Читать книгу Ein Land, in dem der Colt regiert: Western Großband 3 Romane 12/2021 - Pete Hackett - Страница 18
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Am Morgen verließ Ned auf seinem Pferd das Camp, lenkte den Vierbeiner den lang gezogenen Hang hinauf und erreichte schließlich den Kamm der Bodenwelle. Das Pferd, das ihn durch den hohen Schnee getragen hatte, prustete. Der Weg, der hinter ihm lag, hatte selbst das starke und ausdauernde Tier an den Rand seines Leistungsvermögens gebracht.
Der Hügel fiel nach Westen hin etwas flacher ab. Unten dehnte sich wieder eine weitläufige Ebene, an deren Ende der Horizont mit den tiefhängenden Wolken zu verschmelzen schien.
Ned ritt hinunter und stellte fest, dass die Hügelflanke passierbar war. Das einzige Handicap war der hohe Schnee, der dem Pferd manches Mal bis zum Bauch reichte.
Er kehrte um. Auf der anderen Seite hatten die Mormonen begonnen, eine Schneise freizuschaufeln, breit genug, um ein Fuhrwerk nach dem anderen auf den Hügel zu fahren. Selbst die Frauen hatten Schaufeln zur Hand genommen und schippten den Schnee.
Ned erspähte Brigham Young, der sich nicht an der Arbeit des Schneeschaufelns beteiligte, sondern mit seinen Vertrauten irgendeine Debatte führte.
Der Scout zügelte bei der kleinen Gruppe das Pferd, fünf Augenpaare richteten sich auf ihn, er sagte: „Dem Augenschein nach haben wir auf der anderen Seite keine Komplikationen zu befürchten. Eine Garantie kann ich natürlich nicht abgeben. Aber wie ich sehe, haben Sie begonnen, einen Weg freizulegen. Das sagt mir, dass Sie auf jeden Fall den Weg über den Hügel nehmen wollen, unabhängig davon, wie es auf der anderen Seite aussieht.“
„Ich habe in der Hoffnung, dass Sie uns eine positive Nachricht überbringen, angeordnet, einen Weg freizuschaufeln“, erklärte Brigham Young. „So verlieren wir keine Zeit.“
Gegen Mittag sollte das erste Fuhrwerk den Abhang hinauffahren. Es war Youngs Schoner. „Hü!“, gellte es aus seinem Mund. „Der Herr ist mit uns.“ Die Peitsche knallte.
Unter den großen Rädern knirschte der Schnee, als sie sich zu drehen begannen. Ein Ächzen ging durch den Prärieschoner, die Seile strafften sich wie die Saiten einer Geige und knarrten in den Sielen.
Das Wagengespann bewegte sich schwerfällig bergaufwärts. Je steiler der Abhang wurde, desto mehr verlor es an Tempo. Die Ochsen stemmten sich in die Geschirre. Einige Männer rannten heran und trieben sie zusätzlich mit ihren Peitschen an. Andere griffen in die Speichen der Räder und schoben. Atemlos beobachteten diejenigen, die noch unten waren, die schweißtreibende Aktion. In mühevoller Arbeit wurde der Schoner Stück für Stück den Hang hinaufgebracht. Es war eine Überwindung, eine Anstrengung, die den ganzen Willen eines jeden erforderte. Oben rollte das Fuhrwerk ein ganzes Stück über den Kamm, schließlich wurde das Gespann angehalten.
Die Tiere waren feucht vom Schweiß, röchelten und röhrten, und auch den Männern lief der Schweiß über die Gesichter. Mehr als eine halbe Stunde hatten sie gebraucht. Sie ließen sich erschöpft und atemlos zu Boden fallen und ruhten aus.
Unten hatte sich das nächste Gespann auf den Weg gemacht. Die Tiere vor den hinteren Fuhrwerken standen unruhig in den Geschirren, als ahnten sie, dass ihnen eine der größten Strapazen des Trails bevorstand.
Als die Dunkelheit kam, hatten sie sämtliche Schoner oben. Einige Frauen hatten Fleisch gebraten und Kaffee gekocht. Mit Heißhunger verschlangen die Männer die Speisen. Der starke, heiße Kaffee belebte sie, dennoch waren sie ausgelaugt bis ins Knochenmark.
An diesem Tag dachte niemand mehr daran, weiterzufahren. Sie campierten auf dem Kamm der Bodenwelle. Die Nacht verlief ruhig. Als der Tag graute, kam wieder Leben in das Camp.
