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9.

Sicherheitstechnische Lücken

Barbara Meekala atmete tief durch und sah sich in dem kleinen Transmitterraum um, in dem sie die Geiselbefreiung begonnen und erfolgreich beendet hatten. Er war ebenfalls nicht öffentlich zugänglich und befand sich am Rand des Hofs, nicht weit von dem Beutel und den Hangars entfernt.

Sie brauchte einen Augenblick der Ruhe, um darüber nachzudenken, wie es nun weitergehen sollte.

Aber er wurde ihr nicht gewährt.

Giuna Linh kniete neben ihr nieder. »Ich wäre dir und Rohonzori sehr verbunden«, flüsterte sie ihr zu, »wenn ihr unsere richtigen Namen nicht erwähnen würdet und ausschließlich bei unseren Tarnnamen bleiben würdet.«

»Das ist doch selbstverständlich.« Sie blinzelte ihr zu. »Ehre unter Geheimdienstleuten.«

»Wir sind keine ... nein, ich erklär's dir einfach: Lanko und ich werden von den Cairanern gesucht«, sagte Giuna leise. »Wir haben unser Aussehen verändert, um nicht erkannt und verhaftet zu werden.«

»Ihr seid aber keine Terroristen wie diese Hofbesetzer?«

»Sind wir nicht.« Giuna Linh seufzte leise. »Miss uns an unseren Taten.«

Barbara nickte. Das war genau die Art Geschichte, die wahrscheinlich auch ein Geheimdienst vorbereitet hätte, aber irgendwie klang sie wahr. Und kompliziert. »Ihr könnt euch auf uns verlassen. Seid ihr also zufällig in die Sache hineingeraten und wolltet eigentlich die Cairaner ausspähen?«

Giuna Linh schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben von den Transmitter-Hasardeuren gewusst und sind ihretwegen hier.«

Die Siganesin war fast enttäuscht. »Na gut. Aber ich misstraue den Cairanern weiterhin.«

Linh runzelte die Stirn. »Warum?«

»Legat Goniwari scheint über seine Befreiung seltsam unerfreut zu sein, findest du nicht auch? Zumindest habe ich diesen Eindruck. Oder täusche ich mich?«

»Nein. Ich bin ebenfalls dieser Ansicht.«

»Weshalb? Müsste er uns nicht vor Freude und Erleichterung um den Hals fallen?«

Täuschte Barbara sich, oder ging ein leises Zittern durch den Etappenhof? In diesem Moment bedauerte sie, einen Raum ausgewählt zu haben, der über keine Fenster verfügte. Ein schöner Panoramablick nach draußen wäre wünschenswert ...

Legat Matetao Goniwari kam heran, und die Agentin, die keine war, richtete sich wieder auf. Fragend sah sie zu dem großen Cairaner hoch.

»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte der Legat barsch. »Ich muss zu meinen Leuten!« Kein Wort des Dankes über die gelungene Befreiung kam über seine Lippen.

Lanko Wor trat heran und griff in das Gespräch ein. »Wir müssen weiterhin alle gebotene Vorsicht walten lassen«, sagte er diplomatisch. »Oder willst du wieder den Tomopaten in die Tentakel fallen? Vielleicht sind sie so erzürnt über deine Flucht, dass sie die Ghyrds ablegen und kurzen Prozess mit dir machen.«

Barbara schaute auf die vierfingrigen Handpaare des Legaten. Sowohl über die Außen- wie auch die feingliedrigeren Innenhände hatte er Handschuhe gestreift. Die beiden Innenfinger und die äußeren Daumen der Gespürhände bewegten sich leicht in einem komplizierten Muster.

Die Siganesin wusste, dass die Cairaner mit Gesten der Gespürhände Gefühlszustände vermittelten, kannte sich mit dieser Spezies aber bei Weitem nicht gut genug aus, um die Bewegungen zuverlässig deuten zu können.

»Ich bin sicher, dass meine Truppen mittlerweile eingegriffen und die Station besetzt haben«, sagte der Cairaner schließlich. »Aber du hast natürlich recht. Ich möchte den ... Freischärlern nicht wieder in die Hände fallen.«

»Freischärler? – Das sind Banditen, nichts weiter«, sagte Barbara scharf.

