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1.

Ankunft

Wieder einmal war es so weit.

Es war für Perry Rhodan keine neue Erfahrung, aber es verlor nie seinen Reiz. Sollte er noch tausend Mal in diese Situation kommen, würde es ebenso oft jenes Kribbeln auslösen, die Unruhe, das Erwarten, die Hoffnung.

Die Faszination.

Am 8. November des Jahres 2046 Neuer Galaktischer Zeitrechnung war Perry Rhodan 3697 Jahre alt – rein rechnerisch gesehen und zumindest dann, wenn man etwas vereinfachte und Zeiträume, die er auf die eine oder andere Weise übersprungen oder doppelt erlebt hatte, außer Acht ließ.

Aber ob zwei-, drei- oder viertausend Jahre, er fühlte sich in Augenblicken wie diesen wie ein Kind, das staunend darauf wartete, welches Abenteuer auf ihn zukam.

Und so stand der dank eines Zellaktivators relativ unsterbliche Terraner wieder einmal in der Zentrale eines Raumschiffs und sehnte die Ankunft am Ziel herbei.

Auf das, was ihn erwartete und von dem er nichts wusste. Außer, dass das Zielgebiet in einem völlig fremden Gefilde lag und trotzdem die Möglichkeit bestand, dort die Heimat wiederzufinden: Terra.

Die Erde.

Der Planet seiner Geburt, der für ihn stets das Zentrum seines Lebens bleiben würde.

Eine Welt, die von unbekannter Hand ihrem angestammten Platz im heimatlichen Sonnensystem entrissen und an einen anderen Ort entführt worden war. Diesen Ort hatte Rhodan mit seinem Team, so hofften sie zumindest, entdeckt. Mit der TESS QUMISHA hatten sie außerdem die Möglichkeit, dorthin zu gelangen, indem sie ein kosmisches Sondergebiet durchquerten, das sie nur höchst unzureichend erforscht und dem ihr Begleiter Iwán/Iwa Mullholland den Namen Zerozone verliehen hatte.

Ebenjene Zerozone verließ die TESS QUMISHA in exakt diesem Augenblick, und niemand an Bord wusste, was dahinter wartete.

Tatsächlich Terra?

Perry Rhodans Handflächen wurden feucht. Er empfand keine Angst, aber seine nach Jahrtausenden zählende Lebenszeit hatte ihn nicht zu einem abgeklärten Roboter mutieren lassen. Im Gegenteil. Seine Gefühle mochten ... gereift sein, aber gleichzeitig waren sie stärker geworden. Intensiver.

»Ankunft!«, meldete Leutnant Terzio Adamoto von seinem Arbeitsplatz – der Chef der Ortung und Hyperfunkabteilung. Er saß vor seiner Arbeitsstation, umgeben von den Kollegen der Zentralebesatzung. In der Mitte des weitläufigen Raumes, der wiederum im Zentrum des gewaltigen Kugelleibs der TESS QUMISHA lag, stand der Sessel von Kommandant Muntu Ninasoma.

Rhodan hätte als Missionsleiter den Kommandantenplatz beanspruchen können – aber wozu? Er vertraute Ninasoma, und er hatte häufig genug selbst diesen Posten der größten Verantwortung bekleidet. Darum hatte er sich für einen unauffälligen Platz entschieden – neben dem Sessel von Farye Sepheroa, der Pilotin des Raumschiffs und zugleich Rhodans Enkelin.

Fast ein Familientreffen, dachte er, denn dicht bei ihm stand die Frau, die er aus ganzem Herzen und mit voller Wucht all seiner Gefühle liebte und vor etlichen Jahren auch geheiratet hatte. Sie war nicht nur wunderschön und dank der grünen Hautfarbe mit den goldenen Mustern ein exotischer Anblick, Sichu Dorksteiger war darüber hinaus eine brillante Wissenschaftlerin und wohl ebenso neugierig wie er auf das, was jenseits der Zerozone auf sie wartete.

Rhodan musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass Adamoto seit seiner schlichten Meldung – Ankunft – auf die Instrumente starrte und den Eingang der ersten gesammelten Daten der Ortungsinstrumente des Schiffes herbeisehnte. Es war ihm oft genug selbst so gegangen – nein, es ging ihm in diesem Moment genauso, nur dass er das Starren auf die Displays und Holoanzeigen einem anderen überließ.

