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[30]Interaktionsorientiertes Schreiben

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Die Linguistin Angelika Storrer hat in ihren Arbeiten zu Schreibprozessen im Internet das Konzept des interaktionsorientierten Schreibens ausgearbeitet. Sie definiert es in Abgrenzung zu textorientiertem Schreiben: Führt das textorientierte Schreiben zu einem Text, der »ohne unmittelbare Interaktion zwischen Schreiber und Leser zu verstehen« ist, bezieht sich interaktionsorientiertes Schreiben »auf einen Kommunikationsverlauf in einer digitalen Interaktionsumgebung, bei der die Möglichkeit besteht, Verstehensprobleme interaktiv zu bearbeiten.«24 Das Ziel des Schreibens besteht darin, die Interaktion aufrechtzuerhalten und von anderen daran beteiligten Personen verstanden zu werden. Aus diesen Gründen kann Reaktionsgeschwindigkeit eine größere Bedeutung einnehmen als formale Korrektheit; Gesprächsnormen erhalten Priorität vor anderen sprachlichen Normen.

Interaktionsorientiertes Schreiben lässt sich als spezielle Ausprägung der prozessorientierten Schreibdidaktik betrachten. Allerdings gibt es gravierende Unterschiede zwischen einem interaktionsorientierten und einem textorientierten Prozess: Storrer erwähnt die Bereitschaft, Kompromisse hinsichtlich sprachlicher und formaler Genauigkeit zu machen, um auf der Handlungsebene schnell genug und adäquat reagieren zu können. Das muss bei der Beurteilung des Schreibprozesses berücksichtigt werden.

[31]Storrer arbeitet mit Verweis auf den Linguisten Hennig Lobin25 zentrale Tendenzen heraus, die bedeutsam für interaktionsorientierte Schreibformen sind:

 Digitale Vernetzung führt zu einer »schnelle[n] Rückkopplung«26 zwischen Personen. Fast alle Personen sind über digitale Nachrichten schnell erreichbar.

 Datenintegration verbindet unterschiedliche mediale Formen: Text- und Sprachnachrichten sind, wie auch bewegte und unbewegte Bilder, auf denselben Kanälen zu finden.

 Automatisierung zeigt sich darin, dass auch sogenannte Bots an Interaktionen beteiligt sind. Auf den Webseiten von vielen Dienstleistern erscheinen Chatfenster, in denen Besucherinnen und Besucher Anliegen formulieren können. Diese werden dann von Programmen beantwortet.

Im Unterricht interaktionsorientierte Schreibanlässe zu schaffen, ist von großer Bedeutung, weil Menschen beruflich und privat die Kompetenz brauchen, auf digitalen Plattformen angemessen und wirkungsvoll schreiben zu können. Zwei Beispiele mögen das verdeutlichen: Immer mehr Firmen ersetzen den E-Mail-Verkehr durch Chat-Tools wie Slack oder Microsoft Teams. Die Belastung durch E-Mails soll durch interaktivere Kommunikationsformen reduziert werden. Das bedeutet aber, dass von Mitarbeitenden effizientes und professionelles Chatten verlangt wird. Im privaten Bereich lässt sich das am Stellenwert von Partnervermittlungsplattformen zeigen: Gemäß einer soziologischen Studie lernen sich in den USA rund 40 % [32]der heterosexuellen Paare online kennen – im Jahr 2000 waren das erst rund 5 %.27 Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch im deutschsprachigen Raum feststellen. Die Fähigkeit, sich in Chats als interessante Person präsentieren zu können, wird so wichtiger.

Die digitale Transformation hat also dazu geführt, dass die Fähigkeit, interaktionsorientiert zu schreiben, neben dem textorientierten Schreiben eine eigenständige Bedeutung erhalten hat. Storrer hält fest: »[K]ompetente Schreiber [sind] durchaus dazu in der Lage, ihren Schreibstil an die jeweiligen Gegebenheiten zu adaptieren und zwischen verschiedenen Schreibhaltungen zu wechseln. Die Nutzer passen ihren Sprachstil bewusst oder unbewusst an den kommunikativen Kontext an und gehen […] mit den zur Kommunikation verfügbaren Ressourcen oft sehr kreativ um.«28

Für den Unterricht ist das jedoch eine Herausforderung: Texte und Schreibprozesse müssen unterschiedlich beurteilt werden, je nachdem, in welches Setting sie eingebunden sind. Wer einen formal sorgfältigen Brief in einem Chat veröffentlicht, wird damit seine Ziele nicht erreichen können. Andererseits ist ein interaktionsorientiert geschriebenes Bewerbungsschreiben nutzlos. Die Verbreitung zweier unterschiedlicher Schreibmodi verlangt nach Unterrichtsszenarien, in denen beide geübt, verbessert und auch bewertet werden können. Textsortenkompetenz und Kommunikationskompetenz überlagern und ergänzen sich dabei.

Digitales Schreiben. Blogs & Co. im Unterricht

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