Читать книгу Wild West Extra Großband Sommer 2018: 9 Western - Pete Hackett - Страница 30
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"Regentropfen sind die Tränen Manitus", sagte Walking Bear leise. "Er weint um seine Kinder."
Der alte Navajo saß mit seinem jüngeren Stammesbruder Black Wolf vor dem einzigen Zugang zum Hidden Valley. Jeden Tag und jede Nacht mussten zwei erfahrene Krieger des Stammes hier Wache halten. Sorgsam darauf zu achten, dass sich niemand dem Tal näherte und die dort ansässigen Wesen belästigte oder gar verletzte. Ganz besonders nicht das Heiligtum des Stammes, den goldenen Mustang, der hier seit schon so lange lebte, dass niemand die Zahl der Jahre zu nennen im Stande war.
Black Wolf sah den alten Mann nur schweigend an, während der Regen in schweren Tropfen auf sie herabprasselte. Es war spät in der Nacht. Trotz der schweren Decke, die er um seine Schultern trug, war ihm etwas kalt.
Alter Narr, dachte er. In jedes Naturereignis musste er etwas hinein geheimnissen. Keine Krähe konnte vom Himmel scheißen, ohne dass Walking Bear darin ein Zeichen Manitus für irgendetwas sah.
Irgendwo in der Ferne begann ein Kojote zu heulen. Es klang wie ein Klagelied.
Black Wolf war ein junger Krieger, kaum dreißig Sommer alt. Und doch hatte er schon viel erlebt und gesehen. Mehr, als mancher andere in seinem Alter.
Für einige Jahre hatte er den Stamm verlassen. Damals, als ihm ein Bruder die Frau gestohlen hatte, die eigentlich er sich hatte nehmen wollen. Sein Hass auf Golden Fox war immer noch unbeschreiblich, trotz der langen Zeit, die inzwischen vergangen war.
Aber seit einer Weile war er wieder zurück. Zurück in seiner Heimat, nachdem er die Welt des weißen Mannes durchstreift hatte. Zurück bei seinem Stamm.
Wenn ihn auch nicht mehr viel mit den Traditionen seines Volkes verband, fühlte er sich doch im Moment hier am Besten aufgehoben. Auch wenn er dadurch wieder mit unangenehmen Aufgaben wie dieser hier betraut wurde.
Er konnte das Aufhebens, das sein Stamm um diesen Gaul machte, nicht verstehen. Schön, das Tier hatte ein prächtiges Fell und war von außerordentlich kräftiger Statur. Aber es war eben doch nur ein Pferd. Er konnte daran nichts Außergewöhnliches finden.
Auch von den Stammesmythen um seine Aufgabe als Hüter der Fruchtbarkeit und Manneskraft hielt er nicht besonders viel. Die Zeit, die er in den Städten des weißen Mannes verbrachte, hatte sein Denken in dieser Hinsicht radikal verändert.
Walking Bear sprach weiter: "Ich habe gestern Nacht von einer Schlange geträumt. Sie war sehr zornig. Das ist ein schlechtes Zeichen."
Black Wolf war aufgesprungen, noch bevor er seinen Satz zu Ende gebracht hatte. Es reichte ihm.
"Genug, alter Mann!", fuhr er den hageren Krieger an. "Es ist schon schlimm genug, dass ich hier im strömenden Regen sitzen muss, um diesen verdammten Gaul zu bewachen!"
Er hatte seine Decke von sich geworfen und sich drohend vor Walking Bear aufgebaut. Er deutete mit dem Finger auf ihn, als wollte er ihn aufspießen.
"Ich werde mir auf keinen Fall die ganze Nacht lang dein wirres Gerede anhören", fuhr er fort. "Lass mich mit deinem Unsinn in Ruhe oder suche dir einen anderen Narren für diesen Mist!"
Walking Bear sah ihn traurig an. "Deine Worte klingen, als kämen sie von der Zunge des weißen Mannes. Du warst zu lange unter ihnen und hast vieles vergessen, was dir früher einmal wichtig und heilig war."
Er sah den Zorn in den Augen des jungen Kriegers erneut aufblitzen und hob beschwichtigend die Hand. "Aber dein Wille sei dir erfüllt. Ich werde schweigen."
Damit gab sich Black Wolf zufrieden. Er hob seine Decke auf und kehrte wieder an seinen Platz zurück.
Kaum saß er wieder, vernahm er gurgelndes Geräusch aus der Richtung Walking Bears.
Er wirbelte herum—und sah den Schaft eines Messers, der aus der Kehle des alten Kriegers herausragte!
Wenige Meter vor ihm löste sich eine dunkle Gestalt aus der Finsternis zwischen den Bäumen und kam mit gezogener Schusswaffe auf ihn zu...