Читать книгу Das Steinerne Tor - Pia Guttenson - Страница 11

Zuhause, wo dein Herz ist

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Als ich mich durchrang, endlich loszufahren, war es schon Mittag geworden.

Und die Menge an Breakfast -Tee, die ich in einer schnuckeligen Teestube zu mir genommen hatte, forderte ihren Tribut. Ich war gezwungen, mehrmals anzuhalten, um meine Blase zu entleeren. Jeder Kilometer, der mich näher ans Kloster und an die Umgebung meiner Kindheit brachte, bereitete mir körperliche Schmerzen und Unwohlsein.

Ich hatte Angst.

„Gott verzeiht alles!“, pflegte Schwester Agnes zu sagen. Aber was, wenn ich Gott nicht verzeihen konnte?

Er hatte mir meine Eltern genommen, Oli Buchanan, meinen besten Freund, den einzigen Mann, mit dem ich mir hatte vorstellen können, alt zu werden und meinen über alles geliebten Sohn Sam.

Wie konnte ich ihm das verzeihen?

Seit Sam weg war, war ich innerlich tot und nur mit Selbstmord-Gedanken beschäftigt. Die Buchung des Fluges, die Anmietung des Leihwagens oder Skye als Ziel meiner Reise, das alles war ungeplant und wie in Trance geschehen. Seit ich hierher gefunden hatte, hatte ich weder Augen für das saftige Grün des Grases, noch für die duftenden Rosen oder das strahlend schöne Wetter, das mit außergewöhnlich viel Sonne und fehlendem Nebel aufwartete. Ein Wetter, das zu anderen Monatszeiten Touristenmassen anziehen würde. Für mich hatte Schottland seinen Zauber verloren.

Konzentrier dich auf die Straße, ermahnte ich mich selbst. Das beständige Brummen des Motors und Clannads ruhige Musik aus dem CD-Player lullten mich ein und beruhigten mich zumindest.

Denk positiv, sagte ich mir. Was genau tat ich eigentlich hier? Ich bemühte mich, bewusst zu atmen. Ein und aus, ein und aus. Vor meinem inneren Auge stiegen Bilder auf wie Seifenblasen, nur kurz an der Oberfläche, um dann zu platzen: ich schwanger mit Sam und daneben sein Erzeuger Paul.

„Mach es weg, Schlampe! Glaub nicht, dass du je auch nur ein Pfund siehst. Wessen Bastard ist es?“

Ich erinnerte mich noch ganz genau an den Wortlaut und daran wie unsäglich dumm ich mir vorgekommen war. In einem erbosten Wutanfall hatte ich meine Haarmähne mit der Küchenschere bis auf drei Zentimeter abgeschnitten. Mit wehenden Fahnen war ich umgezogen. Neue Haare, neues Leben.

Paul hatte sich nie bemüht, uns zu finden und ich zog es vor, keinen Kontakt mit ihm zu haben.

Ich sah Bilder von Sam - bei der Geburt, beim Schulanfang und am Tag des Ausflugs mit seiner Patentante Rose, bei dem er verschwunden war. Einfach so, am helllichten Tag. Mit gerade mal sechs Jahren. Nicht ganz acht Monaten waren seither vergangen.

Meine Gedanken machten einen Sprung zurück auf die Straße und zu einer Kurve, die ich gerade noch erwischte.

Verdammt! Wie hatte mein Psychologe gesagt?

„Sie müssen in die Zukunft sehen und die Vergangenheit ruhen lassen.“

Nun, das war leichter gesagt als getan. Die Stunden am Kilt Rock fielen mir ein. Was hätte er wohl dazu gesagt? Vermutlich wäre ich in einer Klapsmühle gelandet.

Der Riese kam mir in den Sinn: Ian Tormod Robert MacLeod. Seltsamerweise hatte ich mir, trotz der Menge Alkohol, den Namen merken können. Ich verdrängte den Gedanken an diese tiefbraunen Augen. Nur nicht wieder weinen, Isa! Ganz ruhig. Der Weg war mein Ziel und ich war fast da. Upps, fast wäre ich an der Abzweigung nach Sligachan vorbeigefahren.

