Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 12

Оглавление

4.

Ein Traumspiel (2)

In meinem Traum, der kein Traum ist, gibt es für mich keine Zeit.

Es scheint wie ein einziger, ewiger Augenblick. Trotzdem empfinde ich etwas, während die Erinnerung an mir vorüberzieht.

Ich habe kein Herz, und doch jubiliert und leidet es, vielleicht weil ich nicht anders kann, als diese Gefühle dort zu verorten. Die Gewohnheit und die begrenzten Möglichkeiten meiner Vorstellungskraft zwingen mich dazu.

Ich will weitergehen, in das neue Solsystem und in seine Zukunft hineinschauen, aber die Bilder verharren, wo sie zuletzt ankerten: bei Amalia Serran.

Wie wundervoll.

Wie schmerzhaft.

*

»Ohne dich hätte ich nie den Mars gesehen, Gershwin«, sagte Amalia.

Homer G. Adams blickte gemeinsam mit ihr durch die Panoramafront des ehemaligen Touristengleiters, der inzwischen als offizieller Regierungskreuzer fungierte und ihm zur Verfügung gestellt worden war. Vor ihm breiteten sich eine rote Sandebene und ein karstiges Gebirge aus, das aussah wie erstarrtes Feuer. Dahinter lag ein blaugrüner Ozean. Er erstreckte sich, so weit das Auge reichte, und verschmolz am Horizont mit den Farben des Himmels. Niemand könnte sagen, wo das Wasser endete und das Farbenspiel der Luft begann.

»Ich glaube eher, ich hätte ihn ohne dich nicht gesehen«, sagte er.

»Lügner. Jemand wie du kommt überall herum.«

»Aber ich hätte ihn nicht so wahrnehmen können, wie ich es jetzt kann. Du hast mich gelehrt, anders hinzuschauen.«

Sie schwieg, und er wusste nicht, ob sie sich ärgerte oder geschmeichelt fühlte. Sie redeten nicht über solche Dinge, die in die Nähe von romantischen Gefühlen führten.

»Wir verbringen Zeit miteinander«, hatte sie damals bei ihrer Entlassung aus der Klinik gesagt, als er ihr marsianische Fenchelminze überreicht hatte, »aber wir sind kein Liebespaar.« So lautete ihre Vereinbarung, und Homer G. Adams war jemand, der sich sehr korrekt an Absprachen hielt.

Klare Regeln funktionierten fast so gut wie Zahlen. Beide waren logisch und ermöglichten, nach einem wohlgeordneten Muster zu handeln, und das wiederum vereinfachte die Dinge. Und Amalia war längst Teil seines Musters, wenn er nicht seinen Geschäften und sonstigen Pflichten nachgehen musste. Besser gesagt, sie webte kräftig an diesem Muster mit und formte es dadurch.

»Geh tiefer!«, befahl er dem Robotpiloten. »Such eine der Delfinschulen.«

»Delfine?«, fragte Amalia.

»Selbstverständlich ist es nicht die richtige Bezeichnung, weil sie sich völlig unabhängig entwickelt haben, aber sie ähneln diesen irdischen Tieren so sehr, dass ich ...«

»Ich verstehe, was du meinst«, unterbrach sie.

»Natürlich.«

»Eine Sichtung dreißig Kilometer südlich«, meldete die Positronik des Gleiters. »Ich korrigiere den Kurs entsprechend. Ankunft in etwa vier Minuten. Oder soll ich stärker beschleunigen?«

»Nicht nötig«, entschied Adams.

Die beiden schwiegen, während sie über den Ozean hinwegzogen. Das Meer lag fast bretteben da, nur vereinzelt bildeten sich weiße Schaumkronen auf kleinen Wellen. Dank der Kurskorrektur lag nun das rote Gebirge am Horizont.

»Du hast Sorgen, Gershwin«, sagte Amalia, und es war keine Frage.

»Muss ich das nicht, wenn unsere neue Residentin ...«

»Nein«, fiel sie ihm ins Wort. »Musst du nicht.«

Er wollte ihr sagen, dass sie sich irrte, aber erstens hätte das sowieso nichts gebracht, und zweitens ... nun, stimmte es wohl. Was half es, sich zu sorgen? Seine Gefühle änderten nichts an der Gesamtlage. Die Dinge entwickelten sich davon völlig unbeeindruckt weiter, egal wie sehr er sich mit den Umständen quälte.

»Lebst du auch nur einen Atemzug länger, wenn du dich grämst und negativ auf die Welt schaust?«, fragte sie.

