Читать книгу Ein Land, in dem der Colt regiert: Western Großband 3 Romane 12/2021 - Pete Hackett - Страница 17

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Sie waren wieder auf dem Trail. Hügeliges Land nahm sie auf. Ned, der voraus ritt, führte den Treck zwischen den sanften Anhöhen hindurch. Wenige Meilen vor dem Missouri aber versperrte ein Höhenzug, dessen Ostflanke ziemlich steil abfiel, den Weg. Er zog sich weit nach Süden und Norden.

Es war um die Mitte des Nachmittags. Ned wartete auf die Auswanderer. Der Zug kam zum Stehen. Einige der Männer, die Young zu seinen Beratern erkoren hatte, kamen nach vorn, unter ihnen auch Elias Naismith. Seit dieser Ned aufgefordert hatte, die Hände von Sarah zu lassen, gingen sich die beiden Männer aus dem Weg. Ned und Sarah liebten sich, doch ihre Liebe musste geheim bleiben. Sie würden beide immensen Ärger bekommen, sollte publik werden, was sie füreinander empfanden. Keiner von denen, die diesen Treck mitmachten, würde dafür Verständnis aufbringen. Man würde Ned mit Schimpf und Schande davonjagen und Sarah würde künftig das Leben einer Leibeigenen führen. In Glaubensfragen kannte die Sekte kein Entgegenkommen und kein Erbarmen.

Ein halbes Dutzend Männer scharten sich um Ned, der abgesessen war. „Der Hügel vor uns zieht sich wie eine nicht enden wollende Bodenwelle von Norden nach Süden“, gab Ned zu verstehen. „Wir sollten hier lagern. Ich will einen Weg um die Anhöhe herum auskundschaften.“

Die abschätzenden und prüfenden Blicke des Mormonenführers und seiner Vertrauten tasteten sich den Abhang hinauf. Er war nicht nur verhältnismäßig steil, auf ihm lag der Schnee auch mehr als kniehoch, und er zog sich wohl an die zweihundert Yards nach oben.

„Was meint ihr?“, fragte Brigham Young die anderen.

„Bevor wir vielleicht einen endlosen Umweg fahren müssen“, erwiderte einer „sollten wir vielleicht versuchen, auf geradem Weg über den Hügel zu ziehen.“

„Das kann für die Zugtiere und auch für uns zu einer Tortur ausarten, Jerobeam“, streute Elias Naismith seine Zweifel aus. „Wenn der Schnee nicht wäre, hätte ich kein Problem. Die Räder werden tief einsinken, und wir wissen nicht, wie der Untergrund beschaffen ist. Es kann Rinnen und Vertiefungen geben. Wenn auf diesem Hang ein Rad bricht, wird es problematisch. Auch wissen wir nicht, wie die andere Seite des Hügels beschaffen ist.“

„Das herauszufinden wäre das geringste Problem“, erklärte Ned und musterte Jerobeam Jackson. Er war Mitte vierzig, bärtig, groß und vierschrötig. Sarah sollte seine dritte Frau werden. Der Gedanke war sowohl für sie als auch für ihn, Ned, erschreckend.

Ned fühlte den forschenden Blick Elias Naismith‘ auf sich gerichtet und hörte Brigham Young sagen: „Versuchen Sie, einen anderen Weg zu finden, Mister Brown. Sollte der Umweg zu weit oder auch zu umständlich sein, werden wir Jerobeams Vorschlag folgen und versuchen, über den Berg zu ziehen. Gegebenenfalls müssen wir den Weg freischaufeln und dann Fuhrwerk für Fuhrwerk hinaufbringen.“

Die Fuhrwerke wurden am Fuße der Anhöhe so aufgefahren, dass sie ein Karree bildeten. Ned aber wandte sich nach Süden. Er ritt meilenweit, aber ein Hügel schloss sich an den anderen an und er kam zu dem Schluss, dass kein vernünftiger Weg zwischen den Hügeln hindurchführte. Sie würden kreuz und quer zwischen den Hügeln ziehen müssen, und die eine oder andere Anhöhe würde ihnen dennoch nicht erspart bleiben. Ein Umweg würde nur zusätzliche Hindernisse mit sich bringen.

Ned kehrte um. Es war finster, als er das Camp erreichte. Überall brannten Feuer, Licht und Schatten wechselten, das unruhige Licht zerrte Fuhrwerke, Tiere und Menschen aus der Dunkelheit. Die unterschiedlichsten Geräusche wehten ihm entgegen; Stimmendurcheinander, Wiehern, Muhen und das Brüllen eines Ochsen.

