Читать книгу DER BESONDERE BÄCKER - Phillip Schnieders - Страница 25
ОглавлениеKUNDEN KAUFEN EMOTIONEN
„Also muss ich doch alles ändern.“ seufze ich in Gedanken an noch mehr Arbeit. „Ich hab‘s befürchtet.“
„Du kannst auch einfach alles so lassen und weiter rumheulen!“ reagiert Jens gereizt. Er ändert den Videomodus, so dass ich ihn wieder sehen kann.
„Mike, es darf absolut keinen Grund geben! Ändere, was deinen Kunden und Mitarbeitern nicht passt! Lass uns doch mal kurz auf die Botschaft deines Unternehmens schauen … Sag mir bitte, für wen eigentlich die ganzen Brote und Brötchen sind, die ihr jeden Tag backt.“
„Wie jetzt?“ suche ich nach einer gescheiten Antwort. „Für unsere Kunden natürlich.“
„Wer sind deine Kunden?“
„Genauer: Wer sind deine Kunden?“
„Na die Leute, die bei uns einkaufen! Alle möglichen Menschen halt: Morgens und mittags überwiegend Berufstätige und am Wochenende überwiegend Familien.“
„Und diese Menschen können nirgendwo anders kaufen, was du anbietest?“
„Doch, klar - überall eigentlich. Das ist ja das Problem: 500 Meter weiter ist der nächste Bäcker und viele kaufen ihre Brötchen beim Discounter!“
„Ja, das denke ich mir. Aber wieso kommen all diese Menschen zu dir - in deinen Laden?“
Ich überlege.
„Weil ich bessere Brötchen habe! - Dafür sind wir ja auch bekannt!“
„Ist das so?“
„Es scheint den Kunden ja zumindest zu schmecken! Wir haben eine gute Qualität und machen ehrliches Handwerk. Das ist nicht überall so und deswegen vertrauen die Kunden uns.“
„Also würdest du noch mehr Brötchen verkaufen, wenn dir noch mehr Menschen vertrauen? Wenn eure Qualität noch besser ist und ihr vielleicht noch mehr selbst per Hand herstellt?“
Ich lasse die Frage auf mich wirken. Ich weiß nicht so recht, was ich antworten soll. Nachdenklich bestätige ich sie mit einem andächtigen „Mmhmm“.
„Der Punkt ist psychologisch total interessant!“
Ich komme mir gerade ein wenig wie damals in der Meisterschule vor.
„Kunden kaufen Emotionen. Sie zahlen zwar für irgendwelche Produkte, kaufen in Wahrheit allerdings die Gefühle, die diese Produkte in ihnen auslösen. Das ist immer so … und ist von der Hirnforschung zweifelsfrei bewiesen. Ich habe ein Beispiel für dich: Es gibt sicher niemanden, der grundlos in einen Baumarkt geht und einen Bohrer kauft. Der Bohrer ist ihm im Grunde völlig egal. Was ihn interessiert, ist das Loch in der Wand! Dann besorgt er sich das passende Produkt, um dieses Loch zum Beispiel sicher, komfortabel, staubfrei oder möglichst billig zu bekommen. Einverstanden?“
„Einverstanden“, bestätige ich diese für mich interessante Sichtweise.
„Dann geht es noch weiter: Er will ja gar kein Loch in der Wand!“
„Will er nicht?“ frage ich verwundert.
„Nein, will er nicht! Er braucht es aber, um etwas zu befestigen.“
„Ah ja klar, macht Sinn.“
„Sagen wir mal, er will in seinem Wohnzimmer ein Bild aufhängen, dann treibt ihn also eine bestimmte Emotion in den Baumarkt: Das kann zum Beispiel so etwas wie Kreativität, Selbstverwirklichung oder Ästhetik sein.“
„Und der Bohrer ist nur sein Mittel zum Zweck?“ folgere ich mit einem fragenden Unterton in meiner Stimme.
Ich muss kurz daran denken, dass Steffi mir gestern aufgetragen hat, ich möge Sophias Fernseher doch bitte am Wochenende an die Wand schrauben.
„Und wenn er für seine 13jährige Tochter ein Loch in die Wand bohrt, um dort die Fernsehhalterung zu befestigen? Was ist das dann?“ frage ich.