»Sagt ausgerechnet die Frau, die mir am Tag unserer ersten Begegnung mitgeteilt hat, dass sie lieber gestorben wäre.«

»Ganz so war es nicht. Und außerdem ... als Tote würde ich mir bestimmt keine Sorgen mehr machen.«

»Du hast immer eine Antwort parat, oder?«

Sie hob die Schultern. Ihre Haare färbte sie seit dem Unfall schwarz. Sie trug sie zu einem Knoten im Nacken gebunden. Es ließ sie älter aussehen, fand er, nicht wie einundsechzig. »Erzähl mir trotzdem von dem, was dich bedrückt. Auch wenn es nicht nötig wäre, interessiert es mich.«

»Du weißt, dass ich Gisso Appelles von Anfang an gefördert habe. Seit sie zur Residentin gewählt worden ist, hat sie ...«

»Bereust du deine Unterstützung?«

»Nein«, antwortete er spontan, dachte nach und wiederholte: »Nein. Ich glaube immer noch, dass sie die Beste für diesen Posten ist. Aber das Amt überfordert sie. Zu viel Verantwortung. Kein Wunder – wir wurden in einen fremden Kosmos geworfen und müssen uns zurechtfinden. Und sie bildet die Speerspitze. Sie verantwortet alle Entscheidungen, für Terraner und all die Fremdwesen, die auf Terra waren und denen sie genauso als Residentin vorsteht. Wusstest du, dass es nur einen einzigen Fligoraner auf der Erde gibt? Kannst du dir vorstellen, wie er sich fühlt? Und dass er Rechte einfordert, als Vertreter seines Volkes?«

»Zu viel Verantwortung für einen einzelnen Menschen«, wiederholte Amalia einen Teil seiner Worte.

»Eben.«

»Ich spreche nicht von Gisso Appelles. Sondern von dir. Du packst dir eine Menge auf den Rücken. Kein Wunder, dass du gekrümmt gehst.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie fühlte sich warm an. »Gisso ist die Residentin, nicht du, vergiss das nicht.«

»Das ist die Gewohnheit, schätze ich«, sagte Adams. »Man fühlt sich verantwortlich. Das bringt das Tragen eines Zellaktivators mit sich.«

»Und deshalb, Gershwin, könntest du mich mit so einem Ding jagen. Ist dir übrigens aufgefallen, dass wir über vieles sprechen, aber nie darüber, wie es sich anfühlt, unsterblich zu sein? Also, von diesem Geplänkel eben abgesehen. Das zählt nicht.«

»Vielleicht wird es Zeit für dieses Thema«, meinte er, fragte sich allerdings, was er ihr sagen sollte.

»Später«, wiegelte sie ab. »Schau, dort unten!« Sie deutete durch die Sichtscheibe auf die Delfine, die keine Delfine waren, sich darüber aber keine Gedanken machten und munter aus den Wellen sprangen.

*

Ein Besuch auf dem Mars war durchaus machbar, wenn auch nicht mehr so alltäglich wie vor dem Wechsel in ...

... wo immer sie sich befanden. Andere Reisen, die früher selbstverständlich gewesen waren, stellten die Menschheit nun vor gewaltige oder gar unüberwindliche Probleme. Die extrem erhöhte Hyperimpedanz degradierte die meiste Triebwerkstechnologie zu nutzlosem Schrott. Ein ganzes Heer an Ingenieuren arbeitete an diesem Problem, und es zeichneten sich erste Erfolge ab, doch bis Ersatztriebwerke wirklich zum Einsatz kommen konnten, würde geraume Zeit vergehen. Von einer Serienreife war längst nicht zu sprechen.

Homer G. Adams war nicht zum reinen Privatvergnügen zum Mars gereist, aber es war ihm gelungen, Amalia mit auf diese Dienstreise zu nehmen und sich ein Zeitfenster zu schaffen, in dem er keine anderen Verpflichtungen hatte.

Dennoch, die Uhr tickte.

»Wie viel Zeit bleibt dir?«, fragte Amalia.

»Manchmal bist du mir unheimlich«, meinte er. »Genau darüber habe ich gerade nachgedacht.«

»Falls du Angst hast, ich könnte ein Telepath sein, der dich ausspioniert – vergiss es. Ich kann mich lediglich gut in meine Gesprächspartner hineinversetzen. Zumindest, wenn sie mir sympathisch sind.«

»Danke«, sagte er.

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Wofür? Weil ich die Wahrheit ausspreche?«

Der Gleiter hatte sie am Ufer des Meeres abgesetzt, wo sie einige Schritte gingen, den Blick auf die schroffen, roten Felsformationen gerichtet.

Die Atmosphäre war etwas dünner als auf der Erde, und die Luft schmeckte kaum wahrnehmbar bitter. Sämtliche Analysen bestätigten, dass sich Terraner ohne Schwierigkeiten auf dem Mars aufhalten konnten ... ganz anders, als es auf dem Planeten des normalen Solsystems der Fall gewesen wäre. Die Durchschnittstemperatur lag weitaus höher als dort. Weil dieser Planet eine dichtere Atmosphäre hatte, speicherte er die Sonnenwärme besser.

Der Mars in diesem Solsystem wies mehr Unterschiede zum Original auf – wenn man von einem Original sprechen konnte –, als alle sonstigen solaren Welten zusammengenommen. Das mochte mit dem mehrfachen Austausch und Wandel zu tun haben, den das Original mitgemacht hatte.

