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5. KAPITEL

Köln – Vingst

Dienstag, 07. Mai 2013

09:50 Uhr

Heinz Gromberg stand in einer Telefonzelle an der Ostheimerstraße im Kölner Stadtteil Vingst und hatte sich den Hörer unter das Ohr geklemmt. In einer Hand hielt er das Ende einer Kette, die zu einem Hundehalsband gehörte. Die kleine Luna wartete brav vor der Telefonzelle auf ihr Herrchen. Am anderen Ende der Leitung wurde abgehoben und Heinz drückte eine Telefonkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz.

Eine Stimme sagte: „Hallo …“

„Ich bin‘s. Ich habe noch niemanden erreichen können, aber das Gemälde befindet sich bereits im Haus ihres Alten. Gedulden wir uns noch einen Moment, aber dann ist sie fällig. Bereitet alles vor!“

Damit hängte er auf, ohne seinen Namen zu nennen, oder auf eine Antwort zu warten. Er hatte sich angewöhnt, die Befehle auszuführen, die man ihm erteilte. Er schlenderte über den schmalen Bürgersteig und zog den Hund hinter sich her. Es war eine junge Terrier-Hündin und er musste kräftig an der Leine ziehen, damit das Tier mit ihm Schritt hielt. Die kleine Gartentür zu der unteren Apartmentwohnung befand sich in der hintersten Reihe einer mehr oder weniger heruntergekommenen Wohnsiedlung. Die Haustüren waren stets verschlossen, denn die Bewohner der Betonsiedlung hatten Angst vor Einbrechern, und das trotz zahlreicher Hunde, die als lebendige Bewegungsmelder fungierten und mit einem lauten Bellen auf alles reagierten, was nicht in die Umgebung gehörte.

Heinz betrat seine Wohnung. Drinnen roch es nach Gebackenem. Er löste Lunas Halsband und gab dem Tier einen kleinen Stupser, woraufhin sich Luna schmollend auf die blaue Eckcouch zurückzog.

Die Kaffeemaschine war angestellt, aber seine Frau war nirgends zu sehen. Ein Wasserhahn tropfte und das monotone Geräusch brachte ihn recht bald in Rage. Sicher war es die Dichtung.

In einem Abstellraum bewahrte er jede Menge Werkzeug auf. Das wiederum hatte er penibelst geordnet, so wie es ihm einst sein Vater beigebracht hatte. Heinz machte es Spaß, die Gewohnheiten seines Vaters zu übernehmen. Die Kombizange, die er benötigte, um den tropfenden Wasserhahn abzustellen, hatte er mit einem gezielten Griff aus seinem Sortiment gefischt. Er steckte sie in die Seitentasche seines Overalls und ging zurück in die Küche. Seine Frau war in der Zwischenzeit zurückgekommen.

Brigitte Gromberg war klein und hatte ein wenig Übergewicht. Dafür besaß sie aber doppelt so viel Energie wie die Durchschnittsfrau ihres Alters. Sie hatte schon früh in ihrem Leben gelernt, mit Zeit und Geld ökonomisch umzugehen. Ihre Mutter war Sekretärin in einer Anwaltskanzlei gewesen, bevor sie einen Postboten heiratete, der starb, als Brigitte neun Jahre alt war. Die karge Pension, mit der ihr Mann sie zurückgelassen hatte, besserte die Mutter mit Näharbeiten auf. Auch die meisten von Brigittes Kleidern hatte sie selbst entworfen und geschneidert. Oft genug war Brigitte als junges Mädchen vom Summen der altmodischen Nähmaschine in den Schlaf gelullt worden. Doch kurz nach ihrem zwölften Geburtstag war ihre Mutter an Krebs gestorben, und seit dieser Zeit hatte Brigitte immer ein wenig davor zurückgeschreckt, jemandem ganz zu gehören, aus Angst, sie könnte auch diesen Menschen wieder verlieren. Aber dann hatte sie Heinz kennengelernt und alles war ganz anders gekommen.

„Hast du schon von dem Kuchen probiert?“, fragte sie ihn. „Diesmal habe ich echten Eierlikör hinzugegeben.“

„Na prima“, dachte Heinz und legte die Kombizange auf die Seite. Der tropfende Wasserhahn konnte warten.