»Gut«, sagte Wor. »Ihr wartet hier, haltet euch weiterhin versteckt. Cayca und ich sehen uns draußen um. Sobald wir uns einen Überblick verschafft haben, informieren wir euch.«

»Wie war noch gleich dein Name?«, erkundigte sich der Legat.

»Atryon Limbach.«

»Ich begleite dich und deine Lebensgefährtin.«

»Auf keinen Fall!«, sagte Giuna scharf.

»Das kommt nicht infrage«, pflichtete Lanko ihr bei. »Du bist eine hochgestellte Persönlichkeit und das ideale Druckmittel für die Banditen. Wenn sie dich in die Finger kriegen, ist dein Leben keinen Galax mehr wert.«

Die Finger des Cairaners bewegten sich heftiger. Offensichtlich wusste er nicht, wie er reagieren sollte.

»Na schön«, sagte er schließlich. »Eure Argumentation ist stichhaltig.«

Hochrat Benert von Bass-Thet atmete auf. HyPer ließ sich nicht anmerken, wie er den Verlauf der Diskussion beurteilte.

»Damit wäre das geklärt. Barbara, kannst du unsere wertvollen neuen Freunde unter Kontrolle halten?«

Die Siganesin grinste. »Nur ich habe den Codegeber, mit dem man die Tür öffnen kann. Das dürfte also kein Problem sein.«

Lanko sah Giuna an. »Dann stürzen wir uns mal ins Getümmel!«

*

Von Getümmel konnte nicht die Rede sein, als Lanko Wor und Giuna Linh den verborgenen Raum verließen. Der Gang vor ihnen war menschenleer.

Aber in einiger Entfernung erklangen Stimmen. Lanko hörte, wie scharfe Befehle gebellt wurden und ein vereinzelter Schuss aus einem Thermostrahler fauchte. Dort fanden Kampfhandlungen statt.

»Wer kämpft gegen wen?«, murmelte er. Sollte der Legat tatsächlich recht behalten haben, und die Cairaner griffen den Etappenhof an? Oder die Cheborparner oder wer auch immer?

Vorsichtig ging er weiter. Schon bald stieg ihm ein seltsamer Geruch in die Nase, den er in viel schwächerer Form schon seit geraumer Zeit wahrgenommen hatte. Ein leicht rauchiger Geruch, ähnlich wie Feuer.

Waren vor ihnen Teile der Station in Brand geraten?

Nein. Er kannte diesen Geruch. So rochen männliche Cairaner.

Giuna nickte, ohne dass er etwas gesagt hatte. »Ich rieche sie auch.«

Am liebsten hätte er sich abgewandt, wäre er einfach davongelaufen. Dass er die Cairaner nicht mochte, war eine Untertreibung. Er durfte gar nicht darüber nachdenken, was sie ihm angetan hatten, als sie ihn in eine ihrer Strafanstalten gesteckt hatten.

»Dann sollten wir auf unsere eigenen Worte hören und die gebotene Vorsicht walten lassen. Legen wir die Waffen ab?«

»Warum? Wir haben sie von den Invasoren erbeutet. Sie gehören uns.«

Er bezweifelte, dass die Cairaner das genauso sahen, widersprach aber nicht.

Nach wenigen Schritten sah er vor sich einen schwer bewaffneten Trupp der zweieinhalb Meter großen Humanoiden mit der stark gefleckten goldenen Haut. Einer bemerkte ihn ebenfalls und sah desinteressiert zu ihm hinüber. »Habt ihr die Durchsagen nicht gehört? Geht zum nächsten Versammlungspunkt. Diese Sektion des Etappenhofs wird geräumt!«

Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, streckte er beide Arme in die Luft. »Wir haben Legat Matetao Goniwari!«, rief er.

Mit einem Mal reagierten die Cairaner hektisch. Sie wirbelten zu ihm herum und richteten die Waffen auf Giuna und ihn.

»Wir haben ihn gerettet!«, versuchte er zu erklären. »Wir haben ihn aus der Geiselhaft befreit und in einem sicheren Versteck untergebracht!«

Einer der Cairaner trat zu ihm. »Wo ist dieses Versteck?«

»Nicht weit entfernt. Ich führe euch dorthin.«

Wor konnte auf den fremdartigen Gesichtszügen einen Anflug von Skepsis ausmachen. »Wenn das eine Falle ist ...« Der Cairaner richtete das Gewehr auf seine Brust.