»Zurück zu deiner Frage«, sagte er. »Noch fünf Minuten, bis wir zum Gleiter zurückgehen müssen, damit die Flugzeit passt und wir pünktlich am Punkt Skia ankommen, wo Gisso Appelles wartet.«

Sie schmunzelte. »Hast du auch schon die Schritte gezählt? Nur um sicherzugehen, dass die Planung wirklich funktioniert?«

»Habe ich nicht«, sagte er. »Mir genügt eine grobe Schätzung.« Tatsächlich hatte er einen Puffer von vier Minuten eingebaut, was ihm ausreichend erschien. »Notfalls soll die Residentin warten.«

»Wirst du auf deine alten Tage rebellisch?«

»Es wäre nicht das erste Mal«, sagte er. »Ich habe so einiges mitgemacht, weißt du?«

»Ist dir schon aufgefallen, dass immer wieder dieses Thema im Hintergrund mitschwingt?«

»Welches?«, fragte Adams.

»Die ganzen Erfahrungen, die hinter dir liegen ... also dein Alter ... und damit der Zellaktivator.« Sie schnippte mit Daumen und Mittelfinger der rechten Hand. »Wir kommen ständig darauf zurück.«

Er blieb stehen. »Ich war in meinen Sechzigern, als eine Zelldusche meinen Alterungsprozess stoppte.«

»Wir müssen nicht ...«

»Warum nicht?«, unterbrach er. »Ein wenig älter als du gerade – wobei es damals etwas ganz anderes bedeutete, über sechzig zu sein als heutzutage. Du bist jung, ich war ... nun, nicht unbedingt alt, aber am Altwerden. Die Zelldusche verlängerte mein Leben, ich blieb sozusagen so alt, wie ich eben war. Bis ich den Zellaktivator erhielt, sollten noch fast 350 Jahre vergehen. Ich trage ihn seit knapp drei Jahrtausenden, wenn es auch nicht mehr das Originalgerät ist.«

»Eine seltsame Vorstellung. Nicht altern. Immer bleiben.«

»Man gewöhnt sich daran.«

»Du hattest zumindest genug Zeit dafür. Und jetzt sag mir – wie fühlt es sich an?«

»Lass mich kurz nachdenken«, bat er.

»Tu nicht so – du hast das längst erledigt.«

»Aber ich kenne keine pauschale Antwort. Zunächst mal: Ich bin nicht unsterblich. Wenn ein plötzliches Erdbeben uns verschüttet, ist es in einer Minute vorbei. Sobald du eine Waffe ziehst und mich erschießt ... Ende.«

»Werde ich nicht«, versicherte sie.

Er winkte ab. »Du weißt, was ich meine. Es gibt für mich keine absolute Sicherheit. Ich habe es über einen ziemlich großen Zeitraum geschafft, aber die Zahlen sprechen gegen mich. Leider kann ich dir eine Menge Zellaktivatorträger nennen, die ich kannte und die gestorben sind. Und damit nähern wir uns einem der größten Probleme eines so langen Lebens.«

Er wusste ihren Gesichtsausdruck nicht zu deuten. So hatte er sie noch nie erlebt. Sie wirkte unsicher.

»Wir müssen zurück zum Gleiter«, sagte sie.

Adams blieb stehen. »Ich habe viele Menschen verloren. Manchmal denke ich, ich weiß gar nicht mehr, wie man trauert. Weißt du, man wird nicht besser darin, nur weil man es oft durchmacht. Man kann es nicht üben. Stattdessen entrückt die Trauer weiter und weiter, wird von Mal zu Mal unwirklicher.«

Sie schwiegen.

»Und sobald ich eine Freundschaft eingehe, spielt dabei immer die Frage mit, wie es sein wird, wenn es endet«, sagte er, als sie sich dem Gleiter wieder näherten. »Du bist jung, Amalia, wenig über sechzig, du kannst noch hundert Jahre oder mehr leben, und trotzdem ... wenn es so läuft wie seit drei Jahrtausenden, stehe ich irgendwann an deinem Grab. Und daran ändert unsere Abmachung gar nichts – wir sind kein Liebespaar, aber du bist eine Freundin, und ich werde dich verlieren.«

»Entschuldige«, sagte sie.

»Was?«

»Dass ich dich gezwungen habe, dich auf mich einzulassen.«

»Hast du nicht.«

»Ich bin gut darin, andere zu manipulieren. Und im Unterschied zu deinem Trauervorgang lernt man das sehr wohl. Meine Mitmenschen merken nichts davon.«

»Ich lasse mich freiwillig auf dich ein«, versicherte er. »Und was ich dir eben gesagt habe ... ich glaube, das war mir noch nie so bewusst. Allein dafür schulde ich dir etwas.«

»Ich verspreche dir etwas.«

Er sah sie fragend an.

»Wenn ich alt werde«, sagte sie, »gehe ich weg. Einfach so. Du musst nicht an meinem Grab stehen.«

»Aber vielleicht will ich das.«

»Ha!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Und wem soll ich das erzählen? Wisst ihr, ich treffe mich mit einem Mann, der mir gesagt hat, dass er an meinem Grab stehen will! Alle werden begeistert sein!« Sie ging los. »Und jetzt sollten wir uns beeilen, Gershwin – Punkt Skia wartet, und du willst doch die Residentin nicht ernsthaft verärgern, oder?«

*

Körperlich hatte Gisso Appelles, die Frau, in der Homer G. Adams von Anfang an das Potenzial gesehen hatte, der Menschheit an diesem Ort vorzustehen, eine herausragende Eigenschaft: Sie war groß. Wahrscheinlich fielen ihre 2,12 Meter noch stärker auf, weil sie außerdem sehr dünn war.

