Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 173
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Arabesque
Als das Beiboot an der BOSTICH I anlegte, war die Raumschlacht im Bereich der äußeren Planetenbahnen bereits in vollem Gange. Während er in einem Expresstransfer der Zentrale entgegenschoss, informierte sich da Nardonn über den Fortgang der Kämpfe.
Die Naats warfen sich dem zahlenmäßig im Moment unterlegenen Gegner ohne allzu viel Raffinesse massiv entgegen. Offensichtlich plante ihr Anführer, die erste Welle schnell zu reduzieren, um den Gegner gar nicht erst in die Überzahl kommen zu lassen. Dabei setzten die Naats vorrangig auf ihre neuartige Waffe, die Punktierungs-Transformkanone, die es ihnen erlaubte, Transformbomben über einen winzigen Strukturriss sogar durch Paratronschirme zu bringen.
Die Idee der punktuellen Schwächung des Schirmfeldes mit anschließender Einfädelung eines Waffenstrahls war an sich nicht neu. Schon vor Jahrhunderten war sie als Konstantriss-Nadelpunktmodus in Kombination mit Impuls- und Thermowaffen zum Einsatz gekommen, deren Waffenstrahl von der fokussierenden Wirkung des aufgebauten Saugfeldes zusätzlich profitierte.
Zwischenzeitlich war es allerdings gelungen, Schirmfeldern eine randomisierte räumliche Sprungmodulation zu überlagern, mit deren Hilfe das Röhrenfeld von Waffen mit Konstantriss-Nadelpunktmodus quasi abgeschüttelt werden konnte, bevor die Feldschwächung zum Riss führte. Die Variante der Naats war aber auf noch unklare Weise so modifiziert, dass sie den neuen Ort des Schirmfeldes zu antizipieren schien und das Röhrenfeld zeitgleich umsprang.
Allerdings koppelten die Naats diese Errungenschaft nicht mit energetischen Strahlen, sondern nutzten den Riss, um eine Transformbombe ins Schiffsinnere abzustrahlen, wo sie deutlich schwerere Schäden anrichteten, als ein Schuss auf die Außenhülle es konnte. Kleinere Schiffstypen vergingen einfach in der Explosion. Das sagte einiges über die Art der Kriegsführung der Naats aus: Sie setzten eher auf Zerstörung und Abschreckung als darauf, Schiffe wrackzuschießen.
Als da Nardonn die Zentrale erreichte und seinen Platz einnahm, zerplatzte auf dem Holoschirm gerade ein Kugelraumer wie eine reife Frucht, die ein rot glühendes Inneres freigab, das schnell zerfaserte und erlosch. Die Chancen, dass ein Teil der Mannschaft diese Explosion überlebt hatte, lagen nahe null. Da Nardonn berührte das nicht besonders; für ihn waren sie alle Verräter am wahren arkonidischen Geist.
»Und wieder fehlt ein Schiff meiner zukünftigen Flotte«, knurrte er, während er sich in seinen Kommandantensessel fallen ließ. »Ich wünschte, die Naats würden ihre Zerstörungswut zügeln. Es ist mein Eigentum, was sie da zerstören, nur um ihre läppischen Leben zu schützen.«
»Vielleicht steckt Kalkül dahinter«, merkte da Minterol an. »Falls sie nicht gewillt sind, nach dem Ende des Krieges abzuziehen, kommt es ihnen entgegen, wenn unsere Reihen nicht durch übernommene Schiffe gestärkt werden.«
Da Nardonn machte eine ablehnende Geste. »Nein. Auf die Naats ist Verlass. Eher erwarte ich so etwas von den Ladhonen, obwohl ich nicht den Eindruck habe, dass sie an Eroberungen Interesse hätten. Am meisten muss man aber Verrat wohl von Arkoniden fürchten, die zu uns überlaufen. Jeder von ihnen könnte das nur tun, um uns im richtigen Moment in den Rücken zu fallen.«
Er dachte an die Geschwister da Gavvhad. Ob sie zu dieser Kategorie zählten? Pethoras Schreck war ihm allerdings echt erschienen; sie hatte gefürchtet, getötet oder gefangen genommen zu werden – was wohl tatsächlich geschehen war. Sollte er sich um ihre Befreiung bemühen?
