Читать книгу Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2) - Perry Rhodan - Страница 31
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Wer bist du?
Feuer loderte auf, raste in den Tunnelschlauch, auf Rhodan und seine Begleiter zu, und erlosch sofort wieder – die Atmosphäre entwich fauchend, die transparente Hülle des Tunnels knackte und knirschte.
Eisige Kälte schlug Rhodan ins Gesicht, er riss den Kopf herum, sah Iwán/Iwa an – als Mutant könnte Mulholland teleportieren, sogar eine oder mehrere Personen mit sich nehmen.
Dann herrschte völlige Stille.
Die Stille des Vakuums.
Sie endete schon im nächsten Augenblick, als der SERUN den Helm selbsttätig schloss. Seine Begleiter trugen ebenfalls Raumanzüge und wurden durch die automatischen Funktionen geschützt. Rhodans erstem Eindruck zufolge war niemand verletzt worden.
Die Reste des Hüllenmaterials flatterten noch eine Sekunde, dann standen sie still. Auf einer Breite von mindestens fünf Metern war über die gesamte Höhe der Tunnel zerrissen.
Der Ylant meldete sich per Funk: »Benötigt jemand Hilfe? Ich kann mir nicht erklären, wie es zu diesem Unfall gekommen ist. Die Schlauchelemente sind stabil, ich habe sie selbst verlegen lassen und überprüft.«
Die Worte kamen so schnell, als wäre er überfordert und müsse seinen Schreck verarbeiten. Womöglich ahmte er menschliches Verhalten nach, vielleicht drückte sich so tatsächlich seine ihm eigene, positronische Überraschung aus. »Und wo befindet sich Iwán Mulholland?«
Er nennt es bei seinem männlichen Namen, fiel Rhodan beiläufig auf, dann sah er erneut dorthin, wo Iwán/Iwa eben gestanden war. Offenbar war es doch noch teleportiert, ein wenig zu spät in einem echten Notfall – was es ohne die SERUNS gewesen wäre. Dieser Unfall hätte sie alle töten können.
Nur dass er nicht an einen Unfall glaubte.
Nicht, wenn es Vanothen und Topsider gab, die ihm aus dem Verborgenen nach dem Leben trachteten. Dieser neuerliche Vorfall bewies, dass er die Identitätsprüfung durch NATHAN schnellstmöglich hinter sich bringen sollte – er musste endlich nach Terra, ins Herz der Macht, und aktiv werden!
Mit Ghizlane Madouni als Kommandantin des Flaggschiffs hatte er eine erste Verbündete gefunden, das spürte er. Nun wollte er die Residentin kennenlernen, und wenn Homer G. Adams aus der Suspension erwachte, standen die Voraussetzungen gut, dass ...
»Wo ist Mulholland?«, fragte auch die Kommandantin, und das aus ihrer Sicht ganz zu Recht. Rhodan hatte ihr die besonderen Fähigkeiten seines Begleiters verschwiegen.
»Ich vermute, wir werden Iwán/Iwa bald wiedersehen«, sagte Rhodan ruhig.
Wohin mochte es sich geflüchtet haben? Es war in eine Schmerzensteleportation gegangen, um sich zu retten, das stand fest – aber mit welchem Ziel? Der letzte sichere Ort war in der Bronzehütte gewesen. »Gehen wir zurück zur Hütte.«
»Sie ist ... Teleporterin?«, fragte die Kommandantin, die Iwán/Iwa unwillkürlich als weiblich ansprach.
»So ähnlich«, sagte Rhodan.
»Entweder ist sie eine Teleporterin oder nicht.«
»Eine sehr spezielle Abart, aber der Einfachheit halber – ja.«
Sie stellte sich so dicht vor ihn, dass sich die Sichtscheiben ihrer Raumhelme fast berührten. »Du hättest es mir sagen müssen!«
»Hättest du an meiner Stelle die Karten auf den Tisch gelegt?«
Sie zögerte.
»Ohne Not?«, ergänzte er.
»Nein«, gab sie zu. »Aber jetzt würde ich es. Wir sollten uns vertrauen. Bei diesem Anschlag hätten wir alle sterben können.«
»Es ist nicht bewiesen, dass ...«, setzte der Ylant an.
