Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 143
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Ungebetene Besucher
Rotes Licht hüllte die Zentrale in einen unwirklichen Schein, blendete auf und ab. Dann leuchtete es wieder hart und gelb. Die Alarmsirene verstummte.
»Der Etappenhof wird angegriffen!«, meldete die Positronik. »Offenbar gleichzeitig von außen wie von innen.«
»Zeig's mir in Holos!«, befahl Glosiant ter Tupun, und keine Sekunde später war er von Holoprojektionen umringt, die der Bordrechner für ihn zusammenstellte.
Zwei der Holos zeigten den näheren Weltraum um den Planeten. Auf einem war ein Raumschiff zu sehen, ein kugelförmiges Modell, wie es von zahlreichen galaktischen Völkern benutzt wurde. Eine genauere Einordnung konnte Barbara Meekala nicht vornehmen, die Darstellung war zu verschwommen. Ein akonisches Schiff schien es jedoch nicht zu sein, es war an den Polen nicht abgeflacht.
Seltsamerweise konnte sie auch nicht sagen, welchen Flugvektor das Schiff aufwies, ob es sich dem Etappenhof und dem Planeten näherte oder sich entfernte. Zum einen gab der Maßstab es nicht her, zum anderen fehlten ihr die nötigen Bezugsobjekte. Sie wunderte sich, dass die Positronik so unsauber arbeitete.
Aber nur kurz.
Die anderen Holos verschlugen ihr den Atem.
Auf einer der beliebtesten – und belebtesten – Promenaden des Etappenhofs arbeitete sich ein Überfallkommando voran, ein Trupp bewaffneter Angreifer, der auf alles schoss, was ihm Widerstand leistete. Die meisten von ihnen waren Menschen; Barbara konnte auf die Schnelle mehrere Volkszugehörigkeiten erkennen, darunter Terraner, Arkoniden, Akonen und ein Jülziish, dessen diskusförmiger Schädel besonders hervorstach.
Die Touristen, Journalisten und Besatzungsmitglieder von Kesk-Kemi, die die Promenade bevölkerten, stoben schreiend und fluchend auseinander und schlugen sich in benachbarte Gänge. Sie hatten kaum Kampferfahrung, ihnen blieb nichts anderes, als ihr Heil in der Flucht zu suchen. Doch einige Angehörige der Sicherheitskräfte versuchten, die Eindringlinge zurückzuschlagen oder zumindest aufzuhalten.
Sie hatten keine Chance.
Die Angreifer schossen gezielt. Sie benutzten keineswegs Paralysatoren, sondern das schwere Arsenal: Thermostrahler, Desintegratoren, Impuls- und Intervallstrahler. Die Getroffenen brachen zusammen. Die meisten Fliehenden sprangen einfach über sie hinweg, ohne zu versuchen, ihnen zu helfen. Nur einige wenige Passanten knieten neben den Liegenden nieder, zogen sie an den Rand der Promenade, versuchten, sie zu stabilisieren.
Die schwer bewaffneten Eindringlinge ignorierten sie größtenteils, ließen sie auf ihrem blutigen Weg zurück, arbeiteten sich zielstrebig und unaufhaltsam voran.
Was ist ihr Ziel?, fragte sich die Siganesin. Doch sie befürchtete, die Antwort schon längst zu kennen.
»Wie viele dieser Gruppen sind es?«, fragte Kommandant Glosiant ter Tupun. »Und was ist ihr Ziel?«
»Bislang wurden acht dieser Gruppen bemerkt. Es ist zu befürchten, dass es weitere gibt, die sich bislang zurückhalten und aus Tarngründen bislang noch keine Gewalt ausüben. Alles lässt darauf schließen, dass ihr Ziel die Zentrale von Kesk-Kemi ist. Sie arbeiten sich sternförmig darauf zu.«
»Verschlusszustand! Niemand darf herein!«
»Befehl ausgeführt. Zentrale abgeschottet.«
Der Kommandant wandte sich wieder den Holos zu.
Barbara Meekala fragte sich, wie diese Verbrecher in den Etappenhof gekommen waren.
Das dürfte kein großes Problem gewesen sein, lieferte sie sich die Antwort, bei den Unmengen von Gästen, die sich im Hof befinden.
Viel interessanter war, wie sie die Waffen an Bord geschafft hatten. Die Sicherheitsregeln waren rigoros, jede Waffe musste einzeln genehmigt werden.
