Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 147
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Unliebsame Überraschungen
13. April 2046 NGZ
»Die Cairaner haben die Flucht der beiden geortet«, sagte Barbara. »Zumindest haben sie festgestellt, dass ein nicht genehmigter Transmitterdurchgang stattgefunden hat.«
»Vielleicht glauben sie, dass wir den Etappenhof verlassen haben.«
»Möglich wär's.« Sie hatten darauf verzichtet, die Deflektorschirme zu aktivieren. So gering ihre Streuenergie auch sein mochte, dieser Teil der Station war mittlerweile geräumt worden, und wenn sie die Einzigen waren, die solche Geräte einsetzten, würden sie unweigerlich auffallen.
Die ungewohnt leeren Gänge kamen Barbara unheimlich vor. Immer wieder schaute sie über die Schulter zurück, doch niemand schien sie zu verfolgen.
Ohne Zwischenfall erreichten sie Rohonzoris Versteck, den Beutel.
Als sich die niedrige Tür hinter ihnen geschlossen hatte, aktivierte Barbara wieder das Armbandgerät.
»Bist du sicher, dass sie das nicht orten können?«, fragte die Swoon.
»So sicher, wie man sein kann, wenn man nichts über den Gegner weiß. Die Cairaner geben bekannt, dass sie mittlerweile den gesamten Etappenhof erobert haben.«
»Dreitausend Soldaten gegen dreißig«, sagte Rohonzori abfällig.
»Auffällig ... alle Invasoren sind tot, bis auf die Tomopaten. Sie haben eine Warnung durchgegeben und die Truppen zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen.«
»Das gibt es doch nicht. Der Etappenhof wird evakuiert ...«
»Ja. Die letzten Fähren treten ihren Flug nach Kesk-Kemi an.«
»... und die Rädelsführer laufen noch frei herum!«
Barbara spitzte die Ohren. »Mittlerweile sind insgesamt vier Augenraumer der Cairaner bei Kesk-Kemi eingetroffen. Sie schleppen den Etappenhof gerade in einen höheren Orbit.«
»Bislang hat Kesk-Kemi den fünften Planeten in einer Höhe von 20.000 Kilometern umkreist, oder?«
»Ja. Aber jetzt wird er in 150.000 Kilometern Höhe stationiert, und wohl nur vorläufig. Legat Matetao Goniwari hat auf einer abschließenden Pressekonferenz verkündet ...«
»Journalisten sind also noch an Bord?«
»Vermutlich. Oder es war eine Holokonferenz, wieso fragst du mich so was? Darum geht es ja nicht. Jedenfalls hat Goniwari bekannt gegeben, dass bald ein weiteres Spezialistenteam der Cairaner an Bord gehen und weitere Untersuchungen vornehmen wird. Sicherheitshalber wird der Etappenhof dann ganz aus dem Orbit gelöst und aus dem System entfernt.«
»Und verschwindet damit aus dem Blick der Milchstraße. In drei Tagen kräht kein Hahn mehr danach.«
Barbara wollte das Armbandgerät gerade ausschalten, als sich vor ihr ein Holo bildete.
Es zeigte das Gesicht und den Oberkörper der akonischen Priorrätin Rheelona tan Thanor.
*
Barbara Meekala verspürte sofort eine gewisse Ehrfurcht. Auch als Siganesin respektierte sie die Sprecherin des akonischen Hochrats.
Die gesetzgebende Gewalt der Akonischen Räterepublik war der 150 Personen umfassende Rat, dessen Exekutivgremium wiederum der fünfzehnköpfige Hochrat und dessen Sprecher der Priorrat war. Damit stellte er praktisch den Regierungschef der Akonen dar.
Zurzeit war das Rheelona tan Thanor. Faktisch hatte sich in den letzten Jahrzehnten eine Richtlinienkompetenz des Priorrats herausgebildet. Die Mitglieder des Hochrats fungierten allesamt als Minister.
»Ich wende mich per Hyperfunk mit einem offenen Funkspruch an das Chrag-Odisz-System und den Etappenhof Kesk-Kemi«, sagte die Priorrätin. Ihre Haut war für eine Akonin verhältnismäßig dunkel, ihre Haare dunkelrot, kraus und kurz geschnitten. Sie hatte auffällig hellgrüne Augen und wirkte nicht besonders groß und eher grazil, geradezu knabenhaft. »Die Umstände zwingen mich zu diesem nicht alltäglichen Schritt.«
Barbara wusste, dass sie 115 Jahre alt war. Geboren war sie im Jahr 1931 NGZ auf Galazin, in Ehembor, der Hauptstadt der Akonischen Räterepublik. Sie entstammte einer Diplomatenfamilie, ihre Mutter Benegad tan Thanor war langjährige Botschafterin auf der Vielvölkerwelt Lepso gewesen und hatte sich anschließend nach Tefor versetzen lassen. Einen Vater hatte sie nicht, der männliche Teil ihres Erbguts war ein von der Mutter bestelltes DNS-Kompositum gewesen. Sie hatte Kommunikationsstrategie studiert und war von ihrer Mutter, die sie ab und an auch noch beriet, protegiert worden.
