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März 1250 - Jokoff Moderitz

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Eisig pfiff der Wind durch die Bäume.

Der Winter war mit ganzer Härte noch einmal zurückgekehrt und machte allen das Leben schwer. Die Tiere in Wald und Flur hatten sich verkrochen, und die Menschen taten es ihnen gleich. Wer nicht unbedingt musste, der blieb in Haus oder Hütte und hielt sich warm, soweit er noch irgend etwas besaß, das er verfeuern konnte.

Diese unwirtliche Zeit war aber auch die Zeit der Halunken und Verbrecher. Niemand sah sie, wenn sie sich nachts durch die Städte und Dörfer stahlen. Die Menschen hatten alle Fensterläden verbarrikadiert, um dem Wind keinen Einlass zu gewähren.

In einer solchen Nacht schlich eine Handvoll düsterer Gestalten etwa zwei Wegstunden von Wismar entfernt durch das Gehölz einer Niederung. Hier verlief die sonst stark belebte Handelsstraße nach Lübeck. In der heutigen Nacht ließ nicht einmal ein Käuzchen seine unheilvollen Schreie hören.

Die Männer froren erbärmlich, aber der Gedanke an das, was sie vorhatten, ließ sie die Kälte ertragen. Im Schutz einer Baumgruppe lauerten sie auf ihr Opfer.

Dieses sollte Bernhard Rikeland sein, der unvorsichtigerweise in einer Schänke Lübecks geäußert hatte, dass er noch in der kommenden Nacht weiter nach Wismar reisen wolle. Er sei jetzt kurz vor der Heimat, und könne nicht abwarten endlich wieder zu Hause zu sein. Zwei Jahre war er unterwegs, vornehmlich in Flandern um Tuch einzukaufen und für das Geschäft seines Vaters neue Handelspartner zu finden. Die Männer am Tisch hinter ihm beachtete er nicht. Das hätte er aber besser getan, dann wäre ihm Jokoff Moderitz aufgefallen, der mit seinen Brüdern eilig aufbrach, noch bevor sie ihr Bier gänzlich ausgetrunken hatten.

Nun horchten sie in die Nacht hinein und brauchten auch nicht lange zu warten. Schon bald ertönte das Rumpeln des Pferdegespannes, und trotz des pfeifenden Windes vernahmen sie die heitere Unterhaltung Bernhard Rikelands und seines Begleiters. Die beiden schienen, wie ihre Pferde, den heimischen Stall schon fast zu riechen. Sie lachten ausgelassen.

Die Pferde scheuten plötzlich und zwei Männer griffen ihnen in die Zügel. Zwei andere hangelten sich sofort auf den Wagen, während ein Fünfter sich breitbeinig vor dem Fuhrwerk aufbaute.

„Sei gegrüßt, Bernhard Rikeland, warst lange weg.“

„Jokoff Moderitz, warum stellst Du Dich mir in den Weg wie ein Wegelagerer? Mach Platz, ich habe es eilig.“

„Eilig um zu Deinem Liebchen zu kommen?“

„Ich war mehr als zwei Jahre unterwegs und freue mich auch darauf Agnes wiederzusehen, ja, das ist richtig. Und wenn sie immer noch will, dann wird sie meine Frau.“

„Meine Schwester wirst Du nicht bekommen, die Familie hat sie ausgestoßen, verjagt, sie lebt jetzt im neuen Hospital vor den Toren der Stadt.“

„Nur weil sie mich liebt und Ihr mich nicht leiden könnt? Du und Deine Familie, Ihr seid gottlos und brutal. Ich werde sie da sofort rausholen und zu mir nehmen.“

„Das sollte Dir schwerfallen, sie ist ehrlos, Dein Vater wird es nicht dulden, dass Du eine Hure mit einem Kind bei Dir aufnimmst.“

„Ein Kind, wieso ein Kind?“

„Ach, tu nicht so als wissest Du es nicht, hast sie erst geschwängert, und Dich dann aus dem Staub gemacht. Hättest sie vorher heiraten sollen. Unsere ganze Familie hat unter ihrem Fehltritt zu leiden. Viele haben sich von uns abgewandt. Du bist der Schuldige und wirst dafür zahlen.“

„Von dem Kind wusste ich nichts, mein Vater hat mir nie Nachricht davon gegeben und auch von Agnes habe ich nichts gehört. Wenn es mein Kind ist, habe ich einen Grund mehr, schnell nach Hause zu kommen. Gib den Weg frei Jokoff, wir unterhalten uns ein anderes Mal.“

„Nichts da, runter von dem Wagen, keinen Schritt werden die Pferde Dich mehr in Richtung Wismar bringen.“

„Was soll das? Lass mich des Weges ziehen, ich werde die Dinge richten, sobald ich angekommen bin.“

„Du wirst nichts weiter tun als vom Wagen zu steigen und der Vogel neben Dir auch.“

Bernhard Rikeland hatte keine Wahl, die Kerle auf dem Wagen zwangen ihn und seinen Knecht hinunterzuklettern.