Ihr Gesichtszüge waren sanft, das blonde Haar breitete sich offen und weit gefächert über den Rücken aus, wo es bis zur Taille reichte. Wie sie es hinbekam, dass die Frisur stets perfekt saß und die Schultern wie ein Tuch umschmeichelte, blieb ihr Geheimnis – Medienberichte munkelten, sie wäre eitel und trüge eine gestärkte Perücke.

Die künstliche Haarpracht stritt sie ab, zu ihren Charaktereigenschaften äußerte sie sich niemals öffentlich. In ihrer Antrittsrede hatte sie gesagt: Es gibt Wichtigeres als die Frage, ob mich irgendwelche Berichterstatter mögen oder nicht.

Homer G. Adams traf sie am Punkt Skia, und er kam pünktlich an, sogar eine Minute vor ihr.

Den Namen für diesen Ort hatte er selbst erfunden – nach dem altgriechischen Wort für Schatten. Bislang kannte diese Bezeichnung niemand außer Amalia, die im Gleiter wartete. Er hatte sie eingeladen, am Treffen teilzunehmen und die Residentin persönlich kennenzulernen, was sie mit dem Hinweis abgelehnt hatte, dass solche Besprechungen zu seiner Welt gehörten, nicht zu ihrer.

Und so stand er mit dem Rücken gegen die Felsnadel gelehnt, die einen winzigen Bereich in der sonst gleißend hellen und über 30 Grad heißen roten Sandebene beschattete. Der Strand, an dem auch der Gleiter parkte, lag etwa einen Kilometer entfernt; Adams hatte diese Strecke ganz bewusst zu Fuß auf sich genommen, um die Ankunft an Punkt Skia genießen zu können.

Die Residentin landete in ihrem robotgesteuerten Regierungsgleiter weitaus näher. Sie stieg allein aus – wann immer es ging, versuchte sie, den Tross ihrer Mitarbeiter abzuschütteln.

»Homer«, begrüßte sie ihn.

»Es freut mich, dass du den Weg gefunden hast.« Er musste den Kopf in den Nacken legen, um zu ihr aufzuschauen.

»Deine Koordinatenangaben waren sehr exakt. Was mich nicht davon abhält, mich darüber zu wundern, dass du mich ausgerechnet an diesem bizarren Ort treffen willst.«

»Ich könnte mir genau hier das Zentrum vorstellen.«

»Das Zentrum?«, hakte Gisso Appelles nach.

»Der ersten Stadt, die wir außerhalb von Terra bauen.«

Die Residentin schwieg.

Er ebenfalls, und er war geduldig.

Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. »Ich wäre vorsichtig mit solchen Plänen. Wir wollen wieder nach Hause, Homer. Oder siehst du das nicht so?«

»Selbstverständlich teile ich diese Auffassung. Die Menschheit hat sich allerdings noch nie davon abhalten lassen, an Orten, die sie entdeckt hat, Spuren zu hinterlassen. Und dieser Ort hier ist phantastisch.« Er überlegte kurz und spielte ihr den Ball zurück: »Oder siehst du das nicht so?«

Sie ließ den Blick schweifen. »Ist er«, gab sie zu. »Ein wenig zu heiß, aber ...«

»Etwas Terraforming wird das regeln.«

»Uns bleiben eine Menge anderer Dinge zu tun, Homer.«

»Und wir brauchen ein Zeichen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen.«

»Eine Stadt zu bauen, könnte genau das falsche Symbol sein.«

»Es könnte aber auch klarmachen, dass wir seit jeher ein Volk von Siedlern sind, die sich ausbreiten und neues Land entdecken. Zuerst auf Terra, dann im All. Im Laufe unserer Historie kam es an den verrücktesten ...«

»Ich weiß, worauf du hinauswillst.«

»Und? Was sagst du?«

Sie setzte sich, lehnte den Rücken an den Felsen. »So etwas entscheidet man nicht einfach so.«

»Was sagt dein Bauch?«

»Das fragst ausgerechnet du? Homer G. Adams, der Mann, dem Zahlen über alles gehen?«

»Ich bin mehr als das Klischee, das die Leute verbreiten.«

»Ich bin erst seit zwei Monaten Residentin«, sagte Gisso Appelles. »Und das auch wegen deiner Unterstützung, wofür ich dir danke.«

»Ich habe es weniger für dich als vielmehr für die Menschheit getan. Du bist die Richtige auf diesem Posten.«

»Aber?«

»Nichts aber«, sagte Adams.

