Читать книгу Entführung in eine bessere Zukunft - Peter Giesecke - Страница 14

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Dr. Machmud erschien am Rand der Lichtung, im Schlepptau die beiden obligatorischen Bewacher. Er betrat das Haus und zog einen USB-Stick aus der Tasche. „Bitte geben Sie mir das Tablet.“ Er begann zu lesen. Dann blätterte er in einem Notizbuch und dachte nach. „Können Sie mir bitte erklären, warum Sie die Hohlkugellösung ausgeschlossen haben?“, fragte er dann.

Er war ausgesucht höflich, wirkte er aber auch irgendwie unsicher, vielleicht lag das aber auch an Sue, die unmittelbar neben ihm stand. Machmud war offensichtlich gut vorbereitet. Jörg fragte sich, ob man ihm eventuell irgendwie näher kommen könnte, ob man vielleicht eine gewisse Vertrautheit aufbauen könnte. Er erinnerte sich an das Stockholm-Syndrom.

„Wir haben diese Möglichkeit ausführlich diskutiert, wir gehen davon aus, dass die Bombe nicht zu schwer werden sollte, diese Lösung erfordert aber einen dickwandigen Stahlmantel, um dem anfänglichen Druck lange genug standzuhalten.“

„Aber der Vorteil wäre, dass nur eine Zündung notwendig wäre, damit entfällt das Problem von mehreren Zündungen, die nahezu gleichzeitig erfolgen müssten. Und wir glauben weiterhin, dass die Herstellung einer solchen Hohlkugel aus Plutonium nicht so ganz einfach ist, dagegen ist die Einbringung einzelner Spaltmaterialteile eine ganz normale mechanische Aufgabe.“

Machmud blickte skeptisch. „Aber es bietet Ihnen auch die Möglichkeit einer Sabotage im allerletzten Moment.“

„Wie meinen Sie das?“

„Halten Sie uns bitte nicht für so naiv. Natürlich werden Sie alles tun, um den Bau einer funktionsfähigen Bombe zu verhindern. Um Ihre Familien nicht zu gefährden, werden Sie versuchen, den Fehler erst im allerletzten Moment einzubauen. Falls wir uns für Ihre Lösung entscheiden, werden Sie den Zündungsablauf in mehreren experimentellen Versuchen in meiner Anwesenheit simulieren und die Größe des Zeitfensters dokumentieren. Aber ich werde jeden Schritt Ihrer Tätigkeit sehr aufmerksam verfolgen, geben Sie sich nicht der Illusion hin, mich täuschen zu können.“ Sein Ton wirkte jetzt sehr bestimmt, die Unsicherheit war verschwunden. Jörg und den anderen wurde erneut klar, dieser Mann war nicht zu unterschätzen.

„Ich komme in zwei Tagen zur gleichen Zeit wieder. Ich darf Sie bitten, bis dahin einige Skizzen für die von Ihnen gewählte Lösung anzufertigen, das ist allerdings noch keine Entscheidung.“

Nachdem er gegangen war, schauten sie sich fragend an. Pierre brachte es auf den Punkt. „Wir brauchen eine neue Strategie.“

Kes hatte eine Befürchtung. „Könnte es sein, dass sie uns abhören.“

Jörg beruhige ihn. „Wenn es so wäre, hätten sie auf unsere Bemerkungen längst reagiert, denk nur an den Lageplan.“

Ben unterbrach das darauffolgende Schweigen. „Wir müssen irgendwie unsere Familien warnen. Wenn wir das erreicht haben, sind wir nur noch für uns selbst verantwortlich.“

Pierre war wie immer ungeduldig. „Wie sollen wir das mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln anstellen, sollen wir etwa Trommeln anfertigen?“

Jörg sprang Ben zur Seite. „Wir sollten uns tatsächlich zunächst auf diesen Punkt konzentrieren. Ich schlage ein Brainstorming vor. Es gilt nur eine einzige Regel, jeder Vorschlag wird kommentarlos entgegengenommen, sei er auch noch so abwegig. Manchmal führen genau diese Ideen zu einer brauchbaren Lösung. Wir benötigen eine möglichst umfangreiche Liste an Vorschlägen.“

Sie setzten sich im Rasen in einen Kreis und dachten nach. Jörg hatte den ersten Vorschlag. „Wir haben eine Unmenge leerer Wasserflaschen. Wir können eine möglichst große Zahl mit einer schriftlichen Nachricht und einer Liste unserer Namen versehen. Wenn tatsächlich eine irgendwo auftaucht und gelesen wird, könnte man aus dem Strömungsverlauf sogar Rückschlüsse auf unseren Aufenthaltsort ziehen.“

Auch Pierre war jetzt voll bei der Sache. „Wir könnten versuchen, in den Besitz eines Handys zu kommen. Ich weiß noch nicht wie, aber vielleicht könnten wir ja darüber noch mal extra brainstormen.“

Sie nickten, das wäre tatsächlich eine Möglichkeit. Der Vorschlag von Ben war ziemlich unrealistisch. „Wir sollten einen Wächter auf unsere Seite ziehen, vielleicht durch Bestechung.“

Pierre hatte einen weiteren Vorschlag. „Wir könnten unseren Wächtern eine Falle stellen und dann fliehen, irgendwo gibt es sicher ein Boot.“

„Und wir könnten versuchen, einen Sender zu bauen.“ Der letzte Vorschlag kam von Sue.

