Читать книгу Das Steinerne Tor - Pia Guttenson - Страница 23
Gemeinsame Feinde
ОглавлениеGibst du mir meinen Kilt, Sommersprosse?“
Mit der einen Hand half er mir beim Aufstehen und mit der anderen nahm er seinen Kilt in Empfang. Bewundernd sah ich ihm für einen Moment zu, wie er sich darin einwickelte, ging dann aber doch schon zu den Pferden vor, da die Tiere in Nikomas Nähe immer sehr unruhig wurden. Ich streichelte meinen schwarzen Wallach, um sowohl ihn als auch vor allem mich zu beruhigen. Da ich keinen Hunger verspürte, gab ich ihm die Hälfte meines Frühstücksapfels. Angst vor einer Weiterreise auf dem Rücken der Pferde, ließ meinen Magen vor Übelkeit krampfen. Frühstück? Nein, danke! Muskelkater in den gesamten Beinen, blaue Flecken, ein wunder Po und da sollte ich schon wieder …? Himmel, nein! Leider blieb mir vermutlich nichts anderes übrig?
„Och, du könntest dich fressen lassen, noch ist genug an dir dran“, brummte ich ironisch vor mich hin.
„Zu mager und vor allem giftig. Sieht man schon an der Haarfarbe“, dröhnte Ians lachende Stimme hinter mir.
„Verflixt, du hast gelauscht“, stieß ich ertappt aus und mein entsetzter Blick brachte ihn noch mehr zum Lachen.
„Hm, ich hatte ein wenig Angst, dass die Pferde dich vorher fressen. Ha, ha, ha.“
„Du, du wagst es, dich lustig zu machen, du Elender ...!“
„… Schotte, ja, ich weiß“, unterbrach er mich noch immer lachend, packte mich mit beiden Händen an der Hüfte, wirbelte mich durch die Luft und zack, saß ich schon wieder auf dem verflixten Gaul.
Verdutzt wie ich war, nahm er mir den Rest meines Apfels aus der Hand und biss kraftvoll hinein. „Du wolltest ihn doch nicht mehr?“
„Also ich ...“, setzte ich an.
„Ein Mann muss bei Kräften bleiben. Man weiß ja nie. Vielleicht willst du mich ja doch noch ... du weißt schon, bevor sie uns fressen!“, bemerkte er trocken und schwang sich elegant auf sein Pferd.
Einen Moment lang hatte ich meine Gesichtszüge nicht unter Kontrolle und musste lächeln. Herrje, hoffentlich hast du das nicht gesehen. Du hast ja keine Ahnung, Ian, dachte ich verunsichert über meine Gefühle diesem Mann gegenüber.
Die Pferde begannen zu traben und sofort zuckten aufs Neue die Schmerzen durch meine Beine und in meine Kehrseite. Heilige Maria, wie sollte ich das bloß durchhalten? Schmerzvoll zischte ich durch meine zusammengepressten Zähne. Ian drehte sich besorgt im Sattel.
„Du hättest es mir zeigen sollen!“, schimpfte er ärgerlich.
Oh ja, das hättest du gerne gehabt, du Schuft. Und als Nächstes wäre ich mit dir in einem Bett aus Gras gelandet, widersprach ich in Gedanken und zwang mich zu einem, wie ich hoffte, beruhigenden Lächeln.
„Vergiss es, Sommersprosse! Du bist mit Abstand die schlechteste Lügnerin, die mir je untergekommen ist“, mahnte er vorwurfsvoll, schenkte mir jedoch ein mitleidiges Grinsen.
Mir fiel keine Erwiderung ein und so blickte ich stur in die Ferne. Ich musste mich auf den blöden Gaul konzentrieren und der Teufel sollte mich holen, wenn ich mir anmerken lassen würde, wie es in mir aussah.
„Verlagere das Gewicht immer wieder und sei nicht so steif. Sobald wir galoppieren wird es besser, versprochen“, versuchte Ian, mich aufzumuntern.
Natürlich, vielleicht würde ich aber auch vorher vom Pferd fallen. Letztendlich war es die farbenprächtige Wunderwelt um mich herum, der es gelang, mich völlig abzulenken. Saftiges Grün, Blumen in Farben, die ich noch nie gesehen hatte. Büsche und Wiesen schienen in miteinander zu verschmelzen, sodass man nur noch Farben wahrnahm, nicht jedoch die einzelne Blume. Es gab seltsame Arten von Igeln, unzählige Hasen und absurd aussehende Schweine. Ihre Nasen sahen zwar aus, wie eh und je, nur waren sie so lang wie bei Elefanten und sie suchten damit schnüffelnd den Boden ab, während ihr langer, pinselartiger Schwanz hinter ihnen ihre Spur verwischte. Sie waren auch nicht rosa oder braun, nein. Diese Schweine waren mit olivgrünem Fell überzogen. Es gab auch viele flinke, kleine Tiere. Diese waren aber so schnell, dass ich sie nicht genauer erkennen konnte.
