Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 29

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3.

Eine neue Welt

»Das Sternengelege sorgt sich um das Gleichgewicht«, fuhr die Topsiderin hinter dem Energievorhang fort. Sie saß auf der Pritsche, hob die Hände leicht an und warf einen beiläufigen Blick auf die noch immer dampfenden Schuppen. Der Ausdruck ihrer roten Echsenaugen blieb undeutbar. »Und du, Perry Rhodan, könntest das Gleichgewicht verschieben. Nein, das hast du bereits getan.«

»Wenn die Ankunft eines einzelnen Mannes so viel bewirkt, scheint dieses Gleichgewicht nicht allzu stabil zu sein.«

»Ich kann dir nur raten, das Ultimatum zu erfüllen«, sagte die Topsiderin. »Liefere dich aus. Falls mein Volk angreift ... ernsthaft angreift ... dann willst du nicht an den Folgen die Schuld tragen.«

»Sollte es so weit kommen«, erwiderte Rhodan, »seid ihr schuldig. Nicht ich.«

»Die Sonne scheint, wohin sie will«, zitierte sie. »Das ist ein Sprichwort aus meiner Heimat. Sie wärmt Gerechte und Ungerechte. Topsider und Terraner.« Ein kehliger Laut folgte, wohl ein Lachen. »Nutzt es aus, solange es euch noch möglich ist.« Sie hob die Beine an, setzte sie auf der Pritsche ab, legte sich hin und schloss die Augen. »Übrigens beeindruckt mich deine Drohung wenig, Perry Rhodan. Geh nur.«

Er wandte sich an Ghizlane Madouni, die das Gespräch schweigend mitverfolgt hatte. Die beiden nickten einander zu und verließen die Arrestzelle.

Davor, außer Hörweite der Topsiderin, sagte er: »Dieses Gleichgewicht, von dem sie geredet hat ...«

»Geschwätz!«, fiel die Kommandantin ihm ins Wort. »Die Topsider sind die beherrschende Macht in diesem Bereich des Dyoversums ... oder eben in der kleinen Raumkugel, die wir aus diesem Zwillingsuniversum kennen. Auch nach über vierhundert Jahren sind wir nicht weit herumgekommen, wie du weißt. In dieser kosmischen Umgebung bilden sie die Supermacht. Es gibt wenige andere Völker – extrem wenige, soweit wir wissen –, aber keines davon kann dem Sternengelege auch nur ansatzweise das Wasser reichen. Dann taucht eines Tages Terra auf, ein neuer Spieler, und obwohl unsere Technologie anfangs nicht funktionierte, passen wir uns immer besser an.«

Rhodan lächelte. Terraner blieben eben Terraner. Sie ließen sich nicht unterkriegen.

»Die Topsider fürchten sich – das ist es, wovon diese Agentin eigentlich sprechen müsste. Sie haben Angst davor, dass wir ihnen ihre Vormachtstellung rauben. Du wirst zweifellos früher oder später die ständige Botschafterin des Sternengeleges treffen, wenn du erst einmal auf Terra ankommst. Aber vorher ...«

»... geht es nach Luna«, setzte Rhodan den begonnenen Satz fort. Gabril da Gonozal, der Gesandte der Residentin, hatte bereits angekündigt, dass NATHAN ihn sprechen wollte – auch, um ihn einem Test zu unterziehen, ob er tatsächlich derjenige war, der er zu sein behauptete. »Ich freue mich darauf.«

»Das Mondgehirn empfängt seine Gäste üblicherweise im Ylatorium. Du wirst den Mond nicht wiedererkennen.«

»Dass sich Dinge entwickeln, hat mir noch nie Angst eingejagt. Es wäre traurig, wenn alles beim Alten bliebe.«

»Begleite mich in die Zentrale!«, bat die Kommandantin.

»Du hast keine Sicherheitsbedenken mehr?«

»Die hatte ich nie«, versicherte sie, hob den rechten Arm und schnippte mit Daumen und Mittelfinger.

Ein TARA-C-Kampfroboter tauchte wie aus dem Nichts auf – offenbar hatte er ein Deflektorfeld desaktiviert, das ihn bislang verborgen hatte.

»Diesmal«, sagte die Kommandantin, »war meine Bewegung tatsächlich ein im Voraus vereinbartes Signal.«

Rhodan hob die Augenbrauen. »Klingt aber doch nach Sicherheitsbedenken.«

Madouni lächelte. »Ich habe dich an Bord geholt, um dich aus der Schusslinie zu nehmen. Um dich zu schützen. Glaube ich deswegen naiv an das Positive in einem Menschen, den seit einem guten halben Jahrtausend niemand mehr auf Terra gesehen hat? Der sogar vor dem CEE verschwunden war? Dessen Identität außerdem nicht zweifelsfrei bewiesen ist?«

»Du wärst eine Närrin, wenn du keine Zweifel gehabt hättest. Hast du sie inzwischen abgelegt?«

»Bürgst du für dein Einsatzteam?«

Ihm entging nicht, dass sie seiner direkten Frage auswich. »Ich habe es ausgewählt, weil ich diesen Leuten vertraue. Ihnen im Notfall mein Leben anvertraue.«

»Es sind vier Personen außer dir, richtig?«

Er nickte.