»Keine Falle. Den ehrenwerten Hochrat und HyPer haben wir ebenfalls befreit.«

Mit einem bellenden Befehl alarmierte der Cairaner die Soldaten seiner Einheit. Fast im Stechschritt eilten sie herbei.

Lanko überlegte, ob er die Hände wieder herunternehmen sollte, entschied sich aber dagegen. Er hatte nie etwas von solchen Allgemeinplätzen gehalten, doch nun glaubte er, die Mündungen der Thermostrahler in seinem Rücken zu spüren.

Sie erreichten den Nebengang. Vor der verborgenen Tür des Transmitterraums blieb er stehen. Er hatte in der Kürze der Zeit vergessen, sich einen Code geben zu lassen.

Die Tür glitt auf. Barbara Meekala musste die Überwachungsgeräte im Augen behalten haben.

Ein Cairaner zerrte Lanko grob zur Seite, und mehrere Soldaten stürmten in den kleinen Raum. Sekunden später kamen sie wieder heraus, den Legaten in ihrer Mitte. Andere Bewaffnete sicherten den Raum und begleiteten den Hochrat und den Cheborparner.

Der Befehlshaber des cairanischen Trupps trat respektvoll zu dem Legaten und flüsterte ihm etwas zu. Matetao Goniwari zog ihn zur Seite und unterhielt sich leise mit ihm.

Weitere Cairaner führten die Siganesin und die Swoon hinaus. Wor gefiel gar nicht, wie sie ihre Waffen auf die beiden richteten.

Nach einer Weile kehrte der Legat zu ihm zurück. »Unsere Truppen haben den Etappenhof ohne große Probleme erobert. Die Kämpfe waren hart, sind nun aber beendet. Der Hof ist in unserer Hand, die meisten der Invasoren sind tot.«

Erleichtert atmete Wor auf. Von dieser Seite drohte also keine Gefahr mehr.

»Konsulin Galuu Alvaraidse hat befohlen«, fuhr der Legat fort, »den Etappenhof von den Angreifern zu befreien und zu beschlagnahmen.«

»Zu beschlagnahmen?«, entfuhr es Wor. »Warum denn das?«

Goniwari lächelte süffisant. »Um herauszufinden, welche sicherheitstechnischen Lücken diese Katastrophe erst ermöglicht haben. Wir gehen davon aus, dass sich die Räterepublik der Akonen nach einigem Überlegen für diese Hilfestellung als einsichtig erweisen wird, wenn nicht sogar geradeheraus als dankbar. Weitere Raumschiffe der Cairaner sind bereits im Anflug, um den Transmitterhof abzutransportieren.«

Da haben die Cairaner aber schnell reagiert, dachte er.

Und noch immer kein einziges Wort des Dankes.

»Ich darf euch bitten«, sagte der Legat zu Lanko Wor und Giuna Linh, »noch eine Weile bei uns zu bleiben.«

»Warum?«

»Ich möchte meine vier Befreier einer Befragung unterziehen.«

»Einer Befragung? Was willst du wissen?«

»Zum Beispiel, wie es euch gelungen ist, mich so rasch zu finden und zu befreien.«

»Die Siganesin und die Swoon sind Transmittertechnikerinnen. Sie wissen, wo sich im Etappenhof Transmitter befinden.«

»Ach? Wie viele davon gibt es ihn Kesk-Kemi? Zehntausend? Zwanzigtausend?«

»Was willst du damit andeuten?«

»Ist es nicht eher so, dass ihr mit den Angreifern im Bund seid?«

Lanko lachte auf. »Das ist unerhört! Statt eines angemessenen Dankes bekommen wir solche Verdächtigungen zu hören? Was geht nur in deinem Kopf vor?«

Das ungute Gefühl bei Lanko Wor wurde zur Gewissheit. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Der Cairaner trieb ein falsches Spiel, das Lanko noch nicht ganz durchschaute.

Er sah Giuna an, dann Rohonzori und Barbara Meekala.

Die Siganesin hatte verstanden und nickte.

»Das ist keine Antwort!«, schnappte der Legat. »Ich erwarte ...«

Er verstummte mitten im Wort. Meekala hatte ein Prallfeld aufgebaut und dem Legaten einen Stoß gegen die Brust versetzt. Mit einem leisen Schrei taumelte er überrascht zurück.

