nur, um mit der Chefwissenschaftlerin konzentriert die Gesamtlage zu reflektieren.

Währenddessen schleppte Hanko Lee mit seinem Kugelraumer die TESS QUMISHA ab. Alles Nötige regelte Kommandant Ninasoma von der Zentrale aus, indem er mit Hanko Lee kooperierte und Anweisungen für den Traktorstrahl der CISTOLO KHAN gab.

Perry Rhodan küsste seine Frau. »Ich habe damit gerechnet, Terra wiederzufinden«, antwortete er etwas verspätet auf ihre Frage, »und logischerweise auch Nachfahren der Leute, die damals mit dem Planeten verschwunden sind.«

»Einen Perry Rhodan kann also nichts erschüttern?«

»Ich bin erschüttert«, versicherte er.

»Was die meisten Menschen dir nicht ansehen würden.«

»Du aber schon?«

»Ich schon.«

»Das beruhigt mich.«

Sichu setzte sich auf die Bettkante. »Lee schleppt uns mit seiner CISTOLO KHAN ab. Damit ist die akute Gefahr vorbei. Fragt sich, wie es jetzt weitergeht.«

»Die Ingenieure versuchen, die TESS QUMISHA so weit zu retten, wie es möglich ist.«

»Witzlos«, konstatierte sie. »Es bräuchte gewaltige Umbauten, um das Schiff auch nur einigermaßen einsatzfähig zu machen. Wir stecken in einem vollkommen nutzlosen Hightechgrab.«

»Nichts ist vollkommen«, meinte er, während er sich ebenfalls niederließ. Die Matratze war ein ganzes Stück zu weich.

»Ach?« Sie lupfte eine Augenbraue und wartete einen Moment ab, ehe sie weitersprach: »Und wozu soll die nicht vollkommen nutzlose TESS deiner Meinung nach noch gut sein?«

Er hob die Schultern. »Abwarten. Momentan interessieren mich andere Dinge mehr, das gebe ich zu. Ich werde Hanko Lee eine Menge Fragen stellen, sobald er uns in Sicherheit geschleppt hat.«

Es klopfte.

Die Kabinenpositronik kündigte nicht wie gewohnt den Besucher an – offenbar arbeitete der Hauptrechner TESS weiterhin so eingeschränkt, dass solche Funktionen ausfielen. Stattdessen hämmerte jemand von draußen an die Tür.

Sichu sah Rhodan mit hochgezogenen Augenbrauen an, was das goldene Fleckenmuster auf ihrer Stirn apart verzerrte. »Vollkommen. Nutzloses. Hightechgrab«, wiederholte sie.

Rhodan ging zur Tür und öffnete.

Ein Mann stand davor, der ihm erst vor Kurzem bekannt geworden war. »Entschuldige die Störung, mir ist klar, dass du anderes zu tun hast.« Er sah an Rhodan vorbei in den Raum, und sein Blick blieb an Sichu hängen.

»Tergén.« Er streckte die Hand aus. »Komm rein.«

Der Vergleichende Historiker wirkte verunsichert. »Du erinnerst dich tatsächlich an mich?«

»Selbstverständlich. Zumal Holonder große Stücke auf dich hält.«

»Tatsächlich?«, fragte Tergén und klang ehrlich überrascht.

»Mir selbst hat darüber hinaus imponiert«, ergänzte Rhodan, »dass du aus Eigeninitiative an Bord der TESS gekommen bist.«

Tergén nickte. Er hatte schwarze Haare und ein schmales Gesicht mit spitzer Nase. »Ich wollte dich nur bitten, sobald ein wenig Ruhe eingekehrt ist ... also, falls es überhaupt so weit kommt, irgendwann in den nächsten Tagen ... also, dass ich ein Gespräch mit dir führen darf. Dass momentan keine Zeit dafür bleibt, ist mir klar. Aber ich habe gesehen, dass ihr in die Kabine gegangen seid, ich wohne direkt nebenan.«

»Ich verspreche dir einen Gedankenaustausch.«.