Eine weitere Frage hatte die Siganesin sich noch gar nicht gestellt: Was wollen sie überhaupt? Den Hof erobern? Bei dessen Ausmaßen war dafür eine ganz Armee nötig, nicht nur zehn oder zwanzig Trupps.
Die Angreifer gingen zielstrebig und konsequent vor. Immer wieder kam es zu Feuergefechten, doch sie rannten die Sicherheitskräfte förmlich über den Haufen und näherten sich unaufhaltsam der Zentrale.
Und erreichten sie schließlich.
Ein Holo bildete sich vor dem Kommandanten. Es zeigte einen Ara, vielleicht einhundert Jahre alt, hochgewachsen und hager, bekleidet mit einer violetten Phantasieuniform. Ein kurzer Umhang in der gleichen Farbe vervollständigte die Montur. Der spitz zulaufende hohe Schädel wurde von einem ganz schmalen silbernen Haarkranz gesäumt, der im Verhältnis zum Kopf viel zu klein wirkte.
Er blickte direkt in das Aufnahmegerät. »Ich verlange Zutritt zur Zentrale.«
»Den werde ich dir nicht gewähren«, antwortete Glosiant ter Tupun. »Im Gegenteil. Was immer du willst, du wirst es nicht bekommen. Gib auf! Unsere Sicherheitskräfte sind euch hoch überlegen, und ich ziehe sie bereits zusammen.«
Der Holoausschnitt wurde größer. Nun zeigte er eine Handvoll Zivilisten, die von den Angreifern umzingelt waren. Verloren standen sie da, von Handfeuerwaffen in Schach gehalten.
»Bist du sicher, dass du uns keinen Zutritt gewähren möchtest?«, fragte der Ara.
»Gib auf! Eure Lage wird von Sekunde zu Sekunde aussichtsloser! Ihr habt keine Chance!«
Der Ara hob eine Hand. Zwei seiner Leute gingen langsam zu den Umzingelten und wählten einen von ihnen aus, einen Akonen von vielleicht 50 Jahren. Sie packten ihn an beiden Oberarmen, schleiften ihn zu ihrem Anführer und hielten ihn fest.
Der Ara richtete seinen Kombistrahler auf den Kopf des Gefangenen. »Wie sieht es aus mit dem Zutritt?«
»Das wagst du nicht!«, rief der Kommandant. »Die Augen der ganzen Galaxis sind auf dich gerichtet! Dieses Holo wird schon gesendet!«
»Wenn das so ist ...«, sagte der Ara.
Und drückte ab.
Der fein gebündelte Thermostrahl drang in die Schläfe des Akonen und fuhr auf der anderen Seite wieder hinaus. Die Geisel brach zusammen.
Barbara ließ ter Tupun nicht aus den Augen.
Der Kommandant wurde bleich, öffnete den Mund, schnappte nach Luft. »Das war kaltblütiger Mord!«, flüsterte er tonlos.
Der Ara im Holo winkte mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand. Dieselben Freischärler wie zuvor gingen wieder zu der Gruppe Gefangener, ergriffen diesmal eine wesentlich jüngere Frau und zerrten sie vor. Sie begriff, was vielleicht in den nächsten Sekunden geschehen würde, und schrie los, laut und grell, wie von Sinnen. Sie wehrte sich heftig, konnte gegen ihre Häscher aber nichts ausrichten.
Der Ara sah wieder in das Aufnahmegerät. »Hast du es dir anders überlegt? Ich kann stundenlang so weitermachen! Meine Leute schaffen schon weitere Gefangene herbei.«
Die Lippen des Kommandanten bebten, hilfloser Zorn loderte in seinen Augen.
Hochrat Benert von Bass-Thet hatte jeden Rest von Erhabenheit verloren. Er fuhr sich mit der Hand durchs dunkle Haar. »Das darfst du nicht tun!«
Was meint er?, fragte sich Meekala. Dass er nicht die Ermordung weiterer Geiseln zulassen darf, oder dass er die Zentrale nicht den Angreifern übergeben darf?
Der Kommandant rang lange mit sich. Erst, als der Ara die Waffe wieder hob und auf den Kopf der jungen Frau richtete, entschied er sich.
»Positronik«, flüsterte er tonlos, »öffne alle Personenzugänge der Zentrale!«
*
Geräuschlos glitten sämtliche Türen auf.