Zwei seiner Leute sprangen herbei, um ihn zu stützen, und auch die anderen waren für einen Moment abgelenkt.

Mehr brauchten Lanko und Giuna nicht.

Sie rannten los, zogen beim Laufen ihre Waffen, und Barbara und Rohonzori folgten ihnen.

Wie echte Geheimagenten.

*

Lanko Wor schaute kurz über die Schulter zurück und gab einen ungezielten Schuss mit dem Thermostrahler ab. Er fauchte, ohne Schaden anzurichten, hoch über die Köpfe der Cairaner hinweg, die ihnen sofort nachgesetzt waren, und zwang sie damit stehen zu bleiben und nach Deckung zu suchen, die es in dem schmalen Gang nicht gab.

Wor feuerte noch einmal, und die meisten Cairaner warfen sich zu Boden. Er bückte sich, legte die Hand um Barbara und setzte sie auf seine Schulter. Giuna verfuhr genauso bei der Swoon.

Nun kamen Barbaras Ortskenntnisse zum Tragen. In der Nähe des Beutels kannte sie sich zwar nicht wie in ihrer Westentasche aus, aber immer noch besser als die Soldaten, die sie verfolgten.

»Weiter!«, rief Barbara. »Weiter! Nach links!«

Die beiden Menschen schlugen die angegebene Richtung ein. Plötzlich verstummten die aufgeregten Rufe und Schreie hinter ihnen. Einen Augenblick war es totenstill.

Dann erklangen hinter ihnen andere Geräusche.

Schritte. Schlurfend, weich, geschmeidig. Nicht von menschlichen Beinen.

Barbara fluchte leise.

Die Tomopaten waren da!

Wor und Linh hatten es auch gehört. Sie hielten ihre Waffen bereit, obwohl sie damit nicht viel ausrichten würden, und liefen schneller.

Die Tomopaten hielten Schritt, kamen sogar näher. Die Schritte wurden lauter.

Das machen sie bewusst!, dachte Barbara. Sie wissen, welche Angst sie bei anderen auslösen, und nutzen das aus!

»Nach rechts! Nach links! Nach links!«, flüsterte Barbara Anweisungen, doch die Verfolger ließen sich nicht abschütteln. Verriet ihr Instinkt den Tomopaten, wie ihre potenziellen Opfer versuchen würden, ihnen zu entkommen? Oder verfügten sie über besonders feine Sinne?

Barbara schaute wieder zurück.

Da waren die beiden Tomopaten! Sie kamen gerade um eine Gangbiegung.

Barbaras Blick blieb auf den geöffneten Ghyrds haften, die den Tentakeln den nötigen Freiraum ließen. Einer peitschte vor, erreichte die Fliehenden jedoch nicht einmal annähernd.

Eine Warnung!, dachte Barbara. Eine Ankündigung dessen, was nun kommen wird ...

Wor feuerte einen Schuss ab, und der vordere Tomopat – Ly, wenn Barbara das richtig erkannte – wich wie beiläufig zur Seite aus, obwohl er längst erkannt haben musste, dass der Thermostrahl ihn weit verfehlen würde. Dabei wurde er nicht langsamer, im Gegenteil, steigerte sein Tempo sogar.

Barbara gab jede Hoffnung auf, dass ihnen die Flucht gelingen würde. Es war vorbei. Würden die Tomopaten, die anscheinend mit den Cairanern gemeinsame Sache machten, sie sofort töten, oder hatten sie den Befehl, sie lebend gefangen zu nehmen?

Nein, dachte sie, der Legat will uns endgültig beseitigen, ausschalten, vernichten!

Dann waren sie heran, kaum noch zehn Meter hinter ihnen. Wor und Linh blieben stehen, drehten sich langsam um.

Die Tomopaten taten es ihnen gleich. Sie schienen die Konfrontation in der Gewissheit zu genießen, dass sie die Oberhand behalten würden, ihre Gegenspieler keine Chance hatten.

»Ihr müsst das nicht tun!«, sagte Wor. »Wir haben den Legaten befreit, ihm das Leben gerettet! Warum will er uns jetzt umbringen lassen?«

Keiner der beiden antwortete. Schweigend starrten sie die Gestellten an.

Langsam kamen sie näher, fuhren dabei die Tentakel noch weiter aus. Bewaffnet schienen sie nicht zu sein. Das war auch nicht nötig. Sie waren selbst waffenlos perfekte Mordmaschinen.