„Versündige Dich nicht Moderitz, Du willst uns doch nichts antun?“

„Oh nein, so dumm bin ich auch nicht. Niemand von uns wird Hand an Euch legen. Meine Brüder und ich sind ehrbare Männer. Wir krümmen Euch kein Haar.“

„Was willst Du dann?“

„Ich wollte Dir nur sagen, wie leichtfertig es ist, bei diesem Wetter mit so wenig Bekleidung zu reisen.“

„Wovon sprichst Du?“

„Ausziehen!“

„Was?“

„Runter mit den Klamotten!“

Um der Aufforderung Nachdruck zu verschaffen, schnappten sich zwei Brüder von Jokoff Moderitz den vor Angst schlotternden Knecht und entrissen ihm den Umhang. Eh es sich der arme Bursche versah, war er auch seines Schuhwerkes und des Wamses entledigt. Mit einem schnellen Messerschnitt durchtrennte ihm einer der Männer den Gürtel und die Hose rutschte zu Boden. Zitternd stand er im eisigen Sturmwind.

„Um Gottes Willen was macht ihr da?“ Bernhard Rikeland schrie auf. „Er wird sterben!“

„Und Du hoffentlich auch“, erwiderte Jokoff Moderitz und bedeutete ihm seine Kleidung abzulegen. „Mach hin, uns ist kalt, wir wollen nach Hause ins angewärmte Bett.“ Die Männer grölten bei diesen Worten und schlugen sich vor Lachen auf die Schultern.

Bernhard Rikeland zog langsam seine Sachen aus. Er hatte keine Chance gegen die fünf wehrhaften Brüder.

Die warfen inzwischen die Klamotten auf den Wagen, kletterten hinauf und schickten sich an davonzufahren.

„Wartet!“, rief Bernhard. „Wartet, ihr könnt uns nicht einfach hier stehen lassen!“

„Doch, können wir und machen wir. Eine bessere Gelegenheit Dich ohne Blutvergießen aus der Welt zu schaffen, kriegen wir nicht wieder. Wir werden Dich und den Rest Deiner Familie ausrotten. Ihr wart uns schon immer im Weg. Schönen Abend noch.“

Jokoff wendete das Fuhrwerk und fuhr laut lachend zurück in Richtung Lübeck. Nach ein paar Metern drehte er sich um und rief: „Ach übrigens, Deine Tochter heißt Ghese, sie kann längst laufen und ist ein richtiger roter Teufel.“

Fassungslos starrten die beiden nackten Männer dem Karren hinterher. Sie begannen zu rennen und wollten hinten aufspringen, wurden aber mit kräftigen Peitschenhieben abgedrängt.

Mit dem Wagen waren es etwa zwei Stunden bis Wismar. Zu Fuß, bei dieser Kälte und ohne Zeug auf dem Leib, war es unmöglich den Weg zu schaffen. Frost hatte eingesetzt und ließ sehr schnell alles gefrieren.

Aufgeben wollten sie nicht, deshalb setzten sie einen Fuß vor den anderen. Wie weit kamen sie aber? Nach ein paar hundert Metern brachen sie zusammen. Es begann zu schneien und die Nacht breitete ein Leichentuch aus.

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Eine Woche später wurde Johan Rikeland unruhig. Schon seit langem hatte er seinen Sohn zurückerwartet. In der letzten Botschaft stand, dass er eine Tagesreise von Lübeck entfernt sei und von dort noch ein Fass Rotspon mitbringen wolle. Ob er wohl zuviel davon gekostet hatte? Rikeland schmunzelte kurz. Nein, so einer war der Bernhard nicht, auf ihn konnte man sich verlassen. Trotzdem, irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Er konnte seinen Freund Hegemann überzeugen, mit ihm auf die Suche zu gehen und so ritten sie gemeinsam gen Lübeck.

Das Geheimnis der Baumeisterin

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