Einen Augenblick lang geschah gar nichts.
Dann traten zwei mit Phantasieuniformen bekleidete Männer durch den Hauptzugang, jeder in beiden Händen entsicherte Kombistrahler, und bauten sich an der Wand rechts und links der Öffnung auf. Was immer ihre Uniform in der unbekannten Gedankenwelt dieser Truppe ausdrücken sollte: Sie waren für Meekala ganz klar Banditen, Verbrecher, Geiselnehmer, Piraten. Abschaum.
Barbara Meekala warf ihrer Kollegin einen Blick zu. Rohonzori nickte knapp, und sie glitten wie auf ein Kommando von ihren speziell angefertigten Sitzmöbeln unter den Konferenztisch. Die kleinen Stühle zogen sie hinter sich her.
Von ihrer neuen Position aus hatten sie zwar keine ganz so gute Sicht, doch sie bekamen mit, was geschah. Notfalls konnten sie auf ihre Anzugsysteme zurückgreifen, deren Energieemissionen minimal waren.
Die beiden Piraten lenkten alle Blicke auf sich, niemand schenkte den anderen Türen Beachtung, und innerhalb von Sekunden strömten zahlreiche Bewaffnete in die Zentrale und besetzten alle strategisch wichtigen Stellen. Sie sicherten die Zugänge, richteten ihre Waffen auf die Ehrengäste in der Nähe des Kommandanten und auf wichtige Arbeitsstationen.
Sie bedeuteten den Besatzungsmitgliedern, die die Stationen bemannten, sich in der Mitte der Zentrale zu einer Gruppe zusammenzufinden.
Die Siganesin dachte an die Geiseln, die der Ara, offensichtlich der Anführer der Bande, zusammengetrieben hatte. Es war verabscheuungswürdig, andere Lebewesen als Druckmittel zu missbrauchen. Da ließ sie sich auf keine Diskussionen ein.
Der Kommandant war dadurch in eine entsetzliche Lage geraten. Nun wagte er sich kaum zu rühren, warf den Eindringlingen lediglich böse Blicke zu.
Es war totenstill. Niemand sagte etwas.
Dann erklangen Schritte. Eine einzelne Gestalt betrat die Zentrale, zog alle Blicke auf sich. Sie ging mit äußerst gelenkig wirkenden Beinen und war humanoid. Auch ihr Gesicht wirkte annähernd menschenähnlich, aber irgendwie unfertig und war für die Siganesin kaum zu deuten.
Die beiden Arme waren hochflexible, extrem starke Tentakel mit veränderlicher Oberfläche. Mit ihrer speziellen Sicht konnte Barbara erkennen, dass sie aus Zehntausenden mikrofeinen Fasern bestanden, die sich wohl unterschiedlich konfigurieren konnten. Die Gestalt trug eine Art Zwangsjacke. Barbara wusste, dass sie Ghyrd genannt wurde.
Sie hatte von diesen Wesen zwar bereits gehört, aber noch nie eines gesehen.
Der Anführer der Verbrecherbande war ein Tomopat.
*
Neben Barbara Meekala sog Rohonzori zischend die Luft ein.
Auch sie hatte garantiert schon von Tomopaten gehört, war aber wohl kaum leibhaftig einem begegnet. Dieses Volk war nicht allgemein bekannt und wurde nur selten angetroffen. Angeblich tauchten sie lediglich im Wegasystem hin und wieder auf, um sonderbare Lebensmittel einzukaufen, die sie für die Zubereitung der Speise Caéatan benötigten, welche wiederum für sie überlebenswichtig und für viele andere Völker hochtoxisch war.
Obwohl so wenig verbreitet, genossen die Tomopaten einen gewissen Ruf – und es war kein guter. Es hieß, sie seien aggressiv und unberechenbar, man flüsterte sich zu, dass ein einzelner Tomopat einen Kampfroboter zerstören konnte und dass ihr Blutrausch vor nichts und niemandem haltmachte. Nur solange sie den Ghyrd trugen, waren sie einigermaßen ... berechenbar.
Legenden, dachte Barbara. Das ist genau der Stoff, aus dem Legenden sind!
Sie sah wieder Rohonzori an und legte den Finger auf die Lippen.
Die Swoon nickte. Sie hatte verstanden.
