Читать книгу Roman-Paket Western Exklusiv Edition 11 Romane - Sammelband 7021 - Pete Hackett - Страница 28

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Bancroft streckte seinen Kopf aus dem scheibenlosen Fenster, als die Kutsche plötzlich hielt. Der von Kugeln und Pfeilen lädierte Aufbau schwankte noch in den Lederschlaufen. Clinton und der bullige Schießer, der mit ihm auf dem Bock gesessen hatte, gingen an den Pferden vorbei nach vorn.

»Was ist denn?«, wollte Bancroft beunruhigt wissen. Doch ihre Aufmerksamkeit galt irgendetwas, das vor der Kutsche auf dem Weg lag. Die Overland Road war hier nichts weiter als eine von Rädern und Hufen getrampelte Präriepiste. Sie schlängelte sich durch ein Gewirr niedriger, buschbestandener Hügel. Da und dort ragten Felskegel aus dem Büffelgras. Es nieselte. Die Konturen verschwammen in bleiernem Grau. Das Fell der Pferde glänzte.

Mit grämlicher Miene kletterte Bancroft aus dem Fahrzeug. Die beiden übrigen Revolvermänner folgten ihm. Die seit Wochen ausgetrocknete Erde saugte die Feuchtigkeit auf wie ein Schwamm. Bancroft stellte den Mantelkragen hoch und hielt seinen Zylinder fest, obwohl kein Lüftchen sich bewegte. In dem schwarzen, bis zu den Knöcheln reichenden Mantel sah er wie eine Vogelscheuche aus. Bancrofts Blick flackerte nervös über die Büsche und Felsen an den Hängen. Plötzlich blieb er ruckartig stehen. Gebannt starrte er auf den gebleichten Büffelschädel, der vor Clinton und dem Bulligen auf dem Trail lag. Der leichte Regen hatte die aufgemalten Zeichen noch nicht abgewaschen. Ein rot befiederter Pfeil ragte aus dem linken Augenloch.

»Was zur Hölle hat das denn zu bedeuten?«

Rhett Clinton lächelte.

»Die Cheyennes sind höfliche Burschen, auch wenn sie in den Städten und Forts als blutrünstige Wilde verschrien sind. Sie warnen ihre Feinde, bevor sie kommen, um ihnen die Kehle durchzuschneiden.«

Bancroft schluckte und blinzelte, als wüsste er nicht, ob Clinton ihn nicht bloß auf den Arm nehmen wollte. Die finster verkniffenen Mienen der anderen verrieten ihm jedoch genug. Auch Clintons Lächeln war plötzlich fort.

»Ich bin ja kein großer Indianerspezialist«, sagte er hart, »aber soviel ist klar: Die Cheyennes bewachen den Trail! Der verdammte Büffelschädel da bedeutet nichts anderes, als dass die Knochen jedes Weißen, der diesen Weg benutzt, genauso im Regen vermodern ...« Er lauschte. Seine Rechte glitt zum Sechsschüsser. Dann hörte es auch Bancroft. Der allmählich zunehmende Regen dämpfte das ohnehin verschwommene Geräusch. Hufschlag! Irgendwo hinter den Hügeln nördlich der Overland Road waren Reiter unterwegs. Bancrofts Begleiter schwärmten lautlos aus. Jeder hielt die Waffe in der Faust.

»Rothäute?«, krächzte der Bankier.

Der Bullige spuckte aus.

»Ihre Stammtischbrüder aus Omaha sind es jedenfalls bestimmt nicht!«

Das Hufgetrappel kam näher. Plötzlich setzte es aus. Die Männer warteten gespannt. Nichts. Eine Minute verstrich. Der Nieselregen hüllte die Prärie in trüben Dunst. Der Tag war über das Stadium der Dämmerung nicht hinausgekommen.

