Читать книгу Entführung in eine bessere Zukunft - Peter Giesecke - Страница 7

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Nach dem Abendessen legte er sich wieder zwei Stunden hin, um auszuruhen und seinen Ausflug mental vorzubereiten. Er hatte beschlossen, die Untersuchung des zweiten Zugangs aufzuschieben, die Erkundigung der Umgebung schien ihm wichtiger. Eine Stunde nach Anbruch der Dunkelheit machte er sich auf den Weg. Sue begleitete ihn bis zum Durchgang und berührte ihn leicht am Arm: „Bitte pass auf dich auf.“

Die Bemerkung erfüllte ihn mit Wärme, am liebsten wäre er jetzt geblieben. Nach passieren der Durchgangsstelle umrundete er die Lichtung um neunzig Grad. Da die Entfernungen zum Meer in den Richtungen Süden und Norden auf Grund seiner Schrittmessung und der Berichte seiner Gefährten etwa bekannt waren, wollte er heute Nacht versuchen, die Entfernung in Richtung Westen zu messen. Er steckte einen Stock in den Boden und befestigte daran mit Hilfe einer Schlaufe ein Seilende, dann riss er noch einen Zweig von einem Baum und steckte ihn neben den Stock. Es war Halbmond, Licht genug, um die Umgebung zu erkennen, jedoch dunkel genug, sich verbergen zu können. Er ging Richtung Westen, bis das Seil zu Ende war. Jetzt hatte er genau hundert Meter zurückgelegt. Er zog an dem Seil und die locker gebundene Schlaufe ging auf. Er steckte den nächsten Stock in den Boden, befestigte das Seil erneut und platzierte den nächsten Zweig. Dann ging er weiter nach Westen und am Ende des Seiles peilte er über die beiden Zweige und bestimmte so die gerade Verlängerung des ersten Abschnitts. Das Verfahren stellte sicher, dass er wieder zurückfinden würde und dass er den zurückgelegten Weg messen konnte. Nach einigen Seillängen hatte er Routine und bewegte sich immer schneller vorwärts. Es gab zum Glück wenig Unterholz, so dass er die Zweige meistens gut erkennen konnte. Auf dem Weg gab es einen Sumpf, den er umgehen musste, aber seine Abmessung lag innerhalb einer Seillänge und stellte somit kein Problem dar. Er merkte sich die bis jetzt zurückgelegte Strecke und setzte seinen Weg fort. Nach etwa zwei Kilometern glaubte er Meeresrauschen zu hören. Als er schließlich den Strand erreichte, hatte er ziemlich genau zweieinhalb Kilometer zurückgelegt. Er setzte sich an den Strand, er war erschöpft, aber mit sich selbst höchst zufrieden. Es war wie im Urlaub, er wäre am liebsten liegengeblieben und eingeschlafen. Der Rückweg erfolgte viel schneller und ohne Zwischenfälle. Die Zweige waren gut zu erkennen, wirkten dabei ziemlich natürlich und unauffällig, er beschloss, sie stecken zu lassen. Der ganze Ausflug hatte über vier Stunden gedauert, er war total fertig und schlief im Anschluss wie ein Stein.

Sie konnten seinen Bericht kaum glauben. Dass er wirklich bis zum Meer gekommen war, die Entfernung angeben konnte und wieder zurückgefunden hatte, erschien ihnen wie ein Wunder. Jörg erklärte seine Vorgehensweise und machte dabei eine Skizze: „Was wir bis jetzt wissen, ist Folgendes: Wir sind entweder auf einer Insel oder einer Halbinsel. Die Ausdehnung nach Norden ist etwa zweieinhalb Kilometer, wie ich aus meiner Schrittzahlrechnung berechnet habe. Die Ausdehnung nach Süden liegt nach eurer Schätzung bei etwa einem und nach Westen auf Grund meiner Messung wieder zweieinhalb Kilometer. Heute Nacht bin ich bei auf einen Sumpf gestoßen“, er zeichnete die Position in die Skizze ein und ergänzte sie um die Entfernung von vierhundert Metern. „Es handelt sich um Süßwasser, durch Stoff gefiltert kann es zum Waschen dienen, gekocht auch als Trinkwasser.“

Pierre gab seinen üblichen Kommentar ab. „Wir haben genug Trinkwasser, und wozu soll eine Karte gut sein? Wir können sowieso nicht weg.“