Die Straße – falls man sie so nennen mochte – war genauso schlecht wie vor sechzehn Jahren, als ich, gerade zwanzig Jahre alt, mit einem Kopf voller Träume gegangen war. Schlagloch folgte auf Schlagloch und dazwischen tief ausgefahrene Rinnen. Nun war ich wieder hier, schämte mich, und war ein Schatten meiner selbst. Wie zum Teufel sollte ich es Schwester Agnes erklären, dass ich mit Gott gebrochen hatte? Dass dieser Gott nicht mehr der Meine sein konnte, da er mir alles genommen hatte, was mir lieb und teuer war? Wie? Ich wusste es nicht!

Sligachan war ein kleines Nest, mit nichts als einer Hauptstraße, die schnurgerade auf das Kloster St. Mary zuführte. Es thronte auf einem kleinen Hügel und drum herum gab es nur ein paar verstreute Bauernhäuser und Felder soweit das Auge reichte. Von Weitem gesehen, hinterließ dies den Eindruck einer Patchwork-Decke. Das dazugehörende Waisenhaus lag ein Stück abseits des Klosters, ein unscheinbarer Bau aus rotem Backstein, mit einem typischen rosengesäumten Kiesweg und weiß gestrichenem Lattenzaun.

Ich parkte auf dem kleinen penibel gepflegten Besucherparkplatz und stieg mit wackeligen Beinen aus. Eine Kulisse wie aus einem dieser Touristenführer:Nobel, kitschig, doch sehr charmant.

„Und um die Ecke kommt der Prinz geritten und das prachtvolle Schloss liegt gleich hinterm Berg“, philosophierte ich leise vor mich hin.

Mir war unbeschreiblich flau im Magen und ich kam mir unendlich klein, jung und naiv vor.

Die Sonne knallte heiß vom Himmel, die Rosen verströmten wohlriechende Düfte und die Bienen summten. Plötzlich vermisste ich meine Nikon. Hier hatte ich perfekte Postkarten-Motive und meine Kamera lag auf meinem Bett in Mrs. Pomfries Bed & Breakfast.

Verflixt!

Der Kies unter meinen Füßen knirschte bei jedem meiner Schritte. Ich war Zuhause. Wie selbstverständlich lief ich auf das kleine Gatter unter dem Rosenbogen zu und öffnete es. Ein durchdringendes Quietschen ertönte und ließ mich zusammenzucken, doch es kam niemand.

Mit pochendem Herzen folgte ich dem Gartenweg, umrundete das Haus, lief verbotenerweise quer über den akkurat gepflegten Rasen, um die alte schottische Kiefer zu erreichen.

Meine Kiefer.

„Danke, danke, dass du noch da bist!“, murmelte ich dem Baum zu. Mit meiner Hand fuhr ich über das wackelig eingeritzte Herz in der Rinde. `O & I´ stand dort. Es war noch immer gut lesbar. Oliver & Isandora. Ich lehnte die Stirn gegen das in die Rinde geritzte Herz. Innerlich zitternd bis ins Mark.

Oliver Buchanan war ein trauriges Kapitel meines Lebens. Von Kind an war er an meiner Seite, mein bester Freund und letztlich mein Partner und Geliebter.

Oli wurde nur 24 Jahre alt. Er, mein Weltverbesserer, mein allzeit bereiter Tröster, der Kindskopf schlechthin. Oli, mit dem ich Kinder in die Welt setzen wollte, ging als Sanitäter in den Kosovo und kam nie mehr zurück. Eine Mine zerfetzte den Wagen, in dem er mitfuhr. Zerriss mein Herz und diese Wunde wollte und wollte nicht heilen. Bis heute.