»Es heißt, diese Bastarde können ’nen Feind auf eine halbe Meile gegen den Wind wittern«, murmelte der Bullige gepresst. »Rhett, wenn's nach mir geht, steigen wir wieder in die verdammte Kutsche und sehen zu, dass wir schnellstens nach Julesburg zurückkommen.«

Bancroft zuckte zusammen. »Das ist gegen unsere Abmachung!«

»Glauben Sie bloß nicht, Sie kommen auch mit den Cheyennes ins Geschäft! Wissen Sie, wie diese Bastarde bei den anderen Stämmen genannt werden?« Er grinste verkniffen, als der Bankbesitzer ihn bleich und entsetzt anstarrte. »Das Armabschneidervolk! Raten Sie mal, wieso ...«

»Ruhe, verdammt!«, zischte Clinton.

Das Pochen der Hufe war plötzlich wieder zu hören, nur mehr durch eine Hügelreihe von der mitten auf der Piste wartenden Stagecoach entfernt. Der Regen hüllte alles in dichte, graue Schleier.

»Da!« Einer von Clintons Gefährten wirbelte herum und stieß die Waffe hoch.

Gleichzeitig ertönte ein kehliger Schrei. Ein Schwirren folgte. Der Pfeil verfehlte den Revolvermann um Handbreite, streifte Bancrofts Mantel und blieb im Zuggeschirr des linken vorderen Gespannpferdes stecken.

Im nächsten Moment versank alles im Krachen der Colts. Zwanzig Yards vor der Kutsche stob eine schattenhafte Reitergestalt über die Postkutschenstraße. Die Dämmerung der Hügel verschluckte sie. Nichts rührte sich mehr.

Unbewusst rückten Bancrofts Leibwächter dichter zusammen. Ihre Blicke versuchten, den Regen und das Zwielicht zu durchdringen. Clinton halfterte schließlich seinen Colt. Zögernd folgten die anderen diesem Beispiel.

»Sie sind da!«, flüsterte der Bullige. »Vielleicht sind’s bis jetzt nur ein paar Späher. Aber du kannst Gift darauf nehmen, Rhett, dass wir sie nicht mehr loswerden, bis ...«

Clinton ging an ihm vorbei, zog den Pfeil aus dem Lederstrang und betrachtete ihn gleichmütig. Der Bullige trat zu ihm.

»Menschenskind, Rhett, was nützt es uns, wenn Bancroft uns das Blaue vom Himmel verspricht und wir dafür unter den Skalpmessern dieser roten Teufel landen. Wir müssen nach Julesburg zurück, Rhett! Die zwanzig Meilen schaffen wir vielleicht noch. Es ist unsere einzige Chance!«

Clinton zerbrach den Pfeil und ließ die Teile achtlos fallen. Auf dem Gesicht des Bulligen vermischten sich Schweiß und Regenwasser. Clinton sah ihn an.

»Du hast gewusst, dass es nicht leicht sein würde, Joe. Wenn du so schnell die Hosen voll hast, hättest du in Haskells Saloon bleiben sollen. Wir fahren weiter!«

»Ich weiß nicht, Rhett, vielleicht hat Joe doch recht.« Eine Messernarbe ,zierte‘ die Wange des Sprechers. »Wenn wir bereits zwanzig Meilen hinter Julesburg mit den Cheyennes zusammenrumpeln, wie sieht’s dann erst weiter im Westen aus? Der Satan weiß, ob da überhaupt noch eine von den Stationen steht, auf denen wir frische Gäule bekommen wollen.«

»Du willst also auch zurück, Mac?«

»Nicht nur Mac«, brummte der dritte Mann.

Clinton trat einen Schritt zurück. Seine Augen funkelten, seine Schultern spannten sich.

»Hey, das sieht ja ganz nach einer netten kleinen Meuterei aus!«

Bancroft krächzte: »Clinton, Sie sind dafür verantwortlich, dass diese Männer ihre Pflicht tun. Sie haben versprochen ...«

»Halten Sie den Mund!«, sagte Clinton barsch. Er ließ die anderen nicht aus den Augen.

Joe, der Bullige, hob beschwörend eine Hand.