»Dann hör zu, was ich sagen wollte. Man hat mich vor zwei Monaten gewählt, und ich habe voller Überzeugung die Phase Nemo ausgerufen – die Entscheidung, dass die Teile der LFG, die es hierher verschlagen hat, sich konsolidieren müssen. Abtauchen ... die Technologie anpassen ... auf- und umbauen. Wie würde es dazu passen, auf dem Mars eine Stadt zu bauen?«

»Es passt hervorragend«, meinte Adams. »Der Planet bietet sich an. Er ist idyllisch, vor allem, wenn man an der einen oder anderen Schraube dreht. Er ruft geradezu nach Besiedlung. Und das ist kein Widerspruch zu dem Versuch, nach Hause zurückzukehren. Aber lass uns realistisch sein, Gisso: Wir sind nun ein Vierteljahr hier, und wir haben keine Ahnung, was das für ein Ort ist. Es gibt nicht den kleinsten Ansatzpunkt für eine Rückkehr – obwohl ich das niemals laut verkünden würde. Die Menschen brauchen etwas, auf das sie sich konzentrieren können. Etwas Positives.«

»Und dann? Morgen besiedeln wir den Mars, übermorgen das All? Homer, du hast selbst gesagt, wir wissen nicht, was hier vor sich geht und wie dieses Gefilde funktioniert. Es sieht immer noch so aus, als gäbe es außer uns kein intelligentes Leben, zumindest nicht in erreichbarem kosmischem Umfeld.«

»Seltsam«, sagte er.

»Was?«

»Du bringst dieselben Argumente, die auch ich nutzen würde, ziehst aber völlig andere Schlussfolgerungen. Gerade, weil das alles so ist, sollten wir handeln. Ich könnte mir ein Häuschen genau hier am Punkt Skia sehr gut vorstellen.«

»Punkt Skia?«, fragte sie.

»Eine altterranische Sprache – Schatten.«

»Eine Bezeichnung, die ich eher düster finde.«

»Siehst du?« Adams lächelte. »Dieselben Fakten ... andere Schlussfolgerungen. Für mich ist der Schatten angenehm kühl und friedlich in der Hitze dieser Ebene.«

»Entschuldige den Themenwechsel, aber ich denke über ein neues Amt in der Regierung nach.«

»Und?«, fragte er verwirrt.

»Ich bezeichne den Posten als Advisor – eine Art Ein-Mann-Ältestenrat. Ein Berater für den Residenten, in dem Fall für mich. Außerdem ein Ansprechpartner für die Legislative und die Exekutive, nicht jedoch die Judikative. Kurz gesagt, jemand der für mich mitdenkt. Ideen einbringt. Das Parlament hat zugestimmt, den ersten Advisor übergangsweise persönlich zu berufen, aber schnellstmöglich eine offizielle Wahl durch das Volk zu ermöglichen, vielleicht noch in diesem Jahr.«

»Und?«, wiederholte er.

»Es gibt momentan nur einen Namen auf meiner Vorschlagsliste. Deinen. Du musst allerdings zustimmen.«

»Ein Berater kann nie schaden«, sagte er und dachte an Amalia. »Wenn du mich für geeignet hältst.«

»Ich wüsste nicht, wer geeigneter sein sollte als der Mann, der mehr Lebenserfahrung aufweist als alle anderen, und der die Menschheit durch etliche Krisen begleitet hat.«

»Es ist aber derselbe, der dir vorschlägt, die Grenzen deiner Phase Nemo auszudehnen und hier eine Stadt zu errichten.«

»Ein Beweis dafür, dass das Amt des Advisors notwendig ist. Phase Nemo darf nicht das Ende sein – wenn es keine rasche Möglichkeit der Rückkehr gibt, ist die Neubesiedlung des Solsystems dringend geboten. Ich dachte, wir können uns Zeit lassen, aber vielleicht sollte man einen ersten Pfosten einschlagen.«

»Wie gefällt dir Phase Neuland?«, fragte Adams.

»Es kommt mir vor wie die Namensschöpfung eines kreativen Advisors.«

Im Schatten der Felsnadel inmitten der roten Ebene des Mars reichten die beiden einander die Hände.

*

Mein Wille vermag die Bilder des Erinnerns nicht in die Richtung zu lenken, die ich für richtig halte. Sie folgen nicht der logischen Abfolge der Zeit, weil es Hier und Jetzt keine Abfolge der Zeit gibt und meinen Gedanken eine körperliche Basis fehlt, in der sie ankern könnten.

Ich kann es nicht beeinflussen.

Das Erinnern weht mich, wohin es will.

Die geplante Phase Neuland schwebt ebenso ungedacht, ungesehen vorüber wie der erste Auftritt des Thesan Jathao Vanoth, dessen Herkunft mir immer noch ein Rätsel ist.

Ich werde mich daran erinnern müssen, an Vanoths Botschaft, die das Denken veränderte und Aufschluss über die Natur unserer Reise gab, wie auch an NATHANS Erwachen und an so viele Dinge ...

... aber irgendwann später in diesem zeitlosen Augenblick.

Denn nun tanzen andere Bilder vor mir: der Beginn meiner eigenen Katastrophe.

*

Amalia Serran und Homer G. Adams schauten in das Gewühl der Straßen, als es zum ersten Mal geschah.