Nein. Sie hatte ihren Zweck erfüllt. Außerdem war Atlan nicht der Typ, der schlecht mit Kriegsgefangenen umsprang – und nichts anderes war die Söldnerin. Vielleicht würde er nach dem Ende des Konfliktes nach ihr suchen, um herauszufinden, was hinter ihrem Angebot gesteckt hatte. Vielleicht auch nicht.
Da Nardonn registrierte, dass Abschüsse wie der beobachtete trotz des massiven Vorgehens der Naats die Seltenheit blieben. Man hatte in den Reihen der Arkoniden längst dazugelernt: Die PT-Kanone hatte eine begrenzte Reichweite, und wo sich der Saugrüssel zeigte, zog sich der Gegner mit maximaler Beschleunigung zurück, gedeckt von seinen Geschwaderkameraden, die notfalls den Strahl durchflogen.
Die Manöver der gegnerischen Raumschiffe nötigten da Nardonn unwillkürlich Respekt ab. Die Piloten mussten bestens gedrillt sein, besser, als er es ihnen zu seiner Zeit je zugetraut hätte. Sie agierten wie eine Einheit, ein Schwarm, der dem Gegner ständig wechselnde Seiten zuwandte und dabei nie zu feuern aufhörte. Diese Meisterschaft des Agierens hatte er sonst nur bei den Ladhonen beobachtet.
Dann stieß plötzlich ein Riese zwischen den huschenden Orterreflexen hindurch: eine 1800 Meter durchmessende Kugel, die in einem Kegelstumpf ruhte, der die Gesamthöhe auf 2200 Meter erhöhte und sich dabei von einem Basisdurchmesser von 450 Metern auf 900 Meter an der Kontaktebene mit der Kugel erweiterte.
Abzüglich der 450 Meter hohen Polkuppel, unter der die 1560 Meter durchmessende Trägerfläche mehreren Lakans mit gemischten Raumschiffsklassen Platz bot, hieß das knapp neun Quadratkilometer waffenstarrende Oberfläche der Restkugel plus Außenwänden des Kegelstumpfes. Das Weltall schien in Flammen aufzugehen, als der GAUMAROL-Raumer aus dem Schutz der ihn umschwirrenden kleinere Raumschiffe heraus seine Energien sauber synchronisiert entfesselte. Ein zweiter Riese stieß dazu, und innerhalb kürzester Zeit blühten drei neue Feuerrosen auf – dieses Mal auf Seite der Naats.
Mit zusammengepressten Kiefern beobachtete da Nardonn, wie die GAUMAROL-Raumer unaufhaltsam eine Schneise in Richtung Murnark schlugen. Die Naats zogen sich zurück, formierten sich neu und agierten nun deutlich vorsichtiger. Was sie so ungestüm angefangen hatten, wurde mehr und mehr zum Rückzugsgefecht. Den wenigen ladhonischen Einheiten gelang es, da und dort ein wenig Chaos zu stiften, wenn sie unvermutet auftauchten und gemeinsam eine kleine Einheit angriffen, die sich zu weit aus der Deckung gewagt hatte. Doch große Schläge gelangen ihnen trotz des gewohnt geschickten und waghalsigen Taktierens nicht.
Vor da Nardonn flammte ein Holo auf. Es zeigte Verbandskommandant Kholaam.