»Danke, und ... hier.« Er hob die linke Hand. Darin hielt er etwas, das Rhodan bislang nicht aufgefallen war.

»Was ist das?«

»Schokolade mit ganzen Nüssen.« Tergén sah Rhodan auffordernd an.

»Ja?«

»Ich habe sie schon von der RAS TSCHUBAI mitgebracht, für dich, um etwas zu testen.«

»Ja?«, wiederholte der Aktivatorträger.

»Die Legende, die ich für am wahrscheinlichsten hielt, besagt, dass es deine liebste Süßigkeit ist, seit deiner Kindheit.«

Perry Rhodan musste lachen. »Danke, aber ... nein.«

»Oh.«

»Ich nehme dein Geschenk trotzdem gerne an.«

Tergén reichte ihm die Schokolade. »Wir sehen uns.«

»Ich bin gespannt.« Rhodan sah dem schmächtigen Mann nach, wie er die Nachbarkabine öffnete und hineinging. Er wusste nicht, ob er ihn als interessant oder verschroben einschätzen sollte.

Sichu kam zu ihm. »Wir müssen zurück zur Zentrale.«

Er nickte und warf die Schokolade aufs Bett.

*

Perry Rhodan stieg mit Kommandant Muntu Ninasoma in den Gleiter, den die CISTOLO KHAN zu ihnen geschickt hatte und der in einem der wenigen voll funktionsfähigen Hangars der TESS QUMISHA gelandet war.

Ein Raumsoldat empfing die beiden Gäste im eng bemessenen Passagierraum, der gerade einmal halbwegs bequem für die vier Sitze Platz bot, die an den kahlen Wänden einander gegenüberlagen.

»Ich bin Rentan Canner«, sagte der Mann. »Wir bringen euch zur KHAN. Setzt euch.«

Der Kommandant stellte sich ebenfalls vor.

Canner nickte Ninasoma zu. »Ich freue mich, dass wir euer Schiff retten konnten.«

»Perry Rhodan«, sagte Rhodan.

»Hm«, machte der Soldat.

Nicht gerade der überschwänglichste Empfang, dachte der Aktivatorträger, während er der Aufforderung folgte und sich hinsetzte.

Canner hob die linke Hand und sprach in den Armbandkommunikator. »Wir können starten.«

Das Einstiegsschott schloss sich, der Raumgleiter verließ den Hangar, was die drei Männer durch ein Sichtfenster verfolgen konnten. Kurz war nur der schwarze Hintergrund des Weltraums zu sehen, mit winzigen Leuchtpunkten der fernen Sterne, dann zog der verwaschene blaugraue Ball des Neptun vorüber.

»Der Neptun«, sagte Rhodan, vor allem, um herauszufinden, wie Rentan Canner auf die Erwähnung des Namens reagierte.

Der Soldat blieb stumm und zeigte keine Regung.

Also versuchte es Rhodan auf andere Weise. »Ist dies das Solsystem?«

»Sieh hin und mach die Augen auf. Was soll es sonst sein?«

»Ich kenne ein anderes.«

»Ich bin nicht befugt, darüber zu sprechen.«

Ihm lagen die Worte »Einverstanden, aber was denkst du?« auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter.

Canner sah nicht besonders gesprächig aus, im Gegenteil. Drückte sich darin Unsicherheit aus? Oder sogar Angst? Immerhin wusste Rhodan nichts über die Verhältnisse in diesem Solsystem, das die Nachfahren der Menschen, die sich damals auf Terra befunden hatten, seit mehr als 400 Jahren bewohnten. Falls es keine Zeitverschiebungen gegeben hatte, was durchaus im Bereich des Möglichen lag.

Alles lag im Bereich des Möglichen.

Sie verbrachten den Rest des kurzen Fluges schweigend.

*

Das Willkommen wurde wenig freundlicher, als sie den Gleiter in einem kleinen Hangar der CISTOLO KHAN wieder verließen.

