Читать книгу Roman-Paket Western Exklusiv Edition 11 Romane - Sammelband 7021 - Pete Hackett - Страница 25

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Sechshundert Meilen Einsamkeit, Sonnenglut und Stürme hatten Clay Lormans Gesicht gezeichnet. Es war ein hageres, scharfgeschnittenes Gesicht. Es zeigte keine Regung, als das Schnappen eines Gewehrschlosses die Stille der eben noch verlassen wirkenden Farm durchbrach. Ruhig und darauf bedacht, nicht die Hand in die Nähe seines tiefhängenden 44er Colts zu bringen, drehte Clay sich um. Er stand beim Ziehbrunnen. Sein Brauner, für den er einen vollen Eimer heraufgekurbelt hatte, schnaubte warnend. Zuerst sah Clay von dem Mann unterm Vordach nur die Beine. Die hochhackigen Stiefel mit den dollargroßen Radsporen verrieten ihm, dass es kein Mann war, der sein Brot hinterm Pflug verdiente.

»Lorman?«, fragte eine vor Anspannung gepresste Stimme.

Die Stetsonkrempe verdeckte das Aufblitzen in Clays Augen. Die Farm, eine Ansammlung halb verfallener Hütten unter einem wolkenverhangenen Himmel, lag ungefähr ein Dutzend Meilen südlich von Julesburg. Nie zuvor war er in dieser Gegend gewesen. Niemand hier kannte ihn, außer ...

»Ja, ich bin Clay Lorman«, antwortete er gelassen.

Der Mann auf dem Vorbau trat einen Schritt vor. Clay sah ein verkniffenes, unrasiertes Gesicht und das auf ihn gerichtete Gewehr. Und er sah noch etwas: die Entschlossenheit zum Töten in den Augen des Fremden.

Clay warf sich zur Seite. Im selben Moment dröhnte ein Schuss an seine Ohren. Der Braune wieherte durchdringend. Clay prallte hart mit der linken Schulter auf. Gleichzeitig brachte er seinen Sechsschüsser hoch. Sechshundert Meilen im Sattel hatten zwar an seinem Gewicht gezehrt, nicht aber an seiner Schnelligkeit. Die Entschlossenheit des Gegners ließ Clay keine Wahl. Er feuerte, drehte sich einmal und schoss wieder. Der Mann mit dem Gewehr krümmte sich, bis er das Gleichgewicht verlor und von der Veranda stürzte. Staub puffte hoch.

Clay rollte sich hinter den Ziehbrunnen. Geduckt, die Waffe in der Faust, stemmte er sich auf die Knie. Sein Pferd war weitergelaufen. Abgrundtiefes Schweigen senkte sich auf die Prärie, die sich scheinbar endlos nach allen Seiten erstreckte. Die Tür des Farmhauses hing schief in den Angeln. Die Fenster waren geborsten, die Dunkelheit dahinter undurchsichtig.

Clays Wolfsinstinkt war erwacht. Der Instinkt eines Mannes, in dem die Erinnerung an die Hölle des Bürgerkriegs wie eine Flamme brannte. Bis in die Fingerspitzen spürte er die Gefahr, die hier auf ihn lauerte. Seine sehnige Gestalt straffte sich. Er trat hinter dem Ziehbrunnen hervor.

Kein Schuss fiel. Clays Finger blieb am Drücker. Er wartete fünf Sekunden, dann ging er vorsichtig auf das morsche Gebäude zu. Seine Sporen klirrten leise.

Plötzlich schrie jemand in der Hütte: »Vorsicht, Lorman! Da ist noch ...« Das Klatschen eines Schlages folgte. Dann war ein Schatten am Fenster rechts der Tür. Ein Feuerstrahl beleuchtete für einen Moment ein wutverzerrtes, breitflächiges Gesicht.

Clay machte einen Satz nach links, schoss, und dann tat er genau das, was der Kerl im Farmhaus am wenigsten erwartete. Statt in die Deckung der Brunnenmauer zurückzuspringen, rannte er in Zickzacklinie wild feuernd auf die Hütte zu. Mündungsblitze rasten aus dem Fenster. Staubfontänen spritzten hinter Clays wirbelnden Absätzen hoch. Dann war der große Mann an der Gebäudeecke, außer Reichweite der Waffe. Rasch schnallte er seine Sporen ab. Die Seiten wand war fensterlos, so dass er nicht ins Haus blicken konnte. Mit heftigen Atemzügen hob und senkte sich seine Brust. Aber sein Gesicht wirkte noch immer wie aus Stein gehauen.