»Ich empfehle den Abzug«, sagte der Naat. »Außerdem brauchen wir die Unterstützung deiner Raumschiffe.«
»Ich gebe diesen Planeten nicht auf«, entgegnete da Nardonn scharf. »Nicht, bevor ich nicht habe, wofür ich gekommen bin!«
»Und was ist das?«
»Pläne einer möglicherweise kriegsentscheidenden Waffe. Wir können nicht zulassen, dass sie in Atlans Hände fallen. Außerdem kann es sein, dass der Mascant selbst sich noch auf dem Planeten aufhält.«
»Tu, was du für nötig hältst, aber tue es bald«, sagte Kholaam. »Wir können sie bestenfalls noch eine Vierteltonta aufhalten, und nur, wenn du uns Verstärkung aus deinen Reihen schickst. Nach dieser Frist ziehen wir ab, mit dir oder ohne dich.«
»Ihr erhaltet Unterstützung.« Da Nardonn beorderte die Hälfte seiner Flottille zur Unterstützung der Naats. Der Rest sollte sicherstellen, dass kein Raumschiff Murnark verließ. Solange die TARTS die Schutzschirme aktiviert hatte, konnte der Mascant nicht per Transmitter zurückkehren. So hoffte er, ihn effektiv einzuschließen und ...
Ja ... und was? Wie sollte er diesen Umstand nutzen?
Du hast nur wenige Optionen. Handle schnell!
*
»Funkspruch zur Talur-Werft. Ich fordere Hochingenieur da Chao ultimativ auf, mir innerhalb von zwei Dezitontas die Pläne zu übermitteln, die von der EDLIN nach Zalit gebracht werden sollten. Falls er es nicht tut, mache ich die Talur-Werft bis in die tiefsten Ebenen hinunter dem Erdboden gleich!«
Da Minterols Augen weiteten sich, dann nickte er anerkennend. Kompromissloses Vorgehen hatte ihn stets beeindruckt.
»Eingehender Funkspruch von der Talur-Werft«, meldete die Funkstation.
»Ins Panoramaholo!«
Kopf und Oberkörper eines zerknittert wirkenden Arkoniden mit wirrem grauweißem Haar erschien. Er war sichtlich aufgewühlt. »Ich glaube, euch reiten die Sternenteufel! Wir sind eine arkonidische Werft, die für das arkonidische Volk arbeitet! Uns anzugreifen, nur weil wir nicht vor dir im Staub kriechen, wäre ein noch schlimmerer Verrat am arkonidischen Volk, als du ohnehin schon mit deinem Privatkrieg begehst!«
»Die Verräter sind der Thantur-Baron, der das arkonidische Volk von seiner großen Bestimmung abhält, und alle, die ihm zuarbeiten, wie du«, gab da Nardonn hitzig zurück. »Und was Verrätern blüht, weißt du!«
»Die meisten Arbeiter sind bereits an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, seit du abgezogen bist! Sie haben nichts mit meinem Widerstand zu tun! Du kannst sie nicht einfach opfern!«
»Ich kann und werde, wenn du mir nicht gibst, was ich will, und zwar innerhalb von fünfzehn Zentitontas!«
»Und dann?« Der Mann verschränkte die Arme. »Du wirst uns danach doch trotzdem in Grund und Boden bomben, damit der Thantur-Baron die Pläne nicht bekommt. Denn was nützt dir eine Waffe, über die Atlan ebenfalls verfügt? Du würdest in diesem Fall nie so weit kommen, sie zum Einsatz zu bringen.«
Da Nardonn presste die Lippen zusammen. Der Hochingenieur hatte nicht unrecht. In letzter Konsequenz blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er Atlan nicht die gleichen Mittel in die Hand geben wollte – und der Mascant hatte die besseren Ressourcen, es umzusetzen.
»Ich gebe euch genug Zeit zur Evakuierung, wenn du mir die Pläne überlässt«, sagte er. »Vorher werde ich aber kein einziges Fahrzeug die Werft verlassen lassen.«
Da Minterol hob überrascht die Augenbrauen. Er wusste so gut wie da Nardonn, dass sie nicht mehr so viel Zeit hatten, die Leute von der Werft wegzulassen und sie erst dann zu zerstören. Es war ein leeres Versprechen. Aber der Hochingenieur wusste das hoffentlich nicht.