„Das ist Familie. Oder vielleicht Harmonie, wenn das Mädel schon seit Wochen ihren Vater damit in den Ohren liegt.“ Es tut zur Abwechslung ganz gut, diesen harten Kerl auch mal freundlich lachen zu sehen. Scheinbar ahnt er, dass mich diese Frage persönlich betrifft.
„Und wir müssen klären, welches Gefühl deine Kunden in den Laden bringt. Das klingt total irre, oder?“
Er lächelt noch immer. Jetzt allerdings in dem Wissen, dass ich mir noch nie Gedanken um Emotionen beim Brötchenkauf gemacht habe. Allein diese Art zu denken begeistert mich auf Anhieb.
Seine Mimik wird wieder ernst.
„Egal, ob wir miteinander arbeiten oder nicht - ich will, dass du eine Sache weißt und nie mehr für dein Unternehmen vergisst: Wer austauschbare Produkte an irgendwelche Menschen verkauft … und nicht weiß, wieso sie überhaupt zu ihm kommen … Der muss sich nicht wundern, wenn er irgendwann weniger Kunden hat!“
Während er mich mit ernster Mine ansieht, betont er jedes Wort:
„Wieso kaufen deine Kunden bei dir?“
„Also gegenüber den Billigbrötchen wissen sie, dass sie von uns ein ehrliches Handwerksprodukt aus guten natürlichen Zutaten bekommen.“ sage ich aus tiefer Brust überzeugt. „Wir kaufen nicht irgendwo Teiglinge billig ein und backen sie auf. Wir verwenden keine zusätzlichen Enzyme oder Emulgatoren. Unsere Kunden kaufen zuverlässiges, leckeres Brot aus natürlichen Rohstoffen.“
„Dann kaufen sie also diese Natürlichkeit, den Geschmack und die Zuverlässigkeit, und du gibst ihnen Brötchen dafür?“
„Ja, genau.“ reagiere ich umgehend und erschrecke mich selbst über diese präzise Zusammenfassung.
„Was nicht schmeckt, wird nicht gekauft!“
„Dann ist das die Grundlage deines Unternehmens. Der Geschmack ist dabei allerdings nicht so wichtig. Dass die Sachen bei euch lecker sind, ist eine Grundvoraussetzung! Was nicht schmeckt, wird nicht gekauft! Immerhin hast du keine Luxusartikel oder Gourmet-Brötchen … So zu denken ist für dich bestimmt etwas abgedreht, oder?“
„Ja, ist es.“ entgegne ich beruhigt, dass er auf meine Zurückhaltung eingeht.
„Das ist ganz klar: Die meisten deiner Kollegen belügen sich selbst mit ihrer tollen Qualität und dem ‘Möchte-gern-einzigartigen-Geschmack‘. Aber nur die Wahrheit bringt Kraft. Damit du dein Unternehmen verändern kannst, brauchst du Wahrheit, andere Sichtweisen und bessere Fragen, die du dir stellst.“ erklärt Jens. „Albert Einstein hat es noch viel besser formuliert: ,Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.‘“
Mir fällt Inge ein. Sie ist für mich ein Musterbeispiel für dieses starre Denken, von dem ich mich nicht mehr leiten lassen will. Und dann kommt mir mein Freund Napoleon in den Sinn. Er hat wirklich eine neue Ebene für sich erschaffen, um die ich ihn beneide.
„Ja, verstehe ich.“ gebe ich tiefsinnig von mir.
„Wir konzentrieren uns mal kurz auf die beiden wichtigsten Gefühle beziehungsweise Werte deiner Kunden.“ holt Jens mich wieder aus meinen Gedanken.