»Ich lasse sie ebenfalls in die Zentrale bringen«, kündigte Madouni an. »Ich halte es für sinnvoll, ein Zeichen zu setzen.«

»Ein Zeichen wofür?«

»Dass du auf meinem Flaggschiff willkommen bist. Und dass sich die Topsider meiner Meinung nach ihr Ultimatum ...« Sie strich sich über die Augenbrauen. »... in die Schuppen schmieren können.«

*

Rhodan spürte die Blicke der gesamten Zentralebesatzung auf sich, als er mit der Kommandantin eintrat. Er blieb ruhig. Gemustert zu werden, gehörte für ihn zum Alltag.

»Sind unsere Gäste bereits an Bord?«, fragte Ghizlane Madouni.

»Der Gleiter landet soeben in Hangar Vier«, meldete einer der Offiziere.

»Sobald sie in der Zentrale ankommen, brechen wir nach Luna auf«, ordnete die Kommandantin an. »Stationärer Orbit in einer Parkposition über dem Ylatorium. NATHAN erwartet unsere Ankunft.«

Der Pilot des Flaggschiffs bestätigte.

»Ich habe meinen Sicherheitschef angewiesen, deine Leute zu empfangen und zu uns zu eskortieren«, erklärte sie. »Die kurze Reise wird dazu dienen müssen, den Pressefirlefanz zu erledigen.«

Rhodan lächelte. Die Kommandantin erwies sich als weit weniger offiziell in ihrer allgemeinen Ausdrucksweise, als sie zunächst den Eindruck erweckt hatte. Offenbar spannte seine Anwesenheit sie inzwischen nicht mehr so stark an.

»Und worin besteht dieser ... Firlefanz?«, fragte er.

»Dass ihr angekommen seid, ist mittlerweile an die Öffentlichkeit durchgesickert. Die Residentin hält es für notwendig, eine Regierungserklärung abzugeben. Eine eindeutige Information, die die Gerüchte unterbindet. Perry Rhodan ist tatsächlich hier, er ist unterwegs zu NATHAN, der ihn überprüfen wird, wir halten euch auf dem Laufenden. So etwas. Natürlich wird diese offizielle Ausstrahlung ganz nebenbei von den Topsidern empfangen werden. Wir senden also eine Botschaft in alle Richtungen.«

»Ja«, sagte der Aktivatorträger nachdenklich. »Derlei Firlefanz kenne ich. Zu meiner Zeit nannte man dieses Vorgehen häufig auch Politik.«

Sie lachte, und hinter ihren Augen schien die Sonne aufzugehen. »Den Ausdruck gibt es immer noch.«

Der Kommunikationsoffizier teilte mit, dass eine Nachricht auf die Kommandantin wartete. Madouni ging zu ihrem Platz und ließ sie sich anzeigen.

Rhodan hielt dezent Abstand.

»Sie stammt aus Neu-Atlantis«, informierte Ghizlane Madouni. »Aus der Maurits-Vingaden-Klinik. Dort liegt Homer G. Adams in Suspension, überwacht von Chefmediker Ammun-Si höchstpersönlich. Er hat sich bei mir gemeldet und bittet darum, deinen Zellaktivator untersuchen zu können. Er will testen, ob er genau wie das Gerät des Advisors ausfallen wird.«

»Es ist ganz in meinem Sinn, das zu wissen. Sag ihm, vor mir läge zunächst ein Abstecher nach Luna, aber ich werde mich gerne mit ihm treffen.«

»Er fragt außerdem, ob sich weitere Zellaktivatorträger an Bord deines Schiffes befinden.« Die Kommandantin suchte Rhodans Blick. »Jetzt wäre die beste Gelegenheit, das zu offenbaren. Es könnte sonst tödlich für sie enden.«

Er hielt auch diesem forschenden Blick mühelos stand. »Keine anderen Unsterblichen«, versicherte er wahrheitsgemäß.

»Ich werde Ammun-Si entsprechend informieren, sobald Zeit bleibt.« Damit hatte sie es allerdings nicht allzu eilig: Sie setzte ihre Absicht nicht sofort in die Tat um, obwohl die nächsten knapp fünf Minuten nicht gerade von Hektik geprägt waren.

Dann traf Rhodans Einsatzteam ein, eskortiert von drei Sicherheitsleuten der ORATIO ANDOLFI – vier Menschen, denen er vertraute und deren Anblick ihn beruhigte, unabhängig davon, dass er sich in diesem Flaggschiff nicht unter Feinden wähnte.

Zwei der Neuankömmlinge gehörten zu seiner Familie – seine Frau Sichu Dorksteiger und seine Enkelin Farye Sepheroa.

Außerdem ein Mutant, den er noch nicht lange kannte, Iwán oder Iwa Mulholland. Er sah sich in der Selbstwahrnehmung manchmal als männlich, dann wieder als weiblich, und Vertreter des jeweiligen Geschlechts nahmen es – wie Mulholland sich selbst bezeichnete – als gleichgeschlechtlich wahr.

Zuletzt der Mann, den Rhodan bislang am wenigsten einschätzen konnte. Der Vergleichende Historiker Tergén war als Geisteswissenschaftler nicht gerade der typische Begleiter bei einer Außenmission in unbekannte Gefilde. Aber das Solsystem – dieses Solsystem – bildete ja auch nicht das typische unbekannte Gefilde.

Sein Team gesellte sich zu Rhodan und Madouni.

