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12.


Als er die Wachstube betrat und die anwesenden Jäger sich sogleich erhoben, um den Vorgesetzten mit einer Meldung zu begrüßen, winkte er kurz ab.

„Guten Morgen, Jäger, steht bequem. Eggeling, Ihr macht ein so sorgenvolles Gesicht, dass ich ein neues Unglück befürchten muss.“

„Das vielleicht nicht, Leutnant“, antwortete der alte Sergeant und kratzte sich ausgiebig am Hinterkopf. „Trotzdem mache ich mir so meine Gedanken, weshalb Bernhard heute nicht zum Dienst erschienen ist.“

Der Leutnant stutzte. Bernhard Müller war einer der altgedienten Jäger, die seit dem Einsatz in Nordamerika mit dabei waren. Zuverlässig und erfahren waren die Begriffe, die der Leutnant mit diesem Mann verband. Wenn der Sergeant also sorgenvoll sein Fehlen beim morgendlichen Dienstbeginn vermerkte, dann war das nicht einfach eine Lässlichkeit eines bequemen Soldaten, sondern schon ein ungewöhnlicher Vorfall.

„Bernhard wollte sich doch im Palais umsehen, richtig? Was hatte er für eine ausgefallene Idee? Richtig – er war beim alten Schikowsky vorstellig geworden, der für den Grafen eine Reihe von Gefäßen und Kolbengläsern zu liefern hatte. Was ist daraus geworden, Eggeling?“

„Bernhard Müller meldete sich am frühen Vormittag bei mir ab. Er wollte mit Schikowsky reden, wann die Lieferung fertig sei, und dann versuchen, als Bote in das Haus zu gelangen.“

„Danach hat er sich nicht wieder gemeldet? Das bedeutet, Bernhard ist möglicherweise in das Palais gegangen und hat dort die Waren abgeliefert?“

Eggeling nickte. „Als er heute Morgen nicht eintraf, hatte ich gleich ein ungutes Gefühl. Deshalb habe ich zwei Mann losgeschickt, die zunächst im Quartier nach ihm sehen sollten. Da niemand ihn dort am Abend oder heute Morgen gesehen hat, ist einer von ihnen zu Schikowsky geritten, der andere direkt zum Palais. Hier, Jäger Behrens, hat den alten Schikowsky angetroffen und von ihm erfahren, dass Bernhard tatsächlich die Ware von ihm in einem Handkarren übernommen und ausgeliefert hat. Wenn Jäger Hoffmann zurück ist, werden wir erfahren, ob er auch am Palais eingetroffen ist.“

Oberbeck fand diese Nachrichten äußerst beunruhigend. Wenn Bernhard unvorsichtig bei seinen Erkundigungen war und dabei entlarvt wurde, konnte die ganze Mission gefährdet sein. Es blieb die Hoffnung, dass der erfahrene Jäger den heutigen Vormittag noch nutzte, um aus einem Versteck heraus weitere Beobachtungen zu führen.

Gleich darauf traf auch Jäger Hoffmann ein und berichtete von seinem Besuch am Hagenmarkt.

„Eine mürrische Alte, die wohl die Küche unter ihrer Fuchtel hat, bestätigte, dass gestern allerlei Waren für den Grafen angeliefert wurden. Nach ihrer Beschreibung war der Lieferant tatsächlich unser Bernhard. Aber er ist nach dem Ausladen gleich wieder abgezogen, hat kein Gespräch weiter mit der Alten geführt und sich danach auch nicht mehr sehen lassen.“

„Dann kann er nur aus einem Versteck heraus weitere Beobachtungen machen. Ich bin froh, dass er das Palais wieder verlassen hat und die Alte ihn gehen sah. Wir müssen also abwarten, was Bernhard herausgefunden hat, auch wenn mir das Warten überhaupt nicht gefällt.“

„Er wird sich noch verborgen halten, Herr Leutnant. Dafür spricht auch, dass der alte Schikowsky sich darüber beschwerte, dass sein Handkarren noch nicht zurückgebracht wurde. Er will ja gern unsere Ermittlungen unterstützen, möchte aber doch sein Gerät zurückhaben“, berichtete Jäger Behrens.

Oberbeck zögerte einen Moment mit einer Antwort. Als ein eintreffender Jäger die Tür zur Wachstube stürmisch aufriss, fuhren alle herum.

„Schnell, folgt mir – sie haben Bernhard gefunden!“, stieß der Mann hervor.

„Gefunden? Was heißt das, Mann?“

Der Jäger sah seinen Vorgesetzten mit entsetztem Gesicht an.

„Er wurde aus der Oker gezogen – mit durchtrennter Kehle.“

Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019

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