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[25]Schreiben als Prozess

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Schreiben ist ein komplexer Prozess. Das gilt in mehrfacher Hinsicht: 1. Ein Schreibprodukt entsteht in einem Schreibprozess, der aus verschiedenen Schreibphasen besteht. Diese Phasen bewegen sich entlang der Einsichten der klassischen Rhetorik und trennen somit Ideen- und Materialfindung, Strukturierung des Materials, Planung eines Schreibprozesses, Niederschrift eines Textentwurfs sowie Redaktion und Überarbeitung dieses Entwurfs. 2. Schreiben ist als kognitive Tätigkeit ein komplexer Prozess. Verschiedene Formen von Wissen und Kompetenz spielen auf unterschiedlichen Ebenen eines Textes zusammen. 3. Schreiben ist in einen psychisch-sozialen Prozess eingebunden, eine Schreibaufgabe entsteht in einem gesellschaftlichen Kontext, in dem Schreibende eine bestimmte Aufgabe durch die Niederschrift eines Textes so zu lösen versuchen, dass der Text ihre Handlungsabsichten unterstützt. Einfacher gesagt: Schreiben ist eine Handlung und deshalb auch in einen Handlungsprozess eingebunden.

Schulisches Schreiben wurde lange Zeit im Hinblick auf Schreibprodukte geplant und beurteilt. Schreibdidaktische Instruktionen wie auch Beurteilungen bezogen sich auf ein Endprodukt, meist auf einen Aufsatz, der in einer bestimmten, meist recht kurzen Zeit, verfasst werden musste. Die prozessorientierte Schreibdidaktik hat den Fokus verschoben.20 Diese prozessorientierte Schreibdidaktik beachtet 1. die verschiedenen Phasen des Schreibprozesses und räumt Zeit für jeden Schritt ein. Zudem entwickelt die Lehrperson mit den Schülerinnen und Schülern zusammen zielführende Arbeitsformen, zu denen insbesondere auch [26]Feedback-Verfahren sowie Planungs- und Überarbeitungsstrategien gehören. 2. Der prozessorientierte Unterricht regt zum Aufbau aller nötigen Kompetenzen an und zeigt, wie sich orthografisches, lexikalisches, textuelles und pragmatisches Wissen aufbauen und anwenden lassen. 3. Weiter resultiert aus dieser didaktischen Herangehensweise die Einsicht, Schreibaufgaben als Lösung von echten, alltagsnahen Problemen zu gestalten, so dass Texte auch für reale Leserinnen und Leser geschrieben werden sollten.

Wer von diesen Einsichten ausgeht und versucht, Schreibsettings zu schaffen, in denen Schülerinnen und Schüler fokussiert und prozessorientiert lernen können, wird digitale Hilfsmittel in Betracht ziehen.

Im Folgenden können nicht alle Facetten digitaler Schreibarrangements dargestellt werden, aber es werden die zentralen Aspekte zusammengestellt, die individuell an die Lernsituation angepasst werden müssen: Digitale Schreibwerkzeuge (Smartphone, digitale Stifte, Tastaturen, Diktierprogramme) erweitern und ergänzen die bisher zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Es ist heute denkbar, für jede Phase eines Schreibprozesses das kognitiv und physisch passende Werkzeug zu verwenden. Wie bereits erwähnt, bieten sich für Planungs- und Strukturierungsarbeiten Papier und Bleistift an (allenfalls digitales Papier und digitaler Bleistift). Für eine erste Niederschrift eines Entwurfes eignet sich hingegen eine Tastatur, auf der schnell getippt werden kann. Fürs Überarbeiten scheinen Tablets ideal, auf denen Passagen markiert und mit Kommentaren versehen werden können. Die einzelnen Phasen des Schreibens werden so auch medial sichtbar getrennt, die Affordanzen21 der entsprechenden Schreibumgebungen unterstützen die in einer Phase relevanten Prozesse.