Sichu nickte der Kommandantin zu. »Ich bin die Chefwissenschaftlerin der Liga. Genauer gesagt der anderen Liga, jenseits der Zerozone.«

»Da erzählst du mir nichts Neues.« Ghizlane Madounis Gesicht blieb unbewegt. »In unseren alten Archiven steht einiges über dich. Im Institut zur Erforschung des Dyoversums im Gestänge des Pluto wird man dich mit offenen Armen willkommen heißen.« Sie nickte Rhodans Enkelin zu. »Du bist ebenfalls bekannt, Farye Sepheroa.« Nun sah sie Iwán/Iwa und Tergén an. »Ihr beide jedoch seid unbeschriebene Blätter für uns.«

»Sollen wir einfach mal den Firlefanz erledigen?«, fragte Rhodan, was ihm einen verwirrten Blick von Sichu einbrachte.

*

Wenig später schickte Ghizlane Madouni die offizielle Botschaft zur Residentin, und der kurze Flug Richtung Luna startete.

»Darf ich eine Bitte äußern?«, fragte Rhodan.

»Nur zu«, forderte die Kommandantin.

»Es kam mir kürzer vor, weil ich die meiste Zeit in Suspension lag«, sagte er. Als er es aussprach, fiel ihm zum ersten Mal auf, dass er geschlafen hatte, genau wie Homer G. Adams momentan schlief. »Aber ich habe Terra rund fünfhundert Jahre lang nicht gesehen.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Ich nehme an, die ANDOLFI bleibt im Orbit, während wir mit einem Beiboot auf Luna landen?«

»So ist der Plan.«

»Würdest du einen kleinen Umweg befehlen? So, dass ich einen Blick aus dem All auf die Erde werfen kann?«

»Aus sentimentalen Gründen?«

Er lächelte. »Nenn es, wie du willst.«

Sie lächelte noch breiter. »Sentimentale Gründe.«

»Und wo wir gerade dabei sind«, meldete sich Farye zu Wort, »hätte ich ebenfalls eine Bitte, die perfekt dazu passt. Du kennst mich aus den alten Aufzeichnungen, weißt also, dass ich eine passable Pilotin bin.«

»Eine ausgezeichnete Pilotin.«

Farye winkte ab. »Das müssen andere entscheiden. Darf ich das Beiboot steuern? Ich bin überzeugt, dass ich die aktuelle Technologie ...«

»Wieso sollte ich dir das gestatten?«

»Weil du wissen willst, ob die Berichte über mich der Wahrheit entsprechen«, antwortete Farye. »Alles, was dir hilft, uns besser einschätzen zu können, ist wertvoll für dich.«

»Du ähnelst deinem Großvater.« Die Kommandantin deutete auf Rhodan. »Er hat eine ganz ähnliche Taktik bei einer gefangenen Topsiderin angewendet.«

»Hat es funktioniert?«

»Hat es?«, fragte Madouni.

»Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden«, sagte Rhodan.

»Ich stelle dir einen unserer Raumjäger zur Verfügung, Farye. Ein Schiff für minimal zwei Personen Besatzung – ideal für uns beide.« Sie warf einen Blick zu einem Mann, der bislang still auf einem der Offiziersplätze gesessen hatte. »Wahrscheinlich wird mein Sicherheitschef protestieren. Darf ich vorstellen? Torr Nishal.«

Der Angesprochene stand auf, kam näher. »Ich protestiere«, sagte er lakonisch. Offenbar hatte er eine gute Portion trockenen Humor.

»Dann wird uns Torr ebenfalls begleiten, vermutlich mit einem weiteren seiner Leute. Damit ist der Jäger voll besetzt. Du, Perry Rhodan, wirst mit dem Rest deines Teams in einem Beiboot folgen. Und keine Sorge, der Pilot wird eine Ehrenrunde drehen, die dir die beste Aussicht auf den blauen Planeten schenkt.«

In einem Hangar der ORATIO ANDOLFI

Kommandantin Ghizlane Madouni blieb ein wenig hinter Farye und dem Techniker zurück, der sie im Hangar zu dem Raumjäger führte. Sie dachte nach.

»MASCER-Klasse«, sagte der Techniker. »Wir hatten sie in den frühen Jahrzehnten nach dem CEE eingeführt. Einer der ersten Schiffstypen, die Terra nach der Versetzung wieder verlassen hat, perfekt angepasst an die hohe Hyperimpedanz. Robust, zuverlässig ... und trotzdem elegant. Außerdem wendig und schnell im Nahkampf.«

»Das ist keine Verkaufsveranstaltung«, sagte Ghizlane.

Der Techniker stutzte. »Oh. Ich ...« Er nahm Haltung an. »Entschuldige, Kommandantin, die Begeisterung ist mit mir durchgegangen.«

»Gib unserem Gast eine Kurzeinführung.« Sie wies auf Farye.

»Länge über alles«, begann der Techniker, »zweiundzwanzig Meter. Spannweite fünfzehn Meter, drei einfahrbare Landestützen. Abflugmasse von fünfundsiebzig Tonnen. Impulstriebwerke plus Stützmassetanks finden sich in den Flügeln, maximale Beschleunigung liegt bei fünfundsechzig Kilometern pro Sekundenquadrat.«

Während er diese Werte herunterrasselte, führte er Farye zum Rumpf und öffnete den Einstieg.

Ghizlane blieb zurück und gönnte sich einen Moment der Ruhe. Wie erwartet, ließ es sich Torr Nishal nicht nehmen, Rhodans Enkelin auf Schritt und Tritt zu begleiten. Nun stieg der Sicherheitschef mit ihr und dem Techniker ein. Auf einen zweiten Bewacher hatte er verzichtet, was den Flug etwas angenehmer machen würde. Zu viert herrschte große Enge in der Cockpitkanzel des Raumjägers.