Ich hatte das Gefühl, dass Nikoma unmittelbar in unserer Nähe war, sehen konnte ich ihn jedoch nicht. Über uns zog unser Dauerbegleiter, der Turmfalke, seine Kreise.
Abrupt änderte sich die Landschaft und wir kamen auf einem Hügel an. Vor uns erstreckte sich ein weites, grünes Tal, mit einem Meer aus Blumen, soweit das Auge reichte. Doch noch bevor sich Nikomas Stimme warnend meldete, trug der Wind die Geräusche von Waffenklirren und ängstlichen Schreien, sowie den altbekannten widerlichen Geruch der Moorguhls zu uns.
Zurück! Zurück! Noch haben sie euch nicht wahrgenommen!
Nikomas Stimme hallte in meinem Kopf, doch ich war wie erstarrt. Ian schien es nicht anders zu gehen.
Es war eine kleine Gruppe und sie waren von den Moorguhls umzingelt. Wer sie waren, war nicht auszumachen, jedoch war deutlich, zu sehen, dass sie in der Unterzahl waren.
Es sind Elfen und sie sind einem Spähtrupp der Moorguhls in die Arme gelaufen. Ihr könnt nicht helfen. Flieht!, beantwortete Nikoma meine unausgesprochene Frage.
Es war Ians Blick. Seine Augen waren gebannt auf das Geschehen gerichtet. Mir war, als könnte ich den Kampfgeist, wie wilde, lodernde Flammen, in seiner Iris leuchten sehen.
„Nein. Oh, nein. Tu das nicht, Ian! Bitte! Wenn dir ...“, versuchte ich, zu ihm durchzudringen. Doch er wusste, was ich sagen wollte und ließ mich nicht ausreden.
Ein Schlichtes „Ich muss! Sie sind auch unsere Feinde!“ und ein entschuldigendes Schulterzucken, war alles was er erwiderte, bevor er davon preschte.
„Du musst nicht immer den verdammten Helden raushängen!“, brüllte ich ihm zornig hinterher, doch es ging in seinem Schlachtruf unter.
„Hold fast. Hold fast“, hörte ich ihn brüllen und sein Claymore Schwert glitzerte todbringend in der Luft, als er es über seinem Kopf schwang.
Ich folgte ihm völlig unbewusst. Vielleicht aus einem Reflex heraus, vielleicht war auch mein Pferd daran schuld. Und doch folgte ich der Staubwolke, in der sich Ian und sein Pferd verbargen.
Narren! Narren!, tönte Nikomas Stimme.
Ian bemerkte mich nicht. Er war aufs Kämpfen konzentriert und schlug noch im Galopp zwei Moorguhls die Köpfe ab. Gelbes Blut spritzte in alle Himmelsrichtungen, die ekelhaften Zungen schossen nochmals schnalzend und sich windend hervor und ein markerschütterndes Gekreische erhob sich. Wie von selbst schloss sich meine Hand um den Griff meines Dolches. Ich visierte einen Moorguhl an, der mit einem schlanken Elfen kämpfte und warf. Woher meine plötzliche Zielgenauigkeit kam, wusste ich nicht. Dennoch traf ich auch hier, den Elfen um Haaresbreite verfehlend, mit Präzision das grüne Monster direkt zwischen die Augen. Allerdings nahm mir mein Pferd den Angriff sowie den Gestank so übel, dass es mich kurzerhand in hohem Bogen und mitten im Kampfgeschehen abwarf!
Der harte Aufprall nahm mir die Luft. Tränen schossen mir in die Augen. Ich schmeckte Blut, da ich mir auf die Zunge gebissen hatte. Geistesgegenwärtig rollte ich mich ab, um nicht unter die Hufe zu kommen. Stattdessen landete ich zu Füßen eines furchterregenden Moorguhls. Heilige Maria. Mist!
Hektisch griff ich auf der Suche nach einer Waffe um mich. Mein Dolch steckte dummerweise in einem anderen Ungetüm. Irgendwie kam ich auf die Füße und wich rückwärts aus. Die kalten Reptilienaugen folgten jeder meiner Bewegungen. Das Monster war blutbesudelt und dieses Blut war rot, realisierte ich. Seine Zunge schoss peitschenartig hervor und zeigte messerscharfe Zähne, die mich an einen Hai denken ließen. Voller Panik wich ich noch weiter zurück und das Mistvieh folgte mir. Fast wäre ich über den Leichnam eines Elfen gestolpert, konnte jedoch gerade noch das Gleichgewicht halten. Aus den Augenwinkeln sah ich das Schwert des Toten im Boden stecken. Ohne das Monster aus den Augen zu lassen, zog ich es aus der weichen Erde. Schwerer als gedacht musste ich es in beide Hände nehmen. Tja, Isa. Kein Degen, kein Duell nach festgelegten Regeln und vermutlich nicht den Hauch einer Chance, schoss es mir durch den Kopf.