Da Chao rang sichtlich mit sich und sagte schließlich: »Also gut, ich überspiele die Pläne und alle relevanten Daten. Wenn ich mir anschaue, wie deine naatschen Kumpels sich da draußen ins Zeug werfen, wundere ich mich allerdings, warum du so scharf auf die bist.«
Da Nardonn stutzte. »Was meinst du damit?«
Da Chao wirkte konsterniert. »Das solltest du aber ganz genau wissen. Das hier ist Projekt NA-MU-22050-872, das du selbst mit damals fiktiven Spezifikationen für eine Waffe in Auftrag gegeben hast, gegen die eine Abwehr gefunden werden sollte. Inzwischen ist mir klar, dass du schon aus deinen ganz persönlichen Quellen über die Spezialwaffe der Naats Bescheid gewusst hast ...«
»Wovon sprichst du? Ich weiß nichts von diesem Projekt!«
Da Chao feixte. »Das würde ich an deiner Stelle auch behaupten. Was würden wohl deine Verbündeten sagen, wenn sie wüssten, dass du dich offensichtlich schon beizeiten darauf vorbereitest, ihnen trotz PT-Kanonen die geballte Macht Arkons vor den Latz zu knallen, sobald sie ausgedient haben.«
Da Nardonn wurde blass.
»Sofortiger Angriff!«, befahl er. »Macht diese Werft dem Erdboden gleich.«
*
Noch immer grinsend wandte sich da Chao vom Bildfunkgerät im Keller des Tatopalastes ab. Selten in seinem Leben hatte ihm etwas so viel Spaß bereitet wie dieses Gespräch. Das tröstete ihn über den Schrecken der Teleportation mit dem widerspenstigen Pelzvieh bestens hinweg.
Er suchte Atlans Blick. »Na, wie war ich?«
»Exzellent«, sagte der Arkonide, deutete Applaus an und lächelte. »Ich hätte nicht erwartet, dass in einem Ingenieur so viel Schauspieltalent stecken könnte.«
Da Chao brummte. »Ist nur schade um die Lyos. Erst Lykander, und jetzt der ganze Haufen. Wird uns Monate kosten, bis wir die alle ersetzt haben.«
Sein Blick wanderte weiter, über den Ilt, der immer noch etwas erschöpft wirkte, den Roboter, das arkonidische Geschwisterpaar und weiter zu ...
Er runzelte die Stirn. »Wo ist Salkis?«
Gucky winkte müde. »Sie sagte, sie müsse noch rasch etwas erledigen und wolle sich melden, wenn sie abgeholt werden will, oder gleich einen Gleiter nehmen. Ich gehe davon aus, dass sie Letzteres gemacht hat, weil sie sich nicht mehr gemeldet hat.«
Eisiger Schreck fuhr in Vadkuins Glieder. »Aber die Werft ist abgeriegelt, hast du das nicht mitbekommen? Sie haben keine Gleiter rausgelassen!«
Daraufhin fuhr der Ilt hoch. »Meinst du etwa ... aber warum hat sie sich nicht gemeldet?«
Wütend schnaubte da Chao. »Ach, was weiß ich, was im Kopf dieser irren Frau vorgeht! Aber sie ist womöglich noch da drin, und dieser noch verrücktere Idiot bombardiert vielleicht in diesem Moment die Werft!«
»Sallu!«, rief der Ilt und war im nächsten Moment verschwunden. Auch der Roboter war plötzlich nicht mehr da.
Da Chaos Beine wurden weich, er sank in die Knie. Blicklos starrte er ins Leere. Salkis ... was sollte er ohne diese Hexe tun? Wie ohne sie und ihre ständigen Hakeleien noch ein erfülltes Leben haben? Wie es ertragen, sich nie mehr über ihre ganz besondere Schönheit aufregen zu dürfen?
Er spürte Atlans Hand auf der Schulter. »Sie werden sie finden, mach dir keine Sorgen. Gucky hat Erfahrung in solchen Dingen, und mit dem TARA an seiner Seite ist er doppelt so effektiv.«
Da Chao hörte nicht hin. Er sah nur vor seinem inneren Auge Strahlenergien, die die Luft zum Flimmern brachten, sich durch die Anlagen fraßen, sah Reaktoren durchgehen und Transformbomben explodieren. Er sah Körper durch die Luft geschleudert werden, zerbrochen und zerfetzt, weggeschleudert wie kaputte Puppen. Und die meisten von ihnen genau das: Puppen. Lyos. Aber einer dieser Körper ... einer ...