„Noch irgendeine weitere irgendwie mögliche Methode, auch wenn sie völlig verrückt klingt?“ Kes bewies niederländischen Humor: „Wir versetzen uns gemeinsam in eine tiefe Meditation. Dann vereinigen wir uns zu einem Geist und kontaktieren das CIA durch Gedankenübertragung.“

Alle lachten, Jörg ergänzte: „Es gab tatsächlich solche Experimente in russischen und amerikanischen Militärforschungseinrichtungen, insbesondere zur Telekinese, leider sind die Ergebnisse nie veröffentlicht worden. Ich glaube, mehr ist im Moment nicht zu erwarten, wir sollten die Vorschläge jetzt bewerten.“

Sie diskutierten das Für und Wider und kamen zu einem Ergebnis. Die Flaschenpostlösung war auf den zweiten Blick gar nicht so abwegig, das Problem war allerdings der Transport zum Meer. Wenn das Lager wirklich Tag und Nacht unter Bewachung stand, wäre das äußerst riskant. Sie beschlossen, trotzdem zwanzig Flaschen vorzubereiten, vielleicht ergab sich ja doch irgendeine Gelegenheit.

Einen Wächter zu bestechen, musste ausgeschlossen werden, wahrscheinlich waren sie genauso fanatisch und außerdem hatten sie nichts anzubieten als Versprechungen.

In den Besitz eines Handys zu gelangen, wäre eigentlich nur durch eine Nachlässigkeit ihrer Besucher möglich, sie beschlossen trotzdem auf eine Gelegenheit zu achten.

Der Vorschlag von Sue erschien ihnen am meisten erfolgversprechend.

Jörg fragte: „Wärst du in der Lage, einen Sender zu bauen, wenn du das nötige Material hättest?“

„Das wäre für mich eine Kleinigkeit, allerdings wird es sich dabei natürlich nicht um ein Handy handeln, das wäre ohne bestimmte Module unmöglich. Ich würde vielmehr einen Sender mit variabler Frequenz basteln, wie ihn auch die Funkamateure benutzen.“

„Gibt es die noch im Zeitalter des Handys?“

„Und ob, es handelt sich hier um eine verschworene Gemeinde, die das Ganze als Sport betrachten. Es gibt sogar ein Verzeichnis aller Mitglieder mit Angabe ihrer Funkfrequenz, über das ich allerdings nicht verfüge. Wir müssen also die Frequenz immer wieder durchspielen, bis wir einen Teilnehmer bekommen.“

„Was brauchst du dazu?“

„Nur Material, das jeder Bastler normalerweise in seinem Lager hat, die wichtigste Aufgabe ist also, dieses Material irgendwie zu besorgen.“

Sie schauten sich ratlos an. „Wahrscheinlich werden wir damit warten müssen, bis wir in die Phase des Schaltungsaufbaus kommen, mach schon mal eine Liste, was du brauchst.“

Ein Anruf erreichte am frühen Morgen das Sekretariat von Dr. Jakobi. „Guten Morgen, ist Herr Jakobi heute Vormittag im Haus?“

„Er muss jede Minute kommen, mit wem spreche ich?“ Aber der Anrufer hatte schon wieder aufgelegt. Eine Stunde später erschienen zwei Herren im Foyer der Schenkerwerke. Irgendwie war es ihnen gelungen, den Pförtner zu umgehen, sie fragten nach der Vorstandsetage. Auf dem Weg zum Aufzug kam ihnen Robert Sommer entgegen. Dieser stutzte im Vorbeigehen, einer der beiden kam ihm bekannt vor. Er fragte den Boten, der den beiden den Weg gezeigt hatte:

„Wo wollen die denn hin?“

„Nach ganz oben, sie haben nach dem Vorstand gefragt.“

Die beiden betraten das Vorzimmer. „Herr Jakobi ist anwesend?“

„Ja, wen darf ich melden?“

„Danke, wir sind bereits angemeldet“.

