Читать книгу Ein Land, in dem der Colt regiert: Western Großband 3 Romane 12/2021 - Pete Hackett - Страница 10

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„Vielen Dank dafür, dass Sie mir gegen diese Grobiane beigestanden haben, Mister ... Äh, wie sagten Sie doch gleich wieder war Ihr Name?“

„Brown – Ned Brown, Miss.“ Ned schaute dem Pulk nach, der das Ortsende passierte und wenig später über die Kuppe einer Anhöhe verschwand.

Ringsherum verließen einige Männer ihre Häuser und näherten sich. Einige von ihnen hielten sogar Waffen in den Händen.

„Mein Name ist Sarah Naismith“, stellte sich die junge Frau vor.

Nun wandte Ned sich ihr zu und schaute in zwei tiefblaue Augen. O verdammt, durchfuhr es ihn, ist sie schön! Sekundenlang war er wie gebannt, plötzlich aber spürte er Verlegenheit, riss seinen Blick von ihrem gleichmäßigen Gesicht los und sagte: „Waren das die Kerle, die auch für die Zerstörungen in dem Ort verantwortlich sind?“

Die Männer, die sich jetzt, da die Gefahr gebannt war, aus ihren Häusern gewagt hatten, scharten sich um Ned und Sarah. Einige von ihnen hatten Neds Frage vernommen, einer beantwortete sie an Stelle Sarahs. „Sie gehören dazu. Broderick Carlisle ist einer unserer erbittertsten Gegner.“

Ned schaute in die bärtigen Gesichter. „Warum wehrt ihr euch nicht?“, fragte er und spürte, wie sehr er diese Kerle verachtete. „Ich sehe Waffen – Revolver und Gewehre – in euren Fäusten“, stieß er hervor. „Warum gebraucht ihr sie nicht?“

Der Mann, der vorhin seine Frage beantwortet hatte, maß ihn von oben bis unten, dann antwortete er: „Unsere Kirche ist auf die Lehren Jesu Christi gegründet.”

„Wie so viele andere auch”, sagte Ned Brown trocken.

„Das Problem ist nur, dass meisten anderen das Wort Gottes nicht wirklich ernst meinen.”

„Mag sein”, sagte Ned Brown.

„Friedfertigkeit, Liebe und Vergebungsbereitschaft sind Tugenden, die Jesus gelehrt hat.”

„So habe ich es auch vom Reverend gelernt...”

„Wir nennen uns die Heiligen der letzten Tage. Jesus sprach: Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Jesus gebietet uns, seinen Anhängern: Entsagt dem Krieg und verkündigt Frieden. – Wer sich zum Evangelium Jesu Christi bekehrt hat, wird nicht im Sinn haben, andere zu verletzten, sondern will ohne Gewalt leben.“

„Das ist eine sehr vornehme Einstellung“, knurrte Ned, zuckte dann aber mit den Schultern und fügte hinzu: „Von mir aus. Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.“ Er hob den Korb auf und hielt ihn Sarah hin. „Der gehört doch Ihnen.“

Sie nickte und ein Lächeln verzauberte ihr schönes Gesicht. Zwischen den sinnlich geformten Lippen blitzten weiße, regelmäßig gewachsene Zähne. Ihre Augen strahlten ihn an. „Danke.“ Sarah nahm den Korb und ergriff noch einmal das Wort, indem sie sagte: „Ich würde Sie gerne meinen Eltern vorstellen, Mister Brown.“

Eigentlich interessierten ihn ihre Eltern nicht. Aber tief in seinem Innersten fühlte er sich zu Sarah hingezogen, und es lag ihm viel daran, so lange wie möglich ihre Nähe zu genießen. Er war kein unbeschriebenes Blatt, was Frauen anbetraf. Vor allem bei den Indianerstämmen weiter im Westen, mit denen er Handel getrieben hatte und die ihm freundlich gesinnt waren, war es immer wieder zu Liebschaften zwischen ihm und der einen oder anderen Squaw gekommen.

Was die Dinge zwischen Männern und Frauen anging, kannten die Indianerinnen keine Tabus und wenig Scham. Ganz anders als die weißen Puritanerinnen.

Ned Brown sah sie an.

„Dagegen ist nichts einzuwenden“, sagte er.