Ghizlane fragte sich, ob die Entscheidung richtig gewesen war, Faryes Wunsch zu erfüllen. Sie hoffte dadurch das Team besser einschätzen zu können. Die Fähigkeiten der beiden unbekannten Teammitglieder – diese Mulholland, falls sie tatsächlich eine Frau war, und des Mannes namens Tergén – konnte sie nicht beurteilen.

Die unverhoffte Chance, wenigstens Rhodans Enkelin etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, wollte sie sich darum nicht entgehen lassen. Die Residentin wartete auf ihren Bericht, den sie NATHANS Einschätzung hinzufügen würde.

Für sich selbst hatte Ghizlane allerdings bereits eine Entscheidung gefällt. Die kurze Begegnung mit Rhodan hatte sie überzeugt, dass er auf der richtigen Seite stand. Auf derjenigen der Terraner nämlich.

Mit ihrem Bauchgefühl durfte sie in ihrem Bericht jedoch nicht argumentieren. Es gab die Zeit, Ghizlane zu sein, und es gab die Rolle der Kommandantin des Liga-Flaggschiffs.

Im Umgang mit Rhodan hatte sie zu ihrem eigenen Erstaunen zuletzt beides vermischt. So trat sie nur wenigen Menschen gegenüber auf, denjenigen, denen sie vertraute. Dennoch – was sie als Privatmensch fühlte, diente noch lange nicht als gutes Argument im Rahmen ihrer offiziellen Position.

Der Techniker verließ den Raumjäger schneller als erwartet. »Alles bereit, Kommandantin«, teilte er mit. »Farye hat eine verblüffende Auffassungsgabe bewiesen. Als ich ihr die Steuerung erklärte, hat sie intuitiv die Technologie verstanden. Sie meinte, sie habe schon viele Schiffe geflogen, und obwohl sie die MASCER-Klasse nicht kennt, wäre der Jäger eben ... terranisch.«

»Wird sie damit zurechtkommen?«

»Meiner Meinung nach so gut wie unsere besten Piloten. Wenn sie dort draußen auch nur annähernd so viel Gefühl für die Maschine hat, wie ich es erwarte, kann sie die schwierigsten Manöver fliegen. Ich werde den Hangar öffnen, sowie ihr euch dem Ausgang nähert.«

Ghizlane bedankte sich und stieg nun ebenfalls in den MASCER-Jäger. Sie nahm die wenigen Stufen zur Cockpitkanzel. Die gläserne Kuppel – selbstverständlich kein Glas, aber völlig durchsichtig – wölbte sich darüber. Noch sah man dadurch nur die Wände und Decke des Hangars sowie eine Staffel weiterer, geparkter Raumjäger.

Der Sicherheitschef saß hinter Farye, Ghizlane nahm auf dem Copilotensitz Platz.

»Ich starte«, kündigte Rhodans Enkelin an. Ihre Hände glitten über die Sensorfelder der Steuerelemente, als hätte sie nie etwas anderes getan. Als sie aus dem Hangar flogen, wechselte sie auf die Steuerknüppel, ohne hinsehen zu müssen. Sie beschleunigte und raste in einer leichten Kurve von der ORATIO ANDOLFI weg, deren gewaltiger Kugelleib zur Seite wegzukippen schien.

Dahinter kam das Schwarz des Alls in Sicht, scheinbar endlos. In der Ferne, nur winzige Lichtpunkte, glitzerten unerreichbare Sterne.

Unerreichbar ...

Früher, vor der Versetzung, war das anders gewesen, Fernreisen bei Weitem nicht so mühevoll und der Linearraum nicht voller Eisberge, die jeden Flug durch das Labyrinth so sehr erschwerten. Ganz zu schweigen davon, dass eine Etappe von gerade mal fünfundzwanzig Lichtjahren geradezu lächerlich gering gewesen war.

Aber früher, das hieß in diesem Fall vor fast fünfhundert Jahren, und Ghizlane hatte darüber noch nie zuvor so wehmütig nachgedacht.

In der Tat, Rhodans Ankunft veränderte das Denken.

Dennoch – die Frau, die neben ihr auf dem Pilotensitz saß und den Jäger traumwandlerisch sicher steuerte, hatte diese Zeiten erlebt. Weil sie den größten Teil dieses halben Jahrtausends in Suspension verbracht hatte, wie Ghizlane inzwischen wusste.

»Der Techniker hat erwähnt«, sagte Farye, »dass die MASCER-Klasse erst im Nahkampf ihre vollen Qualitäten ausspielen kann. Gab es denn ... Kriege?«

Ghizlane überlegte, wie offen sie sein durfte. Aber derlei Informationen konnten sich Rhodan und sein Team leicht beschaffen – die grundlegende gemeinsame Geschichte mit den Topsidern war kein Geheimnis.

»Vor etwa hundert Jahren drohten die schwelenden Konflikte mit den Topsidern zu eskalieren«, sagte sie. »Es kam immer wieder zu einzelnen Raumschlachten. Kein echter Krieg, aber diverse Schlachtfelder.«

»In denen sich die Raumjäger bewährt haben und man ihre Technologie angepasst hat«, vermutete Farye. Sie zog in eine enge Kurve, und kurz tauchte der gleißende Ball von Sol auf, ehe, weitaus näher, Terra über die Sichtkuppel wanderte, blau und weiß, wunderschön.