Ned begab sich zum Fuhrwerk des Sektenführers und traf Young beim Frühstück an. Er saß bei einem Feuer, über dem ein Dreibein stand, auf einem Hocker und aß Rührei mit Speck.
„Wir werden den Hang hinunter Stangen in die Speichen klemmen müssen, damit die Räder blockieren“, gab Ned zu verstehen. „Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Fuhrwerke die Zugtiere überrollen und in die Tiefe reißen.“
„Haben Sie schon gefrühstückt?“, fragte Brigham Young. Zwei Frauen standen bei ihm, und Ned wusste, dass sie beide mit dem Treckführer verheiratet waren.
„Nein“, antwortete Ned.
„Setzen Sie sich zu mir. – Bell, gib Mister Brown einen Teller mit Rühreiern und eine Scheibe Brot. Clarissa, du bringst ihm einen Hocker und schenkst ihm Kaffee ein.“
Die beiden Frauen gehorchten. Schließlich saß Ned dem Sektenführer gegenüber und ließ sich das für die gegebenen Verhältnisse recht feudale Frühstück schmecken.
„Wollen Sie uns, sobald wir Fort John erreicht haben, wirklich verlassen?“, fragte Young kauend. „Was ist überhaupt Ihr Ziel, Mister Brown?“
„Ich werde mich nordwärts wenden“, antwortete Ned. „Dort oben gibt es weitläufige Wälder mit Unmengen von Pelztieren. Dort habe ich die vergangenen vier Jahre verbracht, dort werde ich den Rest meines Lebens verbringen.“
„Das Gebiet gehört den Briten, nicht wahr?“
„Ja. Es ist nur dünn besiedelt. Es gibt dort einige kleine Indianerstämme, die allerdings friedlich sind. Man kann in Ruhe seine Fallen stellen und jagen.“
„Warum werden Sie nicht einer von uns?“, fragte Young.
„Ich bin kein besonders gläubiger Mensch“, erwiderte Ned. „Mein Motto lautet: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Ich halte auch nicht die rechte Wange hin, nachdem mich jemand auf die linke geschlagen hat.“
„Sondern?“
„Ich schlage zurück.“
„Wir Mormonen sind Gegner jedweder Gewalt“, sagte Young.
„Falls ihr von Fort John aus weiter nach Westen zieht, werdet ihr es mit Indianern zu tun kriegen. Mit Stämmen, die alles andere als friedlich sind, deren Hass auf jeden, der eine weiße Hautfarbe hat, grenzenlos ist. Es wird euch nichts anderes übrig bleiben, als dass ihr euch wehrt. Westlich des Mississippi gilt das Recht des Stärkeren. Man lernt seine Lektionen entweder sehr schnell, oder man verschwindet innerhalb kürzester Zeit in einem namenlosen Grab.“
„Mit uns ist Gott“, erwiderte Young.
„Der wird Sie kaum vor dem Hass sowie den Pfeilen, Lanzen und Tomahawks der Rothäute retten“, erklärte Ned lakonisch und erntete dafür einen missbilligenden Blick des Sektenführers.
Eine halbe Stunde später setzten sie ihren Weg fort. Unangefochten erreichte der Treck die Ebene, auf der er weiter gen Westen zog.
Das Land vor ihnen war wieder eben. Es gab viel Wald. Ned ritt etwa eine Meile vor dem Treck. Tagelang zogen sie, und als sich eines Morgens Ned von Brigham Young verabschiedete, sagte er: „Schätzungsweise erreichen wir heute Abend den Missouri. Sie haben vor einigen Tagen erklärt, dass Sie dort eine Fährstation errichten wollen. Das heißt, dass wir ein paar Tage nicht marschieren werden.“
„Die Tiere und Menschen werden für die Rast dankbar sein“, erwiderte der Sektenführer. „Sie haben Zeit, in sich zu gehen und ihr Seelenleben zu ordnen, Gott zu danken und Fürbitten zu sprechen, damit er uns – wie einst dem jüdischen Volk unter Moses – den Weg ins gelobte Land weist.“
„Okay“, sagte Ned. „Ich reite voraus und suche einen geeigneten Lagerplatz am Fluss, der sich auch für eine Anlegestelle der Fähre eignet.“ Er vollführte eine umfassende Armbewegung in die Runde. „An Holz wird es nicht mangeln. Die Wälder reichen bis an den Missouri heran.“
„Der Herr sei mit Ihnen, Mister Brown“, rief Young als Ned das Pferd antrieb.