»Ich übermittle die Informationen durch Ortung und Tastung in ein Holo, das ich ...« Leutnant Adamoto sprach den Satz nicht zu Ende.

Einerseits musste er das nicht, weil jeder in der Zentrale wusste, was er sagen wollte – schließlich lief es nach Absprache, ganz zu schweigen davon, dass es eine völlig logische Routine darstellte: Selbstverständlich brauchten sie ein holografisches Abbild ihrer Umgebung in der Mitte des Raumes, wo alle es sehen konnten.

Andererseits verschlug es einem Profi wie Terzio Adamoto nicht so einfach die Sprache, und dass es dennoch geschah, bewies, wie sehr ihn der Anblick überwältigte.

Perry Rhodan ging es genauso.

Das kann nicht wahr sein, dachte er.

Aber natürlich war es das.

Die Daten logen nicht.

Sichu Dorksteiger brachte den Anblick mit ungewöhnlich schlichten Worten auf den Punkt: »Ganz erstaunlich.«

Und erstaunlich war es in der Tat, was sich erst langsam, dann immer schneller als dreidimensionale Darstellung inmitten der Arbeitskonsolen aufbaute. Das Abbild einer Sonne formte sich als kopfgroßer, gleißend gelber Ball im Zentrum des Holos. Aus zunächst diffusen, verschwommenen fingergroßen Flächen, die sich in Bahnen rundum bewegten, schälten sich die Bilder von Planeten.

Insgesamt entstanden elf Welten; manche wuchsen, während sich die Darstellung klärte, andere änderten die Farbe.

Die Verteilung dieser Welten, ihr Größenverhältnis, der Abstand zur zentralen Sonne ...

All das traf den Zellaktivatorträger wie ein Faustschlag, wenn auch nicht schmerzhaft, sondern eher wie der vielleicht etwas zu wohlmeinende Schubs eines Freundes in einer Bar, der eine wirklich überraschende Nachricht präsentiert.

Rhodan hatte viele Sonnensysteme besucht und zahllose weitere gesehen – aus dem All, auf Bildern, in Dokumentationen. Er konnte Dutzende zweifelsfrei benennen und bei Hunderten eine gut begründete Vermutung abgeben, um welche es sich handelte.

Aber es gab ein System, das er augenblicklich und ohne jeden Hauch von Zweifel erkannte. Hätte man ihn aus dem Schlaf gerissen und ihm eine Sekunde dieses Bild gezeigt, wäre es ein Leichtes gewesen, es zuzuordnen. Er brauchte dazu nicht einmal seinen Verstand, die Gefühle genügten völlig, das Zuhause zu empfinden.

Er sah den markanten Gasriesen Jupiter, das Ringsystem des Saturn, die kleineren Planeten Merkur und Venus und die anderen wohlbekannten Welten.

Auch Terra.

Ohne jeden Zweifel: Dies war das Solsystem.

Der Gang durch die Zerozone hatte sie nicht in fremde Gefilde geführt – sondern zurück in die Milchstraße, mehr noch: direkt in die Heimat.

Ein rot blinkendes Kreuz markierte den Standort der TESS QUMISHA, zwischen Neptun und seinem Mond Triton, dem Trabanten nah.

Sehr nah, wie er ganz nebenbei wahrnahm.

Aber – wieso befand sich Terra im Solsystem?

Der Planet war vor Jahrhunderten im Zuge eines Phänomens verschwunden, das man später den Raptus Terrae nannte, den Raub der Erde. Nur deshalb hatte sich Rhodan überhaupt auf die Suche gemacht – auf einen Weg, der ihn über mehr als 250 Millionen Lichtjahre in die Heimatgalaxis der Cairaner und von dort aus in die Zerozone geführt hatte.

War es am Ende dieser Reise mit der Passage durch die Zerozone ... einfach wieder zurückgegangen?

Aber im Solsystem zog anstelle von Terra der extrem und ungewöhnlich ähnliche Planet Iya seine Bahn. Die aktuellen Ortungsergebnisse zeigten allerdings eindeutig das echte Terra. Und vor allem gab es keine cairanischen Einheiten, die vor Ort patrouillierten.