„Es ist in Ordnung“, wandte sich Sarah an die Männer in der Runde. „Wie ihr seht, bin ich – dank der Hilfe Mister Browns – unversehrt. Geht wieder nach Hause, ihr Männer, und dankt dem Herrn, dass der heutige Überfall so glimpflich ausgegangen ist.“

„Carlisle und seine Anhänger werden uns diese Niederlage nicht verzeihen“, prophezeite einer. „Ich glaube, Mister Brown, Sie haben uns keinen Gefallen erwiesen.“

Neds Verachtung, die er vor diesen Feiglingen empfand, wuchs.

Sarah errötete leicht. Es war, als würde sie sich wegen des Verhaltens dieser Männer schämen. „Gehen wir, Mister Brown“, murmelte sie mit etwa unsicherer Stimme.

„Ihr Korb ist leer“, sagte Ned. „Ich vermute, Sie waren auf dem Weg in den Store.“

„Das ist richtig.”

„Nun, ich...”

„Möchten Sie mich begleiten?”

„Also...”

„Meinen Eltern kann ich Sie danach vorstellen.“

„Ich muss im Saloon meine Zeche begleichen, Miss.“

„Ich warte vor dem Saloon auf Sie“, gab sie zu verstehen und lächelte ihn an. Er erkannte die Schwermut in der Tiefe ihrer Augen. Sarah schien nicht besonders glücklich zu sein.

Sie ließen die Männer einfach stehen und schritten schräg über die Fahrbahn. Ned ging in den Saloon, zahlte seine Zeche, dann begleitete er Sarah zum General Store. Sie tätigte ihre Einkäufe, und Ned trug ganz gentlemanlike den Korb zu Sarah nach Hause.

Elias Naismith, Sarahs Vater, war ein schwergewichtiger, dreiundfünfzig Jahre alter Mann, Elsbeth, ihre Mutter, eine vorzeitig gealterte Frau von fünfzig Jahren. Ihr Haus lag nicht an der Main Street, sondern in einer der Seitenstraßen, und so hatten sie nicht mitbekommen, dass zwei Kerle ihre Tochter bedrängt hatten.

Sarah stellte ihnen Ned vor und erzählte, was sich auf der Hauptstraße zugetragen hatte.

„Wir haben die Schüsse gehört“, sagte Elias, nachdem Sarah geendet hatte. „Uns war auch klar, dass wieder die Halsabschneider aus Carthage in unsere Stadt eingefallen waren, vermuteten dich aber bereits im Store, Sarah.”

„Dem Herrn sei Dank ist alles letztlich gut ausgegangen”, sagte Sarah.

„Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet, Mister Brown.”

„Nicht der Rede wert!”

„Der Herr, Jesus Christus, wird es Ihnen vergelten.“

„Sicher“, murmelte Ned, „ich denke aber, das hat noch Zeit.“ Mit dieser Bemerkung erreichte er, dass ihm sowohl Elias als auch Elsbeth missbilligende Blicke zuwarfen.

„Dürfen wir Sie einladen, sich ein wenig zu uns zu setzen?“, fragte Elsbeth. Sie wollte nicht unhöflich sein. „Ihr Gesicht ist von Regen, Wind und Sonne gegerbt, Sie tragen eine Biberfellmütze und Fellstiefel. Über den Mississippi kommen manchmal Männer zu uns, die uns Felle und indianische Handarbeiten verkaufen. Sind Sie auch einer dieser Fallensteller?“

„Ja, das bin ich.”

„Ah, ja...”

Ned fühlte sich nicht besonders wohl in seiner Haut, doch Sarahs Blick, mit dem sie ihn regelrecht aufforderte, die Einladung anzunehmen, veranlasste ihn zu bleiben.

Sie setzten sich.

Elsbeth bot dem Gast einen Tee an, was Ned aber dankend ablehnte. Er erzählte von seinem Leben als Scout, Fallensteller und Jäger, von seiner Freundschaft mit vielen Indianern und von der Wildheit des Landes weiter im Westen.

Interessiert hörten Sarah und ihre Eltern zu.

„Viele von uns haben vor, nach Westen zu gehen und dort eine neue Stadt aufzubauen“, verriet Elias, als Ned schwieg.

„Nicht alle, die hier leben und dem Terror der Nachbarstädte ausgesetzt sind?“, fragte Ned.

„Viele sind noch unschlüssig.”

„Unschlüssig?”, echote Ned Brown und seine Augen wurden sehr schmal dabei. Wie konnte man angesichts der gegebenen Situation noch unschlüssig sein?