»Salkis«, hauchte er mit gebrochener Stimme. »Salkis, lass mich nicht allein!«
Hinter ihm rumpelte etwas, und jemand stöhnte. Er fuhr herum und riss die Augen auf.
Da war Salkis, die wie er am Boden kniete und irgendeinen Kasten umklammert hielt, aus dem eine Unzahl Anschlüsse heraushingen. Staub klebte an ihrer Haut, und ein blutiger Riss zierte ihre Wange.
Auch der Ilt und der Roboter waren da, aber sie interessierten ihn nicht. Er sah nur Salkis' erschöpfte purpurrote Augen, ihr staubbedecktes Haar mit der sattbraunen Farbe von feinstem Kotaiholz und das Blut auf ihrer hellen, fast durchscheinenden Haut ...
»Salkis!« Er ächzte und richtete sich auf den Knien auf, um sie an den Armen zu packen. Sein innerer Aufruhr ließ ihn zittern, und Tränenwasser machte ihn fast blind. »Salkis, du irres, idiotisches, schwachsinniges Weib! Wie kannst du mir das antun? Bist du eigentlich noch ganz bei Trost? Wie kannst du ... wie ...« Er rang nach Luft.
Salkis setzte vorsichtig den idiotischen Kasten ab. Kaum hatte sie ihn losgelassen, riss er sie an sich und schlang seine Arme um sie, um sicher zu gehen, dass sie wirklich da war. Er spürte ihre Wärme, ihre Weichheit, glaubte sogar, ihren schnellen Herzschlag zu spüren. Er legte seine Wange an ihre blutige.
»Mach so etwas nie wieder, hörst du, du dumme Essoya? Nie, nie wieder!«
»Vadkuin«, sagte sie sanft. »Ich ahnte ja nicht ... ich dachte nicht, dass es so lange dauern würde. Aber ich wollte nicht, dass du Lykander endgültig verlierst.«
Zorn kochte in ihm hoch. »Vergiss Lykander! Er ist nur eine Puppe, und eine idiotische dazu!«
»Dann passt er ja zu mir genauso gut wie zu dir. Als wären wir seine Eltern, oder?«
Vadkuin löste sich von der Programmiererin und starrte sie an. »Was faselst du da für einen Unsinn?«
»Lykander. Ich hätte es dir längst sagen sollen ... sein externer Speicherbereich in Ly-Zentra ist ... war nicht wie der der anderen. Ich habe ihn manipuliert. Darum war Lykander anders. Darum hat er angefangen, ein bisschen so zu sein wie du.« Sie deutete auf den Kasten. »Das da ... das ist sein Plasmaanteil und eine Sicherungskopie seiner Speicher, oder so viel, wie ich auf die Schnelle retten konnte.«
Vadkuin starrte den Kasten an. Dafür also hatte sie ihr Leben riskiert. Damit er die Puppe wiederbekommen konnte, die für ihn ein bisschen wie ein Sohn war ... und irgendwie auch ihrer. Sein Bauch zuckte, und das Gefühl der Absurdität brach sich in einem hysterischen Gelächter Bahn, das schließlich in einem Glucksen auslief.
»Salkis«, sagte er und wischte sich die Tränenflüssigkeit von den Wangen. Er sah, dass ihre Augen ebenfalls vor Aufregung tränten – ein Teil ihres urarkonidischen Erbes. »Salkis, du bist das idiotischste Weib, dem ich je begegnet bin, und ich liebe dich und hasse dich dafür. Tu mir so etwas bitte einfach nie wieder an, hörst du? Nie wieder. Und glaub nicht, dass ich bereit wäre, dich für irgendwas aufs Spiel zu setzen, und wäre es der exotischste Lyos der Welt.«
Salkis seufzte. »Also konnte ich es dir wieder nicht recht machen. Ob das jemals enden wird ...«
Er schloss sie wieder in seine Arme, dieses Mal ganz sanft. »Du bist ganz recht, wie du bist«, wisperte er. »Du musst mir nichts recht machen.«
»Ich liebe dich auch, Vadkuin«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Es kitzelte.