Das alles spielte für Barbara allerdings eine untergeordnete Rolle. Wichtig für sie war, dass Rheelona tan Thanor eine überzeugte Verfechterin der Lemurischen Allianz war.
»Wir wollen dafür sorgen«, fuhr die Priorrätin fort, »dass ein Produkt akonischer Herstellung keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, und bitten daher um die Überstellung des von den Cairanern besetzten Etappenhofs Kesk-Kemi.«
Die Siganesin lachte leise auf. Das war nichts anderes als eine diplomatisch geschickte Umschreibung. Im Klartext verlangte Rheelona tan Thanor die Herausgabe des Etappenhofs an seine Besitzer.
Es dauerte eine beträchtliche Weile, bis sich ein zweites Holo bildete, das von Matetao Goniwari. Der cairanische Legat für die Sicherheit öffentlich-interstellarer Transportsysteme blickte nicht gerade freundlich drein. Aber als freundlich hatte Barbara ihn bisher ohnehin nicht erlebt.
»Ich danke der akonischen Priorrätin für die höfliche Anfrage«, sagte er im hinlänglich bekannten barschen Tonfall, »muss sie aber leider abschlägig beantworten.«
»Ist das dein Ernst?« Rheelona tan Thanor ließ ein kurzes helles, vielleicht etwas zu schrilles Lachen hören. »Mit welcher Begründung? Der Etappenhof ist ein Produkt der Akonischen Räterepublik. Er befindet sich keineswegs im Besitz der Cairaner. Deine Antwort ist nicht mehr und nicht weniger als ein Affront.«
»Die Räterepublik hat kläglich versagt«, behauptete der Legat, »und ihre anfälligen Produkte drohen eine Gefahr für die Sicherheit der Milchstraße und damit für den Cairanischen Friedensbund zu werden. Daher verstehst du sicher, dass wir konsequent und zielstrebig handeln müssen, um weiteren Schaden abzuwenden.«
Sein Holo erlosch.
Rheelona tan Thanor starrte entgeistert und mit leicht aufklaffendem Mund in das Aufnahmegerät. Offensichtlich war sie es nicht gewöhnt, dass man so mit ihr umsprang.
Dann löste sich auch ihr Holo auf.
*
»Rheelona tan Thanor hat recht«, sagte Barbara Meekala. »Zumindest ist sie auf der richtigen Spur. Diese ganze Sache stinkt!«
Rohonzori schaute zweifelnd drein. »Ich bin noch nicht so ganz davon überzeugt!«
»Denk doch mal nach, du Salatgurke!« Das Gesicht der Siganesin lief dunkelgrün an. »Die Cairaner haben inzwischen den Etappenhof erobert und rigoros gesäubert! Sämtliche Eindringlinge sind tot! Aber die beiden Tomopaten haben sie nicht gefangen! Die laufen frei herum und jagen uns!«
Die Swoon kniff die beiden relativ großen, klaren und hervorquellenden Augen zusammen. »Nenn mich nicht so. Du meinst ...«
»Ja, das meine ich. All die Arkoniden, Akonen, Terraner und Blues, das waren unwichtige Söldner, die man mit vielen Kreditchips ins Verderben gelockt hat! Willfährige, skrupellose Helfer, nichts weiter als Bauernopfer, die man einfach umgebracht hat, nachdem sie die Drecksarbeit erledigt hatten. Nur wir passen da nicht hinein, wir und die beiden Geheimagenten mit ihrer wirren Hintergrundgeschichte. Und jetzt hat an Bord des Etappenhofs die Jagd auf uns begonnen. Wir sind wichtige Zeugen, die die ganze Sache auffliegen lassen können, und müssen ebenfalls beseitigt werden!«
»Und da es die beiden Tomopaten sind, die uns jagen, habe ich Angst. Schreckliche Angst. Sollten sie uns in die Tentakel kriegen, werden sie uns zerfetzen wie Stoffpuppen.«
»Für mich steht es endgültig fest, Rohonzori! Die Tomopaten arbeiten für die Cairaner!«
»Und warum?«
»Das Ganze ist ein Manöver der Cairaner. Sie wollen den Etappenhof in ihre Gewalt bringen. Sie haben die Anschläge inszeniert! Die Anschläge eskalieren, die Cairaner übernehmen den Etappenhof und schleppen ihn dann ab!«
»Und warum?«, wiederholte die Swoon.