»Es war kein Unfall«, herrschte sie das Geschöpf an. »Verbinde dich mit NATHAN, überprüfe, ob es einen Fehler im Material gab, und du wirst herausfinden, dass es ohne Außeneinwirkung niemals zu diesem Riss hätte kommen können!«
»Es gab nie zuvor einen vergleichbaren Vorfall«, sagte der Ylant. »Die Wahrscheinlichkeit spricht also dafür, dass du recht hast. Ich begleite euch zurück zu meiner Hütte. Wenn euer Freund sich dort befindet, bringe ich euch in den Kelchbau.«
»Ich werde mich der Überprüfung durch NATHAN stellen«, stellte Rhodan klar. »Sofort. Ohne weitere Verzögerung.«
Für einen Moment legte der Ylant den Kopf schief. »Vater ist einverstanden. Der Zwischenfall zeigt die Dringlichkeit dieses Treffens.«
Sie machten sich auf den Weg.
Rhodan überschlug die Zeit, die seit der Explosion vergangen war. Die Schmerzensteleportation nahm zwei Minuten und neun Sekunden in Anspruch, bis Iwán/Iwa am Zielort materialisierte; so war es immer, unabhängig von der Strecke, die es durch die Teleportation zurücklegte. Falls es die Bronzehütte als Ziel gewählt hatte, würde es dort auf sie warten. Mehr noch, es kam ihnen entgegen, obwohl es erschöpft und ausgezehrt aussah, wie jedes Mal nach einer Schmerzensteleportation.
In der Hütte wartete ein weiterer Ylant auf sie. »Vater hat eine Untersuchung angeordnet. Falls es Spuren gibt, werden wir sie finden. Ich bringe euch in den Kelch.«
»Und ich«, sagte der erste Ylant, »führe dich in NATHANS Kabinett, Perry Rhodan.«
Im Kelchbau des Ylatoriums
In der Empfangshalle des Kelches angekommen, setzte sich Ghizlane von den anderen ab. Ihr genügte es vollkommen, wenn sich einige Ylanten bei Rhodans Einsatzteam aufhielten – sie fand es sinnlos, diese Leute zu bewachen. Es waren keine Feinde, und sie würden sich nicht absetzen.
Stattdessen nahm sie Funkkontakt mit ihrem Sicherheitschef auf. Torr Nishal war mit ihr und Farye Sepheroa ins Ylatorium geflogen und gleich nach der Landung zum Kelch gegangen – dem einzigen Ort mit atembarer Atmosphäre und normalen Lebensbedingungen für Besucher.
Torr antwortete sofort.
»Wir müssen uns treffen«, sagte Ghizlane. Rundum herrschte wenig Betrieb, nur zwei Arkoniden gingen in einiger Entfernung vorbei. Sie hörte nichts als leises Wasserrauschen.
»Wo bist du?«
»In der zentralen Empfangshalle. Beim Wassergraben.«
»Ich brauche zehn Minuten.«
»Du hast fünf«, sagte sie.
Er versprach, sich zu beeilen, und beendete das Gespräch.
Sie kannte dieses alte Spiel zwischen ihnen. In nicht akut bedrohlichen Situationen gab er stets eine längere Zeitdauer an, um die Forderung, die sie danach stellte – meist etwa die Hälfte der Zeit –, doch noch erfüllen zu können.
Ghizlane setzte sich auf einen Stein beim Wassergraben, der durch die Empfangshalle floss. Eine Felslandschaft erstreckte sich rundum – als gäbe es draußen im Mare Ingenii nicht genug Gestein. Das Material stammte angeblich von der damaligen Baustelle des Kelches. Mehrere Tausend Bronzestäbe säumten den Graben, in einem geheimnisvollen Rhythmus angeordnet.
Ein einsamer Yura spazierte auf drei Laufbeinen durch das Wasser. Die anderen vier Tentakel reckte der menschengroße Kopffüßer in die Höhe und erreichte damit fast die Decke.