Die Sekretärin wollte protestieren, aber sie öffneten ohne weitere Umstände das Zimmer des Vorstandchefs. „Guten Morgen, Dr. Jakobi.“

„Guten Morgen, darf ich fragen, wer Sie sind? Ich erwarte heute Vormittag eigentlich keinen Besuch.“

„Entschuldigen Sie bitte unser Eindringen, aber Sie werden gleich verstehen. Mein Name ist Steinbrecher, ich bin der stellvertretende Leiter des BND, und dies ist Herr Luchs, er ist der Terrorexperte des BKA in Wiesbaden.“

Jakobi war überrascht. „Sie kommen schneller, als ich erwartet habe.“

Sie nahmen am Konferenztisch Platz und Jakobi orderte Kaffee. Luchs übernahm das Gespräch. „Ihre Mitteilung hat uns aufs Äußerste alarmiert, und Sie haben ihren Verdacht sehr überzeugend begründet. Wir bekommen täglich viele Hinweise, die sich als falscher Alarm herausstellen, aber Ihrer fällt da total aus den Rahmen.

Steinbrecher ergänzte: „Ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen sind logisch, eigentlich kann es gar nicht anders sein, so etwas erleben wir selten.“

„Sie halten also es für realistisch?“

„Den wesentlichen Kern auf alle Fälle, sie wollen eine Atombombe, das geht eindeutig aus der Auswahl der Entführungsopfer hervor. Bezüglich des Ziels gibt es natürlich mehrere Möglichkeiten, eventuell auch eine Großstadt wie New York, aber den größten Effekt erzielen sie natürlich mit der Sprengung eines Atomkraftwerks.“

„Aber warum dann gleich mit einer solch schwer zu beschaffenden Bombe, gibt es da keine einfacheren Mittel?“

Steinbrecher überlegte nur kurz. „Kernkraftwerke zählen zu den harten Zielen, die unmittelbare Umgebung wird ständig überwacht und es besteht ein Überflugverbot. Mit einer Atombombe entsprechender Sprengkraft genügt es, eine Bombe in einer Entfernung von einigen Kilometern zu zünden. In dieser Entfernung ist es leicht, eine Bombe zu deponieren, da reicht schon ein normaler Lieferwagen.“

„Und was ist mit der Möglichkeit, schnelle Brüter als Ziel zu wählen?“

„Das macht keinen Unterschied, der Effekt wäre natürlich auf Grund des großen Plutoniumanteils noch mal um ein Vielfaches höher.“

„Wie viele gibt es davon noch, Kalkar ist ja schon seit Langem abgeschaltet?“

„Die meisten anderen auch, aber weltweit sind noch sechs aktiviert, in Japan, Frankreich und Russland. Wir werden das ebenfalls in unsere Überlegungen einbeziehen.“

„Aber vergiften sie damit nicht die ganze Erde und löschen sich schließlich selbst aus?“

Luchs erläuterte: „Wir dürfen ihre Handlungen nicht mit unseren Maßstäben messen, ihr Glaube führt sie zu Taten, die für uns unverständlich sind. Denken Sie nur mal an die Selbstmordattentäter. Sie könnten glauben, dass Allah sie gegenüber Strahlenschäden immun macht, und wenn sie nur Ziele auf der nördlichen Halbkugel auswählen, trifft es vor allem die verdammten Ungläubigen.“

„Und was ist mit diesem bin Laden, ist er wieder auferstanden?“

„Das war leicht zu recherchieren. Es handelt sich hierbei um seinen ältesten Sohn Hamza bin Laden. Der war zum Zeitpunkt der Exekution seines Vaters in Riad.“

„Könnte er hinter all diesem stecken?“

„Das ist wäre reine Spekulation, aber er hat ein starkes Motiv, er hat seinen Vater über alles geliebt und Rache geschworen.“

Steinbrecher ergänzte: „Wir werden diese Möglichkeit natürlich ernsthaft in Betracht ziehen und diesen Hamza so gut wie möglich verfolgen.“

„Was kann ich in dieser Angelegenheit noch tun?“

„Gar nichts, Sie haben alles getan, was möglich war, jetzt sind wir dran. Vielleicht noch eins. Ich habe mich nach dem beruflichen Werdegang des Siemensmitarbeiters informiert, es gibt neben der Erfahrung im Kernkraftsektor noch eine weitere Gemeinsamkeit.“

„Welche?“

„Beide haben eine praktische Ausbildung in der Metallfertigung, Breithaupt hat sogar eine abgeschlossene Maschinenschlosserlehre.“

„Wir werden die Unterlagen mit den anderen vermutlichen Opfern ebenfalls abgleichen, sobald diese uns vorliegen. Vielen Dank für den Hinweis.“

„Was haben Sie als Nächstes vor?“

Die beiden zögerten. „Wir werden wohl das CIA informieren müssen, die Sache ist eine Nummer zu groß für uns. Wer hat den Brief an uns geschrieben?“

„Ich selbst auf meinem Laptop, den Brief habe ich persönlich in den Umschlag gesteckt.“

„Sehr gut, wir bitten Sie weiterhin um strengste Geheimhaltung, wir wollen die Bevölkerung nicht vorzeitig beunruhigen, und vor allem wollen wir die Täter nicht warnen.“

Entführung in eine bessere Zukunft

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