Langsam drehte ich mich um, ließ mich mit dem Rücken an dem rauen Stamm zu Boden gleiten. Mein Atem ging stoßweise, aber ich begann mich wieder zu beruhigen. Das war schon immer so gewesen, die Kiefer, mein Baum, hatte schon immer etwas an sich, das mich ruhig werden ließ, mich tröstete und letztendlich wieder zum Lächeln brachte. Wie oft waren wir in seine Krone geklettert oder hatten unter ihm gesessen, Oli und ich. Ob unsere alte Schatzkiste wohl noch hier vergraben war? Unter ihrem Nadeldach fühlte ich mich geborgen und behütet. Hier war ich Zuhause. Ich blieb noch eine Weile regungslos sitzen, beobachtete die Vögel und lauschte dem rauschenden Lied des Windes, der die Kiefernadeln sanft streichelte. Versuchte erneut dem Zauber Schottlands zu erliegen. Warum funktionierte es nicht mehr? Wieso hatte dieser Ort seine Magie für mich verloren?

Schließlich erhob ich mich und ließ den Baum hinter mir. Auf dem Weg zum Kloster konnte noch nicht einmal der knirschende Kies das Klopfen meines Herzens und das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren übertönen. Der Wind verstrubbelte mir den kläglichen Rest meiner Frisur. Ganz damit beschäftigt mein nicht zu bändigendes Haar in den Haargummi zu stecken, bemerkte ich die junge Novizin zunächst nicht.

„Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein, junge Dame?“ Ein offenes, freundliches und in Anbetracht der förmlichen Anrede erstaunlich junges Gesicht sah mir fragend entgegen.

„Ähm, also ...“, druckste ich herum. „Ich bin auf der Suche nach Schwester Agnes. Sie wissen nicht zufällig, wo ich sie finden kann?“, fragte ich nun etwas selbstbewusster.

Einen Moment lang sah sie mich irritiert an, doch auf einmal zeichnete sich Erstaunen in ihrem Gesicht ab. „Dem Herrn sei Dank für seine unendliche Güte. Sie sind es, Sie sind Isandora. Das sind Sie doch, oder?“ Sie war ganz aufgeregt.

„Mhm, ja die bin ich, aber …?“

„Oh, deine Haare, sie hat so oft von dir gesprochen. Sie hat es sich so sehr gewünscht. Sie wollte dich unbedingt noch einmal sehen!“

Noch einmal sehen?, fragte ich mich. Ich wollte zu einer Frage ausholen, aber sie nahm mich an der Hand und zog mich unter eifrigem Geplapper hinter sich her.

„Zündhölzer, deine Haare, wie Zündhölzer, pflegte sie zu sagen. Ja, ja in der Tat. Sie hatte völlig recht. Im Übrigen bin ich Schwester Silvia. Guter Gott, dass ich das noch erleben darf!“

Wie ein Kleinkind fühlte ich mich an ihrer Hand und es war mir ziemlich unangenehm. Leider ließ Schwester Silvia mich nicht mehr los. Einige Nonnen begegneten uns mit fragenden Blicken, doch dies brachte Schwester Silvia nicht zum Anhalten, während ich wenigstens versuchte, freundlich nickend zu grüßen.

„Natürlich müssen wir zuerst zur Mutter Oberin, dich anmelden. Du kennst das ja, nicht wahr? Bist hier aufgewachsen, hab ich gehört.“

Sie erwartete, glaubte ich, keine Antworten auf ihre Fragen, da sie immer weiter quasselte und dabei strahlend lächelte.

„Du warst ein richtiger Wildfang, erzählt man sich. Fotografierst du gerade hier in unserer schönen Gegend? Agnes hat erwähnt, dass eine sehr begabte Fotografin aus dir geworden ist.“

Nein, ich versuche, mich hier in dieser schönen Gegend umzubringen, antwortete ich in Gedanken sarkastisch. „So ähnlich könnte man es nennen.“

Gleich würde mich der Blitz treffen und ich sah vorsichtig in den strahlend blauen Himmel. Glücklicherweise war Gott, mit seinen Gedanken-Röntgen-Strahlen woanders zugange.

„So was, so was, eine berühmte Fotografin hier in St. Mary!“

„Also eigentlich bin ich nicht berühmt. Genau genommen gar nicht.“

Wieso nur hatte ich das Gefühl, dass sie mir nicht im Geringsten zuhörte? Sie brummelte immer noch etwas von Berühmtheit vor sich hin. Vermutlich gab ich ein absolut lächerliches Bild ab an der Hand von Schwester Silvia. Aber was konnte ich tun? Sie ließ mich einfach nicht los. Hoffentlich sah und hörte uns niemand!