Ein Tentakel zuckte vor. Spielerisch tastete er nach Wor und Linh, verharrte Zentimeter vor Wors Oberkörper.

Die Tomopaten schienen nicht zu befürchten, dass ihre beiden Opfer die Waffen jetzt noch auslösten; eine noch so schwache Bewegung, das Krümmen eines Zeigefingers, und sie waren tot.

Aus dem Augenwinkel sah Barbara, wie Rohonzori mit der rechten Hand ausholte. Etwas flog durch die Luft, ein Staubkorn, ein winziger Käfer, mit dem bloßen Auge kaum erkennbar.

Eppnu! Der winzige Roboter, den die Swoon gebaut hatte, um in ihrem Beutel nicht allein zu sein und einen elektronischen Gesprächspartner zu haben.

Mit der Infrarot- und UV-Sicht bemerkte Barbara, dass Eppnu mit den winzigen Beinchen strampelte, bis er an der Wand auftraf und sich mit den Saugnäpfen daran festhielt. Er war so winzig, dass die Tomopaten ihn gar nicht bemerkten.

»Hier bin ich!«, erklang an der Wand eine Stimme. »Ich habe euch im Visier!«

Beide Tomopaten fuhren herum, starrten zu der Wand, richteten ihre Waffen darauf. Einen Sekundenbruchteil waren sie abgelenkt.

Dieser winzige Augenblick genügte. Linh und Wor schossen, gaben Dauerfeuer, zielten zuerst auf die Tomopaten, die sich ein paar Schritte zurückziehen mussten, dann auf den Boden des Gangs, auf die Decke und die Wände, bis Metall schmolz und hinabtropfte oder Blasen schlagend in die Höhe spritzte. Gleichzeitig wirbelten sie herum und rannten los, die Waffen nach hinten richtend, unablässig den Finger auf dem Auslöser.

Dauerfeuer!

Barbara schaute nach hinten. Sogar Tomopaten schreckten offensichtlich davor zurück, durch ein solches Inferno zu stapfen, sich von dem glutheißen Metall versengen zu lassen. Auch ihrer Leidensfähigkeit oder der physischen Widerstandskraft waren offenbar Grenzen gesetzt.

Die beiden Großen liefen weiter, blieben auch nicht stehen, als hinter ihnen keine Schritte mehr ertönten, als könnten sie nicht glauben, die Tomopaten tatsächlich überlistet, ihre Attacke zurückgeschlagen zu haben.

Barbara stellte sich vor, wie die Luft in Linhs Lungen brannte, ihre Muskeln übersäuerten und jede Bewegung schmerzte. Auch sie verspürte eine gewaltige Anspannung, die ihren Blick verschwimmen und ihren Körper verkrampfen ließ, Wellen der Übelkeit durch ihn trieb. Verdammt, sie war Transmittertechnikerin, keine Superagentin! Sie hatte niemals damit gerechnet, um ihr nacktes Leben rennen zu müssen.

Oder sich tragen lassen zu müssen.

Sie verlor jedes Zeitgefühl. Linh und Wor liefen, bis sie nicht mehr konnten.

Barbara zitterte am ganzen Leib. Mühsam kletterte sie an Linh hinab, hätte fast den Halt verloren, wäre einen Meter in die Tiefe gestürzt.

»Sind sie wirklich weg?«, fragte sie, als sie wieder einigermaßen Luft bekam.

Wor nickte nur.

*

Barbara Meekala befürchtete, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen würden, und lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Wand.

»Haben wir sie tatsächlich abgeschüttelt?«, wiederholte sie ungläubig.

»Ich glaube schon«, erwiderte Giuna, ebenfalls schwer atmend.

»Ihr müsst hier weg«, warf Rohonzori ruhig und überlegt ein, als hätte die Hetzjagd ihr nicht das Geringste ausgemacht. »Ihr seid zwar nicht aufgeflogen, aber die Cairaner suchen euch. Wenn sie euch finden und verhören, werden sie ganz schnell herausfinden, wer ihr wirklich seid, und dann seid ihr geliefert.«

»Und wie?« Wor war noch immer blass. Er hatte die Tomopaten in Aktion gesehen und wollte sich jede weitere Begegnung mit ihnen ersparen.