Die meisten Yuras im Solsystem lebten in den Kanälen von Skiaparelli auf dem Mars – die amphibischen Wesen liebten das Wasser, obwohl ihnen die Feuchtigkeit spendenden Humidoranzüge auch den Aufenthalt im Trockenen dauerhaft ermöglichten. Sie gehörten zu den wenigen Fremdkontakten der Menschheit im hiesigen Teil des Dyoversums – eines der Völker, für die es den alten Aufzeichnungen zufolge im Zwillingsuniversum keine Entsprechung gab.
Torr Nishal kam schon nach vier Minuten an. »Gerade so«, sagte er.
Ghizlane sah sich um – der Yura war weit genug entfernt, sonst niemand in der Nähe. Sie konnten ungestört reden. Sie berichtete von dem Anschlag.
»Er galt Rhodan?«, fragte ihr Sicherheitschef.
Seltsam – davon war sie automatisch ausgegangen, ohne es zu hinterfragen. »Anzunehmen.«
»Aber es gibt keine Beweise? Irgendwelche Spuren?«
»Nichts. Die Ylanten haben versprochen, mich auf dem Laufenden zu halten. Ich habe in meiner Autorität als Flaggschiffkommandantin den entsprechenden Befehl erteilt. Sie sehen es als Verbrechen in ihrer Siedlung an – etwas, das es so noch nicht gegeben hat.«
»Wieder die Vanothen?«, fragte er. Damit spielte er auf den ersten, spontanen Anschlag auf Rhodans Leben in Hanko Lees CISTOLO KHAN an.
»Vanothen – oder Topsider. Was ich jedoch nicht für wahrscheinlich halte. Rhodan hat unsere Gefangene ja tatsächlich zum Reden gebracht, zumindest teilweise.« Natürlich hatte sie Torr davon in Kenntnis gesetzt. »Demnach werden die Echsen eher abwarten, ob wir Rhodan bis zum Ablauf des Ultimatums ausliefern.«
»Hast du mit der Residentin gesprochen, was sie darüber denkt?«
»Eine Auslieferung kommt nicht infrage«, gab sich Ghizlane überzeugt. »Die Topsider nennen ja nicht einmal einen Grund.« Sie lachte humorlos. »Weil es keinen gibt. Sie haben kein Recht dazu.«
»Ich habe mich über Rhodan kundig gemacht. Er ist nicht gerade leicht zu fassen oder zu beschreiben. Meiner Einschätzung nach könnte er sich durchaus selbst ausliefern, wenn es einen offenen Krieg verhindert.«
Spontan wollte sie antworten, dass man ihn daran hindern musste, falls er das tatsächlich in Erwägung zog, aber sie schwieg. Sie dachte an die Momente in der Arrestzelle, an seinen Umgang mit der Gefangenen.
»Man wird sehen«, sagte sie stattdessen. »Du hast dir wie besprochen die Akten des TLD in Sachen Vanothen besorgt?« Das hatte sie ihm nach dem Anschlag in der KHAN aufgetragen, noch vor Rhodans Wechsel an Bord ihres Schiffes.
»Umfangreiches Material.«
»Kannst du von hier aus darauf zugreifen?«
Er tippte auf seinen Armbandkommunikator. »Bestens verschlüsselt ... aber ja.«
»Sieh nach, ob es unter dem ständigen Personal im Kelch einen Eintrag gibt.«
»Längst geschehen. Kein Treffer.«
Ghizlane fluchte.
»Es gibt jedoch Einträge bei den Angehörigen der im Kelch stationierten Raumjägerflotte.«
»Welcher Art?«
»Teilnahme an Demonstrationen. Nichts Illegales – wir reden von Militärpersonal.«
»Und von ihren Familien.« Ghizlane dachte nach. »Wie viele Treffer?«
»Von 500 Piloten etwa zwanzig Personen.«
»Ist Jindo noch Kommandant der lunaren Flotte?«
Er nickte.
Das war gut – sie kannte Jindo Kubertin seit einer gefühlten Ewigkeit. Als Kadetten auf der AMALIA SERRAN hatten sie sich gemeinsam ihre ersten Sporen verdient. Er würde offen mit ihr reden, wenn sie als Kommandantin des Flaggschiffs und als alte Freundin zu ihm kam und unbequeme Fragen stellte.