Ich sehnte das Zimmer der Mutter Oberin herbei. Ha, von wegen berühmte Fotografin, dachte ich. Okay, ich hatte ein paar nette Fotos für National Geographic geschossen, doch vier Fotos machten noch lange keine Berühmtheit aus mir. Meistens verdiente ich mir mein Geld, indem ich Fotos für Zeitschriften oder Landschaftsreportagen schoss, also nichts Aufregendes. Scheinbar hatte ich vergessen, dass man das auf der ‚Insel‘, auf dem Land, nicht so sah. Ich hätte es besser wissen müssen!

Mein Sohn hatte mein Zuhause nie kennengelernt. Ich war zu beschäftigt gewesen, meine kleine Familie über Wasser zu halten, dass ich keine Gelegenheit dazu gefunden hatte, ihm St. Mary zu zeigen, was ich nun bitterlich bereute.

Plötzlich fühlte ich mich verloren, klein und unsagbar verletzlich. Himmel! Ausgerechnet jetzt, während ich innerlich zitternd vor Aufregung, an der Hand einer Novizin den Kreuzgang entlang eilte, musste mich meine Vergangenheit einholen!

Selbst die wärmenden Strahlen der Sonne, die den Kräutergarten in der Mitte des Klosterhofes malerisch beleuchtete, vermochten nicht, die Kälte in meinem Inneren zu vertreiben. Ebenso wenig wie der betörende Duft, der von den Kräutern ausging, mich beruhigte.

Mitten im nächsten Schritt wurde ich unsanft abgebremst, indem ich gegen Schwester Silvia lief, die vor einer alten, grob gezimmerten Holztür stehen blieb,.

„’tschuldigung“, nuschelte ich verlegen.

„Macht nichts! Wir sind jetzt da.“ Schwester Silvia rückte ihre Ordenstracht zurecht, steckte die Haare wieder sauber unter ihren Schleier, holte tief Luft und klopfte schließlich energisch gegen die Tür. Ein ‚Herein‘ hatte ich nicht vernommen, aber wir traten dennoch ein.

Der Raum war lichtdurchflutet, die vielen Bleiglasfenster sahen aus, als wären sie hell erleuchtet. Ein überdimensionaler Schreibtisch nahm fast den ganzen Raum für sich ein. Oh ja, ich kannte diesen Raum. Auch wenn die kleine, drahtige Person hinter dem Schreibtisch nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Mutter Oberin meiner Kindheit hatte, so erinnerte sie mich trotzdem an diese. Ich sah mich mit acht Jahren, in einem zerrissenen Kleid und blutigen Knien. Die Ehrwürdige Mutter Margareta, die vehement versuchte, mir zu erklären, dass kleine Mädchen nichts auf Bäumen zu suchen hatten. Es schickte sich nicht für ein katholisches Mädchen, die Beine zu entblößen, egal was Oliver Buchanan mir gesagt hatte. Mein Kleid musste ich selbst flicken und bekam noch 40 Ave Marias oben drauf. Das hatte ich nie vergessen, nur geändert hatte es damals nichts. Am nächsten Tag war ich wieder auf dem Baum – unserer Kiefer – und soweit ich mich erinnern konnte, hatten Oli Buchanan meine entblößten Beine, zumindest zu diesem Zeitpunkt, nicht interessiert. Er hatte allerdings auch nie gepetzt, dass die Idee mit dem Baum von mir alleine war.

„Ehrwürdige Mutter, wir haben Besuch!“ Schwester Silvia schien den strengen Blick, der uns musterte nicht zu sehen oder sie war ihn gewohnt. Im Gegenteil. Sie strahlte von einem Ohr bis zum anderen und plapperte munter weiter, während ich immer kleiner wurde.