Jörg blieb gelassen. „Du hast recht, aber ich weiß grundsätzlich gern über meine Situation Bescheid, ob es irgendwann von Nutzen ist, kann ich auch nicht sagen. Ich werde heute Nacht einen Ausflug nach Osten machen, dann wissen wir vielleicht mehr.“

Pierre zweifelte. „Nur wenn du bis zu einer Küste kommst, wenn nicht, wissen wir immer noch nicht, ob es sich um eine Insel handelt.“

Jörg erwiderte ruhig. „Stimmt, aber immerhin kennen wir dann die minimale Ausdehnung in dieser Richtung. Ich plane weitere Ausflüge in verschiedene Richtungen, vielleicht finde ich auf diese Weise den Aufenthaltsort unserer Aufpasser.“

Sue zuckte zusammen: „Aber damit könntest du dich in große Gefahr begeben.“

Die anderen stimmten ihr zu.

Jörg beruhigte sie. „Ich werde mich mit größter Vorsicht bewegen, wenn ich eine Strecke zum ersten Mal zurücklege, außerdem bin ich überzeugt, dass sie mich im Ernstfall nicht umbringen werden.“

Kes fragte überrascht: „Wie kannst du da so sicher sein, nach der Erfahrung mit unseren beiden Besuchern.“

Jörg erklärte. „Das waren Touristen, die hier zufällig angelegt haben und die Gegend erkunden wollten. Sie sind dem Trampelpfad gefolgt, vielleicht in der Erwartung, eine Siedlung zu finden. Stattdessen trafen sie auf unsere Lichtung und den Tod. Er war aus Sicht der Entführer die logische Konsequenz, eine Gefangennahme wäre ein unnötiges Risiko, und laufenlassen hätte die Gefahr einer Entdeckung bedeutet. Bei uns ist das anders, sie brauchen jeden von uns für ihre Mission.“

Es war wieder Pierre der ihn angriff. „Was zum Teufel könnte das sein, hast du da etwa auch eine Antwort parat?“ Pierres Stimme klang gereizt, er schaute Jörg herausfordernd an.

Jörg blieb ruhig. „Darüber können wir im Moment nur spekulieren, genau deshalb versuche ich Fakten zu gewinnen.“

Pierre nörgelte weiter. „Indem du Ausflüge in die Umgebung machst? Großartige Methode.“ Pierre ging ins Haus und die anderen schauten sich an.

Kes versuchte eine Erklärung: „Er ist der einzige Nichtakademiker unter uns, ich vermute, er fühlt sich minderwertig. Wir sollten ihm zeigen, dass wir ihn wertschätzen, vielleicht könnten wir ihm eine wichtige Aufgabe übertragen.“

Die anderen nickten und Jörg dachte nach. „Was ist mit unserem heutigen Programm, wer ist dran?“

Kes meldete sich: „Ich bin am Zug, meine Themenwahl ist total egoistisch. Wie du dir vorstellen kannst, wird man im Alter körperbewusster, meine Aufmerksamkeit ist seit einigen Jahren auf den Erhalt meiner Gesundheit konzentriert. Ich habe mich mit den verschiedensten Methoden der Körperertüchtigung befasst und eine Auswahl getroffen.“

Jörg schien zu verstehen. „Also ist heute Gymnastik dran?“

Kes korrigierte. „Unser Programm ist schon etwas anspruchsvoller, ich unterrichte Tai Chi und Chi Gong.“

Jörg war begeistert. „Das habe ich schon in Serpong kennengelernt, die Frau unseres örtlichen Vertreters ist Vietnamesin. Sie hat mir erzählt, dass in Vietnam viele Menschen schon morgens um sechs in den Park gehen und gemeinsam praktizieren. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Thai Chi und Chi Gong ?“

Kes erklärte: „Thai Chi geht auf das Bestreben der Kaiser des alten China nach Unsterblichkeit zurück. Sie beauftragten ihre Mönche, ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln, und Thai Chi war das Ergebnis. Das Wissen war damals streng geheim, schließlich sollten die normalen Sterblichen auch sterblich bleiben. Thai Chi ist ein aufeinander folgender Ablauf von verschiedenen Figuren. Sein Praktizieren hatte mehrere positive Effekte, es entschleunigt die Gedanken auf Grund seiner langsamen Bewegungen, es schult das Gleichgewichtsgefühl, weil viele Phasen auf einem Bein erfolgen, und es schult die Konzentration, weil die Einhaltung des korrekten Ablaufs sehr schwierig ist. Bei Chi Gong wird dieselbe Figur mehrmals nacheinander ausgeführt, ich werde dich in die fünfförmige Übung einführen.“

