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Funktionen digitaler Schreibprozesse

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Wer schreibt, verfolgt damit Zwecke. Im Folgenden werden die Funktionen von Schreibprozessen im Allgemeinen vorgestellt. Daraus lassen sich Einsichten über Schreibprozesse in einer Kultur der Digitalität ableiten.

Jakob Ossner14 unterscheidet drei Schreibfunktionen, die sich auch auf digitale Schreibprozesse übertragen lassen:

1. Die psychische Funktion: Die Person, die schreibt, ist auch Adressat des Geschriebenen. Deshalb werden häufig eigene Emotionen und Gedanken beschrieben. Der Schreibprozess schafft eine Distanz: Implizit Gefühltes oder Gedachtes wird bewusst und sichtbar. Die psychische Funktion spielt auch auf einer Metaebene, immer dann, wenn der Schreibprozess thematisch wird (wenn Schreibende etwa mit einer Schreibblockade ringen). Digitales Beispiel: Auf der Notiz-App des Smartphones auf dem Weg zur Schule festhalten, worauf man sich an diesem Tag freut oder wovor man Angst hat.

[17]2. Die soziale Funktion: Mit dem Geschriebenen richtet sich ein Autor oder eine Autorin an eine andere Person (oder mehrere Personen). Der Text übernimmt so eine im klassischen Sinn kommunikative Funktion. Dabei können unterschiedliche Absichten wie auch Wirkungen unterschieden werden. Digitales Beispiel: Eine Schülerorganisation informiert mit ihrem Instagram-Kanal Schülerinnen und Schüler über geplante Aktivitäten.

3. Die kognitive Funktion: Das Schreiben dient dem Erkenntnisgewinn oder der Entlastung des Gedächtnisses. Klassische Formen reichen von Notizen über Brainstorming bis hin zu wissenschaftlichen Arbeiten. Letztere haben meist stärker eine kognitive Funktion als eine soziale. Digitales Beispiel: Auf einem Blog ein Thema längerfristig gezielt bearbeiten, indem Erkenntnisse dazu notiert, Verweise auf wichtige Texte zum Thema vorgenommen und Verknüpfungen zwischen diesen Texten und wichtigen Profilen hergestellt werden.

Diese Funktionen können – anders als die im Kapitel zuvor beschriebenen Ebenen – in diesem Buch nicht getrennt werden, weil viele Schreibaufgaben alle drei Funktionen des Schreibens verbinden. Durch sie entstehen Angebote, die erst in der konkreten Umsetzung einer Funktion zugeordnet werden können. Ein Blog als Schreibmodus oder Textsorte gibt nicht vor, ob er benutzt wird, um ein privates Tagebuch zu führen (psychische Funktion), um Eltern über den Verlauf einer Studienreise zu informieren (soziale Funktion) oder um ein Lektüretagebuch zu führen (kognitive Funktion).

Die Schreibfunktionen werden durch die Verwendung digitaler Schreibgeräte, von Schreibsoftware und die Publikation im Netz modifiziert. Diese Veränderung darf aber nicht monokausal oder generell unterkomplex gedacht werden: Das Vorurteil, Netzkommunikation mache Menschen narzisstisch, ist ein gutes Beispiel für eine eindimensionale Vorstellung der [18]Wirkungen eines Mediums. Menschen unterscheiden sich in Bezug auf Narzissmus, schon bevor sie im Netz kommunizieren. Narzissmus kann Teil eines Motivs sein, digitale Plattformen zu benutzen. Die Nutzung wirkt aber wiederum in unterschiedlichen Weisen auf Menschen zurück. Social Media sind für stark narzisstisch veranlagte Personen etwa kein lohnendes Umfeld, sie erhalten relativ wenig Bestätigung – wohl weil ihr Narzissmus deutlich erkennbar ist.15 Netzkommunikation kann also den Narzissmus bei Menschen mit mittlerer Tendenz verstärken, nicht jedoch bei starkem Narzissmus. Dieses Beispiel zeigt die Komplexität dieser Wirkungen.

Auf Schreibprozesse des digitalen Schreibens übertragen heißt das, dass die psychische, die soziale und die kognitive Funktion des Schreibens auch modifiziert werden. Wie im Beispiel Thompsons in Bezug auf das Tippen (s. S. 15) können auch hier Erkenntnisse nur situationsspezifisch und differenziert formuliert werden. Das wird im Kapitel »Schreibdidaktische Aspekte für digitales Schreiben« genauer dargestellt.

Digitales Schreiben. Blogs & Co. im Unterricht

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