»Sei doch vernünftig, Rhett! In Julesburg hat alles eben noch ganz anders ausgesehen. Hier draußen aber ...« Er brach ab, zog die Schultern hoch und lauschte wieder. Ein Flackern war in seinen Augen. »Nein, Rhett, ich pfeif auf Bancrofts Geld! Jede Minute, die wir hier verlieren, kann uns die Skalps kosten. Los, Jungs, verschwinden wir!«

Er drehte sich zur Kutsche um. Die anderen schlossen sich an. Da zog Clinton den Colt.

»Nicht nach Julesburg, Freunde!«

»Aber ...« Joe verstummte, als er die Waffe in Clintons Hand sah. Der mit der Messernarbe schüttelte den Kopf.

»Mach keinen Quatsch, Rhett! Du kannst auch mit dem Schießeisen nichts dran ändern, dass du überstimmt bist.«

»Von einer Abstimmung war nicht die Rede«, lächelte Clinton gefährlich.

Die Männer duckten sich.

»Du kannst nicht den ganzen langen Weg nach Cheyenne mit der Waffe auf uns aufpassen!«, zischte Mac.

»Habe ich auch nicht vor«, erwiderte Clinton kalt. »Abschnallen!«

Vielleicht hatten sie eben noch an einen Bluff geglaubt. Die Schärfe seines Tons ließ sie nun zusammenzucken.

»Hölle und Verdammnis, Rhett, nun mach aber ’nen Punkt!«, schnaubte Joe. »Du wirst doch nicht ...«

»Doch, Joe! Tut deshalb lieber, was ich sage!«

Zögernd, mit halb wütenden, halb beklommenen Mienen, schnallten sie ihre Revolvergurte ab. Mac knirschte: »Was immer du vorhast, Rhett, du übernimmst dich. Dabei setzt du nicht nur deinen Skalp, sondern auch unsere Freundschaft aufs Spiel.«

»Ich verzichte auf die Freundschaft von Feiglingen.« Clintons Wink mit dem Colt scheuchte die Männer an den Rand der Piste.

»Steigen Sie ein, Bancroft!«, sagte Clinton, während er mit der angeschlagenen Waffe rückwärts zur Stagecoach ging. Bancrofts fahles Gesicht zeigte Verständnislosigkeit. Dafür begriffen die anderen umso schneller. Mac fluchte.

Joe keuchte: »Rhett, das kannst du nicht machen! So gemein kannst du nicht sein, Rhett!«

»Bancroft bezahlt mir tausend Dollar, wenn ich ihn nach Cheyenne bringe. Verdammt will ich sein, wenn ich mir diesen Batzen Geld nicht verdiene! Worauf warten Sie, Bancroft? Wollen Sie sich nasse Füße holen?«

»Bancroft, was dieser Kerl vorhat, ist glatter Mord!«, schrie Joe. »Bringen Sie ihn ab davon! Verflucht, will es denn nicht in Ihren Kopf, dass es unmöglich ist, mit der Kutsche Cheyenne zu erreichen? Rhett ist ja wahnsinnig, wenn er ...«

»Clinton, haben wir nun zu zweit eine Chance oder nicht?«, fragte Bancroft gepresst.

»Wenn diese Burschen die Roten, die in der Nähe ’rumschleichen, für eine Weile beschäftigen, ganz sicher.«

»Die Pest an deinen Hals, Rhett!«, schrie Joe. Bancroft hastete zur Kutsche, schwang sich hinein und klappte die Tür zu.

»Ich hoffe, dass dich die Cheyennes lebend erwischen, Rhett«, keuchte Joe. »Sie sollen dich am Marterpfahl braten, du ...«

»Verschluck dich nur nicht!«, unterbrach Clinton ihn eisig. »Und du, Mac, bleib stehen! Jim, lass die Finger von deinem rechten Ärmel. Ich weiß, dass du da ein Messer versteckt hast. Glaub mir, bevor du es anfassen kannst, bist du ein toter Mann! Das gilt für jeden von euch, der irgendeinen dummen Dreh versucht.« Er hielt den Sechsschüsser auch auf sie gerichtet, als er den Bock bestieg. Die Pferde waren so unruhig, als witterten sie die tödliche Gefahr, die in den regenverhangenen Hügeln lauerte.