Farye gönnte ihnen – und sich selbst – den Anblick nicht lange, sondern steuerte ihr eigentliches Ziel an. Luna näherte sich. »Wie hatte sich die Lage beruhigt? Das ... ich meine, das hat sie doch, oder?«

»Der Konflikt schwelt stärker unter der Oberfläche, ja. Die Gelegemutter hatte sich mit dem damaligen Residenten getroffen und die Entsendung einer ständigen Botschafterin beschlossen. – Und nun steuere die Rückseite des Mondes an. NATHAN sendet einen Leitstrahl ... aber du wirst das Ylatorium schwerlich übersehen können.«

Als sie sich ihrem Ziel näherten, stieß Farye einen erstickten Laut aus. »Was – was ist das?«

»Sagte ich es nicht? Das Ylatorium ist auffällig.«

Durch die Sichtkuppel blickten sie direkt auf das riesige, lodernd brennende Zentralgebäude in NATHANS experimenteller Siedlung.

*

So viele Welten Perry Rhodan besucht hatte, kein Anblick glich dem von Terra. Ihm war klar, dass es kein objektives Gefühl war – aber in Momenten wie diesem scherte er sich nicht um Objektivität.

Der Pilot des Gleiters, der ihn, Sichu, Iwán/Iwa und Tergén nach Luna brachte, hielt Wort und flog eine Schleife, die einen herrlichen Blick auf die Erde ermöglichte.

Ein weißgraues Wolkenmeer zog über Europa, Italien lag frei. Kurz darauf erkannte er sogar aus dieser Entfernung – Terra schien etwa so groß, dass Rhodan den kompletten Planeten gerade noch erfassen konnte – die Lichter von Terrania.

Danach beschleunigte der Gleiter, und sie rasten der Rückseite des Mondes entgegen. Zwei Sicherheitsleute des Flaggschiffs begleiteten das Team während des kurzen Fluges. Die Uniformierten legten eine Mischung aus professioneller Distanz, Unbehagen und offener Ablehnung an den Tag.

Die negativen Schwingungen kamen dabei von dem größeren Mann, der Rhodan die ganze Zeit über verkniffen musterte. Ob er wohl mit den Vanothen sympathisierte und ihn deshalb skeptisch beäugte?

Auf dem Weg zum Mond jagten ihnen drei Raumschiffe entgegen. Sie sahen aus wie extrem flache Quader, seltsam kantig und geometrisch aufgebaut. Sie passierten den Gleiter, und Rhodan schätzte die Länge auf knapp dreihundert Meter bei einer Breite von maximal hundert und einer Dicke von etwa fünfzig Metern. Dabei waren sie schwarz, schmucklos und ohne Aufbauten oder sonstige Strukturelemente.

Er fragte seine Begleiter nach den Schiffen.

Ausgerechnet der große Mann mit dem verkniffenen Gesicht antwortete. »Es sind Dominosteine.«

Diese Bezeichnung fand Rhodan sofort passend. »Keine terranischen Raumer, richtig?«, hakte er nach.

»Sie gehören zu NATHANS Flotte. Das Mondgehirn stellt sie in seiner Werft im Ylatorium her.«

Solange sich der Sicherheitsmann als derart auskunftsfreudig erwies, wollte Rhodan die Gelegenheit nutzen. »NATHAN unterhält seine eigene Flotte?«

»Exakt 1000 Einheiten, bemannt mit Ylanten.«

»Unterstehen sie der Liga?«

»Im Konfliktfall mit äußeren Mächten wird NATHAN die Schiffe dem Kommando der Liga unterstellen.«

»Und im Fall eines inneren Konfliktes?«

»Du stellst viele Fragen.«

»Das liegt in der Natur der Sache. Ich komme nach Hause und bin neugierig. Also?«

Sein Gesprächspartner zögerte, ehe er sich einen Ruck gab und sich aufrechter hinsetzte, als wollte er sich damit selbst seine innere Stärke vor Augen halten. Er schob sich eine Strähne seines fingerlangen Haars aus der Stirn, was ihm einen noch verkniffeneren Gesichtsausdruck verlieh.

»Das Positronische Konkordat regelt solche Details, der Vertrag mit NATHAN«, antwortete er ausweichend. »Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet.«

Rhodan erinnerte sich, dass Hanko Lee, seine erste Kontaktperson in diesem Teil des Dyoversums, ihn mehrmals mit einer ähnlichen Formulierung abgespeist hatte. »Mir genügt dein laienhaftes Wissen. Und das soll keine Beleidigung sein. Ich habe selbst bei vielen Themen nur laienhafte Kenntnisse.«

»Es steht mir nicht zu, dir zu antworten.« Nun verschränkte der Sicherheitsmann die Arme vor der Brust und signalisierte damit, dass dieses Gespräch für ihn beendet war.

»Aber es ist kein Geheimnis«, sagte sein Kollege, ein auffallend kleiner Mann. Unter der Uniformjacke zeichnete sich ein muskulöser Oberkörper ab. »Der Text des Konkordats ist frei zugänglich.«

»Muss ich mich also erst in irgendwelche Netzwerke einarbeiten?«, fragte Rhodan.

»Nicht nötig. NATHAN hat sich in Konfliktfällen bislang immer streng legalistisch erklärt. Er folgt dem Kommando des gewählten Residenten. Zweitwichtigste Stimme ist die des Advisors.«

Rhodan bedankte sich. »Eine beruhigende Regelung.« Wie sich das Mondgehirn wohl in einem solchen Notfall ihm gegenüber verhalten würde? »Wie heißt du?«, fragte er den zweiten Sicherheitsmann.

