Читать книгу DER BESONDERE BÄCKER - Phillip Schnieders - Страница 21
Оглавление„GUT“ SIND ALLE
„Reg dich mal ab. Mir ist gerade mal völlig egal, wie viele Leute jeden Tag deine Brötchen kaufen oder Werbung von dir sehen. - Was ich gesagt habe, ist, dass es nichts Besonderes ist! … Alles ist immer guuut. Aber nichts ist wirklich besonders! Die meisten Unternehmen sind einfach extrem austauschbar! Oder glaubst du im Ernst, dass es deine Kunden wirklich interessieren würde, wenn irgendein anderer Bäcker käme, sein Schild über eure Tür schrauben und seine Brötchen verkaufen würde? Mike, stell dir mal kurz vor, du kriegst ein gutes Angebot und verkaufst deinen Laden. Am nächsten Tag macht jemand anderes deinen Job. Sein Name, seine Qualität und seine Werbung. … Wen kümmert‘s?“
Er schafft es immer wieder, mich aus der Reserve zu locken. Seine provokante Art lässt mich zögern und überlegen, wie ich ihm Kontra geben kann. Ich will antworten, dass es ganz sicher einige Kunden geben würde, die es interessieren würde, wenn es Wickel nicht mehr gäbe.
„Ähhm, also …“ fange ich unsicher an.
Mir fällt auf, dass sich der Satz in meinem Kopf schon zu lächerlich anhört, um laut ausgesprochen zu werden. Mir wird klar, dass es nur ein Wunsch ist, dass unsere Kunden uns vermissen und die Waren eines anderen boykottieren. Nur ein von Stolz getriebener Gedanke. Ich zögere eine Sekunde zu lange.
Napoleon interpretiert meinen Gesichtsausdruck und legt nach. „Alter, es geht nicht um guuut oder durchschnittlich. Wenn du nicht besonders bist, bist du deinen Kunden - und übrigens auch deinen Mitarbeitern - nicht wichtig! Du weißt, dass ich dir nichts will. Aber wenn ich das so höre, muss ich allerdings sagen, dass dein alter Chef echt Recht hat.“
„Na danke auch.“ reagiere ich trotz der Beschwichtigung etwas angegriffen. „Was sollte ich denn deiner Meinung nach ändern?“
„Keine Ahnung, Mike! Ich bin nur ein Metzger!“ grinst er mich nach seiner Provokation nun verschmitzt an. „Ich kann es dir nicht sagen, wie du deine Kunden begeisterst! … Das muss auch in erster Linie von dir selbst kommen. Ob das irgendein Premium oder Bio ist, wie du sagst, weiß ich nicht. Es gibt ja ohne Ende Möglichkeiten für dich! Du kannst ein geniales Gastro-Konzept aufsetzen, deine Kunden automatisch im Abo beliefern, das Sortiment um andere Frühstücksprodukte erweitern, mehr Snacks machen oder, oder, oder …“
Er macht eine ausladende Bewegung mit seiner Hand und schaut mich mit großen Augen an.
„In Ordnung. Habe ich verstanden. Ich müsste etwas tun. Inge meint, wir müssten neue Stühle kaufen, weil die alten unbequem sind.“
„Hast du mir nicht zugehört? Es geht nicht um neue Stühle! Sei besonders, Mike! Wenn du deinen Kunden nichts Besonderes bietest, verlierst du!“ werde ich von Napoleon attackiert.
„Ehrlich, ich habe keinen Plan, was ich machen soll! Wie geht das und wo fange ich da überhaupt an? … Etwas Besonderes …“ resigniere ich.
Sein Blick geht an mir vorbei an die Decke. Dann nimmt er sein neues iPhone und grinst es an, um es zu entsperren. Als er gefunden hat, wonach er sucht, schreibt er einen Namen mit Nummer auf einen Zettel.
„Da rufst du einfach mal an und bestellst einen schönen Gruß von mir. Vielleicht hast du Glück und er nimmt dich. Wenn dir einer helfen kann, dann ist das Jens.“
„Jens? Welcher Jens?“ frage ich verwundert.
„Jens Remmers - ich arbeite schon lange mit ihm und seinem Team. Ohne strategische Begeisterung meiner Kunden und des gesamten Teams hätte ich FleischEssLust nie und nimmer so aufbauen können. Er ist etwas krass, weiß aber ganz genau, wie es geht.“
Ich nehme den Zettel und halte ihn drohend in seine Richtung.
„Frank, ich habe echt keine Lust auf irgendeinen schmierigen Berater, der mir das Leben erklären will“ sage ich und komme mir wie bei einem alten Ehepaar vor, bei dem der Partner immer erst beim richtigen Namen genannt wird, wenn es Ernst ist.
„Das sind die Leute, die selbst gescheitert sind und anderen jetzt das Geld aus der Nase ziehen!“
Strategien und Marketing komplett aus Sicht der Kunden und Mitarbeiter
„Jepp, solche Leute kenne ich auch. Das ist bei Jens aber anders. - Obwohl auch die echt nicht billig sind!“ erklärt Napoleon, während er meine Hand wie früher in der Palmolive-Werbung sanft und bestimmt wieder herunterdrückt.