Sie hatten auf ihn gewartet! Das hieß, dass Rhett gewarnt worden war. Rhett hatte gewusst, dass er von Süden herauf und damit an dieser verlassenen Farm vorbeikommen würde. Und nach allem, was damals geschehen war, hatte Rhett nicht den Mut gefunden, ihm allein entgegenzutreten. Clay dachte an den Brief in seiner Hemdbrusttasche. Die Zweifel, ob es wirklich die richtige Spur war, die der Absender dieses Schreibens ihm wies, waren endlich vergangen. Härte spannte seinen schmalen Mund. Die Härte eines Mannes, der dem Tod schon zu oft begegnet war, als dass seine Nähe ihn mit Entsetzen lähmen konnte.

»Lorman!« Das war wieder die Stimme, die ihn zuvor gewarnt hatte. »Der Kerl ist weg, Lorman, abgehauen! Helfen Sie mir, ich bin hier festgebunden!«

Clay zögerte, horchte gespannt. Da war nur das Mahlen des Sandes unter den Hufen seines Braunen, der zum Brunnen und dem wassergefüllten Eimer zurücktrottete. Mit einem Sprung war Clay auf dem von Unkraut umwucherten Vorbau. Zwei Schritte brachten ihn neben die offene Tür. Nichts rührte sich. Nur hinter dem Schuppen, dessen Dach eingestürzt war, drang Gewieher und Hufgestampfe hervor. Katzenhaft glitt Clay über die Schwelle. Sein Blick streifte kurz die Gestalt, die in der Mitte des Raumes an einen Stützpfosten gefesselt war. Dann war er am Fenster. Draußen war es still. Die Wolken hingen tief über der Ebene. Diffuses Licht umgab die niedrigen Brettergebäude.

»Sie haben ihn am Arm erwischt«, keuchte der Festgebundene. »Da verlor er die Nerven. Er ist durch das Fenster da abgehauen.«

Der Mann wies mit einer Kopfbewegung zum scheibenlosen Viereck in der Schmalseite. Clay drehte sich. Seine Waffe sank herab. Es war ein glattes, fremdes Gesicht. Dunkle, wache Augen musterten ihn. Der Mann war um die dreißig, mittelgroß, schlank. Sein Stadtanzug war zerknittert und verstaubt, die Kragenschleife aufgerissen. Seine Hände waren über dem Kopf zusammengeschnürt. Trotzdem lächelte er.

»Ich hatte den Halunken gesagt, dass sie keine Chance gegen Sie haben würden, Captain. Nicht gegen einen Mann, der als ,Sieger vom Moberty Creek‘ in die Geschichte des Bürgerkriegs eingegangen ist.«

Ein Schatten überflog Clays Miene.

»Nennen Sie mich nicht Captain, Mister! Die Vergangenheit ist lange tot.«

Das Lächeln des Gefesselten blieb. Ein Funkeln erschien in seinen Augen.

»Wenn es sich so verhielte, Lorman, wären Sie kaum den langen Weg von New Mexico zum South Platte River heraufgeritten.«

Clay ging zu ihm. »Sie sind Pat Scobey, stimmt’s?«

Das war der Name, der unter dem Brief stand, den er bei sich trug. Scobey lachte. Er sah plötzlich wie ein Junge aus. Seine Augen strahlten.

»Stimmt! Ich hab eine Menge über Sie gehört, Lorman, aber die Art, wie Sie sich eben eingeführt haben, schlägt alles. Mann, das ist ein Kennenlernen ganz nach meinem Geschmack!«

»Nicht nach meinem!«, murmelt Clay. Er dachte an den Toten, der draußen vor der Hütte lag.