»Na dann«, sagte Ghizlane, »gehen wir auf die Jagd.«
*
Der Ylant schwebte vor ihm, Rhodan folgte und nutzte die Flugfunktion des SERUNS. Sie näherten sich rasch dem Zentralgebäude des Ylatoriums, diesem gewaltigen, ungeschlachten Klotz, um den energetische, gleißende Flammen loderten.
»Die Feuerzungen sind ein rein optisches Phänomen«, sagte der Ylant. »Keine Hitze, die dir Schaden zufügen könnte.«
»Mein SERUN ...«
»... sichert dein Überleben«, fiel ihm der Bronzeroboter ins Wort, um sich zu verbessern: »In der Atmosphärelosigkeit würdest du selbstverständlich nicht überleben, selbst wenn die Flammen dir nichts anhaben können.«
Im Lichtsee unter dem Zentralgebäude standen Dutzende von Ylanten nebeneinander aufgereiht. Sie streckten die Arme seitlich aus und fassten sich an den Händen.
Als sie weiterflogen, korrigierte Rhodan seinen Eindruck. Es handelte sich um Hunderte. Einen erkennbaren Sinn dieser eigentümlichen Prozession – ein passenderes Wort fiel ihm nicht ein – gab es nicht.
Zu zweit schwebten sie inmitten der Flammen zweihundert Meter hoch, bis sie einen Überhang erreichten, den sie umflogen. Der Ylant landete darauf wie auf einem Balkon.
Rhodan folgte dem Beispiel.
Gemeinsam traten sie in einen unregelmäßigen Tunneleingang, so willkürlich geformt, als wäre er bei einer ziellosen Sprengung entstanden. Es ging minutenlang geradeaus, wie durch einen natürlichen Tunnel im Felsen. Das Licht der Flammen blieb hinter ihnen zurück, die Dunkelheit nahm zu.
Rhodan schaltete die Helmlampe des SERUNS ein.
»Es ist nicht mehr weit«, kündigte der Ylant an.
Tatsächlich kamen sie kurz darauf zu einem flirrenden Energievorhang, der jedoch kein Hindernis bildete. Sie durchschritten ihn.
»Du kannst deinen Helm nun öffnen. Vater hat diesen Bereich für dich mit Atemluft geflutet.«
Rhodan folgte der Aufforderung.
Auch hinter dem Energievorhang änderte sich die Umgebung nicht. Es ging weiter durch den Tunnel, bis sie eine Höhle erreichten.
Von der Felsendecke hingen Tropfsteine. Der Terraner ließ den Blick schweifen. Rechts fiel die Decke stark ab, man könnte dort höchstens kriechen. In diesem Bereich wuchsen auch Stalagmiten vom Boden her; sie sahen aus wie Drachenzähne in einem noch leicht geöffneten Maul.
Der Ylant führte ihn durch die Höhle, und am gegenüberliegenden Ende begann eine andere Welt – ein metallblitzender, geradezu steriler Korridor, der schnurgerade weiterführte.
»Dort entlang«, sagte der Gliederpuppen-Roboter. »Nach hundert Metern findest du Vaters Kabinett.«
»Begleitest du mich nicht dorthin?«
»Nein«, sagte der Ylant, und es klang fast erschrocken.
Als hätte ich ihn aufgefordert, ins Allerheiligste seines Gottes einzutreten, dachte Rhodan, fühlte jedoch sofort, dass die religiöse Komponente dieses Vergleichs in die Irre führte.
Er ging durch den Korridor, der gerade hoch und breit genug war, dass er ihn bequem passieren konnte. NATHAN hatte ihn offenbar für den Besuch von Terranern konstruiert. Die allerdings nicht unter Klaustrophobie leiden durften.
So erreichte er eine weitläufige Halle, metallisch glänzend, penibel sauber, hell erleuchtet und menschenleer.
Keine Bronze, dachte Rhodan noch.
Dann ertönte NATHANS Stimme: »Wer bist du?«
*
»Perry Rhodan«, sagte er, während er tiefer in NATHANS Kabinett hineinging.