»Das weiß ich noch nicht. Vielleicht wollen sie sich die akonische Transmittertechnik unter den Nagel reißen und für ihre eigenen Zwecke adaptieren, vielleicht steckt etwas ganz anderes dahinter. Das finden wir womöglich heraus, wenn wir wissen, wohin der Hof gebracht wird und was man dort mit ihm anstellen wird.«
»Und mit dem Hypersender können wir die galaktische Öffentlichkeit informieren ...«
»Ich weiß nicht mehr, Rohonzori, ob wir wirklich an Bord bleiben sollen. Vielleicht ist die Sache eine Nummer zu groß für uns. Wir beide allein im Etappenhof? Nur, um sicherzustellen, dass der Hyperfunk-Ortungsimpuls tatsächlich ausgelöst wird, sobald Kesk-Kemi sein Ziel erreicht hat? Wie lange kann das gut gehen? Sollen wir nicht lieber versuchen zu fliehen?«
»Aber wie? Die Transmitter haben die Cairaner mittlerweile desaktiviert.«
»Es gäbe da eine Möglichkeit. Du hast schließlich nicht nur den Beutel gebaut, sondern ...«
Ein leiser, aber hoher Warnton erklang, und sie hielt mitten im Satz inne. Mit erzwungener Selbstbeherrschung aktivierte sie das externe Überwachungssystem ihres Refugiums.
Die Bilder der verborgenen Minikameras zeigten zwei humanoide Gestalten.
Ihre Beine wirkten äußerst gelenkig, ihre Gesichter, aber irgendwie unfertig. Ihre Arme waren extrem starke Tentakel, und sie trugen Ghyrds.
Die beiden Tomopaten hatten den Beutel gefunden.
*
»Verdammt, wie ist das möglich?«, fluchte Rohonzori ganz undamenhaft und untypisch für ein so friedliebendes, freundliches, neugieriges und humorvolles Wesen mit hohen moralischen Standards. Ihre Haut legte sich in Falten. »Haben sie dein Komgerät zurückverfolgt?«
»Oder unsere Biodaten angemessen? Egal, das spielt keine Rolle! Wir müssen weg!«
Barbara warf einen kurzen Blick auf die Aufnahmen. Die beiden Tomopaten schritten in dem Gang auf und ab, betrachteten die Wände und richteten Messgeräte auf sie. Sie würden den Hohlraum jeden Augenblick entdecken.
Oder die Wände einfach mit ihren Waffen schmelzen.
Rohonzoris Angst war begründet gewesen.
Die Swoon eilte zur Mitte des kleinen Raums, bückte sich und tastete mit den Händen über den Boden. Zischend öffnete sich eine kreisrunde Luke, gerade groß genug, dass sie sie passieren konnte.
»Erwarte stets das Unerwartete!«, murmelte sie. »Letzte Worte eines bedeutenden Mannes, bevor der Raubsaurier ihn verschlang. Komm!« Sie zerrte Barbara mit sich.
Die Siganesin sah die Sprossen einer Leiter. Sie waren für ihre Verhältnisse etwas zu weit voneinander entfernt in die Wand des schmalen Schachts eingelassen, aber sie konnte jetzt nicht wählerisch sein. Die Frage, ob sie heldenhaft ausharren oder doch das Heil in der Flucht suchen sollten, hatte sich durch das Auftauchen der Tomopaten jedenfalls erledigt.
Flink und gewandt kletterte die Swoon hinab; Barbara konnte ihr kaum folgen. Die zehn Zentimeter Größenunterschied machten sich in diesem Fall durchaus bemerkbar.
Leise hallten ihre Schritte in dem Schacht. Er war so schmal, wurde ihr erleichtert bewusst, dass die Tomopaten ihnen auf keinen Fall folgen konnten.
»Wohin gehen wir?«, keuchte sie.
»Zu einem Hangar. Keine Angst, wir können die gesamte Strecke in dem Lüftungsschacht zurücklegen. Wie du bereits sagtest: Ich habe nicht nur den Beutel gebaut.«
Der Schacht endete, und Rohonzori kroch auf allen vieren weiter. Mit dem Scheinwerfer des Armbandgeräts leuchtete sie den Weg aus.