Rentan Canner blieb zurück, doch ein Mann erwartete sie, den Rhodan und Ninasoma bereits vom Funkgespräch her kannten: Kommandant Hanko Lee war hochgewachsen und schlank, von einem Bauchansatz abgesehen, den er bis vor Kurzem wahrscheinlich noch gut hatte verbergen können. Seine Augen wirkten klein, aber mit auffällig hellblauen Iriden.

Er trug eine Uniform, die Rhodan unwillkürlich terranisch vorkam, wenngleich sie gegenüber den ihm bekannten Modellen weiterentwickelt worden war – ein samtenes Weinrot, über den Schultern mit schwarzen Streifen, auf denen goldene Sterne saßen.

An der Seitenwand des Hangars, beim Ausgang, standen zwei kegelförmige Roboter, vom Design her eindeutig den TARA-Baureihen zuzuordnen. Sie blieben regungslos, aber einige leuchtende Dioden zeigten, dass sie aktiviert waren. Bereit, einzugreifen. Offenbar dienten sie als Absicherung.

»Kommandant Ninasoma«, sagte Hanko Lee, »es ist mir eine Ehre.«

»Danke für die Rettung.«

»Welcher Terraner würde einen Kugelraumer nicht vor der Zerstörung retten, wenn es ihm möglich ist?« Lee wandte sich nun zu seinem zweiten Besucher zu. »Perry Rhodan. Die Legende aus einer anderen Zeit und jenem Zwilling, aus dem Terra einst vor Jahrhunderten gekommen ist.«

Zwilling, dachte Rhodan. Die Bezeichnung war ihm nicht entgangen. »Vor etwas mehr als vierhundert Jahren?«, fragte er.

»Genau 432«, sagte Lee. »Korrekt?«

Rhodan nickte.

»Womit bewiesen ist, dass es beim CEE keine Zeitverschiebung gab. Bislang war es uns nicht möglich, das zu überprüfen.«

»Damit ist die erste Frage geklärt«, sagte Muntu Ninasoma. »Ich hoffe, es geht so weiter.« Er lächelte. »Bei dieser Gelegenheit ... das CEE?«

»Das Change-Everything-Event, die Versetzung über vier Tage.«

Der Aktivatorträger nickte. »Es hat tatsächlich alles verändert. Eine gute Bezeichnung. Dort drüben, in der Heimat, nennen wir es die Quadratur der Tage.« Er verkniff sich die Bemerkung, dass eigentlich sie es so nannten, die anderen Terraner, weil er selbst erst Jahrhunderte später wieder in der Milchstraße angekommen war oder genauer gesagt die Suspension verlassen hatte.

»Begleitet mich«, forderte Hanko Lee. »Die TESS QUMISHA ist außer Gefahr. Falls eure Ingenieure Hilfe benötigen, werde ich einen Trupp Techniker schicken. Vermutlich habt ihr mit der erhöhten Hyperimpedanz zu kämpfen. Unseren Vorfahren ging es nicht anders, damals. Inzwischen ...« Ein kurzes, abgehacktes Lachen. »... sehen wir den Wert als normal an. So ist es eben hier in der Heimat.«

Die Heimat.

Der Zwilling.

Lee führte sie durch einen Korridor zu einem Antigravschacht, in dem sie nach oben schwebten. All das atmete terranische Atmosphäre. Kein Zweifel, dass er sich in einem Schiff seines Volkes befand, auch wenn ihm die beiden Menschen, die er bislang getroffen hatte, eigenartig fremd vorkamen.

»Wann wurde die CISTOLO KHAN gebaut?«, fragte Rhodan.

»Vor 83 Jahren, also 1963 NGZ. Oder 349 NZ, ganz wie du willst.«

»NZ?« Erneut war es Muntu Ninasoma, der nachhakte.