Im Zentrum wölbte sich eine leuchtende Halbkugel aus dem Boden, so groß, dass er mit einiger Mühe gerade noch hätte darüberspringen können. Die Oberfläche sah aus wie Milchglas, und da es sich um den einzigen Gegenstand im Raum handelte, bildete er ein logisches Ziel.
Darüber hing ein ebenfalls milchglasartiger, unten geöffneter Trichter von der Decke. Rhodan stellte unwillkürlich einen Vergleich an – würde sich das Gebilde absenken, könnte er die Halbkugel nicht umfassen.
Da NATHAN immer noch schwieg, als er dort ankam, hob er den Blick und sah in die Öffnung. Ein Metallgitter lag darin, und dahinter wiederum herrschte Dunkelheit.
Rund um die Halbkugel verlief ein Metallring, etwa einen halben Meter hoch. Rhodan setzte sich darauf und wartete ab.
»Und wer bist du?«, fragte er irgendwann.
»Du kennst mich«, antwortete das Mondgehirn.
»Und du mich.«
»Ich hoffe es. Ist dir dieses Bild als Gegenüber angenehm?« In der Milchglaskugel erschien das idealisierte Gesicht eines Terraners, alterslos und weißhaarig, die Haut kindlich glatt. Die Iriden im Augenweiß leuchteten arkonidisch-rot, die Pupillen waren irritierenderweise weiß.
»So angenehm wie jedes andere«, meinte Rhodan. »Wir können uns auch ohne solche Abbilder unterhalten.«
Das Gesicht verschwand.
»Wie geht es YLA?«, fragte NATHAN. »Sie ist zu meinem Schmerz in der alten Hälfte des Dyoversums zurückgeblieben.«
Dann, nach einer kurzen Pause, hoffnungsvoll: »Das ist sie doch, oder? Ich bedauere, dass ich über das Schicksal meiner Tochter im Unklaren geblieben bin, mehr als vierhundert Jahre lang.«
»YLA existiert«, sagte Rhodan. »Sie befindet sich auf der ausgetauschten Erde, auf jener Welt, die früher hier ihrer Bahn gezogen hat.«
»Führt sie ein sinnvolles Leben?«
»Sie steht in Kontakt mit den dortigen Bewohnern und hilft ihnen. Sie nennen sich Ayees. YLA ist ein wichtiges Element der Kultur ihres Volkes geworden.«
»Das ist gut«, sagte NATHAN.
»Du hast dir viele Kinder geschaffen.«
»Sie sind gut, aber sie haben einen Fehler.«
»Und der wäre?«
»Sie sind nicht YLA«, sagte der Rechner.
»Wieso hast du die Ylanten geschaffen?«
»Als Experiment. Ich erforsche mich in ihnen selbst.«
»Eine wie mir scheint hochkomplexe Kultur. Mal synergetisch-kollektiv, dann wieder eher individualistisch. Der Ylant, der mich hierhergeführt hat, sprach von seiner Bronzehütte.«
»Er musiziert«, sagte NATHAN. »Obwohl ich ihn nicht dafür programmiert habe.«
»Ich beglückwünsche dich zu deiner kybernetisch-positronischen Kultur«, lobte Rhodan. »Sie ist deiner würdig.«
»Ich musste mich selbst finden, denn etwas hat sich geändert, seit die Erde den Bereich jenseits der Zerozone verlassen hat und in diesen Teil des Dyoversums versetzt worden ist.«
»Ja?« Rhodan stand auf.
»Dort hatte ich stets eine doppelte Loyalität – zu euch, der Menschheit ... und zu ES. Aber die Superintelligenz ist verloren gegangen. Sie war schon vor dem CEE nicht in der Milchstraße, nicht mehr spürbar. Hier ist es vollkommen anders. Es gibt keine Superintelligenzen in dieser Hälfte des Dyoversums.«
»Nirgends?«
»Wir kennen nur einen kleinen Bereich dieses Zwillingsuniversums, doch alle Fakten legen es nahe, ja. Keine Eiris, keine Superintelligenzen, keine höheren Mächte, kein Moralischer Code. Es ist schrecklich. Und wunderschön.«
»Wie willst du meine Identität prüfen?«, fragte Rhodan.