Jörg konnte es kaum erwarten. „Das klingt alles prima, ich freue mich, wann fangen wir an?“

Ben antwortete. „In einer halben Stunde, Sue und Kes haben noch Küchendienst.“

Jörg fragte interessiert. „Wann trifft es mich?“

Die Antwort von Ben beruhigte ihn. „Wir haben beschlossen, dich zu verschonen, du musst dich tagsüber von deinen nächtlichen Ausflügen ausruhen.“

Sie trafen sich zu viert hinter dem Haus. Jörg, Ben und Sue standen in einer Reihe vor Kes. Ben begann: „Wir fangen heute mit der fünfförmigen Chi Gong-Übung an, die ist auch für Ben neu. In der ersten Figur wecken wir das Chi. Unter Chi verstehen die Chinesen den Energiefluss durch den Körper. Wenn er gestört ist, wird der Körper krank. Alle Übungen des Chi Gong dienen dazu, den Fluss in Gang zu halten. Als Asiatin sind Sue die allgemeinen Grundlagen zur Ausübung der Übungen bekannt, sie wird euch gegebenenfalls korrigieren.“

Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Fluge. Kes verstand es, die Übungen humorvoll zu kommentieren und Sue erwies sich als kritische Beobachterin. Sie bemerkte jede Abweichung vom vorgeschriebenen Bewegungsablauf und achtete besonders auf den Atem. Die Einleitung jeder Bewegung erfolgte mit einem tiefen Einatmen, die Ausleitung mit einem sehr langsamen, kontrollierten Ausatmen. Jörg genoss die Berührungen von Sue, wenn sie seine Bewegungen verbesserte, und er fühlte ihre Nähe, wenn sie seinen Atem kontrollierte. Täuschte er sich oder kümmerte sie sich besonders oft um ihn? Kes beobachte jedenfalls amüsiert die Szene und Ben tat, als ob alles normal war.

Am Abend waren alle dabei, als er die Lichtung wieder verließ. Sue fragte besorgt: „Wie weit willst du gehen?“

Die Antwort von Jörg beruhigte sie nicht. „Soweit ich in drei Stunden komme. Wenn ich keine Küste erreiche, kehre ich wieder um und mache morgen weiter, ich kann dann eine größere Strecke zurücklegen, weil der erste Teil des Weges dann schon abgesteckt ist.“

„Und wenn du merkst, dass du auf Festland bist, machst du dich davon und wir werden bestraft.“

Es war natürlich Pierre, der sich diese Bemerkung nicht verkneifen konnte.

Sue fuhr ihn heftig an: „Jörg würde uns niemals im Stich lassen, wie kannst du sowas sagen?“

Die anderen pflichteten ihr bei und Pierre schwieg betreten.

Jörg erläuterte: „Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, auf eine Siedlung oder dergleichen zu treffen, dieser Ort ist sicher so gewählt, dass ein Entkommen praktisch unmöglich ist. Es käme mir vor wie ein deus ex machina, wenn das passierte.“

Sue fragte neugierig: „Wie ein was?“

Jörg erläuterte „Wie ein Gott aus der Maschine. Er war das probate Mittel, mit dem die Autoren der griechischen Antike ihre Tragödien beendeten. Nachdem alles verloren war und keiner mehr an Rettung glaubte, wurde er mit einem Seil von der Decke auf den Boden herabgelassen und löste das Problem auf göttliche Weise. Ich wünsche euch eine gute Nacht, drückt mir die Daumen.“

Die ersten vierhundert Meter verliefen ohne Zwischenfälle, er bewegte sich inzwischen sehr sicher und benötigte nur eine knappe halbe Stunde. Dann sah er sich plötzlich einer Anhöhe gegenüber. Beim Näherkommen erwies sich diese als ein Bergkamm, der parallel zu seiner eingeschlagenen Route verlief. Der Ausdruck Berg war gemessen an seinem Standard etwas übertrieben, die Höhe verlief sicher unter hundert Metern, aber immerhin, eine deutliche Markierungshilfe.

Die folgende Strecke konnte er nun ohne seine Seilmethode fortsetzen. Er zählte wieder seine Schritte und kam jetzt zügig voran. Nach etwas über drei Kilometern knickte der Bergkamm nach rechts ab. Was sollte er tun? Dem Kamm weiter folgen oder ihn überqueren? Er entschloss sich, hochzusteigen. Um sich herum sah er nur grün, soweit es das Halbdunkel zuließ, und der Abstieg sah ziemlich steil aus. Er beschloss umzukehren.