»Na schön, Rhett du hast gewonnen«, versuchte Jim, der dritte Revolverschwinger, einzulenken. »Wir kommen mit! Wenn du ...«

»Das hättet ihr euch früher überlegen müssen.« Clinton löste die Zügel von der Seitenlehne. »Vorwärts, Kameraden, lauft! Noch fünfzehn lumpige Meilen, dann steht ihr im warmen Stall der Liberty Station.«

»Rhett, du verdammtes Schwein!«, brüllte Joe, als die Pferde anzogen. Schwankend rumpelte die Postkutsche an ihm und seinen Freunden vorbei.

Zwei Stunden später fand Clay Lorman die skalpierten und verstümmelten Toten. Es war ein Anblick, der auch einem Mann, der durch die Hölle gegangen war, den Magen umdrehen konnte. Die als ,Armabschneider‘ berüchtigten Cheyennekrieger hatten wieder mal bewiesen, dass sie diesen schaurigen Namen nicht zu Unrecht trugen. Clintons einstige Partner hatten sich verzweifelt gewehrt. Ihre Colts waren leergeschossen. Zum Nachladen jedoch war ihnen keine Zeit mehr geblieben. Nur der Mann mit der Messernarbe hatte in der Hölle, die über sie hereingebrochen war, nicht völlig die Nerven verloren und die letzte Kugel für sich selbst aufgespart.

Fröstelnd wandte Clay den Kopf. Nur weg hier!, war sein erster Impuls. Auch sein Brauner wollte schnaubend weiter. Doch plötzlich hatte Clay das Gefühl, dass er nicht mehr allein war.

Die Toten lagen etwas abseits der Overland Road am Rand eines Gestrüpps, in dem sie wahrscheinlich Deckung gesucht hatten. Es regnete nun heftig. Die Sicht betrug kaum fünfzig Yards. Es ging allmählich auf den Abend zu, und die Hügel waren wie in schmutzig graue Watte gehüllt. Clay wusste nicht, ob es nur eine Ahnung war oder ob sein Unterbewusstsein irgendein verdächtiges Geräusch aufgeschnappt hatte. Er kannte dieses Gefühl aus dem Krieg. Damals, als er seine Leute über den Moberty Creek geführt hatte, als sie um ein Haar in einen Hinterhalt der Südstaatler getappt wären, hatte er dieses Kribbeln im Nacken und in den Fingerspitzen auch gespürt.

Er trieb sein Pferd zwischen die Cottonwoods und saß ab. Der breitrandige Stetson schützte sein Gesicht vor der Nässe. Der 44er Army Colt hing trocken unter der schenkellangen Jacke. Clay knöpfte sie auf, damit er jederzeit sofort an die Waffe herankam. Mit der Linken hielt er dem Braunen die Nüstern zu. Ringsum knisterte und tröpfelte es. Aber dazwischen war noch ein anderes Geräusch. Ein Rascheln und Knacken kam aus einer Hügelkerbe. Sträucher und Felsen verknäulten sich dort zu einer dichten Wildnis. Im nächsten Moment war es, bis auf den Regen, wieder still. Vielleicht hatten Wölfe die Beute gewittert.

Aber Clay wusste zu gut, dass die geringste Unvorsichtigkeit einem Mann hier draußen das Leben kosten konnte. Er wartete. Rhetts Vorsprung betrug sowieso nur mehr wenige Meilen. Die frischen Hufabdrücke und Radspuren hatten Clay mit einer Art Jagdfieber erfüllt. Doch es bekam keine Macht über ihn.

Damals, als die letzten Schlachten des Bürgerkrieges das Land in ein Chaos gestürzt hatten, war er voller Wut und Verzweiflung hinter Rhett her gewesen - ohne Erfolg. Zwei Jahre waren seitdem vergangen. Inzwischen hatte er begriffen, dass er das Ende seiner Fährte nur erreichen konnte, wenn er bis ins Herz hinein kalt blieb.