„Jens ist einer der konsequentesten und fokussiertesten Unternehmer, die ich kenne - kein dahergelaufener Berater. Er hat mit seinem Team nämlich selbst eine besondere Firma aufgebaut. Die machen Strategien und Marketing komplett aus Sicht der Kunden und Mitarbeiter. Inzwischen gibt er sein Wissen als Coach und Mentor weiter.“ erklärt Napoleon.
Mit diesem Satz ist ebenfalls das angeregte Gespräch unserer Frauen über eine gemeinsame Bekannte und ihre verrückten Ideen zu Ende, so dass Daniela die Chance ergreift und der Aussage ihres Mannes zusätzliche Bedeutung verleiht.
„Bevor du mit ihm angefangen hast, warst du auch ziemlich k.o.!“ bemerkt sie und schaut Napoleon mit verzogenen Mundwinkeln an, die zu einem Lächeln übergehen.
„Und dann lief es irgendwie …“
„Ja, was mir persönlich erst mal viel gebracht hat, war mit den 4D überhaupt die Kraft zur Veränderung aufzubauen. Was dann kam, war einfach nur noch Erfolg! Und immer mal wieder eine kontrollierte Kurskorrektur, wenn etwas nicht so pralle ist.“ bestätigt er die Aussage seiner Frau.
„Was hat das denn bitte schön mit Marketing zu tun?“ frage ich ungläubig.
„Nichts. Und Alles.“ antwortet Napoleon nebulös.
„Wenn du etwas tiefgreifend verändern willst, dann brauchst du Kraft. Und vor allem eine andere Art zu denken! Ich hatte bis dahin ja auch schon einiges geändert, nachdem Papa mir die Schlüssel offiziell überreicht hatte. - Aber ich habe halt gemerkt, dass das nicht richtig funktioniert und dass es da mehr geben muss! Und echt, Mike: Das ist der Hammer, wenn du erst mal richtig anfängst, dein Leben und dein Unternehmen aktiv zu gestalten! Bis dahin habe ich auch nur“ - er malt Anführungszeichen in die Luft - „so vor mich hin gelebt.“
„Und du kannst mir nicht einfach sagen, was ich machen muss?“ frage ich mit dem Gedanken, das viele Geld für diesen “Coach" zu sparen.
„Das könnte ich tun. Aber das macht natürlich überhaupt keinen Sinn! Du musst doch erst mal wissen, wo du bist! Und dann auch noch, wo du mit deiner Bäckerei hin willst! Erst dann hilft dir eine Wegbeschreibung! Und ich will nicht, dass du einfach irgendwie irgendwohin losläufst und vielleicht irgendwann nicht mehr kannst, wenn es drauf ankommt!“
„Schatz, du kannst den doch einfach mal anrufen.“ beteiligt sich nun auch Steffi an unserem Gespräch. Obwohl ich ihr zunicke, vertiefe ich mich in mir selbst. Ich finde zwar erstaunlich, wie sich FleischEssLust entwickelt hat, wäre aber auch damit zufrieden, wenn meine kleine Bäckerei ohne viel Show und Effekte gut funktioniert. Eine gute solide Bäckerei, in der die Leute gerne arbeiten und die Kunden glücklich sind. Das wäre es. Ich habe nicht das Gefühl, wirklich tiefgreifend etwas ändern zu müssen … oder zumindest will ich es nicht. Außerdem: Wie sollte mir so ein Marketing-Mensch helfen können?
„Eins noch.“ Napoleon lehnt sich in seinem Sessel zurück und prostet mir mit seinem Weinglas zu.
"Nicht in deiner Bäckerei, sondern mit voller Kraft an ihr arbeiten.“
„Mike, was denkst du, was du alles erreichen kannst, wenn du nicht in deiner Bäckerei, sondern mit voller Kraft an ihr und an deinen Zielen arbeiten würdest?“
Ich habe keine Ahnung, was ich auf so eine komisch tiefsinnige Frage sagen soll! Gerade noch rechtzeitig merke ich, dass er keine Antwort von mir erwartet und lächle verlegen. Wir stoßen an und wechseln endlich dieses schwierige Thema.
Ein paar Gläser später stehen Steffi und ich vor der imposanten Haustür der Tuchels und wollen in die kühle Nacht gehen.
„Hier! Der gehört wohl dir. Haste vergessen!“ freut sich Daniela unverkennbar und hält mir den Zettel mit der Nummer von diesem Jens Remmers unter die Nase.
„Ruf da mal an. Seitdem Frank mit denen arbeitet, ist er wirklich wie ausgewechselt.“
„Ja, mache ich.“ verspreche ich wenig überzeugend und stecke den Zettel in meine Hosentasche, bevor ich sie zum Abschied noch einmal herzlich drücke.
Ich habe keine Lust, dass mir jemand sagt, wie ich meine Bäckerei zu führen habe. - Das versucht mein Vater schon viel zu oft. Irgendeinen aufgeblasenen Theoretiker kann ich in meinem Betrieb nicht gebrauchen.
Dazu kommt, dass meine Probleme wirklich besonders sind. Wie sollte er dafür sorgen, dass meine Kunden mehr Brote kaufen oder wieder mehr Kunden in den Laden kommen?