Читать книгу Gnadenlos und eisenhart: Super Western Sammelband 4 Romane - Pete Hackett - Страница 29
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ОглавлениеJim hörte die wilde Jagd kommen. Er hatte auch die Explosion mitbekommen, und so konnte er sich ungefähr ein Bild machen, was geschehen war. Er drückte sich in einen Felsspalt und ließ die fliehenden Banditen an sich vorbei. Er war sicher, dass sie noch viele Stunden so weiterjagen würden.
In diesem Spiel mischten sie auf keinen Fall weiter mit. Nein, ihr Entsetzen war groß und echt.
Meat Sprague hatte seine Bande verloren.
Als der letzte Reiter vorbei war, lenkte Jim sein Pferd wieder auf den Weg und ritt weiter.
Abermals kam er zu einem Plateau, von dem mehrere Hohlwege abgingen. Er überlegte noch, in welchen er reiten sollte, als erneut Hufschlag aufklang.
Ein einzelner Nachzügler bog um eine Kante und blieb halten.
Es war Juan Gomez. Jim kannte diesen Banditen von Steckbriefen. Gomez wurde auf beiden Seiten der Grenze gesucht. Auch für ihn galt: Tot oder lebendig.
„Hollister! Ah, du bist Hollister!“, schnaubte der Verbrecher. „Kehre um, da hinten wartet ein Geist auf dich!“
„Heb die Hände, Gomez!“, befahl Jim kalt.
Juan Gomez sah den Ranger verstört an, dann schien er sich selbst an seinen Steckbrief zu erinnern.
„Lass mich durch“, schnaufte er. „Ich reite fort. Geh aus dem Weg.“
„Du reitest höchstens mit mir – oder in die Hölle!“
Da fluchte der Grenzbandit unflätig und angelte geschickt nach seinem Colt.
Zwei Schüsse bellten auf.
Jim strich das Blei des Verbrechers dicht am Ohr vorbei. Der Bandit aber wurde voll getroffen. Er stürzte haltlos vom Pferd und blieb verrenkt auf dem harten Boden liegen.
Jim schob seinen Colt ins Holster und ritt in den Weg hinein, den Gomez gekommen war. Er durfte jetzt keine Zeit verlieren, denn da oben musste der Sheriff sein. Die Banditen hatten ihn nicht bei sich gehabt. Ob er noch lebte? Oder ob ihn die Explosion mit zerrissen hatte?
Das war eine bittere Frage, und Jim schob sie weit von sich.
Der Wildpfad führte direkt ins Lager der Banditen. Jim hielt am Eingang und blickte auf ein entsetzliches Bild blindwütiger Zerstörungswut.
Glas, Holz und Steine waren weit in den Kessel verstreut. Die Grundmauern der Hütten standen noch und rauchten. Zwei leblose Gestalten lagen auf der Erde. Der Sheriff war nicht zu sehen.
Steif kletterte Jim auf den Boden und ging auf die schwelenden Trümmer zu. Genau untersuchte er alles, doch er fand Tobe Carnes nicht.
Wo war der Sheriff geblieben?
Jim hob die Augen. Oben stand der Wahnsinnige wieder und lachte heiser. Heute schien es ihm ganz besonders schlecht zu gehen. Seine lichten Momente waren ausgeblieben, wenn man von seinem Wissen um die Stadt Haymond absah.
In dieser Beziehung hatte er sich vernünftig unterhalten, und wieder dachte Jim angestrengt nach. Wie war diesem Kerl beizukommen? Die Wände waren steil und glatt. Erklimmen konnte er sie kaum.
Er drehte sich um und blickte zurück. Weiter vorn wurden die Felsen niedriger und waren dort weniger steil. Dort kam man sicher hinauf. Aber würde der Wahnsinnige da oben warten, bis er kam?
Nein, zumindest hatte er sich im Unterbewusstsein so etwas wie Intelligenz bewahrt.
