Читать книгу Ein Land, in dem der Colt regiert: Western Großband 3 Romane 12/2021 - Pete Hackett - Страница 13

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Es waren mehr als hundert Planwagen-Schoner, die am Ostufer des Mississippi in mehreren Reihen abgestellt waren. Dazwischen brannten Kochfeuer, die zugleich den Zweck hatten, die Männer, Frauen und Kinder zu wärmen. In einem Seilcorral standen die Zugtiere, in einem anderen Kühe und Bullen, die der Aufzucht dienen sollten, in einem weiteren an die dreihundert Pferde.

Diejenigen, die sich entschlossen hatten, vor Hass und Verfolgung in die Wildnis jenseits des Mississippi zu fliehen, um sich irgendwo eine neue Existenz aufzubauen, waren in Aufbruchstimmung.

Ned wurde beobachtet, als er an den Fuhrwerken entlangritt. Einige von diesen Männern kannten ihn vom Sehen. Seine Augen waren unablässig in Bewegung und suchten Sarah oder jemanden von ihrer Familie. Tatsächlich entdeckte er ihre Mutter. Sie stand bei einem Feuer, über dem von einem eisernen Dreibein ein verrußter Kessel hing. Ned lenkte die Stute auf sie zu, zügelte und grüßte: „Howdy, Mrs. Naismith.“

Sie schien sekundenlang der Stimme hinterherzulauschen, dann aber drehte sie sich um und sagte lächelnd: „Ah, Sie sind es, Mister Brown. Freut mich, Sie wiederzusehen. Wie Sie sehen, sind wir bereit für den Trail nach Westen. Waren Sie zu Hause? Wenn ja, dann hat es Sie aber nicht sehr lange dort gehalten. Hat Sie das Fernweh wieder übermannt?“

Das Gesicht Neds verschloss sich ein wenig. Vielleicht war es auch nur die Erinnerung daran, die seine Züge überschattete, dass er nach vielen Wochen eines harten Ritts nur die Gräber seiner Eltern und Großeltern sowie eine verlassene Farm vorfand. „Mein Vater, meine Mutter, mein Grandpa sowie meine Grandma sind an den Pocken gestorben, meine Geschwister in alle Winde verstreut. Es gab nichts mehr, was mich halten hätte können.“

Kaum, dass das letzte Wort über seine Lippen war, erklang Sarahs erfreute Stimme: „Großer Gott, es ist tatsächlich Ned Brown. Ich habe es fast nicht glauben können ...“

Sie hatte sich im Wagen aufgehalten. Nun stieg sie über den Bock, sprang auf den Boden und stellte sich neben ihre Mutter. Ihre Augen leuchteten vor Wiedersehensfreude.

„Schön Sie wiederzusehen, Sarah”, sagte Ned Brown.

„Ganz meinerseits”, sagte sie schluckend. „Ich dachte schon...”

„Was?”

„Ich habe nicht angenommen, dass sich unserer Wge noch einmal kreuzen.”

„Manchmal führen Wege doch wieder zusammen”, sagte Ned Brown.

„Ja.”

„Ich wähnte euch schon längst irgendwo in der Wildnis“, verriet Ned und schwang sich vom Pferd, führte es zum Wagen und band es an einem der großen, eisenbereiften Räder fest. Dann kam er zum Feuer, zog die Handschuhe aus und hielt die klammen Hände darüber.

Scheinbar hatte Elsbeth, während Ned Brown sein Pferd anleinte, Sarah darüber informiert, was der Grund für seine schnelle Rückkehr war. „Das mit Ihrer Familie tut mir leid“, gab sie zu verstehen. „Ich denke, Sie möchten zurück in den Westen. Werden Sie sich uns anschließen?“

„Ich weiß es noch nicht. Wie gesagt, ich wähnte euch längst auf dem Trail und habe keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass ich mich euch anschließen könnte. Habt ihr schon einen Kundschafter gefunden, der euch führt?“

„Nein. Wären Sie jetzt gegebenenfalls bereit?“ Sarah musterte ihn mit einer gewissen Herausforderung im Blick.

„Bis nach Fort John in Wyoming könnte ich euch führen“, antwortete Ned. „Dort treffen sich Pelzhändler und Indianer zum Warentausch. Außerdem ist Fort John einer der wichtigsten Stützpunkt jener Auswanderer, die – wie ihr – nach Westen wollen.“

„Mein Vater ist bei Brigham“, erklärte Sarah. „Brigham hat ihn und einige andere Männer wegen einer Besprechung zu sich gebeten. Haben Sie was dagegen, wenn ich Sie zu ihnen bringe, Mister Brown? Wenn Sie sich uns als Scout zur Verfügung stellen, löst das eine Reihe von Problemen, vor denen wir gestanden hätten.“

Sie sah ihn an.

Auf ihre ganz eigene, unverwechselbare Weise.

Ihr Lächeln war verhalten, aber hintergründig.

Ned Brown erwiderte es kurz.

„In Ordnung, Miss Naismith, bringen Sie mich zu Ihrem Anführer.“

„Gut!”

„Könnte also sein, dass unsere Wege noch eine Weile parallel verlaufen.”

„Wäre das so schlimm?”

„Natürlich nicht.”

„Es ist der Herr, der unsere Wege bestimmt, Mister Brown. Nicht wir Menschen.”

Ned Brown antworte darauf nicht.

Nachdem, was er in der letzten Zeit mit seiner Familie erlebt hatte, war es schwer, den Glauben zu behalten.

Am Feuer von Brigham Young traf Ned auf Elias Naismith sowie einige andere Männer um die vierzig, wohl eine Art Ältestenrat, sowie den Mann, dem sich all diese Menschen in der Hoffnung, dass er sie ins gelobte Land führen würde, angeschlossen hatten.

Ned konnte von ihren Gesichtern ablesen, wie sehr sie sein unvermutetes Auftauchen in Staunen versetzte. Dieser staunende Ausdruck aber machte dem der Freude Platz, als Sarah den Männern verriet, dass Ned bereit war, sie durch die Wildnis bis nach Wyoming, genau gesagt bis Fort John, zu führen.

Man war sich schnell einig. Die Mormonen waren bereit, Ned für jede Meile des Trails zwei Dollar zu bezahlen. Außerdem erhielt er während der ganzen Zeit Verpflegung. Er und Brigham Young besiegelten die Vereinbarung per Handschlag.

Ned kehrte zusammen mit Sarah und deren Vater zu dessen Fuhrwerk zurück. „Ihr kommt gerade richtig“, empfing sie Elsbeth. „Das Essen ist fertig. Sie sind natürlich unser Gast, Mister Brown.“

Sarah strahlte Ned von der Seite an.

„Ich bin froh, dass Sie uns führen, Mister Brown.”

„Ich werde mein Bestes tun!”

„Das weiß ich.”

„So?”

„Sie haben mich schon einmal gut beschützt.”

„Das war eine Selbstverständlichkeit.”

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, das war es nicht”, widersprach.

Wieder trafen sich ihre Blicke.

Sie wandte sich erst ab, als ihr Vater sie ansah.

Und vielleicht hatte sie auch tiefe Furche gesehen, die sich auf dessen Stirn gebildet hatte.

Sarah errötete leicht.


Ein Land, in dem der Colt regiert: Western Großband 3 Romane 12/2021

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