„Natürlichkeit und Zuverlässigkeit“
„Natürlichkeit und Zuverlässigkeit. - Was ist DIR davon besonders wichtig? Bist du besonders naturbewusst oder ist dir Zuverlässigkeit extrem wichtig?“
„Ich bin oft in der Natur und Zuverlässigkeit ist mir auch sehr wichtig.“ antworte ich nach kurzer Bedenkzeit. „Ich mag nicht dieses ganze gekünstelte Zeug, sondern klar und ehrlich. Sozusagen zuverlässig natürlich.“ gebe ich von mir, während meine Worte mich selbst erheitern. „Wenn ich mal schlecht drauf bin, gehe ich im Wald spazieren. Das gibt mir dann wieder Kraft. Ich gehe auch gerne Wandern und genieße die Natur. Meine Familie und ich gehen fast jeden Sonntag raus in die Natur und machen einen langen Spaziergang. - Nicht einmal kurz durch die Nachbarschaft, sondern mit Rucksack und Lunchpaket durch Wälder und Wiesen.“
„Herzlichen Glückwunsch“ höre ich aus meinem Smartphone. „Du hast soeben gefunden, wonach du gesucht hast. Das ist deine Botschaft an deine Mitarbeiter und deine Kunden:‚Die Natur gibt Kraft und ernährt dich!‘“
Mir fährt ein Schauer über den Rücken. Das ist es also? So einfach?
„Natürlich“, sage ich bewegt, „natürlich“.
„Heißt das, dass ich jetzt Biobäcker werde?“ frage ich mit einem ungläubigen Lächeln und leichter Ablehnung in der Stimme.
„Das musst du wissen. - Allerdings bedeutet Natur nicht Bio! Was du mir gerade erzählt hast, hat ja gar nichts mit dem ,Körnerfresser-Image‘ zu tun, oder? Natur bedeutet für die meisten Menschen noch viel mehr: Ungeschminkte Natürlichkeit statt Hochglanz! Dafür brauchst du kein BIO-Label, wenn deine Rohstoffe nicht unbedingt chemisch behandelt sind. Es ist dann auch eine ganz andere Geschichte und ein ganz anderes Publikum, dem du diese Geschichte erzählen kannst!“
Ich bin begeistert von dieser Idee. Auch innerlich aufgeheizt muss ich tatsächlich den Reißverschluss meines Hoodies öffnen, weil mir so warm wird.
„Auch wenn ich das mit der Geschichte noch nicht gecheckt habe.“
„Sieh diese natürliche Bäckerei einfach mal als deine ,persönliche Mission‘. Ihre Botschaft transportierst du mit einer Geschichte. Es ist die Story, die du erzählst und die deinen Betrieb besonders macht.“
„Eine Geschichte? Nicht dein Ernst, oder?“ frage ich verwundert. „Ich bin Bäcker und kein Märchenonkel! Heute back ich, morgen brau ich, und übermorgen erzähle ich dir eine Geschichte dazu!“
„Damit wir uns richtig verstehen: Dieses Gespräch ist Arbeit für mich. Ich unterhalte mich nicht mit dir, um dich zu bespaßen oder zu erheitern. Wenn du mein Wissen willst, erwarte ich mehr Respekt von dir. Bist du dazu bereit?“
„Oh ja“, sage ich demütig, „tut mir leid“.
„Gut. Dann lass uns weitermachen. Disziplin drei und vier: Du willst ein Gefühl bedienen und in Deutschland sprechen wir immer wieder von ,bewegenden Gefühlen‘.
Im Englischen ist die Wortverwandtschaft noch viel deutlicher: Da heißt es dann ,emotion‘ und ,motion‘! Aus einer Emotion wird eine Bewegung … Diese Emotionen transportierst du dann am besten mit einer Geschichte. Denn du willst ja deinen Kunden die Natürlichkeit geben und sie bewegen … am besten direkt in deinen Laden und an die Kasse, oder?“
„Ja, das wäre fein! Aber ich kann ja schlecht an alle Haustüren in 10 Kilometern Umkreis klopfen und fragen ,Hallo, ich bin Mike Wickel, darf ich Ihnen mal eine natürliche Geschichte über meine Bäckerei erzählen?‘ - Da lachen mich die Leute ja aus!“
„Du verpackst deine Botschaft in eine gute ehrliche Story.“
„Stimmt. Deswegen machst du es geschickter: Du verpackst deine Botschaft in eine gute ehrliche Story. Dann prüfst du alle Kontaktpunkte, die deine Kunden mit euch haben und lässt deine Bäckerei diese Story erzählen. Jeder Kassenbon, jeder Facebook-Post, die Ware an sich und ihre Präsentation in deinem Laden, die Dekoration und alles, was deine Kunden sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen wird natürlich sein und auf diesen Wert einzahlen. Du stimmst alles auf Natürlichkeit ab und machst sie dadurch für deine Kunden erlebbar. Erst dann schließt sich der Kreis: Mit strategischer Begeisterung erzeugst du Gefühle, die bewegen. Das macht deine Bäckerei dann wirklich besonders und hebt sie von den ganzen austauschbaren Standard-Bäckern ab, die sich mühevoll von einem Monat zum nächsten hangeln.“
Jens hat in mir etwas ausgelöst, was ich noch nicht in Worte fassen kann. Zum ersten Mal seit langer Zeit verspüre ich wieder Lust, an meinem Betrieb zu arbeiten. Ich will meine Kunden begeistern und vielleicht junge Menschen damit motivieren, sich für das Bäckerhandwerk zu entscheiden!