Jim ging weiter, aber da sirrte plötzlich eine Kugel heran und bohrte sich dicht vor ihm in einen Pfahl.
Der Irre lachte oben. In der Hand schwenkte er sein Gewehr, vor dessen Mündung sich eine kleine Rauchwolke kräuselte.
Da warf sich der Ranger wütend herum, hetzte zum Ausgang des Tales und sprang schnell und gewandt zur Höhe. Als er oben ankam, war der Irre verschwunden.
Missmutig kehrte der Texas-Ranger um. Er wollte gerade niedersteigen, als sein Blick schräg in eine niedrige Höhle auf der anderen Seite hineinfiel. Ein Sonnenstrahl verirrte sich ebenfalls in dieses Loch, und ein paar funkelnde Gegenstände blitzen dem Ranger entgegen.
Schnell kletterte er jetzt hinunter. Er durchquerte das Bandenlager und stand gleich darauf am Eingang der Höhle.
Was gefunkelt hatte, waren die Sporen des Sheriffs. Tobe Carnes lag in der Höhle. Er war verschnürt wie ein versandfertiges Paket und hatte einen Knebel zwischen den Zähnen.
Jim zog ihn heraus und schnitt die Fesseln durch. Tobe Carnes richtete sich stöhnend auf und schwankte in den Kessel hinein. Nach fünf Schritten knickte er um und blieb liegen.
Er war fix und fertig, und das war für sein Alter kein Wunder.
Da zeigte sich wieder der Wahnsinnige, diesmal aber auf der anderen Seite.
Der Texas-Ranger blickte hinauf. Hier war die Wand nicht ganz so steil. Mit etwas Geschick musste es möglich sein, in kurzer Zeit die Höhe zu erreichen. Er schaute auf Carnes, dann wieder hinauf. Ruckartig sprang er auf die Wand zu und kletterte hinauf. Der Irre gab ein paar Schüsse ab, dann warf er sich herum.
Wenig später stand Jim oben. Vor sich sah er den Mann auf seinem alten Klepper über den Wildpfad reiten.
Der Ranger hetzte los, sprang über Spalten und Risse, fegte um Kanten und zerriss sich das Hemd an Dornengewächsen. Doch er verlor den Irren nicht aus den Augen.
Einmal drehte sich der Verrückte um. Jim gelang es, rechtzeitig hinter einem Busch zu verschwinden. Der Irre blickte eine Weile suchend umher, dann lächelte er unterdrückt, drehte den Kopf wieder und ritt langsam weiter.
Nach einiger Zeit hörte Jim das Rauschen eines Gebirgsbaches. Er sah, wie der Irre in den Bach ritt und diesem im Wasser abwärts folgte. Die steile Wand tauchte auf, und der Wahnsinnige hielt direkt auf sie zu.
Jim glaubte seinen Augen nicht trauen zu dürfen, als er den Mann in der Spalte verschwinden sah. Er legte sich hinter einem Stein auf die Lauer, aber nach fünf Minuten war der Mann noch nicht wieder aufgetaucht.
Da ging Jim los. Er trat in das eisige Wasser und glitt in den Spalt hinein. Die Wände standen so dicht beieinander, dass sie seine Schultern zu beiden Seiten streiften.
Nach wenigen Metern verbreitete sich der Spalt aber, und dann drang helles Sonnenlicht ein. Jim stieg zum Uferpfad hinauf und glitt bis zur Kante vor. Ein Ausruf des Erstaunens glitt über seine Lippen.
So ein grünes Tal hatte er hier kaum zu sehen gehofft. Er gewahrte die primitive Höhle in der Mitte des Kessels, und nun wusste er, dass er den Schlupfwinkel des Wahnsinnigen entdeckt hatte. Rundum ragten die Felswände auf, die auch von außen nicht zu ersteigen waren. Durch den Spalt würde auch kaum ein Mensch kommen. Sicher, er war gangbar, aber wer kam schon auf den Gedanken, hier ein Tal zu suchen? Der Wahnsinnige war wahrscheinlich selbst nur durch einen Zufall in dieses Tal geraten.