Nicht er hatte am Punkt Skia ein Haus für sich bauen lassen, sondern sie, mit einer Terrasse auf der abgeflachten Spitze der Felsnadel. Die Stadt – Skiaparelli – reichte fast bis zum Ufer.

Noch war sie eher dünn besiedelt, denn es zog vor allem zwei Gruppen auf den Mars: Abenteurer und Ruhesuchende. Aber das würde sich ändern, davon war Adams überzeugt – er konnte sich Skiaparelli mit all den künstlichen Kanälen, die sich bei jeder Flut füllten, sehr gut als ein neues Wunder vorstellen. Eine Sternenstadt wie Terrania City.

Amalia züchtete in einem kleinen Wintergarten auf der Terrasse Zutaten für Earl Grey, seit sie die echten Pflanzensorten für diese spezielle Mischung aufgetrieben hatte. Es war gar nicht einfach, und die klimatischen Bedingungen sprachen diesem Vorhaben eigentlich Hohn, aber wie pflegte sie zu sagen? Tee ist gar nicht so anspruchsvoll, wie man meint.

Gerade öffnete sie die Tür des Glasbaus, und die Angeln quietschten leise, als sich Homer G. Adams unvermittelt fühlte, als drückte ihm etwas die Luft zum Atmen ab.

Sein Herz hörte auf zu schlagen, um ein schreckhaftes Ächzen später stärker zu pochen als zuvor. Danach normalisierte es sich, während ein hohles Gefühl durch seinen Brustkorb jagte und ein diffuser Schmerz in Arme und Beine kroch.

Amalia dreht sich um. »Was ist mit dir?«

»Nichts, ich ...«

»Lüg mich nicht an!«

Also versuchte er ihr zu beschreiben, was er soeben empfunden hatte.

»Bist du sehr ... erschöpft?«, fragte sie, um anschließend abzuwinken. »Entschuldige. Ich muss dir wohl kaum erzählen, wie sich Erschöpfung anfühlt.«

Das musste sie in der Tat nicht. Aber ihre Worte lenkten seine Gedanken trotzdem in die richtige Bahn. Sein Zellaktivator verlieh ihm nicht nur die relative Unsterblichkeit, das Gerät sorgte auch dafür, dass er weniger Schlaf brauchte, dass er ständig mit neuer Energie versorgt wurde.

Das Wirken des Zellaktivators war wie ein unablässiges Rauschen, gewissermaßen unterhalb der Oberfläche, gerade so, dass Adams es nicht bewusst wahrnahm, obwohl er die Auswirkungen spürte. Aber wenn er sich auf die Impulse konzentrierte, empfand er sehr wohl etwas.

Normalerweise.

Er wurde blass, als er in sich hineinhorchte und begriff.

»Gershwin, was hast du?«

Er schloss die Augen.

»Gershwin?«

»Ich muss nach Terra. Sofort.«

Sie nahm seine Hand. »Red mit mir, alter Mann!«

Er strich mit dem Daumen über ihren Handrücken. Kein Liebespaar, das galt immer noch, auch nach den sechzig Jahren, die sie nun bereits einen Teil seines Lebens bildete. Dennoch liebte er sie.

»Mein Zellaktivator hat sich abgeschaltet«, sagte er.

*

Unterwegs führte er Gespräche, und als er in der Klinik der Universität von Terrania City ankam, empfing ihn ein bestens informiertes Ärzteteam.

Er hatte ihnen die exakte Uhrzeit genannt: 14.06 Uhr Terrania Standard.

Seitdem tickte die Uhr, wie er nur zu genau wusste. Es blieb keine Zeit für unnötige Mitleidsbekundungen.

Noch 62 Stunden – ihm blieb Zeit bis 04.06 Uhr am 3. August 1674 NGZ. Wobei es auf die Minutenzahl keine Garantie gab, und am Ende musste das wohl auch bedeutungslos sein. Entweder fand sich eine Rettung, oder Homer G. Adams würde sterben, denn ein Zellaktivatorträger konnte maximal 62 Stunden ohne das lebensverlängernde Gerät überleben.

Er erinnerte sich an eine philosophische Dissertation über die Superintelligenz ES und ihre Geschenke: Letzten Endes lässt der Tod sich nicht betrügen. Er hatte diese Doktorarbeit lesen wollen, zumal sie sich überwiegend um seine alten Freunde und Wegbegleiter drehte, aber es ständig aufgeschoben. Was sich nun rächte und dem Titel der Untersuchung auf makabere Weise Recht gab.

Von den 62 Stunden waren bereits vier durch die Reise vergangen – was nicht bedeutete, dass man in der Klinik untätig geblieben wäre, im Gegenteil.

Drei Mediker stellten sich ihm vor – zwei Menschen, eine Frau und ein Mann, sowie ein blasshäutiges humanoides Wesen, das er keinem Geschlecht zuordnen konnte: ein Vilorgianer; Adams erinnerte sich dumpf, von diesem Volk einmal gehört zu haben.