Bilder flitzen in atemberaubender Geschwindigkeit vor meinem inneren Auge umher und die Gedanken kreisen um diese phantastische Vorstellung einer naturverbundenen Bäckerei.
„Ich finde den Gedanken richtig klasse. Darauf habe ich natürlich richtig Lust!“
„Gut, Mike. Dann mach das! Lass dich von niemandem aufhalten und vor allem nicht von dir selbst! Mit einer guten und vor allem zu erlebenden Botschaft kannst du deine Bäckerei besonders machen!“ freut Jens sich sichtlich mit mir. Er schaltet mir erneut seinen Desktop frei und beginnt zu schreiben: „Deine vier Schritte sind:
1. Generiere KRAFT
für dich und dein Unternehmen
2. KOMMUNIZIERE eine Botschaft
die dein Team und deine Kunden von dir hören oder sehen wollen
3. Erzeuge EMOTIONEN
für eine tiefe Beziehung von Anderen zu deinem Unternehmen
4. Gründe eine BEWEGUNG
und gehe mit Anderen in eine gemeinsame Richtung“
„Dann ja oder nein: Wir können dich bei deinem Weg begleiten und dir die Dinge zeigen, auf die du achten musst. Möchtest du, dass mein Team und ich dir dabei helfen?“
„Natürlich! Wie würde diese Zusammenarbeit denn aussehen?“
Der Gesichtsausdruck von Jens nimmt eine Härte an, die ich in den vergangenen Minuten nicht gespürt habe.
„Das ist der wichtigste Bereich des Plans, den wir dich lehren: deine innere Verpflichtung. Du wirst eine bedingungslose Verantwortung für deine Ziele übernehmen und wir helfen dir, deine Bäckerei und deine Arbeit auf ein neues Niveau zu heben. Du wirst dir Ziele setzen und Disziplin aufbauen. Du wirst den Fokus halten und den Weg korrigieren, wenn du vom Kurs abkommst. Einer unserer Coaches wird dich eng begleiten und Ergebnisse einfordern. Ihr werdet euch jede Woche im Videocoaching sehen und die weitere Vorgehensweise besprechen.
Die Einheiten dauern eine Stunde, in denen wir dich die vier Schritte der strategischen Begeisterung lehren: KRAFT, KOMMUNIKATION, EMOTION und BEWEGUNG. Gerade am Anfang wird es etwas länger dauern, bis du die alten Mauern eingerissen und Kraft aufgebaut hast. Wir werden dich mindestens ein Jahr lang unterstützen. Jede Woche live und immer zwischendurch über einen Messenger.“
„Und was kostet mich eure Begleitung?“
Ich muss etwas schlucken, als er mir die monatliche Investition nennt. Andererseits kann und will ich mich nicht mehr mit etwas anderem zufrieden geben. Ich bin bereit, endlich etwas zu ändern und das gerade entstandene Bild aus meinem Kopf mit einem konkreten Plan in die Wirklichkeit umzusetzen!
Meine Entscheidung ist schnell getroffen. So darf es nicht weitergehen. Ich will strategisch begeistern! Vielleicht würde ich alleine einige Sachen ändern, aber ohne einen konkreten Weg würde ich mein Ziel nicht erreichen.
„Also: Wann starten wir?“ frage ich in Freude auf die gemeinsame Arbeit. „Ich glaube, dass du mir wirklich helfen kannst!“
„Das werde ich“, bekräftigt er, „oh ja, das werde ich.“