„Oh verflucht, MacLeod. Wo bist du, wenn ich dich brauche?“, murmelte ich verzweifelt.
Der Moorguhl ging jäh zum Angriff über, breitbeinig stand ich da und parierte. Das Gute war, er schlug völlig planlos zu, das Schlechte, er hatte eine Wahnsinnskraft und ich nicht. Schritt für Schritt trieb er mich nach hinten und dort wartete schon der nächste Moorguhl auf mich. Sie würden mich in die Zange nehmen und dann wäre es aus mit mir.
Wie aus dem Nichts sprang ein riesiges, graues Fellbündel an mir vorbei und riss den Moorguhl hinter mir um. Gleichzeitig machte der Moorguhl vor mir einen Ausfallschritt auf mich zu. Ich wich zu ruckartig aus, stolperte und fiel rücklings in den Sand. Sand? Noch bevor das Monster mit seinem Krummschwert auf mich einstechen konnte, warf ich ihm Sand in die lidlosen Augen und rollte zur Seite. Hinter mir jaulte der Wolf und der andere Moorguhl kreischte.
Mein schuppiger Gegner hieb blindlings auf die Stelle ein, wo ich vor Sekunden noch gelegen hatte. Der Gestank ließ mich würgen und ich musste mit immenser Gewalt gegen den Drang ankämpfen, mich zu übergeben. Ich kam in einer Drehung zurück auf die Beine, schwang das Schwert und versuchte dem Moorguhl den Kopf abzuschlagen. Gelbes, gallertartiges Blut spritzte mir ins Gesicht. Mein Schwert steckte in dem fast zur Gänze abgetrennten Hals des Moorguhls. Ich würgte während meine vom Blut glitschigen Hände versuchten, das Schwert aus dem Monster zu ziehen. Es gelang mir nicht. Ich rutschte ständig ab.
„Nein, oh nein!“ Langsam wurde ich hysterisch.
Der Wolf hatte inzwischen den anderen Moorguhl an der Gurgel gepackt und riss ihn mit einem gewaltigen Ruck entzwei. Gelbes Blut ergoss sich über mich und ich konnte nichts mehr sehen. Schon kamen die nächsten beiden Moorguhls auf mich zu und das vermaledeite Schwert löste sich noch immer nicht.
Der Wolf stellte sich beschützend vor mich. Er blutete aus etlichen Wunden und sein Fell war getränkt mit gelbem Moorguhlblut. Er hatte die Lefzen hochgezogen und entblößte gefährliche Zähne. Mit dem Mut der Verzweiflung zog ich ein letztes Mal mit all meiner verbliebenen Kraft und bekam das Schwert frei.
Der Feind hatte mich erreicht. Dem Wolf gelang es einen der Moorguhls von mir wegzutreiben, während ich den anderen in einer Drehung mit dem Fuß mitten auf die Brust traf.
Leider fiel der Moorguhl nicht wie erwartet um. Stattdessen begann er zu Grunzen wie ein Schwein, was wohl seine Art zu lachen war. Es ging mir durch Mark und Bein, so widerwärtig war es.
Mit klackernden und geckernden Geräuschen, als rede er mit mir, kam er näher, während seine Zunge über sein Maul leckte.
„Oh nein. Böses Vieh! Ich schmecke nicht! Noch nicht einmal tot. Versuch es erst gar nicht!“, stieß ich hervor und fuchtelte mit dem Schwert herum.
Wieder wich ich aus, parierte, wich aus, was mit meinem langen Kleid denkbar schlecht ging. Von einer Sekunde zur anderen hatte er plötzlich zwei Schwerter und ich war erledigt, so was von erledigt! Ein siegessicheres, ekelhaftes Grinsen erschien im Antlitz des Moorguhls, fast als lache er von einem Ohr bis zum anderen nur, dass da keine Ohren waren. Den Wolf hatte ich aus den Augen verloren, ebenso den anderen Moorguhl. Plötzlich war Nikoma an meiner Seite, das Schwert in seiner Hand war längst über und über mit gelbem Blut besudelt.
Deine schwächere Seite ist links?, schnarrte seine Stimme in meinem Kopf.
„Jaaa!“
Ich links, du rechts!