Das war jedoch bei Weitem nicht die einzige Frage, die sich Rhodan beim Blick auf das Umgebungsholo stellte.

Weshalb existierte im Solsystem wieder Pluto, der bereits im Jahr 3438 alter Zeitrechnung zerstört worden war?

Und wie konnte es sein, dass er die beiden verlorenen Welten sah, die vor schieren Ewigkeiten das System verlassen hatten – Zeut und Medusa?

Waren sie durch die Zerozone in die tiefe Vergangenheit gelangt?

Aber da fiel Rhodan auf, dass etwas mit Pluto nicht stimmte. Er sah genauer hin und erkannte, dass das, was immer dort seine Bahn zog, nicht wie ein Planet aussah, sondern ein unwirkliches, fast geometrisches Gebilde formte, kleiner als der Zwergplanet. Das Holo rechnete allerdings noch, lud die aktuellen Daten von Ortung und Tastung hoch und verarbeitete sie, weshalb die Darstellung verschwommen blieb, als verschleierte eine Wolke die Sicht.

Gewiss, Ungeduld dehnte für gewöhnlich die Zeit, aber dauerte es nicht wirklich ungewöhnlich lange – so, als würde etwas den reibungslosen Ablauf dieses simplen Vorgangs stören?

Neue Fragen strömten binnen jedes Herzschlags auf Perry Rhodan ein, gemeinsam mit einem Potpourri aus Erleichterung, Begeisterung, Verwirrung und Tatendrang.

Und dem ungreifbaren Gefühl einer Bedrohung.

Was stimmte nicht?

Die Rätsel, die sich in dieser ersten Sekunde stellten, bildeten garantiert nur die Spitze des Eisbergs. Rhodan ahnte, dass er Licht in eine Menge Dunkel würden bringen müssen.

»Gibt es andere Raumschiffe im System?«, fragte Kommandant Muntu Ninasoma, der offenbar bereits einen Schritt weiterdachte; auch Rhodan fiel auf, dass es dem Umgebungsholo nach erstaunlich ruhig war.

Selbstverständlich ging es dem Kommandanten in dieser Situation vorrangig um ihre Sicherheit und damit um mögliche Angreifer in diesen unbekannten Gefilden jenseits der Zerozone.

Nur dass die Zielregion eben überraschenderweise nicht unbekannt war.

Oder doch?

»Ich ... ich kann es nicht mit Gewissheit feststellen«, sagte Leutnant Adamoto. »Die Daten sind nicht eindeutig. Viele Sensoren fallen aus, ohne Fehlermeldungen, wobei es ohnehin keine Fehler in dieser Häufung geben dürfte. Es bleiben blinde Flecke und ... Irritationen, vielleicht Orterreflexe einiger Schiffe, aber ...« Er brach mitten im Satz ab.

Das Holo flackerte und erlosch.

Es krachte dumpf, und eine leichte Erschütterung lief durch den Boden. Irgendwo in der Ferne im Leib der TESS QUMISHA war etwas explodiert.

Ein Angriff?

Rhodan hatte das Gefühl zu fallen, als würde das Schiff absacken, nur dass es im Weltall kein unten gab. Er verlor den Bodenkontakt, hob ab, schwebte zur Seite, stieß gegen Sichu und fasste automatisch ihren Arm, um sie bei sich zu halten und zu schützen.

Sämtliche Helligkeit erlosch. Letzte leuchtende Funken des Holos verglühten wie tanzende Irrlichter.

Und als wäre das nötig, um die Besatzung auf die Katastrophe hinzuweisen, heulte ein Alarm auf.

*

Die Notbeleuchtung sprang an und tauchte die Zentrale in schattiges Rot. Der schrille Lärm des Alarms schmerzte in den Ohren.

Kommandant Ninasoma bellte Befehle an seine Mannschaft in ein Akustikfeld – oder ins Leere, denn Rhodan bezweifelte, dass das Feld noch funktionierte. Die künstliche Schwerkraft setzte abrupt wieder ein, und er krachte gemeinsam mit Sichu Dorksteiger zurück auf den Boden.

Die Beleuchtung sprang an, das dumpfe Rot wich der gewohnten, nahezu schattenlosen Helligkeit der technischen Umgebung in der Zentrale. Eine Technik, auf die offenbar kein Verlass mehr war.