»Joern a Rasu. Der Name kommt daher, dass meine Vorfahren zu den ersten Siedlern in Skiaparelli gehörten – unserer Marshauptstadt. Sie haben sich damals einen traditionellen marsianischen Namen zugelegt. Keine Verbindung zu Marsianern aus deiner Hälfte des Dyoversums. Übrigens beginnen wir gerade mit dem Landeanflug. Ihr habt das Ylatorium noch nie gesehen. Es ist ein Spektakel. Genießt es.«

Der Gleiter steuerte über die dunkle Seite des Mondes, und Luna lag in Finsternis. Etwas jedoch leuchtete in einiger Ferne, ein kleiner Lichtpunkt.

Tergén, der bislang genau wie die anderen Teammitglieder geschwiegen hatte, wies darauf. »Sehen wir dort das Ylatorium?« Er sprach mit ruhiger, klarer Stimme.

Joern a Rasu bestätigte.

»Die Helligkeit flackert, wie Feuerflammen, weniger wie eine künstliche Lichtquelle.«

»Du hast gute Augen.«

»Ich bin Geschichtswissenschaftler. Vergleichender Historiker, um genau zu sein.«

»Und?«

»Ich beschäftige mich viel mit alten Aufzeichnungen, zum Teil auf ... exzentrischen Speichermedien, in beschädigten Dateien oder sogar auf Papier und Folien. Ich brauche gute Augen.«

»Hast du nachgeholfen?«

»Ein winziges Implantat verstärkt die Funktion der Linse in meinem linken Auge.«

»So genau wollte ich es gar nicht wissen«, versicherte a Rasu.

»In meinem Fachgebiet muss man stets exakt arbeiten. Es ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.«

»Und wieso wählt Perry Rhodan einen Historiker in sein Team?«

»Vergleichender Historiker«, präzisierte Tergén. »Und das musst du ihn fragen.«

Was Joern a Rasu zu Rhodans Erleichterung nicht tat. Das gab ihm Gelegenheit, das Ylatorium zu beobachten, dem sie sich weiter näherten. Inzwischen war deutlich zu sehen, weshalb Tergén den Eindruck eines Brandes gewonnen hatte.

Das Gebäude ragte als gewaltiger, für menschliche Augen zu breit geratener Turm auf – falls man ihm überhaupt irgendeine bekannte Form zusprechen wollte. Eher wirkte es wie ein willkürliches Standbild eines Meteoriten, der in das Mare Ingenii eingeschlagen war. Es reichte einige Kilometer hoch und wurde von lodernden Flammen und weiß glühenden Blitzen umschlossen, die aus einem brodelnden, aus sich heraus leuchtenden Meer zuckten.

Schon auf den ersten Blick stand fest, dass dies kein von menschlichen Architekten erdachtes und errichtetes Bauwerk war. In der Umgebung glommen mattgoldene, schmutzig wirkende Felder in den unterschiedlichsten Formen. Sie leuchteten schwach.

Der Pilot kündigte an, dass nur noch eine Minute Flugzeit vor ihnen läge. Rhodan korrigierte seinen ersten Eindruck: nicht mattgolden, sondern bronzefarben.

A Rasu stand auf, stellte sich neben den Aktivatorträger und wies aus der Sichtscheibe. »Der brennende Klotz ist nur das Zentralgebäude. Die eigentliche Siedlung erstreckt sich über das gesamte Mare Ingenii.«

»Knapp achtzigtausend Quadratkilometer weit?«, fragte Sichu Dorksteiger.

»Ich habe die Fläche nie nachgerechnet.«

Sichu lächelte. »Du sprichst von diesen Feldern aus Bronze?«

»Wenn ich euch einen Tipp geben darf«, sagte der Sicherheitsmann, »versucht erst gar nicht, das Ylatorium zu verstehen. Für unseren Verstand ist all das nicht logisch.«

»Es ist nicht menschlich gedacht«, meinte Rhodan, »sondern NATHANisch.«

Sie überflogen wenige Hundert Meter hoch das Randgebiet des Mare Ingenii und passierten eines der Felder. Er musterte es.

Es bestand aus zahllosen quaderförmigen Gebilden mit glatter, bronzefarbener Oberfläche. Zuerst hielt er es für Wohngebäude, doch es gab weder Fenster noch Türen. Sie stapelten sich über- und ineinander wie hingewürfelt, manche sahen aus, als hätten sie sich verkantet, ehe sie in die passende Endlage gekommen waren.

Wo dazwischen Wege oder Plätze frei blieben, war das kahle Mondgestein zu sehen. Bewohner dieser seltsamen Stadt – falls es sich denn um eine solche handelte – tauchten nirgends auf.

»Es sind die Bronzehütten«, sagte Joern a Rasu unaufgefordert.

Sie flogen an etwas vorbei, das Rhodan stutzig machte. Er wollte nach dem arkonidischen Kelchbau mitten im Meer der Bronzehütten fragen, aber schon erreichten sie das Zentralgebäude, und der Gleiter setzte zur Landung an.

Neben dem weiß lodernden Lichtsee erstreckte sich ein kleines Landefeld. Es war erwartungsgemäß bronzefarben, und darüber hinaus bis auf einen einzigen Raumjäger – wohl das Modell, das Farye hierhergesteuert hatte – völlig leer. Offenbar gab es nicht viele Besucher im Ylatorium.

Sie landeten.