Jetzt saß er vor der primitiven Höhle und starrte düster vor sich hin. Der ausgelaugte Gaul graste ein paar Schritte seitwärts.
Jim richtete sich auf und schlich an der Wand entlang. Er hatte aber kaum fünf Schritte getan, als der Klepper ein helles Trompeten ausstieß.
Sofort ruckte der Irre hoch und raffte sein Gewehr auf.
Jim hechtete vor. Ehe der Verrückte richtig auf den Beinen war, hatte der Ranger ihn zu Fall gebracht.
Gurgelnd fiel der Mann um. Er rollte zur Seite, sprang aber gleich wieder hoch. Seine Hand zuckte zum Gürtel und riss das Messer heraus. Geifer stand vor seinem bleichen Mund.
„Jetzt bringe ich dich doch noch um!“, zischte er knarrend. „Du solltest mit einem Knall in die Hölle fahren, aber es geht auch mit einem lautlosen Stich.“ Er warf sich gegen den Ranger, den Arm weit vorgestreckt.
Doch Jim duckte sich zur Seite, fing den Arm und drehte ihn herum. Der Wahnsinnige flog über seine Schulter und schlug auf den Rücken. Sein Messer wirbelte durch die Luft. Dann ließ Jim ihm zu Boden fallen.
Keuchend lag der Irre da. Seine Augen stierten den Ranger an. Er schien es nicht begreifen zu können, dass er überwältigt worden war.
„Jetzt wirst du mir ein wenig von dir erzählen“, sagte Jim ruhig und leise. Er erreichte mit seinem Tonfall, dass sich der Wahnsinnige aufsetzte und ihn verkniffen musterte.
„Willst du mich nicht binden?“, erkundigte er sich. „Soll ich so frei hier sitzen bleiben? Ich könnte mich in Luft auflösen und davonschweben – ich bin ein Bote des Satans. Hihi!“
„Bleib mal auf der Erde“, sagte Jim ruhig. Er setzte sich zwei Schritte von dem Verrückten entfernt nieder und rollte sich eine Zigarette. Nach dem dritten Zug sagte er: „Na los, du sollst mir von dir erzählen. Wie bist du in dieses Tal gekommen, nachdem dich die Hölle ausgespien hatte?“
Die Augen des Wahnsinnigen waren noch immer verkniffen auf den Ranger gerichtet. Jetzt grinste der Kerl und strich durch die Luft.
„Es war ein kalter Winter, mit sehr viel Schnee“, sagte er mit geheimnisvoller Stimme. „Meterhoch waren die Berge zugeschneit. Doch der Bach hatte eine lange Rinne in die weiße Decke gegraben. Ich kam mit Pete“, er zeigte auf sein Pferd, „an das Wasser und fiel hinein. Ich glaube, ich habe geschlafen. Doch das Wasser weckte meinen Teufelsgeist. Ich versuchte das rettende Ufer zu erreichen, aber es wurde dunkel um mich und dann wieder hell. Und da kam ich aus dem Wasser und war in diesem Tal. Hier war der Schnee weniger hoch. Die Sonne fiel über die Berge und weckte mein eingeschlafenes Blut. Kein Windhauch drang bis zu mir. Oben auf der Höhe stand der Satan und sprach zu mir. Es wurde Nacht und dann wieder Tag. Ein klarer und heller Tag.“
„Hat der Satan mit dir gesprochen?“, erkundigte sich Jim. Er gab sich Mühe, auf den Ton des Irren einzugehen, denn nur so glaubte er, mehr erfahren zu können.