Leise schlichen sie unter dem Tisch zu dessen Rand, der einem Zugang am nächsten lag. Noch hatten die Eindringlinge sie nicht bemerkt, und Barbara hoffte inständig, dass das auch so blieb.
Aber der geöffnete Zugang zur Zentrale, den sie anpeilte, war immer noch stattliche zehn Meter weit entfernt und wurde von zwei dieser Verbrecher bewacht. Wie sollten sie an denen vorbeikommen?
War es überhaupt ethisch zulässig, einfach zu fliehen und die anderen zurückzulassen?
Rein praktische Gründe gaben für Meekala den Ausschlag. In der Zentrale konnten zwei Winzlinge nichts gegen die Angreifer unternehmen und schwebten ständig in Gefahr, getötet zu werden. Im Etappenhof jedoch konnten sie aktiv werden, sich mit anderen absprechen und etwas tun.
Barbara lugte unter dem Tisch hervor.
Der Tomopat ließ den Blick über die Anwesenden schweifen und trat dann langsam und bedrohlich auf den Kommandanten zu. Er machte keinen überhasteten Schritt, und als er nur noch eine Handspanne von ihm entfernt war, blieb der Tomopat stehen, hob einen Tentakel und fuhr seinem Gegenüber damit über das Gesicht.
Barbara sah, dass das Greiforgan mit einer Vielzahl weich aussehender dunkler Härchen besetzt war. Die Berührung dürfte nicht unangenehm sein, ganz im Gegenteil sogar.
»Du bist ter Tupun?«, fragte der Tomopat.
»Ich bin Kommandant Glosiant ter Tupun«, bestätigte der Akone. »Und ich kann nur wiederholen, was ich gerade gesagt habe. Sicherheitskräfte sind unterwegs und ...«
Er schrie auf und griff mit der Hand nach seinem Gesicht.
Der weiche Flaum auf dem Tentakel hatte sich in harte, scharfkantige Dornen verwandelt, die dem Kommandanten eine tiefe Wunde in die Wange gerissen hatten.
Ter Tupun schrie erneut auf und griff instinktiv mit der anderen Hand nach seinem Gesicht, doch der Tomopat hielt den Unterarm mit dem zweiten Tentakel fest.
Die Beine des Kommandanten zitterten plötzlich, und Barbara befürchtete schon, dass der Tomopat ihn auf die Knie zwingen würde. Doch dann ließ er den Arm wieder los.
»Du sprichst nur, wenn du gefragt wirst«, sagte er. »Verstanden?«
Ter Tupun öffnete den Mund, schloss ihn wieder und nickte heftig.
»Du darfst mich Ly nennen.«
Erneut nickte der Kommandant.
»Und jetzt darfst du mir die Frage stellen, die dir so heiß auf der Seele brennt, dass du ihretwegen dein Leben in Gefahr gebracht hast.«
Rohonzori stieß Meekala an, und diese drehte sich zögernd zu ihr um. So grausam das Schauspiel vor ihr auch sein mochte, es übte eine gewisse Faszination auf sie aus.
Durch Druck erzeugte Sympathie mit dem Täter, dachte sie. Kann so etwas derart schnell geschehen?
»Die Deflektoren«, hauchte die Swoon ihr ins Ohr. »Wozu habe ich uns Deflektoren organisiert?«
Barbara nickte erleichtert. Wie hatte sie die nur vergessen können? Wahrscheinlich, weil sie sie so gut wie nie benutzte.
Aber wenn es eine Gelegenheit dafür gab, dann diese.
Sie griff nach ihrem Armbandgerät und aktivierte den Deflektor. Gleichzeitig wurde die Swoon unsichtbar.
Meekala lief los. Rohonzori folgte ihr.
»Was wollt ihr von uns?«, hörte sie den Kommandanten fragen.
»Wir werden unsere Forderungen zu gegebener Zeit stellen«, antwortete der Tomopat. »Aber gedulde dich ein wenig. Ich glaube, deine Bereitschaft, auf sie einzugehen, wird umso größer, je mehr Zeit du mit uns verbringst. Meinst du nicht auch, Akone?«
Barbara vernahm nur ein ersticktes Gurgeln, dann hatte sie die Zentrale im Schutz des Deflektors verlassen.
Im nächsten Moment schloss sich das Schott hinter ihnen mit einem dumpfen Schlag.