Joern a Rasu wandte sich an Perry Rhodan. »Ehe ihr geht, darf ich dich um einen Gefallen bitten?«

»Sofern ich ihn erfüllen kann.«

»Danke. Ich wäre für ein Autogramm dankbar. Man trifft nicht alle Tage eine Legende aus der Vergangenheit.« Der Sicherheitsmann zog einen Zettel und einen Stift auf seiner Uniformjacke.

Rhodan nahm beides.

Für Joern, schrieb er. Ad astra!

*

Auf dem Gelände des Ylatoriums gab es keine Atemluft. Rhodan und sein Team verließen das Beiboot mit geschlossenen Raumanzügen, die beiden Sicherheitsleute blieben im Beiboot zurück.

Neben ihnen ragte der Koloss des Zentralgebäudes auf; weit höher, als sie es aus so unmittelbarer Nähe wahrnehmen konnten. Sie sahen nur das grelle Glühen und die lodernden Flammen, die sich in unbestimmbarer Ferne verloren. Blitze irrlichterten hindurch. Zweifellos handelte es sich nicht um normales Feuer – schon deswegen, weil es in der Atmosphärelosigkeit sofort erloschen wäre.

Aus dem weißen Lichtsee trat eine bronzefarbene Gestalt, die Rhodan unwillkürlich an eine altertümliche Gliederpuppe erinnerte. Genauer gesagt trat sie nicht, sondern schwebte auf einem Antigravfeld, ohne sich erkennbar aus eigener Kraft zu bewegen.

Erst wenige Meter vor der Gruppe der Neuankömmlinge setzte die Gestalt auf dem Boden auf, bewegte die Beine und schritt näher.

»Guten Tag, Sichu Dorksteiger«, sagte sie, »Iwán/Iwa Mulholland, Perry Rhodan, Tergén. Ich bin ein Ylant und spreche im Namen meines Vaters ein Willkommen aus. Die Gäste Farye Sepheroa und Ghizlane Madouni sind bereits eingetroffen. Ich hoffe, der Abblendmodus ist euch angenehm in den Augen?«

Erst bei diesen Worten fiel Rhodan auf, dass das strahlend helle Gleißen über ihnen weitaus greller wirkte. »Das war sehr vorausschauend, danke.«

»Es gibt nicht viele Gäste im Zentralgebäude, aber ein Ylant vergisst nie, welche Erfahrungswerte er einmal gesammelt hat. Das hat Vater weise bedacht.«

»Du redest von NATHAN?«, fragte Iwán/Iwa.

Der Ylant wandte sich ihm zu. »Von wem sonst?« Er lächelte mit dem seltsam menschlichen Gesicht, das in dem grob ausgearbeiteten, teils hölzern-verwittert aussehenden Körper unpassend perfekt und detailliert geformt wirkte. Es bildete die Mimik eines fast zu schönen Terraners oder einer Terranerin – ein Geschlecht ließ sich nicht bestimmen.

Und veränderten sich die Gesichtszüge nicht ein wenig, als sich der Ylant Iwán/Iwa bei seiner Antwort zuwandte?

Rhodan schloss kurz die Augen, sah erneut hin.

Ja – beide hatten sich leicht verändert, der Ylant ebenso wie Iwán/Iwa. Sie sahen etwas weiblicher als zuvor aus, auf eine Weise, die Rhodan nicht näher beschreiben konnte.

»Wozu dienen die Bronzehütten?«, fragte er.

»Es sind weder Hütten noch Häuser«, stellte der Ylant richtig.

»Aber ihr schlaft darin?«

»Wir benötigen keinen Schlaf.«

»Also ... wohnt ihr darin?«

»Wir wohnen nicht«, sagte NATHANS Kind. »Wir sind.«

»Wozu dann Häuser?«, fragte Tergén.

»Warum benötigt ihr welche?«, fragte der Ylant zurück.

»Wir wohnen darin. Schlafen. Essen. Treffen uns mit anderen.«

»Interessant«, kommentierte der Ylant. »Wollt ihr mir nun bitte folgen? Die beiden weiblichen Gäste warten auf euch. Danach zeige ich euch in meines Vaters Auftrag einen Teil seiner Schöpfung.«

»Du meinst das Ylatorium?«

»Ich dachte an einen Gang durch einige Bronzehütten und den Kelch. Anschließend wartet NATHAN in seinem Kabinett auf dich, Perry Rhodan. Falls du tatsächlich Perry Rhodan bist. Meine Ansprache erfolgt stets unter Vorbehalt, bis Vater zu einer Einschätzung gelangt ist.«

»Wie soll ich dich ansprechen?«

»Ich bin ein Ylant.«

»Trägst du keinen eigenen Namen?«

»Oder eine Nummer?«, ergänzte Sichu.

»Wieso sollte ich das?«, fragte der Ylant verwundert.

»Wie viele von euch gibt es?«, wollte Tergén wissen.

»11.438.386«, kam die Antwort ohne jedes Zögern. »Moment. Jetzt 11.438.387. Folgt mir bitte.«

Der Ylant führte sie näher zu der lodernden Flammenwand. Trotz der Lichtdämmung umflutete ihn das grelle Weiß, sodass es aussah, als müsste er verglühen. Mitten in der gleißenden Helligkeit stand eine flache rechteckige Metallscheibe, die an eine Miniaturausgabe der Dominostein-Raumschiffe erinnerte.

»Bitte steigt auf«, sagte er.

Die vier Gäste folgten der Aufforderung, und Haltestangen fuhren aus dem Boden. Die Scheibe erhob sich. Der Ylant schwebte auf seinem Antigravfeld neben der Flugplattform her.