Er schlief zufrieden ein, die Entdeckung des Bergkamms war ein wichtiger Meilenstein. Am nächsten Morgen vervollständigte er seine Landkarte und erklärte sie seinen Kameraden. „Ich nenne den Bergkamm ‚Berg der guten Hoffnung‘, er bietet eine ausgezeichnete Orientierungsmöglichkeit, sobald er in Sichtweite ist, kennt man die eigene Position und die Richtung.“

Ben fragte: „Was hast du als Nächstes vor?“

Jörg zeigte auf die Karte. „Heute gehe ich auf der linken Seite entlang, die Strecke bis zum Anfang beträgt nur vierhundert Meter und ist schon markiert, so dass ich dafür nur einige Minuten benötigen werde. Die nächsten drei Kilometer sollte ich ebenfalls zügig vorankommen, ich veranschlage dafür eine Stunde. Die daran anschließende Strecke bin ich dann wieder deutlich langsamer, aber ich schätze, dass ich noch zwei weitere Kilometer zurücklegen kann. Vorausgesetzt, es liegen keine weiteren Hindernisse auf dem Weg.“

Er war sich bewusst, dass immer unerwartete Probleme auftreten konnten, aber mit dem, was ihn heute Nacht erwarteten sollte, konnte keiner rechnen. Nach dem Frühstück trafen sie sich draußen, um mehr von Sue über den Buddhismus zu erfahren. Sie bildeten vor dem Haus einen kleinen Kreis, diesmal war Pierre auch dabei.

Jörg begann mit seinem Referat. „Wie ihr wisst, ist einer der grundlegenden Unterschiede zu den Weltreligionen das Nichtvorhandensein eines Gottes. Die drei monotheistischen Religionen haben sich auf einen gemeinsamen Gott geeignet, der Hinduismus hat eine Vielzahl von Göttern, und wir haben gar keinen. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass der Buddhismus in der westlichen Welt nicht als Religion, sondern als Philosophie betrachtet wird. Tatsächlich ist er aber viel mehr. Als Erlebnis und Weg der praktischen Verwirklichung ist er eine Religion, wozu benötigt er dazu einen Gott? Als gedankliche Formulierung dieses Erlebens ist er Philosophie und als Resultat systematischer Selbstbeobachtung ist er Psychologie. Darum beginnt der achtfache Pfad des Buddha nicht mit rechter Rede, rechtem Tun und rechter Lebensweise, sondern mit rechter Erkenntnis, das heißt mit der unvoreingenommenen Einsicht in die Natur der Dinge.“

Ben unterbrach sie: „Ich bin sehr religiös aufgewachsen kann deshalb die Nichtexistenz von Gott in keiner Weise akzeptieren. Irgendjemand muss doch dies alles erschaffen haben, also muss es auch einen Schöpfer geben.“

Jörg warf ein: „Das klingt schon so wie ein Gottesbeweis. Aber so wie ich die buddhistische Lehre verstanden habe, geht sie von einem sich immer wiederholenden Erschaffen und Zerstören der Welt aus, nach der Zerstörung ist alles Vakuum, aus dem dann anschließend wieder eine neue Welt entsteht. Dieser Ablauf hat keinen Anfang und kein Ende, also braucht es auch keinen Schöpfer.“

Ben war traurig. „Das heißt, du glaubst also wirklich nicht, dass es einen Gott gibt?“

Die Antwort von Jörg war eindeutig. „Das habe ich nicht gesagt und werde es auch nie behaupten. Ich weiß nicht und kann nicht wissen, ob es Gott gibt, und ich weiß nicht und werde niemals wissen, dass es ihn nicht gibt.“

Das war der Zeitpunkt für Pierre in die Diskussion einzugreifen: „Jetzt machst du es dir aber sehr einfach, man muss im Leben Stellung beziehen, alles andere bedeutet kneifen.“

Jörg nickte. „Im Prinzip stimme ich dir zu.. Also, in meinem Weltbild besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass es keinen Gott gibt, das heißt aber nicht, dass ich seine Existenz für unmöglich erachte, allerdings halte ich die Vorstellung vom sogenannten guten Gott für einen Widerspruch in sich selbst. Ich möchte aber jetzt den Ball an dich zurückgeben und auch dir die Gretchenfrage stellen: Wie hältst du es mit der Religion?“