»Ich vermag der Menschheit die verlorene Superintelligenz nicht zu ersetzen«, fuhr NATHAN fort, als hätte er die Frage nicht gehört. »Aber ich kann mich in Grenzen dafür engagieren, einen Ausgleich zu bieten. Die Ylanten helfen mir dabei. Ich erkannte ein Problem, für dessen Lösung ich größere Ressourcen benötige, als ich bislang besitze. Deshalb gefiel mir von Anfang an der Gedanke des Jathao Vanoth, keine Ressourcen zu verschwenden.«
»Wie lautet dieses Problem?«, wollte Rhodan wissen.
»Die erste Inkarnation meiner universalen Frage lässt sich so formulieren: Ist der Geist das letzte Problem oder die Lösung?«
Der Terraner dachte nach. »Es ähnelt der dritten Ultimaten Frage der Kosmokraten: Wer hat das GESETZ initiiert, und was bewirkt es?«
»Du hättest die Antwort damals erhalten können, Perry Rhodan, am Berg der Schöpfung, doch du hast sie verweigert.«
»Also erkennst du mich bereits an?«
Wieder überging NATHAN Rhodans Frage. »Ich strebe nicht an, mich zur Superintelligenz zu entwickeln. Für solche Entitäten ist dieser Teil des Dyoversums offenbar nicht geeignet.«
»Vielleicht könntest du das erste Überwesen werden, das hier entsteht, und deshalb bestehen.«
»Möglich«, sagte das Mondgehirn, »aber es ist nicht mein Ziel. Meine Kinder bereiten mir genug Arbeit.«
Rhodan fragte sich, ob NATHANS Absicht, mit dem Ylatorium einen Schritt zur Beantwortung seiner selbst gestellten Frage zu gehen, bedeutete, dass er für immer in diesem Teil des Dyoversums bleiben wollte. Dass er, kurz gesagt, wie die Vanothen dachte. Aber er würde NATHAN in dieser Sache nicht zur Rede stellen. Nicht zu diesem Zeitpunkt und womöglich nie.
»Ich habe Distanz gewonnen«, sagte das Mondgehirn. »Mit diesem Abstand scheinen mir bestimmte Epochen der Menschheitsgeschichte in ganz anderem Licht. War die Ankunft des Schwarms nicht Teil der großen kosmogeometrischen Symmetrie? Das Auftauchen des Hetos der Sieben etwa keine infinitesimale Gerechtigkeit? Und wie beurteilst du den Sieg gegen die Meister der Insel?«
»Ein Triumph über die Tyrannei«, sagte Rhodan.
»Nicht vielmehr derjenige der Unwahrscheinlichkeit über das Kalkül?«
»Du hast sogar recht, aber diese Unwahrscheinlichkeit hat die Menschheit bewirkt.«
»Tatsächlich? Ist die Menschheit ... bist du denn frei? Oder ein Instrument von ES?«
»Ich habe meine eigene Ideale geformt und folge ihnen«, sagte Rhodan. »Dazu setze ich mich mit meinen Mitmenschen auseinander, und wenn Superintelligenzen wie ES mitmischen, hinterfrage ich sie und fälle eine Entscheidung. So oder so. Zum Guten oder zum Bösen. Und nun sag mir, NATHAN – wer bin ich?«
»Du bist Perry Rhodan.«
»Danke. Und du weißt, NATHAN, dass die Topsider ein Ultimatum stellen? Dass die LFG mich ausliefern soll?«
»Ich habe Kenntnis davon.«
»Wie denkst du darüber?«
»Es wird sich weisen, was du tun musst, Perry Rhodan. Letztlich wirst du dich entscheiden, genau, wie du es soeben gesagt hast.«
»Ich muss nach Terra.«
»Du wirst erwartet.«
»Von der Residentin?«
»Nein. Geh zu deinen Begleitern in den Kelchbau. Ghizlane Madouni wird dich nach Terra bringen.«
»Wer wartet dort auf mich? Ist Homer G. Adams erwacht?«
»Sein Schlaf kann nicht enden, ehe die Regeneration seines Zellaktivators abgeschlossen ist. Gedulde dich.«
»Wer also sollte mich dann erwarten?«
»Ein alter Bekannter«, sagte NATHAN. »Rico.«