Darüber raschelte es wieder. Zweige schwankten. Clays Rechte umschloss den Colt. Ein reiterloses Pferd trottete aus der Hügelfalte. Kein Indianermustang. Clay entdeckte den Wells Fargo Brand auf seiner Hinterhand. Das Tier bewegte sich auf eine Felsgruppe rechts von ihm zu, schreckte aber kurz davor zurück. Eine geschmeidige, im Regen verwischte Gestalt tauchte lautlos bei den Steinbrocken auf. Dann sah Clay nur mehr eine sanfte Wellenbewegung, die das hohe Büffelgras durchlief. Gleichzeitig kam von der anderen Hügelseite ein hohler Käuzchenruf.

Da wusste Clay, dass sie wieder auf der Jagd waren. Nun hatten sie nicht ihn, sondern einen anderen in der Zange: den Mann, dem das Wells Fargo Pferd gehörte. Sicher steckte er da vorn in der mit Büschen zugewachsenen Hügelkerbe.

Das Käuzchen schrie wieder. Die Indianer ließen sich Zeit. Das verriet Clay, dass es nur wenige Krieger waren. Jetzt zögerte er nicht mehr. Er band seinen Braunen fest. Mit dem Colt in der Faust lief er geduckt nach rechts um einen Hügel herum. So näherte ei sich dem Dickicht, in dem der Gehetzte steckte, von der entgegengesetzten Seite.

Ein Indianer kauerte plötzlich zehn Schritte vor ihm hinter einem Felsblock. Reglos, mit dem Gestein wie verschmolzen, beobachtete er das Gestrüpp. Er hatte sich in eine Büffelhaut gehüllt. Ein nass glänzender Gewehrlauf ragte darunter hervor.

Clay presste die Lippen zusammen. Er hatte keine Wahl. Zwischen ihm und dem Cheyenne gab es nur kniehohes, harthalmiges Gras. Clay bewegte sich auf den Zehenspitzen. Der Krieger hörte ihn trotzdem. Clay kam fünf Schritte weit, da fuhr der Mann herum. Er schleuderte die Büffelhaut weg und stieß seinen Henrykarabiner hoch. Clay schoss. Es gab keinen anderen Ausweg. Während der Indianer im Krachen des Schusses hochschnellte und zur Seite stürzte, begriff Clay verzweifelt, dass es keinen Sinn mehr hatte, sich zu verstecken. Jetzt kam es auf jede Sekunde an. Er rannte an dem Felsklotz vorbei auf die Sträucher zu.

Auf der Kuppe rechts von ihm blitzte es. Ein Schrei gellte. Im Dickicht war plötzlich heftige Bewegung. Zweige schwankten, dazu ein Keuchen, Splittern und dann ein unterdrückter Aufschrei. Der Peitschenknall des nächsten Schusses löschte alles aus. Die Kugel zupfte an Clays rechtem Ärmel. Er warf sich herum. Ein hünenhafter Cheyenne sprang aus dem Grau des Regens auf ihn zu. Sein schwarz bemaltes Gesicht glich einer Dämonenmaske. Er schwang das Gewehr wie eine Keule. Clay schoss, fehlte und ließ sich im letzten Moment fallen. Der Karabinerkolben sauste knapp an ihm vorbei.

Wie ein Riese stand der Cheyenne über ihm, die Waffe erneut zum mörderischen Schlag erhoben. Clay feuerte. Keuchend rollte er sich von dem zusammengebrochenen Gegner weg. Dann war er zwischen den Büschen. Hastig ersetzte er die abgeschossenen Patronen.

Kein Angriff erfolgte mehr. Die Zweige hatten zu schwanken aufgehört. Ganz in der Nähe war ein unterdrücktes Stöhnen. Eine Falle, ein Trick? Clay hob einen Stein auf, warf ihn nach rechts. Das Stöhnen brach ab. Ein Gewehrschloss knackte. Clay fiel plötzlich ein, dass der Scabbard am Sattel des reiterlosen Wells Fargo Pferdes leer gewesen war.

»Schieß nicht, Mister, ich bin keine Rothaut!«, rief er gedämpft. Keine Antwort. Vorsichtig schob er sich weiter. Nasse Blätter streiften sein Gesicht.