Die Fuchsstute stampfte durch den hohen Schnee. Ned wusste, dass die Gefahr, die von den Indianern ausging, nicht sehr groß war. Die Jagdgruppen, die durch das Land streiften, waren viel zu klein, um einen ganzen Treck anzugreifen. Weiter westlich, in den Jagdgründen der Sioux, Arapahos und Shoshonen sah das ganz anders aus. Aber dahingehend verschwendete Ned keinen einzigen Gedanken, denn er war fest entschlossen, nach der Ankunft bei Fort John den Mormonentreck zu verlassen. Sarah war ihm in den vergangenen Tagen aus dem Weg gegangen, und er sagte sich, dass sie aus Angst vor ihrem Vater und den Konsequenzen, die aus einer Liebschaft zu ihm auf sie zukämen, das Interesse an ihm verloren hatte.
Unbeirrbar und unermüdlich zogen sie nach Westen. Um die Mitte des Nachmittags sah Ned weit vor sich die hohen Pappeln, die den Missouri säumten. Er ritt über verschneites Grasland, das im Norden und Süden von dunklen Wäldern begrenzt wurde. Und am Rand des nördlichen Waldes erspähte Ned fünf Reiter. Die Entfernung zu ihnen betrug an die dreihundert Yards. Unwillkürlich zerrte er sein Pferd in den Stand, kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und verspürte Anspannung.
Ned war sich sicher, einen Jagdtrupp der Omahas vor sich zu haben. Er beobachtete das Rudel. Die Krieger gestikulierten und palaverten lange.
Schließlich waren sie mit ihrer Diskussion am Ende. Wahrscheinlich versprachen sie sich leichte Beute, denn sie rissen ihre Kriegsbeile aus den Gürteln und hämmerten ihren Mustangs die Fersen in die Seiten.
Das war deutlich genug. Ned zog entschlossen das Gewehr aus dem Scabbard und spannte den Hahn, schoss aber nicht. Er zog sein Pferd herum, gab ihm den Kopf frei und floh nach Süden. Vor ihm dehnte sich die Ebene mit kaum nennenswerten Bodenwellen. Rechter Hand, in ungefähr einer Meile Entfernung, floss der Missouri. Schrilles Geschrei holte Ned ein. Wie von Sinnen bearbeiteten die Omahas ihre Pferde mit den Fersen. Die Hufe der Tiere schienen kaum noch den Boden zu berühren.
Ned stellte sich in den Steigbügeln auf und verlagerte seinen Oberkörper nach vorn auf den Hals der Stute. Die Umgebung schien an ihm vorbeizufliegen. Die Muskeln der Stute streckten sich im stiebenden Galopp. Schnell rückte der Wald näher. Scharfer, eisiger Reitwind peitschte Neds Gesicht und trieb ihm die Tränen in die Augen. In breiter Linie verfolgten ihn die Indianer. Gewiss waren ihre Mustangs sehr zäh und ausdauernd.
Ned erreichte den Wald, gelangte in den Schutz des dichten Gehölzes, hielt an und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Die Flanken der Stute zitterten. Hinter einem dicken Baum ging der Scout in Deckung.
Zweihundert Schritte trennten die Omahas noch von Ned. Wahrscheinlich gingen sie nicht davon aus, dass der Weiße sich ihnen stellte. Denn sie stoben, ohne die gebotene Vorsicht zu beachten, auf den Waldrand zu. Sie wähnten das zweibeinige Wild, das sie jagten, sicherlich im Wald auf der Flucht und würden auf seiner Spur bleiben, die sich im hohen Schnee deutlich abzeichnete.
Dass dies ein Irrtum war, begriffen sie, als Neds Gewehr donnerte. Eines ihrer Pferde brach vorne ein und rutschte von der Wucht des Tempos getragen in einer Wolke aus hochwirbelndem Schnee dahin. Der Krieger sprang ab und überschlug sich am Boden, taumelte hoch und brüllte seine Wut hinaus. Sein Geschrei ging unter im Krachen des Gewehres. Neds zweiter Schuss fällte ein weiteres der Tiere. Der Krieger wurde über den Pferdekopf hinweg katapultiert und verschwand im Schnee. Die anderen Verfolger drehten, schrille Schreie ausstoßend, ab und suchten ihr Heil in der Flucht. Jener Krieger, dessen Pferd Ned zuerst erschoss, rannte hinter ihnen her.
Ned schwang sich wieder in den Sattel ...