Was hatten sie soeben erlebt? Nur ein kurzzeitiges Systemversagen? Das wäre gut, wenn auch unklar blieb, wie so etwas geschehen konnte.

Aber Rhodan traute dem Frieden nicht; seine ganze Erfahrung sprach dagegen. Die entscheidenden Fragen, die er sich stellte, lauteten: Wo sind wir? Wie wirkt sich die Umgebung auf unser Schiff aus?

Egal, welchen vertrauten Anschein es erweckte, dies war nicht das Solsystem oder zumindest: nicht nur. Befanden sie sich in einem Paralleluniversum? In diesem Fall hätten Anpassungsfolgen eines Wechsels, sogenannte Strangeness-Effekte, auftreten müssen. Davon spürte er aber nichts. Das bedeutete entweder, dass der Unterschied zwischen den beiden Universen vernachlässigbar klein war, oder dass sie keineswegs einen Universenwechsel vollzogen hatten.

Eine weitere Explosion riss Rhodan aus den Gedanken und bewies unmissverständlich, dass die Situation ernster war, als eben noch befürchtet.

Sehr viel ernster.

»Der Hauptantrieb ist ausgefallen«, rief Kommandant Ninasoma – so laut, dass jeder in der Zentrale ihn hörte. »Wir treiben momentan ohne Steuermöglichkeit! Zahllose Aggregate überall an Bord überladen sich. Ein Überschlagsblitz hat ein Hangarschott zerrissen, Atmosphärenverlust. Und verdammt noch mal, das konnte ich nur bis vor zehn Sekunden sehen, es gibt keinen Zugriff mehr auf TESS! Der Hauptrechner ist ausgefallen. Für alles, was außerhalb der Zentrale passiert, bin ich blind.« Er stand auf, musterte die Besatzung an ihren Arbeitsstationen. »Geht es jemandem besser als mir?«

Während seiner Worte eilte eine Frau in die Zentrale, den Pony aus blonden Haaren an der Stirn verschwitzt. Hope Tiranjaar war die Sicherheitschefin an Bord – von der BJO BREISKOLL herübergewechselt.

Ninasoma sah sie auffordernd an: »Hope?«

»Es gibt katastrophale Technikzusammenbrüche im gesamten Schiff, soweit ich sehe«, rief sie, noch immer außer Atem. »Ich wollte in einen Antigravschacht. Er fiel direkt vor mir aus. Ein Mann ist an mir vorbeigestürzt. Ohne das automatische Sicherheitsnetz wäre er tot.«

Für eine Sekunde schloss Rhodan die Augen. Hopes Worte weckten eine Assoziation, eine Erinnerung an eine Katastrophe, die lange zurücklag, und deren Auswirkungen bis in die Gegenwart spürbar geblieben waren. Natürlich konnte es eine andere Erklärung geben, aber er fühlte, dass er mit diesen Überlegungen der Wahrheit auf die Spur kam.

»Wahrscheinlich ist sämtliche höherwertige Technik betroffen«, sagte er. »Wir müssen auf robuste Technologie setzen, um die Lage an Bord unter Kontrolle zu bringen.«

»Und woher nehmen wir so etwas?«, fragte Sichu an seiner Seite. »Robuste Technologie? In einem der modernsten Kreuzer der Liga?«

Wenn er das nur wüsste. »Den Sensordaten zufolge waren wir nahe am Neptunmond Triton«, sagte er. »Da der Antrieb nicht funktioniert und gegensteuern kann, müssen wir wissen, ob uns der Mond bereits anzieht.«

Etwas dramatischer formuliert hätte er die Frage stellen können: Stürzen wir ab? Denn genau das befürchtete Rhodan, wenngleich es keine Möglichkeit gab, das zu überprüfen. Solange sämtliche Technologie versagte, konnten sie aus der Zentrale nicht nach draußen blicken.