Seite an Seite erledigten wir diesen schuppigen Albtraum. Es kamen dennoch immer mehr dieser Monster auf uns zu. Es schien, als wolle diese Schlacht kein Ende nehmen. Inzwischen standen wir Rücken an Rücken und ich hatte kein Gefühl mehr in Armen und Beinen.
Isandora, bring dich in Sicherheit. Mit diesem hier werde ich fertig!, wies Nikoma mich an.
„Aber ...!“
Geh, Frau!
Auch dieser Feind hatte keine Chance. Nikoma war schnell, sehr schnell und doch hätte ich den Moorguhl lieber am Leben gesehen, denn nur einer von ihnen konnte wissen, wo mein Sohn Sam war. Der nächste Moorguhl, der den Platz seines Vorgängers einnahm und Nikoma taxierten sich mit schiefen Blicken. Das Monster geiferte und klackerte, seine Klauen öffneten und schlossen sich unablässig. Unvermittelt legte sich eine Hand auf meine Schulter. Mir bleibe keinerlei Reaktionszeit. Unsanft wurde ich weggezogen, verlor Nikoma aus den Augen. Es war der blonde Elf, dem mein Dolchwurf das Leben gerettet hatte.
„Du solltest nicht in seiner Nähe sein, egal ob er siegt oder verliert!“
Seine Stimme klang melodiös wie ein Lied.
„Bitte, nein, versteh doch ...!“,setzte ich an.. „Er gehört zu uns! Verstehst du?“
Fragende, schillernde Augen sahen mich an.
„Sein Name ist Nikoma“, versuchte ich zu erklären.
Der Elf machte immer noch keine Anstalten umzudrehen. Stattdessen schob er mich auf eine Schar bewaffneter Elfenkrieger zu. Ich sträubte mich, rammte die Fersen fest in den Boden, um nicht so leicht weggezerrt zu werden.
„Also hör mal ...“, protestierte ich.
„Er ist ein Formwandler! Wir helfen keinen Formwandlern!“
„Er hat euch aber geholfen!“, warf ich ein.
„Mag sein. Dennoch kann er für sich selbst sorgen.“
Der Elf schob mich trotz meiner Proteste weiter. Es waren zehn Elfenkrieger, alle schwer bewaffnet. Sie hatten weißblonde, lange Haare, die meisten trugen sie zu einem oder mehreren kunstvoll geflochtenen Zöpfen gebändigt, manche offen. An ihren langen, fließenden Kleidern und Hosenröcken erkannte ich, dass auch Frauen unter ihnen waren.
Aus ihrer Mitte stach Ian heraus wie ein Fels in der Brandung. Fast hätte ich vor Erleichterung geweint. Er schien nicht ernsthaft verletzt zu sein. Die Menge teilte sich vor uns und der Elf und ich schritten in ihre Mitte. Ian sah mich und eilte mir entgegen. Sorge und Ärger standen ihm ins Gesicht geschrieben, das frische Kratzer zierte. Außerdem hatte er eine ordentliche Fleischwunde an der Schulter. Seine Augenbrauen hoben sich fragend und auch mein besorgter Blick war ihm nicht entgangen. Ohne Worte nahm er mich einfach nur in seine starken Arme, hob mich vom Boden und drückte mich tröstend an seine Brust. Ebenso abrupt stellte er mich wieder ab, schob mich etwas von sich und musterte mich von oben bis unten. Ein lauter Seufzer entfuhr ihm.
„Gott bin ich froh, dass du unverletzt bist! Tust du je, was man dir sagt? Am liebsten würde ich dich übers Knie legen. Verdammt, Weib!“, knurrte er wütend.
„Aber ...“
Einmal mehr ließ er mich nicht ausreden. „Verflucht, du könntest tot sein, ist dir das klar?“
Die Hände in die Hüften gestemmt, funkelte ich ihn an. „Was du nicht sagst! Und was ist mit dir? Du könntest ebenfalls …“
„Das ist etwas völlig anderes. Ich bin ein Mann und kann kämpfen“, widersprach er mir.
„Ach, und ich nicht?“, schnappte ich.
„Du hattest verdammtes Glück!“, schoss Ian zurück.
Jetzt geriet ich richtig in Rage. „So, Glück nennt man das! Pah!“, schrie ich ihn an und schlug ihm fest gegen die Brust.
Fasziniert hörten sich die Elfen unseren Streit an. Verwunderung und Belustigung lagen in ihren Blicken.
„Du hättest ebenso tot sein können, Ian! Und was wird aus Nikoma? Er rettete mir das Leben und zur Belohnung lassen wir ihn im Stich?“
Ein Beben des Zorns durchlief meinen Körper. Um uns herum lagen tote Elfen und Moorguhls- und Ian und ich stritten. Lieber Gott, in was für einer Welt waren wir nur gelandet?