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Das Steinerne Tor

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Der Nebel begann aufzuziehen, als ich ein ganzes Stück weit von der Sonnwendfeier weg war. Mich fröstelte und Ians fragender Blick ging einfach nicht aus meinem Kopf.

„Toll, ganz toll, Isa! Da zeigt einmal ein interessanter, gut aussehender Mann sein Interesse an dir, du fühlst dich geschmeichelt und er gefällt dir sogar und was machst du, dumme Pute? Abhauen. Gute Idee! Der beste Weg, es zu erledigen, bevor es angefangen hat“, murmelte ich vor mich hin.

Nur, was hätte ich schon groß sagen können? ‚He, Ian! Hab ’ne komische Nachricht erhalten von den Vielleicht-Entführern meines Sohnes. Treffe mich am Duncansby Head. Kommst du mit und beschützt mich?‘

Ein beklemmendes Gefühl beschlich mich. Waren da nicht Schritte hinter mir? Meine eigenen hörten sich auf dem Kiesweg an wie Knallerbsen. Zum x-ten Mal drehte ich mich um, sah aber dank der Nebelschwaden nicht ein bisschen. Mit Sicherheit würde ich in Ohnmacht fallen, falls jemand aus dem Nebel heraustreten würde. Jetzt rächte sich jeder gelesene Krimi und jede CSI Folge im Fernsehen. Plötzlich fiel mir jedes blutrünstige Detail daraus wieder ein!

War ich noch richtig? Bei Tag und ohne Nebel war die Treppe zum Meer nicht zu übersehen. Aber jetzt sah die Sache leider anders aus. Wie ich im Dunkeln die Treppe aufwärts bewältigen sollte, wusste ich auch noch nicht. Egal, das Tor war mein Ziel! Was dann passieren würde – ich hatte keinen blassen Schimmer. Wenn ich ehrlich war,

war es mir nicht wichtig. Ich hätte MacLeod küssen sollen, hätte wilden Sex mit ihm haben sollen! Denn vielleicht würde ich sterben.

Natürlich wusste ich nicht einmal, wie lange ich schon unterwegs war, da ich dank Mrs. Pomfrie meine Armbanduhr im Zimmer gelassen hatte. Sie war der Ansicht, sie verdürbe das Kleid. Wo doch schon die Schuhe nicht dazu passten. „Verflixtes altes Weib!“, knurrte ich.

Endlich erreichte ich die erste Treppenstufe und blieb stehen. War da nicht etwas? Angestrengt lauschte ich. Außer meinem stoßweise kommenden Atem hörte ich nichts. Vorsichtig machte ich mich an den Abstieg, was durch das lange Kleid ein ganz schön verzwicktes und schwieriges Unterfangen war. Die vom Nebel nassen, glitschigen und uneben ausgetretenen Stufen sorgten mehr als einmal dafür, dass ich ins Rutschen kam und mich immer gerade noch so abfangen konnte. Genervt fluchte ich vor mich hin. Man sah gerade einmal zwei Meter weit. Tja, Skye und der Nebel. Geheimnisvoll und unpraktisch.

Endlich leuchtete mir in ein paar Stufen Entfernung, ein Streifen Sand entgegen. Erleichtert atmete ich auf.

Heilige Maria, ich war froh angekommen zu sein, ohne mir den Hals zu brechen. Ob sich Ian MacLeod wohl Sorgen um mich machen würde? Dieser Schotte ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Himmel! Die anrüchigen, schottischen Balladen und seine ganze Art hatten mich zum Lachen gebracht. Und ich musste mir eingestehen, dass ich mich schon lange nicht mehr so amüsiert hatte, wie auf Dunvegan Castle.

Vor mir lichtete sich der Nebel und das Steinerne Tor ragte imposant hervor. Es war in den steilen Fels der Klippen eingebettet, als hätte man es von Hand dort herausgeschlagen. Es wirkte überaus mystisch und geheimnisvoll. Außer mir schien keine Menschenseele hier zu sein. Was nun? Zögerlich beschloss ich, es mir näher anzusehen.

Verfluchtes Frauenzimmer! Was hatte er getan, dass sie, gerade als es zwischen ihnen gefunkt hatte, einfach gegangen war? Selbst Sarah hatte nur ratlos mit den Schultern gezuckt.

Und er hatte sich eingebildet, sie würde auf sein Flirten reagieren. Was um alles in der Welt hatte er an sich, dass jede Frau, die Gefühle in ihm weckte, vor ihm davonlief? Isandoras gestammelte Worte, ihre weitausholenden Schritte … Es war, als hätte er ein Déjà vu. Anne in ihrem Brautkleid, dessen Details er selbst heute noch vor sich sah….

„Wo willst du hin, Weib?“ Er war ihr hinterher geeilt, um mit Schrecken festzustellen, dass sie die Treppe zum Strand genommen hatte. Er war gerannt wie der Henker, in der Annahme, sie wolle sich die steile Treppe hinabstürzen.