»Nach der Zerozone«, erklärte Lee, während sie an einem Ausstieg aus dem Antigravschacht vorübertrieben. Jenseits des Korridors lag ein Sportraum, in dem eine Frau mit verschwitzten Haaren joggte. Eine Sekunde später schauten sie wieder auf die Schachtwand, an der sie höher schwebten. »Offiziell wird nicht so gerechnet, aber ... nun, manche tun es.«

»Du auch?«, fragte Rhodan.

»Eine seltsam indiskrete Frage.«

»Entschuldige. Das war mir nicht bewusst.«

»Woher sollte es auch?« Mit dieser Floskel legte Hanko Lee Rhodans Frage offenbar zu den Akten. »Wir steigen gleich aus.«

Eine Zeitrechnung nach der Zerozone.

Die Heimat.

Der Zwilling.

Hanko Lee führte seine Besucher nicht etwa in einen Besprechungsraum, sondern in ein Café, das, wie er erklärte, am Rand des Wohnbereichs für diplomatische oder sonstige Gäste lag. »Da wir zurzeit keine Gäste haben, abgesehen von euch natürlich, steht hier alles leer.«

Als er die gläserne Tür öffnete, sprang in dem bislang dunklen Raum das Licht an. Eine gepolsterte Sitzbank zog sich hufeisenförmig an drei Wänden entlang; frei blieben nur der Eingang und die danebenliegende Bar. Vor der Bank standen kleine Tische, jeweils mit einem weiteren Stuhl.

»Nett«, kommentierte Rhodan, der durchaus begriff, was Hanko Lee beabsichtigte, indem er seine Besucher ausgerechnet an diesen Ort führte. Es mochte gemütlich sein, aber darauf kam es ihm garantiert nicht an – zugleich war dies wohl der am wenigsten offizielle Platz in der gesamten CISTOLO KHAN.

Der perfekte Ort für ein privates Gespräch. Eines, das nicht der Kommandant eines großen Kugelraumers führte – kein offizielles Willkommen für die Legende aus einer anderen Zeit.

»Ich nehme an«, sagte Rhodan, »du hast das Kommando momentan deinem Stellvertreter übergeben?«

»Ich sehe, wir verstehen uns.« Lee wies auf die Bar, hinter der ein humanoid geformter Roboter stand, in den nun Bewegung kam. »Es gibt eine gute Getränkeauswahl.«

»Ihr wünscht?«, fragte die Maschine mit wohlmodulierter Barkeeper-Stimme.

»Was empfiehlst du?«, wollte Muntu Ninasoma wissen.

»Ich habe einen köstlichen Zitrogrenadillensaft vorrätig.«

»Gute Wahl.«

»Zwei«, sagte Rhodan.

»Sehr wohl«, meinte die Maschine. »Kommandant? Du auch zwei?«

»Wasser«, orderte Lee. »Eins.«

»Bescheiden wie immer«, kommentierte der Servoroboter, während er bereits die Getränke einschenkte.

Rhodan empfand Ungeduld; er hätte tausendmal lieber Fragen gestellt, als Getränke auszuwählen. Momentan allerdings bestimmte der Kommandant der CISTOLO KHAN die Regeln, und Lee war für ihn bislang undurchschaubar.

Eigentlich war Rhodan ohne feste Erwartungen in dieses Treffen gegangen, aber mit dieser kühlen Distanziertheit hatte er nicht gerechnet. Kurz gesagt hatte er ein wärmeres Willkommen bei den ersten Terranern erwartet, die er jenseits der Zerozone traf.

Er dachte an Tergén und dessen Geschenk, das der Historiker extra von der RAS TSCHUBAI mitgebracht hatte. Aus einem spontanen Impuls drehte er sich noch einmal zu dem Roboter um. »Hast du Schokolade mit ganzen Nüssen?«

»Leider nein.«

Rhodan winkte ab. »Gräm dich nicht deswegen.«

»Sehr wohl.«

*

Wenig später saßen sie an einem der Tische – Lee auf dem Stuhl, seine Gäste auf der Polsterbank.

»Euch drücken sicher viele Fragen«, sagte der Kommandant.