»Ich hoffe, Sie binden mich trotzdem los, damit ich Ihnen die Hand schütteln kann!« Und während Clay die Stricke zerschnitt, fuhr er fort: »Weiß der Henker, wie Clinton Verdacht geschöpft hat, dass ich Ihnen einen Brief geschrieben habe. Jedenfalls hetzte er mir seine Freunde auf den Hals, und die fanden prompt die Durchschrift meiner Nachricht an Sie. Seit fünf Tagen hocken die beiden Kerle nun schon hier draußen und warten auf Sie. Für lumpige hundert Dollar, die Clinton ihnen versprochen hat. Teufel, das sind schon lausige Zeiten, wenn der Skalp eines Mannes wie Sie einer sind, nicht höher im Kurs steht! Was, Lorman?«

Er war nicht beleidigt, als Clay die Hand übersah, die er ihm hinstreckte. Clay hatte sich bereits wieder der Tür zugewandt. Der zweite Heckenschütze war noch immer irgendwo da draußen, und Clay war kein Mann, der einen unbekannten Gegner unterschätzte. Schon gar nicht, wenn er wusste, dass sein ehemals bester Freund ihm diesen Burschen auf den Hals gehetzt hatte.

»Einen Mann wie Rhett Clinton zum Feind zu haben ist keine Lappalie. Warum haben Sie’s riskiert, Scobey?«

»Ganz bestimmt nicht, um Ihre Dankbarkeit zu ernten, wenn Sie das befürchten«, lachte Scobey jungenhaft. »Vielleicht, weil sonst niemand da war, der Ihnen den richtigen Tipp geben konnte. Diese Zeit ist verdammt schnelllebig. Als gleich nach dem Bürgerkrieg alles drunter und drüber ging, waren die Geschichten um den ,Sieger vom Moberty Creek‘, die damals in allen Zeitungen standen, schnell vergessen. Aber nicht hier ...« Er blinzelte verschwörerisch und legte kurz die Fingerspitzen an die Stirn. »Schließlich war ich damals einer von denen, die Ihren Ruhm verbreitet haben, Captain. Ein Mann vom Fach sozusagen. Sie verstehen?«

Clay kniff die Augen zusammen.

»Einer, der es sich nicht entgehen lässt, Schicksal zu spielen, wenn dafür ein Batzen Geld für ihn herausspringt.«

Scobey zuckte die Achseln.

»So krass würde ich das nun nicht sagen. Aber ... na ja, die Zeiten sind wirklich erbärmlich! Da muss jeder sehen, wo er bleibt. Fest steht, dass Sie seit zwei Jahren auf ein Wiedersehen mit dem damals spurlos verschwundenen Clinton warten. Fest steht auch, dass ich ein gemachter Mann bin, wenn ich dieses, hm, Wiedersehen groß in meiner Zeitung 'rausbringe. Dann kann ich meine Artikel sogar an Harpers Weekley verkaufen. So ist uns beiden geholfen, Lorman. Warum auch nicht? Das Ganze ist nichts weiter als ein ...« Er verstummte, als er den harten Glanz in Clays grauen Augen bemerkte. Augen, die die Hölle gesehen hatten und deren Blick er auf einmal nicht mehr ertrug. »Glauben Sie nur nicht, es war einfach, nach zwei Jahren rauszufinden, wo Sie steckten, Lorman, nachdem der Zufall Clinton nach Julesburg verschlug!«, erklärte er hastig. »Wer wäre auch schon auf die Idee gekommen, dass Sie in irgendeinem Kaff im Süden von New Mexico den Stern genommen haben. Ich musste da ’ne Menge Hebel in Bewegung setzen und Beziehungen spielen lassen, bis ...«

»Schreiben Sie Ihre Unkosten zusammen! Sie bekommen Ihr Geld.«

»Du liebe Zeit, Lorman, so war’s doch nicht gemeint! Ich will nur, dass Sie verstehen, wieviel für mich davon abhängt, dass ...«

»Dass ich Rhett Clinton vor meinen Revolver hole! Auch auf die Gefahr hin, selber dabei auf der Strecke zu bleiben.«

»Nicht doch!«, grinste der Zeitungsmann angestrengt. »Sie haben eben bewiesen, dass Sie immer noch unschlagbar sind. Die Leute werden begeistert sein, wenn es wieder mal Schlagzeilen von Ihnen gibt. Der ,Sieger vom Moberty Creek‘, der zurückkehrt, um mit seinem einstmals besten Freund abzurechnen! Das wird wie eine Bombe einschlagen, Lorman, darauf geb' ich Ihnen meine Garantie!« Hastig zückte er einen ledergebundenen Notizblock und einen Schreibstift. »Wieso ist es zwischen Clinton und Ihnen damals eigentlich so weit gekommen? Es hieß, eine Frau wäre mit im Spiel gewesen als ...«

»Ich bin hergekommen, um Rhett Clinton wiederzusehen, wie Sie es nennen, Scobey, nicht, um Interviews zu geben«, unterbrach Clay ihn schroff.