*
Die Waffen schwiegen im Raum über Murnark. Mit dem Beginn des Bombardements der Werft hatte Mava da Valgathan mit den von Atlan und Aro Ma-Anlaan entwickelten Taktiken den Angriff massiv vorangetrieben, unterstützt von einer weiteren Verstärkungswelle. Die Naats hatten sich umgehend abgesetzt, und die Ladhonen und da Nardonns Arkoniden waren ihnen schnell gefolgt.
Mava hatte sie ziehen lassen und sich seither um die Bergung der in Not geratenen Besatzungen beider Seiten gekümmert.
Da Nardonn war gründlich und effizient vorgegangen; trotz der Kürze des Beschusses war die Talur-Werft großteils nur noch ein riesiger rauchender Krater. Beim Betrachten der Bilder hoffte Mava inständig, dass sich wirklich keine Zivilisten mehr dort aufgehalten hatten. Andernfalls würde sie sich ewig Vorwürfe machen, dass sie nicht schneller reagiert hatte, schließlich war ihr klar gewesen, was kommen würde.
Die Kommandantin wandte sich um, als sie den typischen Luftzug verspürte. Vor ihr standen mitten in der Zentrale Gucky und Atlan.
»Mannomann«, sagt der Ilt. »Was für ein verrücktes Paar ... das muss ich erst mal verdauen. Und komm mir jetzt nicht damit, dass du schon ganz andere Paare erlebt hast, Atlan.«
»Heinrich und Eleonore«, sagte der Mascant ohne Zögern. »Aber das ist sehr weit entfernte Geschichte. Bleiben wir lieber bei der Gegenwart. Die Naats?«
»Haben dank Guckys Manipulationen an einigen ihrer Funkanlagen jedes Wort des Gesprächs zwischen da Nardonn und da Chao mitbekommen. Sie dürften einiges zu verdauen haben«, berichtete Mava.
Atlan nickte zufrieden. »Ihnen werden weitere Unterlagen zugespielt werden, die beweisen, dass da Nardonn die Entwicklung einer Abwehr gegen die PT-Kanone in Auftrag gegeben hat.«
Mava war klar, dass es Fälschungen sein würden, aber zweifellose exzellente – und die Naats hatten vermutlich nicht so viel Erfahrung mit Intrigen wie die Arkoniden. Egal, wie oft da Nardonn es abstreiten würde – das Misstrauen würde bleiben.
»Die Sache wird natürlich dadurch begünstigt, dass er ohne naatsche Unterstützung hierhergekommen ist und auch nicht sonderlich begeistert auf die Ankunft der Verbündeten reagiert hat«, stellte Atlan fest. »Er hat uns mit seinem Bestreben, die Naats vom Planeten und der Werft fernzuhalten, in die Hand gespielt.«
»Womit gemäß seinem Profil zu rechnen war«, sagte Mava.
Atlan lächelte. »Rechnen sollte man bei so etwas mit nichts, umso mehr kann man sich freuen, wenn man etwas Glück hat. Nicht jede Psychotaktik geht so relativ reibungslos auf. Womit wir beim zweiten Teil sind. Wurden die abgehörten Gespräche aus der BOSTICH I schon ausgewertet?«
»Wurden sie, und da ist noch ein bisschen mehr interessantes Material für die Naats dabei. Hör dir das mal an.« Mava freute sich richtiggehend, die zusammengeschnittenen Passagen vorspielen zu können.
»Und wieder fehlt ein Schiff meiner zukünftigen Flotte«, hörte man da Nardonns Stimme in der Zentrale, dann »Es ist mein Eigentum, was sie da zerstören, nur um ihre läppischen Leben zu schützen« und »Am meisten muss man aber Verrat wohl von Arkoniden fürchten«.