Rhodan wechselte einen kurzen Blick mit Ninasoma. Sie hatten schon in der TESS QUMISHA abgesprochen, dass der Aktivatorträger die Gesprächsführung übernehmen sollte. »Du hast den Ort, von dem Terra gekommen ist, den Zwilling genannt.«

»Diesen Ort haben weder ich noch sonst jemand, mit dem du sprechen könntest, jemals selbst erlebt«, sagte Lee.

Schon dieser erste Satz traf Rhodan mitten ins Mark, doch er stellte die Frage, die sich ihm aufdrängte, zurück. Eins nach dem anderen. Die Frage nach Homer G. Adams, der sehr wohl das Einstein-Universum kannte, musste warten ...

»Aber wir kennen Aufnahmen«, fuhr Hanko Lee fort. »Es gibt eine unendliche Menge an historischem Material, das längst bis ins Detail abgeglichen worden ist. Dieser Ort steht dem hiesigen so nahe, wie es sonst keiner könnte. Ein Zwilling, eben.«

»Ein Paralleluniversum?«, fragte Rhodan. »Das erscheint mir allerdings unwahrscheinlich, weil ...«

»Nein«, fiel Lee ihm ins Wort. »Und ich nehme an, das ist dir bereits klar. Es ist viel mehr als das. Ein Zwilling, dank der Zerozone verbunden. Der andere Teil des Dyoversums.«

Die Assoziationen, die diese knappe Beschreibung auslösten, jagten Rhodan einen Schauer durch den ganzen Körper. Ein kaltes Kribbeln lief ihm über Rücken und Beine.

»Die Zerozone?«, fragte er. »Woher kennst du diesen Begriff? Wir nutzen ihn ebenfalls.«

»Er wurde uns ... überliefert.«

Mit dieser knappen Erklärung gab sich Rhodan zunächst zufrieden, denn das gesamte Konzept erschütterte ihn. »Was hat es mit dem Dyoversum auf sich? Und inwiefern kannst du von einem anderen Teil reden? Denn das meinst du doch, wenn du von einem Zwilling sprichst, oder?«

»Es gibt weitaus kompetentere Menschen, die diese Zusammenhänge erklären können. Ich bringe euch nach Terra, vielleicht auch ins Gestänge. Dort werdet ihr alle Antworten bekommen.«

Noch etwas, das für die Terraner an diesem Ort offenbar so selbstverständlich war, dass Lee es keiner genaueren Erläuterung für nötig erachtete – was mochte es mit diesem Gestänge auf sich haben?

Rhodan setzte die entsprechende Frage auf die Liste. Gleich hinter die nach Homer G. Adams. »Aber ein wenig kannst du doch bestimmt vom Dyoversum berichten«, verpackte er die Aufforderung mühsam in eine dezent vorgetragene Bitte. Am liebsten hätte er Lee an den Schultern gepackt und geschüttelt.

Lee griff nach seinem Getränk und nippte bedächtig daran, als müsse er überlegen, ob er diesen Wunsch erfüllen sollte. »Das Universum, das eure Heimat ist«, sagte er schließlich, stellte das Glas ab und fuhr mit dem Zeigefinger über den oberen Rand, dass ein Quietschen ertönte, »ist Teil eines Zwillingsuniversums. Beim Urknall entstanden zwei Universen.«

Der Kommandant hob die Fäuste, hielt sie dicht beieinander. Die Daumen lagen seitlich an, und nun brachte er deren Spitzen so eng zusammen, dass die Nägel einander antippten.

»Diese beiden Universen sind an einer Stelle verbunden geblieben oder zusammengewachsen. Du darfst dir diesen Punkt nicht so vorstellen, wie es dieses Modell suggeriert.« Er schob seine Hände ein wenig weiter weg. »Der Ort der Verbindung liegt nicht stabil im Raum, nicht an einem konkreten Platz, sondern ist theoretisch von überallher zugänglich.«

»Du sprichst von der Zerozone«, sagte Rhodan.