[27]Was Schreibumgebungen leisten können, kann am Beispiel eines Texteditors deutlich gemacht werden. Der iA Writer ist ein Programm, das für verschiedene Betriebssysteme zur Verfügung steht. Grundsätzlich ist es minimalistisch eingerichtet: Es bietet wenig Menüs und Knöpfe, dafür primär eine leere Seite, die beschrieben werden kann. Beim Schreiben können verschiedene Modi gewählt werden: Ein Fokus-Modus färbt beispielsweise den gesamten Text grau ein und hebt den aktuellen Satz schwarz hervor, damit der Schreibprozess auf einen Satz fokussiert wird. Das Programm kann aber auch einzelne Wortarten farbig hervorheben, um beispielsweise syntaktische Strukturen zu zeigen (s. Abb. 3). Das sind zwei Funktionen, die z. B. beim Schreiben auf Papier nicht verfügbar sind.


Abb. 3: Screenshot des iA Writer mit Fokusmodus (aktueller Satz schwarz) und Hervorhebung des Verbs (»haben … geholt«, im Original blau)

iA Writer (ia.net/de/writer)

 Textverarbeitungsprogramm zum Download in minimalistischer Ausstattung mit Fokusmodus

 Verfügbar für Windows, Mac und mobile Geräte, Trial-Download kostenlos

[28]Als digitale Dateien vorliegende Textentwürfe laden generell dazu ein, überarbeitet zu werden. Digitale Texte sind immer in einen Prozess der Überarbeitung eingebunden, weil sie nicht grafisch auf Papier fixiert werden. Sie verdeutlichen das Angebot, an Texten zu feilen, sie neu zu strukturieren oder an neue Kommunikationszusammenhänge anzupassen. Technische Möglichkeiten wie Copy & Paste oder eine automatische Rechtschreibkorrektur vereinfachen wesentliche Schritte beim Überarbeitungsprozess. Noch deutlicher wird das Überarbeitungspotenzial, wenn die kollaborativen Möglichkeiten der Textproduktion in den Blick genommen werden: Dateien in Textverarbeitungsprogrammen können heute von mehreren Personen gleichzeitig bearbeitet und kommentiert werden. Die Prozesshaftigkeit des Schreibens wird sichtbar, wenn kollaborative Text- oder Redaktionsarbeit mit Peer-Feedback22 verbunden erfolgt. Das gilt in zweierlei Hinsicht: Erstens müssen in einen sozialen Kontext die einzelnen Phasen in der Interaktion mit anderen Schreibenden abgestimmt werden, zweitens können Veränderungen an Texten in den entsprechenden Programmen sichtbar gemacht werden. Viele Textverarbeitungsprogramme bieten Ansichten an, in denen Überarbeitungsprozesse rekonstruierbar werden.

[29]Auch digitale Plattformen wie Twitter, Instagram oder Facebook stützen prozessbezogenes Schreiben. Texte, die im Netz publiziert werden, sind in Kommunikationssettings eingebunden. Sie werden gelesen (nicht nur von einer Lehrperson oder Peers) – und kommentiert. Digitale Medien haben die Publikation von Texten radikal vereinfacht. Daraus ergeben sich für den Schreibunterricht neue Möglichkeiten, Schreibarbeit in einen Kommunikationsprozess einzubinden.

Lindauer und Senn schreiben über die Prozesshaftigkeit des Schreibens:

»Der Aufbau der dafür nötigen Schreibkompetenzen ist grundsätzlich nur möglich, wenn die Schülerinnen und Schüler lernen, diese Prozesse selbstständig zu steuern. Dies bedingt, dass sie während des Schreibens laufend ihre Arbeit überwachen und beurteilen: Ist das Wichtigste aufgeschrieben? Habe ich genügend verständlich formuliert?«23

Schreiben wird in der Schreibdidaktik als Verfahren betrachtet, mit dem prozesshaft Probleme gelöst werden. Ein Bewusstsein für die Bedeutung der nötigen Schritte und Kompetenzen kann nicht an Software übertragen werden. Programme und insbesondere digitale Plattformen können aber das Einüben und Erkennen dieser Schritte und Kompetenzen unterstützen und erleichtern.

Digitales Schreiben. Blogs & Co. im Unterricht

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