Und Brigitte fragte weiter: „Sag mal, wo bist du eigentlich vorhin gewesen?“

„Ach, ich habe nur mit Luna eine Runde gedreht und musste noch jemanden anrufen.“

„So, musstest du? Und wir haben hier in der Wohnung kein Telefon oder wie? Ich glaube, ich werde dich wohl niemals verstehen.“

„Du weißt doch, wie das ist, Liebes. Die Polizei könnte unseren Anschluss überwachen und …“

„So ein Quatsch! Die traut sich doch bald gar nicht mehr her. Bist du so gut und schenkst schon mal den Kaffee ein?“

Heinz ging mit der Kaffeekanne ins Wohnzimmer. Auf dem rechteckigen Glastisch befanden sich bereits Teller, Tassen und Kuchengabeln für zwei Personen. Er stellte die Kaffeekanne auf eines der gehäkelten Deckchen und ließ sich in den dunkelblauen Sessel fallen. Wieder dachte er an seinen Vater und wie dieser früher immer für gute Tischmanieren gesorgt hatte. „Eigentlich ist er schon in Ordnung gewesen, mein alter Herr, bis auf die Tatsache vielleicht, dass er Mutter niemals treu war, aber das steht ….“ Weiter kam er nicht, denn Brigitte war in der Zwischenzeit ins Zimmer gekommen und hatte ihren Mann aus seinen Gedanken gerissen.

„Was ist bloß los mit dir, Schatz? Träumst du? Jetzt muss ich auch noch selber den Kaffee eingießen.“

Heinz antwortete mit einem Gähnen.

„Ist ja schon gut, ich mach das schon.“ Nach dem morgendlichen Spaziergang hatte er Kaffeedurst bekommen.

„Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass du mit deiner Vermutung richtig liegst. Ich meine wegen des Telefons. Früher hattest du nie Angst, den Hausapparat zu benutzen.“

Sie goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein, legte ihre Rezepte beiseite, nahm die neuste Ausgabe der Bergischen Morgenpost zur Hand und lehnte sich in die Kissen zurück. Luna schmiegte sich an ihren Oberschenkel.

„Soll ich noch mehr Kaffee aufschütten?“, fragte sie später, nachdem die beiden eine Zeitlang zusammen gehockt hatten. Heinz blickte auf seine Armbanduhr. „Nein danke, ich habe noch etwas zu erledigen, aber dein Kuchen war wirklich spitze.“

Brigitte kniff die Augen zusammen. „Du hast doch wohl nicht etwa wieder ein krummes Ding vor?“

Diese Frage ärgerte ihn. „Das geht dich gar nichts an“, konterte er erbost.

„Na ja, du musst ja wissen, was du tust. Nur heule mir bitte hinterher nichts vor!“

Für einen Augenblick schaute Heinz ihr fest in die Augen. Auch wenn sie meistens nachgab, so war sie doch eine verdammt starke Frau. Und dafür liebte er sie und weil sie immer für ihn da war. Denn außer ihr war sonst niemand für ihn da.

„Also, was ist nun?“, fragte sie und riss ihn abermals aus seinen Gedanken. „Gehst du jetzt nach draußen oder nicht?“

„Äh, ja … natürlich!“ Verlegen drückte er ihr einen Kuss auf die Wange. Danach bekam noch Luna ihre Streicheleinheiten, und er verließ die Wohnung.

Seine verbeulte, graue Limousine hatte er auf der begrenzten Parkfläche ganz in der Nähe abgestellt. Er genoss das Gefühl, in den geräumigen Wagen einzusteigen, auch wenn es in seinem Inneren bei diesen sommerlichen Temperaturen viel zu heiß war. Rasch drückte er auf den Knopf und ließ die Seitenscheibe herunter. So, jetzt war es besser. Er betätigte den Anlasser und ließ den Wagen langsam aus der schmalen Einfahrt rollen.

Seine beruflichen Aktivitäten hatten sich ganz schön ausgeweitet. Selbstverständlich pflegte er nach wie vor die Gärten, Rasen und Hecken gut betuchter Pensionäre in den besseren Vierteln, nur gab er dann und wann gewissen Leuten einen lukrativen Tipp, nämlich wo gerade etwas Wertvolles zu holen, beziehungsweise die Eigentümer nicht zu Hause waren. Dafür hatten sich seine Auftraggeber stets großzügig gezeigt und ihn entsprechend entlohnt. Und immer wieder schmiedete er neue Pläne. Einige seiner Projekte waren legal, andere weniger. Er vermutete, dass die Polizei Bescheid wusste, aber man hatte ihm bisher niemals etwas nachweisen können. Er war auch nicht knauserig, wenn es galt, hier und da einen Drink zu spendieren oder sogar eine kleine finanzielle Unterstützung bereitzustellen. Aber deshalb traute er den Bullen noch lange nicht. Und sicher war nun einmal sicher. Bisher war er meistens nur als Vermittler aufgetreten und hatte praktische Insider-Informationen an den Mann gebracht. Doch die Sache, an der man ihn nun beteiligen wollte, war um etliche Nummern größer. Er fuhr die Ostheimerstraße entlang und bog in die Heßhofstraße ab. Dort parkte er seinen Wagen auf dem Parkplatz des Bürgerzentrums von Vingst und stieg aus. Von hier aus hatte er einen Blick bis auf den grünen Gürtel der Stadt, wo die Häuser und Vorgärten entsprechend größer waren als dort, wo er lebte. Aber er war guter Dinge, dass sich das schon recht bald zu seinen Gunsten verändern würde.

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