3000 Jahre, und es gab so viel, von dem er nur die Oberfläche angekratzt hatte.

»Es sind eine Reihe von Tests und Messungen vorbereitet«, informierte ihn die Frau – Doktor Sanar Piggor, Medikerin mit Spezialgebiet auf Bioverträglichkeit von Medotechnologie fremder Kulturen. »Wir müssen zunächst feststellen, woher die Fehlfunktion deines Zellaktivators rührt. Ob sie mit der erhöhten Hyperimpedanz in Zusammenhang steht.«

Er nickte. »Was kann ich tun?«

»Es würde helfen, wenn du zustimmst, dass wir den Zellaktivator vorübergehend aus deinem Körper herausoperieren. Es erleichtert erstens die Zugänglichkeit und setzt dich zweitens nicht den Belastungen aus, die mit den Untersuchungen ...«

»Einverstanden«, sagte er.

Und so lag Homer G. Adams knapp fünf Stunden nach dem Vorfall auf einem Operationstisch, perfekt lokal betäubt, und sah zu, wie ein Medoroboter den ersten Schnitt führte.

Es blieben 57 Stunden, etwa.

Die Maschine zapfte ihm außerdem Blut ab, das die Mediker nutzen wollten, um zu überprüfen, ob es bereits körperliche Auswirkungen des Ausfalls gab und ob die Werte Rückschlüsse ermöglichten, was das Versagen des Zellaktivators bewirkt hatte.

Messungen seiner Gehirnströme folgten, und als er nach über einhundert Minuten endlich keine Fragen mehr beantworten musste, bat er, dass man Amalia Serran, die ihn nach Terra begleitet hatte, zu ihm vorließ. Alles andere konnte warten, wenigstens eine Stunde lag.

Kurz darauf sah sie auf den Verband, der seine Operationswunde bedeckte.

»Als wir uns kennenlernten«, sagte sie, »war es genau umgekehrt. Ich lag in diesem Bett, und du hast mich besucht. Ich habe dir nie gebeichtet, dass ich dich damals belogen habe.«

»Ja?«

»Diese Sache mit deinem Vornamen. Ich wusste, wofür das G steht. Ich war einfach unsicher, was sich sagen sollte, und das kam mir als Erstes in den Sinn.«

»Gruhna.« Er musste lachen, trotz allem.

»Du hast es dir gemerkt?«

»Es war so absurd. Ich weiß nicht, ob ich mich ohne diese Episode so für dich interessiert hätte.«

»Ich glaube, wir wären trotzdem nicht aneinander vorbeigekommen.«

»Das klingt fast, als würdest du auf einmal an das Schicksal ...«

»Unfug! Jedenfalls habe ich jetzt mein Gewissen erleichtert. Eine einzige Lüge in sechs Jahrzehnten. Guter Schnitt, oder?«

Da konnte er nicht widersprechen, und er überlegte, ob er ihr umgekehrt ebenfalls beichten sollte, was er schon lange mit sich herumtrug. Aber er entschied sich dagegen. Es blieb noch Zeit.

Mindestens 54 Stunden.

»Vielleicht hat sich auch etwas anderes auf den Kopf gestellt«, sagte er stattdessen. »Nicht nur die Tatsache, wer von uns im Krankenbett liegt.«

»Ich höre«, meinte sie.

»Gut möglich, dass du an meinem Grab stehen wirst, nicht ich an deinem.«

»Kein gutes Gesprächsthema.«

»Kein anderes zählt momentan«, widersprach er. »Versprich mir etwas.«

»Lass das!«

»Erinnere dich hin und wieder an mich«, bat Homer G. Adams, »und trauere nicht länger als nötig, sondern sei dankbar.«

»Da sucht man sich extra den einzigen greifbaren Unsterblichen als Freund, damit er nicht als Erster geht ... und dann das! Dumm gelaufen, was?«

»Vielleicht finden diese klugen Leute eine Lösung«, sagte er. »In dem Fall pokern wir neu über dieses Thema.«

»Ich habe das Gefühl, die Residentin braucht dich. Und die Menschheit. Sonst würde sie dich nicht immer wieder als Advisor wählen und wieder und wieder.« Sie drehte sich rasch um, aber er hatte die Tränen bereits gesehen. »Ich besorge dir einen Tee«, ergänzte sie. »Außerdem brauche ich dich. Und darum lasse ich nicht zu, dass du meine Pläne zunichtemachst und mich allein lässt, indem du stirbst, du alter Egoist!«

Er sah ihr lange hinterher.

Sollte tatsächlich der Tod auf ihn warten, hätte er keine bessere Begleiterin für seine letzten Jahre finden können, und das, obwohl er nicht einmal gesucht hatte.

Am Ende, dachte er, kennt das Universum doch so etwas wie Gnade.

*

An diesem Gedanken der Gnade hielt sich Homer G. Adams fest, während er eine Menge Gespräche führte.

Mediker kamen zu ihm, Hyperphysiker und ein Professor des Fachbereichs Kosmophilosophie, der die Historie und Analyse von Technologie auf Superintelligenzenniveau erforschte und lehrte – derselbe, dessen Dissertation sich darum gedreht hatte, dass sich der Tod nicht betrügen ließ.

Keiner von ihnen brachte Antworten, aber jeder legte ein Puzzleteilchen aus, die für Adams ein deutliches Gesamtbild ergaben: Man konnte nichts tun.

