Читать книгу Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes - Страница 19

14.

Оглавление

Der Bericht wartete tatsächlich auf seinem Schreibtisch auf ihn, zusammen mit dem Messer, das in einer Plastiktüte steckte.

Und vor dem Schreibtisch wartete Manninga.

»Olthoff sagt, Sie hätten die Listen«, sagte der Kriminaldirektor und streckte seine Pranke aus. »Darf ich bitten?«

»Klar.« Stahnke zog einen in der Mitte gefalteten Notizblock aus der Innentasche seines sommerlichen Leinenjacketts. »Bin noch gar nicht dazu gekommen, mir das mal näher anzugucken. Scheinen aber eine ganze Menge Autonummern zu sein.«

»Keine Sorge, darum kümmere ich mich«, sagte Manninga, nahm den Block an sich und verließ das Büro.

Stahnke schloss die Tür hinter ihm, verharrte einen Moment. Dann griff er erneut in seine Innentasche, zog ein Bündel Kopien heraus und legte sie in seinen Posteingangskorb, Schrift nach unten.

»Chef?« Lautlos hatte Kramer den Raum betreten.

Stahnke atmete tief durch und ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen.

»Ja. Was ist?«

»Das Messer. Der Untersuchungsbericht ist da.«

»Das sehe ich. Und?«

»Fingerabdrücke sind drauf. Von einer einzigen Person.«

»Gut! Endlich kommen wir weiter. Schon überprüft?«

»Allerdings«, sagte Kramer. »Es sind die Fingerabdrücke von Marion Haak.«

»Von …« Stahnke schüttelte den Kopf. »Eigenartig. Nur von ihr?«

Kramer nickte: »Ausschließlich. Sonst ist nichts drauf.«

Stahnke scheuerte sich an der Rückenlehne seines Stuhls wie ein Bär an einer Borke. »Also hatte der Täter Handschuhe an. Mist. Hatte gedacht, bei diesem hochsommerlichen Wetter haben wir in dieser Hinsicht mal Glück. Na ja, und die Frau Haak wird sich wohl gewehrt und dabei das Messer berührt haben. Oder sie hat den Griff angefasst, als das Messer in der Wunde steckte.«

Kramer wiegte den Kopf: »Möglich. Dafür sind es allerdings sehr viele Abdrücke. Sie sind überall, sogar auf dem Klingenansatz sind welche. So als ob …« Er stockte.

»Spekulieren Sie ruhig«, ermutigte ihn Stahnke.

»Als ob es ihr eigenes Messer wäre.«

»Wenn du eine Waffe besitzt, kann sie gegen dich gerichtet werden«, deklamierte Stahnke.

»Wie bitte?«

»Ach, irgend so ein Sprichwort. Hat mir mal ein alter Antiquitätenhändler gesagt, als ich einen Stockdegen bei ihm kaufen wollte.« Gekauft hatte er das Ding trotzdem, und jetzt verstaubte es irgendwo in einer Ecke seines Schlafzimmers. Aber den Spruch hatte er sich gemerkt. »Frau Haak sagt, sie könne sich an die Tat nicht mehr erinnern. Aber sie kann doch nicht vergessen haben, dass sie ein Messer besitzt, oder?«

»Wer weiß – aber wahrscheinlich ist das nicht«, sagte Kramer. »Im ersten Bericht steht nichts davon. Sie und Maike Rosenbohm waren doch inzwischen bei ihr; hat sie Ihnen nichts gesagt?«

»Nein«, sagte Stahnke. »Übrigens, woher wissen Sie denn, dass es Frau Haaks Fingerabdrücke sind? Ist sie etwa bei uns in der Kartei?«

»Daher weiß ich es nicht«, antwortete Kramer. »Ich habe vorsichtshalber auch ihren Ausweis ins Labor gegeben, zum Gegenchecken. Für alle Fälle.«

»Hatten Sie einen Verdacht?«

»Ach nein.« Kramer winkte ab. Tatsächlich wand er sich ein wenig. »Nur eine Ahnung.«

»Was für eine Ahnung?« Stahnke beugte sich vor und stützte die Arme schwer auf die Schreibtischplatte. »Jetzt aber mal raus mit der Sprache. Worauf wollen Sie hinaus?«

Wer Kramer kannte, sah, dass er sich unbehaglich fühlte. Eigentlich war ihm nichts anzumerken, aber für einen Moment war sein Blick seltsam nach innen gekehrt. Dann gab er sich einen Ruck. »Wissen Sie, ich habe eine Nichte, die ist fünfzehn. Geht zur Schule. In deren Klasse gibt es seit einiger Zeit so eine seltsame Mode. Was heißt seltsam – pervers passt wohl eher.« Er fuhr sich mit dem Nagel seines ausgestreckten Zeigefingers über den Arm: »Sie nennen es ›Ritzen‹.«

»Ritzen?« Stahnke hatte schon Selbstmörder mit aufgeschnittenen Pulsadern gesehen. Grauenhafte Schweinerei. Die meis­ten, die es auf diese Art versuchten, wurden allerdings gerettet. Und so war es auch gedacht. Als verzweifelter Hilferuf. »Sie meinen, die Mädchen schneiden sich, um damit auf sich aufmerksam zu machen?«

»Ja, das muss es wohl sein, was dahinter steckt«, sagte Kramer. »Meistens benutzen die Mädchen – es sind ausschließlich Mädchen, wissen Sie – Rasierklingen dazu. Aber einige haben auch Messer. Und sie behaupten, das Ritzen verursache ihnen ein geiles Gefühl. Ich zitiere wörtlich.«

»Verrückt.« Stahnke schüttelte den Kopf. »Was natürlich nicht heißen soll, dass ich Ihnen etwa nicht glaube. Heutzutage sollte man jede Verrücktheit für möglich halten. Aber sehen Sie da wirklich eine Verbindung? Ich meine, die Frau ist kein Teenager mehr, sie ist Mitte zwanzig, erwachsen. Und sie hat keine Ritzer in der Haut, sie hat eine tiefe Wunde im Bauch. Mit etwas Pech kann man an so etwas verbluten! Nein, also ich weiß nicht.«

»Ich ja auch nicht«, sagte Kramer. »Es war eben nur so eine Ahnung.«

Fürchte die Dunkelheit

Подняться наверх