„Wie sieht es aus?“, fragte Brigham Young, als Ned bei seinem Prärieschoner vom Pferd stieg und ans Feuer herantrat.

„Schlecht“, antwortete Ned. „Es gibt immer eine Anhöhe, die sich uns in den Weg stellt. Nach Norden zu schaut es wahrscheinlich nicht viel besser aus. Wir sollten versuchen, über den Hügel ...“, Ned wies mit dem Daumen über seine Schulter auf den Höhenzug, „... zu kommen.“

„Es wäre wichtig, zu wissen, wie die andere Seite aussieht“, sagte Young.

„Das werde ich morgen früh erkunden“, erwiderte Ned.

„Gut. Ich will heute noch die anderen informieren. Gegebenenfalls müssen wir wohl tatsächlich den Weg über die Anhöhe freischaufeln.“ Youngs Miene verkniff sich. „Uns bleibt auch nichts erspart.“ Der Sektenführer richtete den Blick zum Himmel. „Ich sehe es als Prüfung. Ja, das ist es. Der Herr prüft uns. Er will, dass wir uns das gelobte Land erobern. Im Schweiße unserer Angesichter ... Nur wenn wir stark genug sind, all den Schwierigkeiten auf unserem Weg zu trotzen, verdienen wir es, dereinst in einem Land, in dem Milch und Honig fließen, zu leben.“

Ned nahm sein Pferd am Zaumzeug und führte es zwischen die Fuhrwerke, wo er einen Platz für sein Zelt und ein Feuer fand. Zuerst versorgte er sein Pferd. Kaum, dass er sein Zelt aufgebaut und sich ein Nachtlager aus Heu und Stroh gerichtet hatte, kam Elsbeth Naismith zu ihm. Sie brachte ihm einen Napf mit Brei, in dem einige Stücke gepökeltes Fleisch schwammen. Ein Löffel steckte in der Pampe.

„Essen Sie das, Mister Brown“, sagte sie.

Ned nahm den Napf und kauerte am Feuer nieder.

Elsbeth sagte: „Sarah hat sich mir anvertraut, Mister Brown. Und ich weiß von dem Gespräch, das mein Mann mit Ihnen geführt hat. Seitdem halten Sie sich von uns fern. Sarah spricht zwar nicht darüber, aber ich glaube, es macht sie sehr traurig.“

Ned schaute zu Elsbeth in die Höhe. Zwischen ihnen war das Feuer, die Gestalt der Frau warf einen langen Schatten auf den Schnee. „Auch ich leide, Ma‘am“, murmelte der Kundschafter. „Aber ich will nichts herausfordern. Ihr Gatte hat mich gewarnt und mir eine Menge Ärger prophezeit, wenn ich mich nicht zurückhalte. Brigham Young und ich haben einen Vertrag geschlossen. Wenn wir Fort John erreicht haben, endet er, ich ziehe meiner Wege, und Sarah wird die dritte Frau Jerobeam Jacksons werden. Sie wird sich fügen, denn sie ist in dem Bewusstsein großgezogen worden, sich den Gesetzen eurer Kirche unterwerfen zu müssen.“

„Sie sind ein sehr vernünftiger Mann, Mister Brown“, versetzte Elsbeth. „Es ist wohl tatsächlich so, dass sich ab Fort John unsere Wege trennen. Sarah wird darüber hinwegkommen. Sie ist dazu erzogen, gehorsam zu sein. Also wird sie ihrem Vater gehorchen und Jerobeam Jackson zum Mann nehmen.“

Sie schien keine Antwort zu erwarten, denn sie wandte sich ab und ging davon.

Ned löffelte den Brei und fragte sich, aus welchem Grund ihm Elsbeth Naismith von Sarahs Gefühlen erzählt hatte. Hatte sie Mitleid mit ihrer Tochter, die heiß und innig liebte und deren Liebe sich niemals erfüllen würde, weil die Gesetze und Grundsätze der Mormonen nur eine Verbindung zwischen „Gläubigen“ zuließen.

Neds Abneigung gegen die Sekte wuchs. Und er fing an, daran zu denken, diesem Treck den Rücken zu kehren. Sofort verwarf er diesen Gedanken wieder, denn er durfte Sarah nicht sich selbst überlassen. Mit einem Mann wie Jerobeam Jackson würde sie unglücklich werden und vielleicht sogar am Leben verzweifeln. Er durfte sie nicht einfach im Stich lassen. Und ein neuer Gedanke drängte sich ihm auf. Es war der Gedanke an Flucht – Flucht zusammen mit Sarah.


Ein Land, in dem der Colt regiert: Western Großband 3 Romane 12/2021

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