»Meine Pilotenkonsole ist energetisch tot«, sagte Farye. »Ohne Zugriff auf Umgebungsdaten oder sonst irgendetwas.«

»Ich bin an dem Problem dran«, meldete Ninasoma. »Aber solange der Rechner nicht funktioniert, finde ich keine Antworten.« Er deutete auf Hope Tiranjaar, die gerade erst die Zentrale betreten hatte. »Bring es mit deinen Leuten in Erfahrung!«

Sie bestätigte und kündigte an, sich auf einer einfachen Funkfrequenz zu melden, die sie mit Terzio Adamoto absprach – genau die Art robuster Technologie, die Rhodan meinte. Sofort danach eilte die Sicherheitschefin aus dem Raum.

Perry Rhodan sah seiner Frau in die Augen. »Was glaubst du, Sichu?«

»Dass wir heute nicht sterben.« Sie lächelte schmallippig. »Wenn du allerdings den Zustand des Schiffes meinst, fehlen mir Informationen. Deine Worte zeigen mir jedoch, was du vermutest. Du rechnest mit einer erhöhten Hyperimpedanz in dieser kosmischen Region.«


Illustration: Dirk Schulz

Er nickte.

»Was ein weiterer Beweis dafür wäre, dass dies hier nicht das Solsystem ist.«

»Falsch«, meinte Rhodan. »Es ist nicht das Solsystem. Aber darum kümmern wir uns später. Wenn wir tatsächlich überleben. Deine andere Vermutung stimmt genau. Was wir gerade erleben, erinnert mich an damals. An den Hyperschock.«

Am 11. September 1331 NGZ, vor über 700 Jahren, hatte sich im bekannten Universum schlagartig die sogenannte Hyperimpedanz erhöht – eine kosmische Konstante, deren Veränderung zum Ausfall fast aller höherwertigen Technologie führte. Eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes, die zu Beginn zahllose Todesopfer forderte und weitreichende Konsequenzen nach sich gezogen hatte. Technologie musste sich gewissermaßen neu erfinden und sich in den Grundlagen an die neuen Bedingungen anpassen. Vieles, was man vorher als selbstverständlich angesehen hatte, war seit damals unmöglich oder zumindest merklich erschwert. Etwa intergalaktische Fernreisen.

Jeder in der TESS QUMISHA wusste vom Hyperschock – aus der Historie. Kein Raumfahrer kam in seiner Laufbahn an solchen Fakten vorbei, ganz zu schweigen davon, dass es zur Allgemeinbildung gehörte.

Perry Rhodan jedoch hatte diesen Tag persönlich erlebt, vor etwas mehr als 200 Jahren seiner Lebenszeit. Fünf weitere Jahrhunderte hatte er übersprungen, in der Suspension an Bord der RAS TSCHUBAI, ehe er nach dem Erwachen in ein neues Zeitalter geworfen worden war.

Wenn Rhodans Verdacht stimmte, wenn es am anderen Ende der Zerozone tatsächlich einen kosmischen Bereich erhöhter Hyperimpedanz gab – dann wunderte es ihn nicht, dass die meiste Technologie der TESS QUMISHA ausfiel.

Dann würden weder Antigrav- noch Impulstriebwerke ihres Schiffes funktionieren.

Dann trieben sie in einem gigantischen metallenen Klotz durchs All und konnten nur hoffen, dass wenigstens die Lebenserhaltung weiterhin ihren Dienst versah.

»Es erklärt nicht die Explosionen«, sagte Sichu, nur um sich sofort selbst zu verbessern: »Oder doch. Eine nicht nur dezent, sondern massiv erhöhte Hyperimpedanz würde als Folge der Ausfälle und Rückkopplungen die gesamte technische Konfiguration völlig überlasten. Überhitzungen, detonierende Aggregate ...« Sie sprach immer leiser, die letzten Worte gingen in ein Murmeln über, das Rhodan nicht mehr verstehen konnte. Dann straffte sich ihre Haltung. »Ich brauche Zugang zum Hauptrechner. Und zu den Systemen der Lebenserhaltung.«

»Offenbar denkst du dasselbe wie ich«, sagte Rhodan.