Unvermittelt starrte er in das schwarze Todesauge einer Gewehrmündung. Der Besitzer der Waffe lehnte zusammengesunken an einem Felsen. Clay schaute in ein nasses, schmerzverzerrtes, dunkelhäutiges Gesicht. Zwei Schritte neben dem Felsen lag ein Indianer. Ein Messer steckte in seiner Brust. Das Gewehr sank plötzlich herab.

»Sie schickt der Himmel, Mister!«, kam es ächzend über die blutig gebissenen Lippen des Schwarzen. »Sagen Sie mir eins - wie weit ist es noch bis Julesburg?«

»Zu weit, dass du die Stadt noch jemals zu Gesicht bekommen wirst, mein Junge«, lag es Clay auf der Zunge, nachdem er die hässlich klaffende Wunde in der Brust des Mannes entdeckt hatte. Aber er schwieg. Der Schwarze atmete stoßweise. Sein Blick war an Clays Miene festgebrannt.

»Sieht nicht gut aus, Mister, wie?« Clay hob den Kopf. Der Schwarze versuchte ein Lächeln. Es wurde nur eine Grimasse daraus. »Bin trotzdem froh, dass Sie mich gefunden haben, Mister. Mein Name ist Sam Talbot. Rutland, mein Boss, hat mich losgeschickt, damit ich Hilfe für die Liberty Station am Lodgepole Creek hole.«

»Arbeitest du dort?«

Talbot schüttelte den Kopf.

»Rutland besaß früher mal eine Plantage in Georgia. Dann hat er als Major in der Südstaaten Armee gedient. Ich mit ihm. Denn ich war sein Sklave. Später dann ... Ich war ihm Geld schuldig. Er hat sich auch sonst um mich gekümmert. Nun waren wir mit der Overland Mail nach Julesburg unterwegs. Da kamen die Cheyennes dazwischen ... Hören Sie, Mister, die Station ist umzingelt! Die Leute dort sind verloren, wenn ...«

Clay konnte ihn gerade noch festhalten. Der Kopf des Sterbenden lag an seiner Schulter.

»Julesburg!«, keuchte der Mann. »Hilfe ...«

»Schon gut, Amigo, schon gut!« Vorsichtig legte Clay den Schwerverletzten auf den Boden. Es gab nichts mehr, was er für ihn tun konnte. Er dachte an die Cheyennes, die vielleicht jetzt schon Julesburg ebenso umzingelt hatten wie die Relaisstation am Lodgepole Creek. Aber er sagte nichts davon.

»Lassen Sie sie nicht im Stich, Mister!«, bat Talbot mit verlöschender Stimme. »Es ist eine Frau dort. Sie wollte nicht zulassen, dass ich ritt. Sorgen Sie dafür, dass sie nicht den Cheyennes in die Hände fällt. Versprechen Sie's!«

Dieser Blick! Clay konnte nicht anders.

»Ich verspreche es!«, murmelte er rau.

Talbot entspannte sich seufzend.

»Ich hatte wohl vom ersten Augenblick an keine Chance«, sagte er leise. »Ich hab’s gewusst - und Rutland sicherlich auch. Der Himmel mög’ es mir verzeihen, aber ich hasse ihn dafür!«

Es waren seine letzten Worte. Clay hielt noch seine Hand, als sein Atem erlosch. Der Regen perlte wie Tränen über Sam Talbots braunes Gesicht. Nach einer Weile stand Clay auf. Er hatte weder die Zeit, noch die Werkzeuge, diesem Mann ein Grab zu schaufeln, wie er’s verdient hätte.

Namen und Bilderfetzen flogen ihm durch den Kopf. Julesburg, Liberty Station, Rutland, Bancroft ... Und immer wieder Rhett! Rhett, der sein Freund gewesen war. Rhett, der mit dem Revolver in der Faust auf ihn zugesprungen war, als der Kampf am heißesten um sie herum getobt hatte.

Müde, mit einem wie um Jahre gealterten Gesicht, machte Clay Lorman sich auf den Rückweg zu seinem Pferd.

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