Wie konnte man da noch ernsthaft zögern?

Ned Brown hatte dafür kaum Verständnis.

Er hörte weiter zu, was sein Gegenüber ihm sagte.

„Bis jetzt sind es aber schon mehr als ein halbes Tausend, die sich entschlossen haben, auszuwandern. Brigham hat vom gelobten Land weit im Westen gesprochen. Das ist unser Ziel. Wir werden uns dort eine neue Existenz aufbauen, dem Herrn dienen, und mit unseren Nachbarn in Frieden leben.“

„Frieden?”, fragte Ned Brown ungläubig.”

„Ja.”

„Ihre Nachbarn werden Indianer sein.”

„Die Indianer sind unserer Lehre nach die Nachkommen der verlorenen Stämme Israels.”

„Westlich des Mississippi werden Sie außer einer Handvoll Leuten wie mich kaum Weiße antreffen“, erwiderte Ned.

„Dann leben wir eben mit den Indianern in Frieden“, versetzte Elias. Plötzlich wurde sein Blick lauernd. „Sie kommen von Westen, Mister Brown“, murmelte er schließlich. „Wir wollen nach Westen. Sicher kennen Sie eine Route, auf der wir mit unseren Prärieschonern keine allzu großen Komplikationen zu erwarten haben.“

„Das kommt drauf an, wie weit Sie nach Westen möchten“, antwortete Ned. „Westlich des Missouri wird es hügelig, und dann kommen die Rockys. Es gibt sicher einige Pässe, über die man auch mit Fuhrwerken nach Westen gelangt, aber die Unbilden und Strapazen eines solchen Trails sind wahrscheinlich kaum zu ertragen.“

„Wir werden es auf jeden Fall versuchen“, erklärte Elias, „und suchen einen Scout, der uns nach Westen führt“, fügte er hinzu. „Hätten Sie keine Lust? Wir würden Sie gut bezahlen. Ich denke, Sie wären der richtige Mann, Mister Brown. Sie haben schon Wagenzüge geführt, sind mutig und kennen die Indianer. Sagen Sie ja, Mister Brown, und ich stelle Sie unserem Führer, Brigham Young, vor.“

Sarah schaute Ned geradezu beschwörend an. Auch Elsbeths erwartungsvoller Blick war hoffnungsvoll auf ihn gerichtet.

Ned musste nicht lange überlegen. „Tut mir leid“, sagte er, „aber ich will nach Hause, denn ich habe meine Familie fast vier Jahre lang nicht gesehen. Ich weiß ja nicht einmal, ob meine Eltern und Großeltern noch leben. Ich habe drei Brüder und zwei Schwestern. Sie haben die ganze Zeit über kein Lebenszeichen von mir erhalten. Es ist mir ein inneres Bedürfnis, zu Hause mal nach dem Rechten zu sehen.“

„Das kann ich verstehen“, murmelte Elias ziemlich enttäuscht.

Ned warf Sarah einen schnellen Blick zu, und auch sie schien seine Ablehnung enttäuscht zu haben. Für einen Moment wurde er sogar wankend in seiner Entscheidung. Doch er blieb dabei. Die Ungewissheit seine Familie betreffend wog stärker als der Wunsch, die nächsten Wochen oder vielleicht sogar Monate in Gesellschaft Sarahs zu verbringen.

Als er wenig später in Richtung Mietstall marschierte, war er sich sicher, das Richtige zu tun.

Der Stallmann empfing ihn mit den Worten: „Es ist mit der Geschwindigkeit eines Steppenbrands durch die Stadt gegangen, dass du zwei von Broderick Carlisles Halunken auf ihre richtige Größe zurechtgestutzt hast. Darf ich dir einen guten Rat geben, Fremder?“

„Ich schätze, ich weiß, wie der gute Rat lautet. Ich soll mir so schnell wie möglich meinen Braunen zwischen die Beine klemmen und viele Meilen zwischen mich und Carlisle bringen. Stimmt‘s?“

„Tust du es nicht, zieht er dir das Fell über die Ohren. Das ist so sicher, wie die Nacht dem Tag folgt.“

„Ich reite morgen früh weiter“, erwiderte Ned. „Im Übrigen nehme ich dein Angebot an und schlafe hier im Heu. Deine Einladung gilt doch noch?“

„Gewiss.“

„Dann ist ja alles klar.”


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