Während Sichu zur Mitte der Zentrale eilte, meinte sie: »Könnte man ja fast romantisch nennen.«

Rhodan folgte ihr. »So kenne ich dich ja gar nicht.«

»Wie denn?«

»So ... süffisant?«

»Todesgefahr weckt ungeahnte Talente«, konterte sie, als sich plötzlich das Holo wieder aufbaute. Beim nächsten Schritt stieß ihr Kopf mitten durch die Sonne. Sie blieb stehen. »Ich brauche Zugriff zu einer Arbeitsstation, die nicht energetisch tot ist!« Merkur zog über ihren Oberkörper. »Da das Holo aktiv ist ... Terzio?«

»Es gibt teilweisen Speicherzugriff. Keine aktuellen Ortungseingänge, die Projektion greift die alten ...«

Da stand Sichu neben ihm. »Lass mich die Systeme der Lebenserhaltung prüfen!«

Aus der Arbeitskonsole drang eine Stimme – Hope Tiranjaar meldete sich. »Meine Leute hatten sich bereits um den Antrieb gekümmert. Totalausfall sämtlicher Aggregate. Und ja – wir stehen Triton zu nahe. Seine Schwerkraft zieht uns an. Wir stürzen ab. Die Daten kommen nur sehr verzögert und ...« Sie stockte. »Fragt nicht. Jedenfalls bleiben uns etwa fünfzehn, höchstens zwanzig Minuten bis zum Aufschlag.«

»Sind die Beiboote manövrierfähig?«, fragte Sichu.

»Wir überprüfen es«, sagte Hope.

»Unwahrscheinlich«, meinte Rhodan. »Ich brauche den genauen Absturzwinkel. Die Lage der TESS QUMISHA im Verhältnis zum Mond. Wenn wir ein Schott öffnen und Atmosphäre ablassen, wird das unseren Kurs minimal verändern.«

»Kommandant?«, rief Sichu. »Habe ich freie Hand, den Hauptrechner völlig abzuschalten und neu zu starten?«

»Du willst TESS ...«

»Ich muss. Vorher übergebe ich funktionierende Bereiche an niederrangige Teile des Logikprogrammverbunds, die hoffentlich nicht betroffen sind. Beim Neustart kann ich möglicherweise auf marginale Triebwerksfunktionen zugreifen. Die Zeit drängt.«

»Freie Hand«, entschied Muntu Ninasoma.

»Kümmere dich um eine Notfall-Evakuierung, Perry«, befahl Sichu, die sich bereits durch die Holoschaltflächen an Terzio Adamotos Arbeitsstation wühlte. »Ich weiß nicht, ob ich hier weiterkomme. Wir müssen für alles gewappnet sein.«

Rhodan berührte kurz Sichus Schulter. »Heute sterben wir nicht«, wiederholte er ihre Worte und ging zum Platz des Kommandanten. »Kannst du etwas über den Zustand der Rettungskapseln sagen?«

»Ich habe keinen Zugriff, stehe aber mit einem Technikerteam in Funkverbindung. Wir ...« Ein dumpfes Grollen ließ ihn verstummen.

Die Zentrale bebte, ein Teil der Wand platzte mit ohrenbetäubendem, metallischem Kreischen auf. Eine zerfetzte Energieleitung flirrte. Ein Überschlagsblitz zuckte und schlug in die Pilotenarbeitsstation.

Rhodan rannte instinktiv zu seiner Enkelin. Farye schrie auf, riss die Hände zurück. Ein Irrlichtern tanzte über die Displays, die im nächsten Augenblick erloschen. Farye warf sich auf den Boden. Rhodan zerrte sie in Sicherheit. Der Sessel ging in Flammen auf.

Ein scheibenförmiger Löschroboter surrte aus seiner Nische neben dem Ausgang und fuhr einen Tentakelarm aus, aus dem Schaum zischte. Das Feuer erstickte.

Ein weiterer Beweis dafür, dass vergleichsweise einfache Technologie reibungslos funktionierte. Was für Rettungskapseln vielleicht galt, für Beiboote sicher nicht. Eine Evakuierung der kompletten Mannschaft war so gut wie unmöglich.

»Ich empfange einen Funkspruch auf Normalfrequenz!«, rief Kommandant Ninasoma. »Ich schalte ihn laut!«

Im nächsten Moment klang eine Männerstimme auf.

Sie sprach Interkosmo – was im echten Solsystem das Natürlichste der Welt wäre, aber in diesem fremden Gefilde zugleich höchst unwahrscheinlich.

»Hier spricht Hanko Lee, terranischer Kommandant des Kugelraumers CISTOLO KHAN. Wie ich sehe, braucht ihr Hilfe.«

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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