Wie auch?

Einen Zellaktivator zu reparieren, war für terranische Technologie undenkbar. Die Menschheit war weit davon entfernt, ein solches Gerät zu verstehen. Man hatte Adams den Aktivator wieder eingepflanzt, wohl in der Hoffnung auf ein Wunder – als ob er sich spontan regenerieren könnte.

Und dann, etwa zehn Stunden vor dem Ende einer Lebensspanne, die nach Jahrtausenden zählte, hielten sich zwei Frauen in seinem Medozimmer auf. Sie standen für die beiden Bereiche im Leben von Homer G. Adams, und wie sehr diese voneinander getrennt waren, bewies die Tatsache, dass sich Gisso Appelles und Amalia Serran zum ersten Mal persönlich begegneten.

»Die Mediker haben mir einen Vorschlag präsentiert«, sagte Adams. »Um ihn zu verstehen, muss ich euch in die Vergangenheit mitnehmen. Als ich jung war ...« Er sah Amalia an. »... und das war ich tatsächlich einmal, dachten sich spitzfindige Autoren Geschichten über Menschen aus, die sich einfrieren lassen, damit sie irgendwann wieder aufgetaut werden können. Nämlich sobald ein Heilmittel gegen die Krankheit entdeckt wäre, an der sie litten. Später gab es auch in der Realität erste Ansätze einer ernsthaften Kryonik, aber bald wurde das von Tiefschlaftechnologie überholt, wie sie in der Raumfahrt genutzt wird. Es kommt mir dabei nur auf eine Sache an – diesen Traum gab es schon, als ich noch ein Kind war. Und gewissermaßen wollen sie das jetzt mit mir tun, weil es sonst keine Antwort gibt. Sie schlagen vor, mich einzufrieren. Nur auf andere Weise. Mich in Suspension versetzen, also auf den Punkt gebracht entmaterialisieren und in diesem Zustand halten.«

»Aber es geschieht nicht ziellos!«, sagte Gisso Appelles, die damit bewies, dass sie bereits in die Rettungspläne eingeweiht worden war. »Die Theorie besagt, dass ...«

»Ich kenne die Theorie«, unterbrach er.

»Aber ich nicht«, stellte Amalia klar. »Also, Frau Resident, bitte ... ich möchte alles erfahren.«

»Es heißt Residentin«, berichtigte sie Gisso Appelles. »Oder in dem Fall einfach Gisso.«

»Sie hat sich noch nie darum geschert, welche Anredeform andere Leute nutzen«, sagte Adams.

Die Residentin sah demonstrativ auf die Uhr: Keine Zeit für Plaudereien. »Die Theorie besagt, dass die erhöhte Hyperimpedanz auf den Zellaktivator wirkt, allerdings glücklicherweise nur sehr dezent. Es hat sechzig Jahre gedauert, bis das ständige Nagen an den höherdimensionalen Komponenten der Technologie zum Ausfall geführt hat. Versetzen wir Homer in Suspension, wird sein Körper entstofflicht – und der Zellaktivator mit ihm. Beides bleibt bestehen, jedoch nicht greifbar im dreidimensionalen Raum. Und es könnte sein, dass sich das Gerät im suspendierten Zustand regeneriert. Also dass er nach einer Rematerialisierung wieder betriebsbereit ist.«

»Eine reichlich vage Theorie, zugegeben«, betonte Adams. »Zumal keiner weiß, wie lange ich in Suspension bleiben müsste.«

»Du hast mich oft beraten, Advisor«, sagte die Residentin, »und nun sage ich dir, was du tun solltest. Dieser Versuch ist das Beste, das dir bleibt. Das Einzige. Das letzte Mittel.«

Er sah Amalia an.

Sie nickte.

Also stimmte Homer G. Adams zu.

*

Sie wechselten in die Klinik, deren Chefmediker die grundlegende Theorie entwickelt hatte – Doktor Wehany, ein Siganese, gerade einmal elf Zentimeter groß. Die Maurits-Vingaden-Klinik wurde vom Terranischen Liga-Dienst geleitet und lag in der Stadt Neu-Atlantis, die das Gebiet der Azoreninseln umspannte.

Wehany empfing seinen Patienten und schickte alle Begleiter weg, abgesehen von Amalia.

Als Homer G. Adams in den Suspensionalkoven stieg, blieb ihm eine Minute für ein letztes Gespräch.

Das vielleicht nicht das allerletzte sein würde.

»Falls es nicht funktionieren sollte«, sagte er, »versprich mir, nicht groß zu trauern, sondern dich an das Gute zu erinnern.«

»Nur wenn du mir ebenfalls etwas versprichst, Gershwin.«

»Hm?«, machte er.

»Es könnte sein, dass es funktioniert, aber zu lange dauert, länger als die paar Jahre, die mir noch bleiben, bis du wieder aus diesem Alkoven steigst. In dem Fall mach es genauso. Freu dich an der Erinnerung.«

Sie versprachen es sich gegenseitig.

Dann schloss sich der Alkoven.

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

Подняться наверх