„Ja, er sprach zu mir. Er weckte mich aus dem Totenschlaf und sagte: Ich will dich aufnehmen, aber erst musst du die Eignungsprüfung absolvieren. Es gibt einen elenden Banditen hier in der Nähe, der sich ein Vermögen zusammengegaunert hat. Vernichte ihn – und seine Komplizin dazu. Ja, so sagte er, und ich wollte es tun. Aber es verging lange Zeit, bis ich wieder auf die Beine kam. Ich lebte vom Gras, das ich aus dem Schnee grub, von Rinden und Tieren, die ich mit der Hand fangen konnte. – Oh, ich hatte einen Bund mit dem Teufel geschlossen. Hihi! Mir konnte nichts mehr geschehen.“
Jim verstand den Alten ziemlich gut. Der Mann war also im Winter in die Berge gekommen und in den Bach gefallen. Wahrscheinlich hatte ihm die Entkräftung an den Rand des Wahnsinns gebracht. Das kalte Wasser und die folgenden Visionen mussten ein Übriges getan haben. Der Irre glaubte fest an den Satan, den er gesehen haben wollte, daran gab es nicht den mindesten Zweifel.
Doch wie kam er ausgerechnet auf Meat Sprague und Debora Rink, denn er sprach von ihnen und von niemand anderes.
Jim überlegte eine Weile.
„Warst du allein?“, fragte er dann.
Der Irre schüttelte den Kopf. Langsam stemmte er sich hoch und ging um die primitive Bude aus Steinen herum.
Jim folgte ihm. Vor ihm erhoben sich zwei flache Grabhügel, an deren Kopfenden schiefe Holzkreuze, aus dürren Zweigen gebunden, aufragten. Neben diesen Gräbern klaffte eine tiefe Grube in der Erde. Wahrscheinlich ein drittes Grab, für das sich keine Verwendung gefunden hatte, Ein Gedanke durchzuckte den Ranger. Hatte der Irre sich selbst ein Grab ausgehoben?
„Myra und Benny waren bei mir“, sagte er schwach. „Doch sie haben dieses Tal nicht mehr gesehen. Sie waren schon vorher im Eis umgekommen, und so konnte ihnen der Teufel den Eintritt in sein Reich nicht mehr verwehren – vielleicht sind sie auch in den Himmel gekommen.“ Er blickte auf die Hügel nieder.
„Und wer soll in das dritte Grab?“
„Ich habe es für mich ausgehoben“, sagte er. „Ich wollte dem Satan ein Schnippchen schlagen und mich davonstehlen. Doch er wacht jede Zeit. Er passte mich ab, als ich schon ein Bein in der Gruft hatte. Er zog mich wieder heraus und verprügelte mich furchtbar. Lange Monate lag ich krank hier – und darüber kam erneut Schnee und Eis. Die Kälte muss mich geweckt haben. Doch vielleicht war ich auch zwischendurch manchmal wach. Ich baute mir einen Unterschlupf und verkroch mich. Ich konnte sein rotes Gesicht und die Hörner nicht mehr ertragen. Doch dann gewöhnte ich mich an ihn. Ich hörte auf seine Ratschläge und ging an die Arbeit. Oft grinst er mir seither zu. Ich weiß, dass er mit mir zufrieden ist. Hihi! Er wird dich vernichten! Bestimmt wird er dich ungespitzt in den Boden rammen, denn ich bin mit meiner Arbeit noch lange nicht am Ende. Ich habe noch viel zu tun. Sehr viel! Ich muss Meat Sprague bettelarm machen. Ich muss seine Wagen plündern, bis er seinen letzten Dollar ausgegeben hat. Dann steige ich hinunter ins Tal und brenne sein Haus an. Die Frau werde ich umbringen! Sprague aber bringe ich dem Teufel. – So ist es mir befohlen worden.“
Er war also Douglas Riot, der von Banditen – sicher von Meat Spragues Verbrechern – um Hab und Gut gebracht worden war. Der Sheriff hatte diesen Mann vergebens gesucht.