Barbara glaubte, schon den halben Etappenhof durchquert zu haben, als der Schacht endete. Mit brachialer Gewalt stieß die Swoon gegen ein Gitter, bis es sich aus der Verankerung löste und mit einem lauten Scheppern zu Boden fiel.
Jetzt hat sie den ganzen Etappenhof auf uns aufmerksam gemacht!, dachte sie verzweifelt. Doch die Horden von Cairanern, die das verräterische Geräusch gehört haben mussten und in den Raum stürmen würden, blieben aus.
»Wo sind wir?«, fragte sie, obwohl riesige Panaromascheiben in der Außenwand des Etappenhofs ihr Antwort gaben: In einem der Aussichtsbereiche, in denen man ins All schauen und den Hof auch in Raumanzügen verlassen konnte.
Rohonzori blieb stehen. »Zieh den Schutzanzug aus«, keuchte sie, »und programmiere ihn so, dass er zur Außenwand des Etappenhofs fliegt und von dort in den freien Weltraum!«
»Hast du den Verstand verloren? Dann kommen wir doch nie von hier weg!«
»Tu, was ich sage! Wir legen damit eine falsche Fährte!«
Barbara gehorchte. Während sie den Anzug programmierte, schaute sie ins All hinaus. Durch die Scheibe sah sie, wie die Augenraumer sich in Bewegung setzten. Zwei nahmen den Etappenhof mit Traktorstrahlen in Schlepp und banden ihn an die OTTCOM, sodass ein Transport durch den Linearraum möglich wurde.
Die Swoon lief wieder los, zu einem nicht transparenten Teil der Außenwand, blieb kurz stehen, orientierte sich, tastete dann die Wand ab. »Ich habe nicht nur ein geniales kleines Luftschiff gebaut«, flüsterte sie, »sondern auch ...«
Geräuschlos fuhr ein Wandpaneel zurück. Dahinter lag ein kleiner, aber voll funktionsfähiger Hangar, in dem ein Miniraumgleiter stand. Er kam Barbara ziemlich klein vor, aber sie würden sich schon zu zweit hineinzwängen können.
Die Swoon öffnete die Kuppel der Pilotenkanzel und kletterte hinein.
Barbara folgte ihr und glitt auf den hinteren Sitz, der allerdings etwas zu groß für ihre Verhältnisse war, und die Kuppel schloss sich wieder.
»Druckluftbetrieben«, erklärte Rohonzori, während sie an den Kontrollen hantierte. Irgendwo im Inneren des Minigleiters erwachten Aggregate aus ihrem langen Schlaf. »Er lässt sich völlig unbemerkt starten!«
Als der Gleiter sich in Bewegung setzte, presste die Trägheitskraft die Siganesin tief in den Sitz. Erstaunt sah sie, dass das im Hangar nach vorne getriebene Fahrzeug mithilfe eines Seilzugs die kleinen, eigens dazu präparierten Außentore öffnete.
Der Gleiter schoss aus dem Etappenhof und beschleunigte weiterhin. »Noch ein paar Sekunden, dann ist Schluss!«, sagte die Swoon. »Dann müssen wir ausharren und warten.«
»Warten?«
Es hatte den Anschein, dass sich der Miniaturgleiter schnell von dem Etappenhof entfernte, aber in Wirklichkeit war es genau andersherum. Die cairanischen Augenraumer beschleunigten und schleppten ihn davon. Dennoch schien er in ihrer Wahrnehmung nur unmerklich kleiner zu werden.
Es dauerte über eine Stunde, bis er optisch und mit Instrumenten nicht mehr zu erkennen war.
Kesk-Kemi war in den Linearraum befördert worden.
Rohonzori schaltete das Funkgerät des Druckluftfahrzeugs ein. »Mayday! Mayday! Hört uns jemand? Fahrzeug in Raumnot! Falls ihr uns nicht in die Ortung bekommt, sucht nach einem wirklich kleinen Raumgleiter!«
Wenige Minuten später geriet ein Doppelkugelraumer der Cheborparner in das Sichtfeld von Barbara Meekala und Rohonzori.
Sie waren gerettet.
ENDE
In der Milchstraße bahnen sich tief greifende Entwicklungen an: Nicht nur das akonische Transmitternetz ist betroffen, sondern auch das ehemals arkonidische Territorium. Mit Atlans Eintreffen geraten die Dinge in Bewegung: Arkonidische Rebellen, naatsche Truppen und Ladhonen stehen den Kristallbaronien gegenüber. Ein offener Krieg droht.
Verena Themsen entführt uns in Band 3057 in den Kugelsternhaufen der Arkoniden. Der Roman erscheint am 20. März 2020 und trägt folgenden Titel:
THANTUR-LOK BRENNT