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Kapitel 1: Schulreformen – geplatzte Illusionen?

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Wie in Vorwort und Einleitung bereits erwähnt, löste der Pisa-Schock 2001 bei den Bildungsverantwortlichen zuerst Entsetzen und dann eine große und bisweilen überstürzte Reformtätigkeit aus, die fast ausschließlich von oben verordnet wurde. Eine gute und fundierte Reform braucht aber in der Regel Zeit, alle Betroffenen müssten zu Wort kommen dürfen und in ihren Ansprüchen, Bedürfnissen und Erfahrungen ernst genommen werden: die Schüler, ihre Eltern, die Lehrer, die Schulleiter, die Sachaufwandsträger. Kein Wunder, dass Kritik von Elternverbänden danach nicht ausblieb und sogar Landtagswahlen nicht zuletzt aufgrund der Bildungspolitik gewonnen oder verloren wurden.

Der Einfluss von Wirtschaftsverbänden hat bei der Einführung des verkürzten G-8-Gymnasiums in vielen westlichen Bundesländern sicher eine wichtige Rolle gespielt. Schließlich sollte Deutschland im internationalen Vergleich auch zukünftig bestehen können. Ich denke, Reformen im Schulbereich waren und sind unbedingt nötig. Wenn der Wirtschafts- und Bildungsstandort Deutschland weiterhin im internationalen Vergleich konkurrenzfähig bleiben soll, dann dürfen wesentliche Reformen natürlich auch nicht vor den Schulen halt machen.

Mein Eindruck als Betroffener dieser notwendigen Entwicklung ist jedoch, dass hier ein fundamentaler Irrtum begangen wurde und immer noch wird. Ich möchte dies einmal bewusst provozierend und plakativ so ausdrücken: Schüler sind keine Roboter oder Lernmaschinen, sie sind Menschen in der Pubertät – also genau in der Phase, die zu einem eigenständigen und selbstverantwortlichen Leben führen soll. In der Schule darf es daher nicht nur um bloße Wissens- und Kompetenzvermittlung gehen, obwohl diese äußerst wichtig sind. Gerade in der Pubertät sind die Jugendlichen in einer fundamentalen Entwicklungs- und Umbruchssituation, sie sollen zudem soziale Fähigkeiten einüben und ein eigenes Wertesystem ausbilden können. Dazu braucht es aber Zeit und Muße.

Wenn Jugendliche durch eine hohe Wochenstundenzahl wie am G-8-Gymnasium und durch eine hohe Frequenz von Prüfungen zu sehr unter Druck gesetzt werden, haben sie zu wenig Zeit, sich zu entfalten, nachzudenken und ihren sonstigen Neigungen nachzugehen. Schüler brauchen genügend Freizeit, damit sie den Stoff verdauen können und sich das Gelernte in ihnen setzen kann. Außerdem müssen sie Anregungen für ihre Persönlichkeitsentwicklung aufnehmen und integrieren können. Daher ist es kein Wunder, dass sich nach fast 15 Jahren Reformtätigkeit der Kultusbehörden immer mehr Gegenstimmen erheben, die den tatsächlichen oder nur vermeintlichen Untergang des herkömmlichen Gymnasiums beklagen und auch nicht mit beißender Kritik sparen. Der Nachteil an diesen Stimmen ist jedoch, dass sie meist von außerhalb des Schulsystems kommen. Was ist mit den Betroffenen selbst – mit den Schülern und den Lehrern? Gerade die Erfahrungen der Lehrer sind jetzt in der öffentlichen Debatte gefragt.

Dieses Buch möchte genau hier ansetzen: Ich möchte Impulse und Anregungen zu Schule und Unterricht aus der Sicht eines erfahrenen Pädagogen geben, die ich in der momentanen, heiß gelaufenen Bildungsdiskussion ziemlich vermisse. Um dies bewerkstelligen zu können, wird in diesem ersten Kapitel zunächst auf wesentliche Punkte der gegenwärtigen Bildungsdiskussion eingegangen und es sollen einige ernst zu nehmende Kritiker zu Wort kommen.

Schule – quo vadis?

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