Sie erreichten eine der Ansammlungen von Hütten. Acht dieser Gebilde stapelten sich in drei Stockwerken aufeinander, wobei Lücken blieben, ohne dass ein System erkennbar wurde.

Durch einen dieser Freiräume sah Rhodan in den Bereich dahinter – in dem sich scheinbar willkürlich weitere Bronzehütten verteilten. Auch Ylanten waren dort unterwegs. Einer strich eine Außenwand – mit Bronzefarbe, obwohl das dem Augenschein nach nicht nötig gewesen wäre. Und ein schlauchartiges Gebilde wand sich zwischen den Hütten, offenbar aus transparentem Hartplastik.

Ihr Führer öffnete den Zugang zu einer der ersten Hütten. Sie traten ein und erkannten, dass sie in einer Schleuse standen.

Im Inneren der eigentlichen Bronzehütte erwarteten sie wenig später Farye Sepheroa und Ghizlane Madouni. Sie saßen mit eingefalteten Helmen auf zwei Stühlen, den einzigen Einrichtungsgegenständen in dem großen, sonst völlig kahlen Raum.

»Ihr könnt die Raumanzüge öffnen«, sagte der Ylant. »Die Atmosphäre bietet beste Bedingungen.« Er sprach nicht mehr über Funk, sodass Rhodan die Worte nur gedämpft hörte. »Dies ist übrigens meine Hütte«, ergänzte er, und es klang etwas wie Stolz darin mit.

»Wofür nutzt du sie?«, fragte Tergén, den dieses Thema offenbar nicht losließ.

»Müssen alle Dinge einem Zweck dienen? Dürfen sie nicht einfach nur schön sein?«

»Du empfindest Schönheit?«

»Selbstverständlich«, antwortete der Ylant. »Zu existieren, ist schön. Mein Vater ist schön. Sogar biologisches Leben kann Elemente von Schönheit aufweisen.«

Er hob den Arm und ließ ihn rasch wieder fallen, sodass er im Schulter- und Armgelenk nachpendelte. »Folgt mir nun bitte, ich habe eine Route vorbereitet und einen Gästetunnel verlegt.« Er ging zum hinteren Ende des Raumes, blieb vor der Wand stehen.

Scheinbar unterschied diesen Bereich nichts von jedem anderen, doch als er eine bestimmte Stelle antippte, fuhr ein Teil zur Seite und öffnete einen Durchgang. Ein Tunnel schloss sich an – ebenjener transparente Schlauch, den Rhodan schon bemerkt hatte.

»Ich habe lange an der besten Route gearbeitet«, sagte der Ylant. »Allein die Planung dauerte mehr als drei Sekunden. Ich hoffe, ihr werdet zufrieden sein.«

»Ganz sicher«, sagte Rhodan.

Als er den Ylanten passierte, sagte dieser beiläufig: »Und falls es dich interessieren sollte: Wir sind nun 11.438.401.«

*

Sie gingen durch den schlauchartigen Tunnel, geführt von dem Ylanten – offenbar die hiesige Variante einer Besichtigungstour, wobei es wenig zu sehen gab.

Sie passierten Unmengen von Bronzehütten in den verschiedensten Kombinationen. Am meisten faszinierte Rhodan eine Ballung von mindestens 1000 dieser Gebilde, die in ihrer Gesamtheit eine Pyramide formten, zusammengesetzt wie aus den zahllosen Bausteinen eines extrem geduldigen Kindes.

Hin und wieder sahen sie Ylanten, die manchmal unbestimmbaren Beschäftigungen nachgingen.

Die meisten standen reglos da, andere sprachen wild gestikulierend miteinander. Sobald sie redeten, bildeten sich Gesichter aus. Rhodan bedauerte, den Gesprächen nicht lauschen zu können, denn der Tunnel war zwar perfekt durchsichtig, ließ jedoch keinerlei Geräusche passieren. Er fragte sich ohnehin, warum sie redeten, wo es doch keine Atmosphäre außerhalb des Schlauches gab, die Schallwellen transportieren könnte.

Ein Ylant tanzte, und es sah verwirrend anmutig aus, wie er sich völlig einsam auf dem Dach einer Bronzehütte bewegte.

Ein anderer projizierte ein Holo vor sich, in dem er Zahlen verschob.

»Wie gefällt es euch?«, fragte ihr Gastgeber. »Ich habe die variablen Tunneleinheiten zu diesem Weg kombiniert, der uns bis zu dem Kelch führen wird.«

»Es ist im höchsten Maß faszinierend, die Ylanten zu beobachten«, sagte Tergén. »Ein Vergleich mit der Kultur und dem Verhalten der Posbis drängt sich auf.«

»Wieso?«

»Sie sind eine positronische Zivilisation.«

»Und?«

»Genau wie ihr.«

Der Ylant legte seine Bronzehand auf Tergéns Schulter. »Vergleichst du dein Verhalten mit dem einer Spinne, nur weil ihr beide biologische Wesen seid? Oder mit einer Biene, nur weil sie wie du in einem organisierten Staat lebt?«

Der Historiker zögerte. »Entschuldige meine Naivität. Ich danke dir für diesen aufschlussreichen Gedanken, der ...«

Weiter kam er nicht.

Ein reißendes Geräusch unterbrach ihn.

Rhodan warf alarmiert den Kopf herum und sah ein winziges Loch in der transparenten Seitenwand des Tunnelschlauchs, etwa zwei Meter voraus. Im nächsten Moment platzte es weiter auf, die Atmosphäre entwich tosend, und der Tunnel explodierte.

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)

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