Pierre sah sich mit einem Mal in den Mittelpunkt gerückt. Er antwortete ohne zu zögern. „Ich bin als Franzose streng katholisch aufgewachsen. Meine Mutter war tiefgläubig, und ich habe erlebt, wie ihr dieser Glaube auch in schweren Situationen Stärke verlieh. Als bei meinem Vater Krebs diagnostiziert wurde, war sie es, die unserer Familie durch ihre Gebete Kraft gab. Und tatsächlich verlief die Therapie erfolgreich. In meinen Augen ist der Glaube an Gott die beste Lebenshilfe, besser als jede Therapie. Und intensives Beten hat für mich den gleichen Stellenwert wie eine tiefe Meditation.“

Sue blickte zustimmend. „Das gibt mir tatsächlich eine ganz andere Sichtweise eurer Religion, ich erkenne tatsächlich eine enge Verbindung zwischen unserer Meditation und dem Beten, wie du es beschrieben hast. Betet ihr nur, wenn ihr in Not seid und von euerm Gott Hilfe erhofft, oder betet ihr auch an glücklichen Tagen?“

Pierre fühlte sich im Focus der Aufmerksamkeit etwas unsicher. „Ich muss gestehen, die meisten beten nur, wenn sie Hilfe suchen, aber es gibt auch die wahren Gläubigen, für die das tägliche Gebet unverzichtbar ist, sie suchen ständig die Nähe zu Gott.“

Sue war seiner Ausführung aufmerksam gefolgt. „Das war wirklich sehr aufschlussreich für mich. Dass deine Religion so viel Trost spenden kann und auch Hoffnung bringt, war mir bisher nicht bewusst. Und tatsächlich sehe auch ich eine enge Verbindung zwischen unserer Meditation und eurem intensiven Beten zu Gott. Ich danke dir aufrichtig für diese Erkenntnis.“

Pierre wirkte etwas verlegen.

Ben pflichtete Sue bei. „Auch ich kenne aus meiner Kindheit ebenfalls dieses Gefühl der Geborgenheit, das die Nähe zu Gott bietet, und habe versucht, mir dieses Gefühl zu erhalten. Mich hat vor allem beeindruckt, mit welcher Offenheit du dein religiöses Empfinden geschildert hast. Wir haben immer bedauert, dass du so wenig an unseren Zusammenkünften teilgenommen hast, es wäre schön, wenn du das ändern würdest.“

Pierre zögerte etwas. „Ich muss zugeben, dass ich damit Probleme habe. Ihr seid ein Kreis von Akademikern, ich habe bei euch immer ein Gefühl der Minderwertigkeit.“

Alle waren überrascht über dieses offene Statement. Keiner hätte erwartet, dass Pierre zu so einem Geständnis in der Lage war.

Ben fasste sich als Erster. „Aber das ist vollkommener Quatsch. Ich möchte dir versichern, dass du für mich ein vollwertiger Kollege bist, wir kommen nur von verschiedenen Seiten. Ich habe immer Mitarbeiter bewundert, die Maschinen, die wir entworfen haben, dann auch wirklich realisierten. Ich sehe da überhaupt keinen Rangunterschied.“

Jörg pflichtete ihm bei. „Ich habe gerade eine Baustelle betreut und kann Ben nur zustimmen. Ich hatte ein Team von hervorragenden Monteuren, und ich sehe sie als vollkommen gleichwertig an. Ohne ihren Einsatz wäre die Realisierung unserer Ideen nicht möglich, ich habe mich deshalb immer um ein gutes Verhältnis zu ihnen bemüht, und das wurde auch von ihnen gern angenommen, wir waren sozusagen eine Schicksalsgemeinschaft. Auch ich würde es sehr begrüßen, wenn du dich uns ohne solche überflüssigen Vorbehalte anschließen würdest.“

Pierre wirkte immer verlegener. „Ich danke euch, ich werde versuchen, ab jetzt meine Einstellung zu ändern. Wenn es mir nicht immer gelingen sollte, bitte ich schon jetzt um eure Nachsicht.“

Alle waren erleichtert. Ben nahm den Faden wieder auf. „Ich für meinen Teil bete jeden Abend, dass das Ganze für uns alle gut ausgeht.“

Und Jörg ergänzte: „Wie sagt doch der wahre Gläubige? Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Ich werde heute Nacht die vierte Himmelsrichtung erkunden, danach wissen wir genügend, um über die weiteren Schritte zu entscheiden.“

Entführung in eine bessere Zukunft

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