„Es ist Isandora Georgy, Ehrwürdige Mutter.“

Sie schob mich etwas nach vorne, wo sich die Mutter Oberin mit ernstem Gesicht einen Zwicker (kannten die denn keine Brillen hier?) auf die Nase setzte. Sie musterte mich von oben bis unten und ein abschätzender Blick begegnete dem Meinen. Gerade noch konnte ich dem Impuls widerstehen, mich einmal um die eigene Achse zu drehen damit der Dame nichts entging.

„Sie ist es wirklich, Ehrwürdige Mutter! So wie es sich Schwester Agnes gewünscht hat. Der Herr sei gepriesen!“

„Amen. Schwester Silvia. Beruhigen. Sofort! Es ist nicht schicklich, loszuplappern wie ein Waschweib. Danke. Jetzt gehen Sie und geben Schwester Agnes Bescheid. Wir kommen nach.“ Mit einem herrischen Wedeln der Hand wurde eine sichtlich geknickte Schwester Silvia hinauskomplimentiert, jedoch nicht ohne mir an der Tür aufmunternd zuzuzwinkern.

Der Witz einer Freundin fiel mir ein: ‚Wieso kommen Schwiegermütter in den Himmel? Na klar, Drachen können fliegen.‘Ein Lachen verkniff ich mir.

„So!“, schnarrte die Stimme vom Schreibtisch. „Isandora – wie könnte ich diesen Namen je vergessen? Der Wildfang! Schwester Agnes erzählt andauernd von, na ja nennen wir es Streiche. Setzen Sie sich Kind. Nun, ich will nicht um den heißen Brei reden. Zeit ist kostbar. Schwester Agnes hat ein gesegnetes Alter erreicht – 92 Jahre.“

Sie lag im Sterben. Das versuchte die Mutter Oberin mir schonend beizubringen. Es schien, als hätte sie nur auf mich gewartet, um mir Lebewohl zu sagen.

Drei Tage blieb ich im Kloster. Wie ich sie überstand, konnte ich hinterher nicht mehr sagen.

Wir lachten viel und weinten noch mehr. Agnes. Meine Agnes erzählte mir eine Menge Geschichten, die ich teils verdrängt und teils vergessen hatte.

Ihre Haare waren weiß wie Schnee und ihre Haut trocken und dünn wie Papier, doch ihr Lächeln war dasselbe wie damals. Am zweiten Tag wurden ihre Atemzüge immer länger und sie gab mir ein kleines Päckchen. Das sei ihr Vermächtnis an mich und ein Zeichen der Liebe meiner Eltern zu mir.

„Sterben ist leicht, mein Goldstück. Ich bin 92 Jahre alt geworden. Mein Leben als Nonne war mehr als erfüllt, denn Gott hat mir sogar eine Tochter geschenkt: Dich, Isa! Hadere nicht mit deinem Leben. Es ist ein Geschenk Gottes. Wirf es nicht weg!“

Das waren ihre letzten Worte an mich. Worte, die mich bis ins Mark erschüttert hatten.

Eng umschlungen lagen wir in ihrem kleinen Bett, wie Mutter und Tochter. Sie schlief friedlich, ohne Schmerzen in meinen Armen ein. Ihr letzter Atemzug war nur ein leises Seufzen. Mein Kopf ruhte auf ihrem Herzen und selbst im Tod lag ihre Hand noch ruhig, wie um mich zu segnen, auf meinem Haar.

Die Beerdigung am dritten Tag war überraschenderweise schön. Der Klosterfriedhof thronte auf dem höchsten Punkt des Hügels und dank des schönen Wetters war die Sicht so klar, dass ich bis zu den Inseln Barra, North Uist und Lewis sehen konnte. Der Wind und die Gischt des Meeres sangen ihr Lied, als ob es nur für Agnes wäre, die Sonne schien in ungewohnter Stärke und der kleine Klosterfriedhof strahlte Ruhe aus. Bienen summten, Möwen kreischten, als wäre es ein ganz normaler Tag. Irgendwann, als alle zurückgingen, zu dem, was Nonnen nun eben so tun, setzte ich mich auf die alte Friedhofsmauer, direkt neben Olis Gedenkstein und blickte aufs Meer. Endlich kamen die Tränen und ich weinte, schrie und weinte noch mehr, bis ich nicht mehr konnte.

Das Steinerne Tor

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