»Prächtiges Material für die Propagandisten«, stimmte Atlan zu. »Dazu das Gespräch mit da Chao und die Bilder von der Bombardierung der Talur-Werft, mit denen wir ihm bei den eigenen Leuten Boden entziehen können – insbesondere, wenn wir das mit seinen eigenen Worten paaren, die er selbst nur wenige Stunden vorher zur Tato gesagt hat.«
»›Welche Innovationen auch immer in der Werft gemacht wurden, sie müssen in jedem Fall für Arkon erhalten bleiben – egal, ob es am Ende ein imperiales ist oder eines, das weiter vom Thantur-Baron heruntergewirtschaftet wird.‹«, zitierte Mava. »Wie viel ihm selbst diese Aussage bedeutet, hat er ja wenig später gezeigt. Und dann noch seine Zusage, dass kein Arkonide, der sich in seinen Schutz begibt, in seinen Rechten beschnitten werden soll ... und dann beschießt er eine Werft, die nach seinem Wissen voller Leute sein musste, die unter seinem Schutz standen. Das Recht auf Leben scheint ihm nicht sehr wichtig zu sein.«
»Hoffen wir, dass andere das ebenso sehen. Es war ein riskantes und teures Spiel, das nicht umsonst gewesen sein darf.«
»Das war es auf keinen Fall«, sage Mava. »Wir haben da jemanden aus einem der manövrierunfähigen Naatraumer geborgen, der dich gerne kennenlernen will.«
Sie winkte dem jungen Mann, der in einem der Besuchersessel im Hintergrund saß. Atlan hatte ihn bislang nicht bemerkt und betrachtete ihn nun eingehend. Man sah dem Geretteten an, dass er einiges an Strapazen hinter sich hatte; selbst durch die Bordkombination zeichneten sich seine Brustplatte und nahezu jeder Knochen ab. Trotzdem strahlten seine Augen Wachheit aus, und in seinen Schritten lag eine Dynamik, die Mava niemandem in diesem Zustand zugetraut hätte.
Er legte die Hand an die Brust und neigte grüßend den Kopf. »Markul agh Fermi. Es ist mir eine Ehre, dir zu begegnen, Mascant.«
Man sah Atlan das sofortige Begreifen an. Sein durch den Extrasinn gegebenes fotografisches Gedächtnis hatte ihm sofort alles Relevante zu dem Offizier geliefert. Er erwiderte den Gruß mit einem feinen Lächeln.
»Wenn man bedenkt, dass ich nur deshalb Mascant bin, weil du den Posten ausgeschlagen hast, ist die Ehre ganz auf meiner Seite.«
Der junge Mann lächelte schwach. »Ich schätze, die Umstände haben mir schlussendlich recht gegeben. Ich bin einem Verräter zum Opfer gefallen, weil ich zwar alles in Thantur-Lok gesehen habe, aber blind war für meine unmittelbare Umgebung. So einen Mascanten brauchen die Baronien nicht. Mit dir dagegen haben sie den Besten, den es geben konnte, und vermutlich den Einzigen, der diesen Krieg schnell beenden kann.«
»Wir werden sehen – auch was deine angeblich mangelnde Eignung betrifft. Ich habe nicht vor, ewig an diesem Posten festzuhalten, mich rufen andere Aufgaben. Und da Ariga hat sich sehr positiv über dich geäußert.«
Agh Fermis Gesichtshaut gewann tatsächlich ein wenig an Farbe. Er senkte den Blick. »Ich denke, erst muss ich beweisen, dass ich mehr kann, als blauäugig in Fallen zu laufen.«
»Du wirst zweifellos deine Gelegenheit erhalten, wenn du wieder richtig auf den Beinen bist. Aber jetzt gehörst du in die Medostation, oder zumindest in ein Bett. Und das ist kein Vorschlag, sondern ein Befehl.«
Agh Fermi neigte den Kopf. »Verstanden. Ich freue mich auf den zukünftigen Dienst.«
Da Valgathan sah agh Fermi lächelnd nach, als er die Zentrale in aufrechter Haltung verließ. »Er gefällt mir.«
Atlan hob die Brauen. »Als Offizier oder als Mann?«
Sie drehte die Handflächen nach oben und grinste. »Ein wenig von beidem, vielleicht. Lassen wir es auf uns zukommen.«