»Per Transmitter«, antwortete Barbara. »Ich kenne zahlreiche geheime Stationen, und die Cairaner haben die beiden Transmittermasten wieder in Betrieb genommen. Sie versuchen, so schnell wie möglich wieder normale Zustände herzustellen.«

»Der HÜ-Schirm?«, fragte Wor.

»Ist durch den Angriff der Cairaner ausgefallen. Die neuen Herren des Etappenhofs haben ihn noch nicht wieder in Betrieb nehmen können. Sogar sie können nicht alles gleichzeitig tun. Die Frage ist nur, wohin ihr fliehen könnt.«

»Zur TREU UND GLAUBEN«, sagte Wor. »Das Schiff des Barniters ist in Reichweite.«

»Und wie wollt ihr es von eurer bevorstehenden Ankunft informieren?«

»Ich kann dir Codes geben, mit denen du einen Transmitter des Schiffs aktivieren kannst.«

»Dann wäre das geklärt.«

»Flieht mit uns zusammen«, sagte Giuna Linh. »An Bord der TREU UND GLAUBEN seid ihr in Sicherheit.«

Barbara Meekala schüttelte den Kopf. »Die Cairaner haben etwas mit dem Etappenhof vor. Ich würde liebend gern wissen, was das wohl sein mag.«

»Dazu müsstest du herausfinden, wohin sie den Etappenhof bringen.«

»Genau deswegen möchte ich Kesk-Kemi nicht verlassen.«

Die Frau dachte kurz nach. »Wir haben einen leistungsfähigen Hyperfunksender dabei«, sagte sie dann. »Wenn man den aktivieren würde, sobald die Cairaner mit dem Etappenhof ihr Ziel erreicht haben, wäre man einen großen Schritt weiter.«

»Und ihr würdet ihn uns überlassen?«

»Klar«, sagte Wor. »Wir arbeiten für dasselbe Ziel. Wir wollen wissen, was für eine Schweinerei die Cairaner vorhaben. Wenn wir es in Erfahrung brächten, könnte die ganze freie Galaxis davon profitieren. Aber wollt ihr es euch wirklich nicht anders überlegen?«

Barbara Meekala dachte nicht einmal über die Frage nach. Sie war beileibe keine Heldin, und Rohonzori auch nicht, auch wenn sie sich in den letzten Stunden gut geschlagen hatten.

»Wir sind keine Agenten«, sagte sie schelmisch lächelnd. »Aber wir müssen etwas tun. Waren das nicht deine Worte?«

»Gut gesprochen«, sagte Blauauge.

»Wir kennen uns an Bord gut aus. Sie werden uns nicht aufspüren«, beruhigte die Swoon die beiden Menschen. »Wir übernehmen den Hyperfunksender und bleiben an Bord.«

»Und wohin jetzt? Wir werden uns nicht mehr lange frei bewegen können. Die Cairaner evakuieren den Etappenhof Zug um Zug und setzen ihn wieder instand, und irgendwann werden sie imstande sein, die wenigen Lebewesen darin mit Bordmitteln aufzuspüren und zu verfolgen.«

»Dann sollten wir keine Zeit verschwenden.« Barbara versuchte zu lächeln, aber es geriet ein wenig schief.

Der nächste Transmitterraum, den sie mit ihrem Codegeber öffnen konnte, befand sich nicht weit entfernt. Wor und Linh gingen mit ihren schweren Waffen voraus, sicherten die Umgebung, doch sie hatten Glück, stießen auf keine Cairaner.

Die Siganesin öffnete den Zugang. Leer und verlassen lag der Raum vor ihnen, diesmal ein größerer mit einer Plattform, die für den Personennahverkehr innerhalb des Etappenhofs gedacht und konstruiert war. Aber es spielte keine Rolle, ob zwei oder zwanzig Personen befördert wurden.

Meekala schaltete den Transmitter ein. Das Feld leuchtete auf, die Anzeige sprang von Rot auf Grün, Linh und Wor traten auf die Plattform.

»Seid ihr sicher, dass ihr nicht mitkommen wollt?«, fragte Wor noch einmal.

»Gute Reise«, sagte die Siganesin, gab den Code ein und beobachtete, wie die beiden Geheimagenten entmaterialisierten.

Barbara löschte sofort die Koordinaten des Transports und schaltete das Gerät aus.

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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