Auf der anderen Hofseite hämmerte Hufschlag hinter dem Schuppen los. Er entfernte sich schnell nach Norden. Die Männer im Haus bekamen niemanden zu sehen. Scobey war zusammengezuckt. In seinem Eifer hatte er vergessen, wo sie sich befanden.

»Er flieht!«, rief er. »Er wird Clinton warnen. Jetzt dürfen wir keine Zeit mehr verlieren, Lorman!« Er war schon an der Tür, als Clay ihn am Arm erwischte und zur Seite riss. Keinen Sekundenbruchteil zu früh. An der Schuppenecke peitschte es. Kugeln pfiffen herein.

Erschrocken presste sich Scobey an die Bretterwand.

»Du lieber Himmel! Lorman, woher wussten Sie ...?«

»Es war nur ein Pferd, das die Farm verließ. Warum hätte der Schurke die anderen Gäule zurücklassen sollen?« Clay ergriff das neben dem Fenster lehnende Gewehr und hielt es dem Zeitungsmann hin. »Geben Sie mir Feuerschutz, Scobey, dann werde ich ...«

»Verdammt will ich sein, wenn ich je in meinem Leben ein Schießeisen anfasse!« Scobey schüttelte heftig den Kopf. »Jedem das Seine! Ich bin ein Mann der Feder, nicht der Waffe. Und immerhin hat es der Bastard dort draußen nicht auf meinen, sondern Ihren Skalp abgesehen, Lorman.« Mühsam lächelnd und ein wenig bleich um die Nase, fügte er hinzu: »Ich bin nur Zuschauer. Das ist mein Job.«

»Ach so.« Ruhig stellte Clay das Gewehr zurück. »Sie fürchten wohl, der Pulverdampf könnte Ihren Blick so trüben, dass Sie hinterher nicht mehr wissen, was Sie gesehen haben und in Ihrer Zeitung schreiben sollen. Wie heißt das Blatt eigentlich?«

Drüben knallte es wieder. Scobey duckte sich instinktiv.

»Es wird erst einen Namen bekommen«, krächzte er. »Platte River Courier oder so ähnlich. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass es von der ersten Nummer an wie warme Semmeln weggehen wird, wenn Ihre Geschichte drinsteht.«

»Sie sind ein Optimist, Scobey.«

»Sie etwa nicht?«

»Momentan bin ich nur ein Mann, der vorhat, am Leben zu bleiben. Auch ohne Ihren Feuerschutz.«

Clay war schon draußen. Der Kerl an der Schuppenecke sah ihn als einen jäh unterm Vordach hervorschnellenden gestreckten Schatten. Da beging der Bandit den Fehler, den er schon mal gemacht hatte: Er schoss viel zu schnell. Dabei schob er sich halb hinter dem Schuppen hervor, um besser zielen zu können. Clay ging mit der aufgestützten Linken in die Hocke. Er schoss nur einmal. Als er im nächsten Moment geschmeidig hochkam, lag der Mann beim Schuppen mit dem Gesicht reglos im Staub. Steifbeinig ging Clay zu ihm. Er hielt die Waffe in der Faust, als er den Mann herumwälzte. Die Kugel hatte den heimtückischen Schützen mitten ins Herz getroffen. Mit dunklen Linien beiderseits der Mundwinkel richtete sich Clay Lorman auf. Scobey war aus dem Haus gekommen. Er schrieb eifrig in sein Notizbuch, steckte es aber sofort weg, als Clay zu seinem Braunen stiefelte.

»He, Lorman, warten Sie doch!«, schrie er aufgeregt. »Ich komme mit. Ich will dabei sein, wenn Sie in Julesburg auf Clinton treffen. Hölle und Verdammnis, dafür hab ich doch alles riskiert! Also warten Sie, Mann!«

Clay zog sich in den Sattel. Sein Mund war ein messerscharfer Strich, als er den Braunen herumzog und nach Norden lenkte, Julesburg zu.

Roman-Paket Western Exklusiv Edition 11 Romane - Sammelband 7021

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