Lee nickte. »Die Zerozone«, wiederholte er. »Beide Universen sind Zwillinge, und sie haben sich seit dem Urknall ähnlich weiterentwickelt. Die Hälften ähneln einander sehr, als wären sie gespiegelt. Die Entwicklung lief natürlich nicht völlig identisch ab, und unsere Forscher hielten es zunächst für hochgradig unwahrscheinlich, dass ein so komplexes Gebilde wie ein ganzes Sonnensystem auf beiden Seiten mit gleichem Ergebnis entstehen kann ... aber die Realität bewies das Gegenteil. Ein einziger Blick genügte, um diese Schlussfolgerung zu treffen. Dies hier ist dasselbe Solsystem, wie du es kennst. Mit minimalen Unterschieden. Es gibt eine Art Fluss auf höherdimensionaler Ebene, der Materieentwicklung beeinflusst.«

»Senden Kosmonukleotide für beide Zwillinge identische Informationen aus?«, fragte Rhodan, von dieser Offenbarung schier überwältigt.

Lee schüttelte leicht den Kopf, um seine Verständnislosigkeit auszudrücken. »Wie ich dir schon sagte, du musst dir wesentlich kompetentere Gesprächspartner für dieses Thema suchen. Ich bin kein Wissenschaftstheoretiker, sondern Angehöriger des Militärs. Du redest mit dem Falschen. Ich weiß nur, was jedes Kind lernt. Sag selbst – in deinem Zwilling gibt es einen Planeten, der die Position der Erde eingenommen hat, richtig?«

»Korrekt.«

»Und dieser Himmelskörper ähnelt Terra extrem?«

»Das stimmt. Ich habe ihn besucht. Seine Bewohner nennen ihn Iya.«

»Er ist bewohnt?«

»Überrascht dich das?«

Lee winkte ab. »Tut es. Aber ich bin, wie gesagt, kein Profi auf diesem Gebiet.«

»Was du über die Zwillinge und das Dyoversum sagst – sind das gesicherte Fakten?«

»Du musst mit anderen Menschen reden, Perry Rhodan. Und nun gestatte mir zur Abwechslung eine Frage an dich.«

»Bitte.«

»Was genau wollen du und deine Leute hier?«, fragte Lee.

Dieser simple Satz zog Rhodan den Boden unter den Füßen weg. »Was ... was ich hier will?«, fragte er fassungslos.

»Ja«, sagte Hanko Lee, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. »Warum seid ihr gekommen?«

Rhodan dachte an die neue Zeitrechnung, die zwar nicht offiziell galt, die Lee aber sicher nicht rein zufällig erwähnt hatte. Eine Zählung, die den Beginn einer frischen Epoche, das Jahr null, mit der Passage durch die Zerozone gleichsetzte.

Er dachte daran, dass Lee von diesem Bereich des Dyoversums als seiner Heimat gesprochen hatte.

Und daran, dass manche die TESS QUMISHA und ihre Besatzung womöglich als Eindringlinge in diese Heimat ansahen.

»Wir sind zu euch gekommen«, sagte Rhodan schließlich, »weil wir Terra und Luna finden wollten. Wir haben nie aufgehört, unsere Heimat zu suchen.«

»Ah. Das verstehe ich.«

Aber Hanko Lee fragte nicht, was zu Hause seit dem Raptus geschehen war, den sie an diesem Ort das CEE nannten. Weil es ihn nicht interessierte und sich für ihn das echte Solsystem hier befand. Für Lee lag das Zuhause nicht im Einstein-Universum, sondern in diesem Zwilling.

In diesem Moment ahnte Rhodan, dass ihm völlig anders geartete Schwierigkeiten bevorstanden als vermutet. »Mir liegt noch eine Frage auf dem Herzen«, sagte er.

»Ich werde versuchen, sie zu beantworten.«

»Kann ich mit Homer G. Adams sprechen?«

Lee senkte den Blick. »Oh«, machte er. »Ich bedauere, aber das ist unmöglich.«

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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