Glücklicherweise hatte sie davon abgesehen! Aber was – verflucht noch mal – wollte sie bei Nacht und Nebel am Duncansby Head? Sich ersäufen?

Sie hatte zauberhaft ausgesehen in dem grünen Kleid. Er hatte es durch Zufall in Edinburgh entdeckt und ihm war die Idee mit der Einladung gekommen. Und es hatte ja funktioniert. Mit stolzgeschwellter Brust hatte er sie durchs Fest begleitet und ihr Dunvegan Castle in einer Privatführung gezeigt. Verflucht, sie hatte gelacht, sich amüsiert und er, er hatte sich ernsthaft verliebt!

In eine Selbstmord-Kandidatin, ganz toll, Mac! Du hast ja sonst keine Probleme!

Für einen Moment war sie nicht mehr so unnahbar und traurig gewesen. Fast hatte er gedacht, sie wollte ihn küssen.

„Mac, du bist ein Idiot! So viele Frauen und du willst ausgerechnet die, die dich nicht will!“, zischte er und lief noch schneller, um sie nicht zu verlieren. Soeben ging sie durch das Tor. Seine Nackenhaare stellten sich auf, sämtliche Warnsignale seines Körpers sprangen an und er bekam eine Gänsehaut.

„Daingead!“, entfuhr es ihm.

Irgendetwas sagte ihm, er musste Isa erreichen, bevor sie noch einmal durch den Torbogen ging! Seine Lungen brannten, so schnell rannte er. Sie war soeben auf dem Rückweg durch das Tor, doch sie schien ihn nicht zu sehen. Er reagierte nur noch, sprintete, als ginge es um Leben und Tod. Als er Isa erreichte, verschwamm sie vor seinen Augen, als wäre sie nur ein Trugbild gewesen. Gleichzeitig schrie in seinem Kopf eine fremde Stimme: Runter! Gefahr!

Mehrere Dinge passierten auf einmal. Ian, durch das Gefühl der Gefahr und die Stimme im Kopf mehr als beunruhigt, warf sich auf Isandora, die er gerade noch so an einem Zipfel ihres Kleides ausfindig machen konnte. Kälte und ein Rauschen empfingen ihn und dann war da nur noch Stille sowie das Gefühl von etwas Lauerndem.

Weder vor, noch hinter dem Torbogen war etwas zu sehen. Ich drehte und wendete mich. Nichts. Gar nichts! Ich fühlte eine unendliche Leere in mir und die Trauer um Sam übermannte mich mit ganzer Gewalt. Weder von meinem Sohn, noch von den Entführern, gab es eine Spur.

Auf dem Rückweg wurde mir plötzlich eiskalt und ein Rauschen wie von einer riesigen Welle erfasste mich. Wie aus dem Nichts wurde ich zu Boden geschleudert und ein Wahnsinnsgewicht drückte mich zu Boden. Eine Hand hielt mir den Mund zu und ich hatte Sand in den Augen. Lieber Gott, mir war speiübel!

Vergewaltigung. Überfall. Mord.

Mein Puls raste, während mich meine Angst sekundenlang völlig lähmte. Ganz zu schweigen von der Hand, die mir fast den Atem nahm. Ohne groß zu überlegen, biss ich zu. Wenn auch nicht kräftig genug, um viel Schaden anzurichten, da ich just im selben Moment ein Flüstern an meinem Ohr vernahm.

Ein durch die Zähne gepresster Schmerzlaut, gefolgt von einem entrüsteten „Aua, Daingead. Verfluchtes Weibsbild! Ich bin’s. Musste das sein? Du hast mich gebissen! Sch… noch mal, tut das weh!“

MacLeod, ich konnte es nicht fassen. Was bildete sich dieser Kerl ein? Ich begann mich zu wehren und stieß gedämpfte Protestlaute aus.„Mmmmpf!!!“

„Würdest du bitte aufhören, dich zu winden, wie ein Aal! Hörst du? Ich glaube, wir sind in Gefahr! Bitte, schrei nicht! Dann nehme ich meine Hand weg. Bitte nicke kurz, ja?“

Meine Angst hatte sich in Wut gewandelt. Glaubte dieser vermaledeite Schotte tatsächlich, ich würde auf so eine plumpe Anmache reinfallen? Ha! Wer meinte der Kerl eigentlich zu sein? Verfolgte mich, stürzte sich auf mich, erdrückte mich fast und im Mund hatte ich den Geschmack seines Blutes. Zum Teufel. Definitiv war ich keine Frau, die auf so was stand!

„Ian MacLeod, was glauben Sie eigentlich, was Sie da machen? Was soll das? Gehen Sie sofort von mir runter! Ich stehe nicht auf so etwas, verflixt noch mal!“, zischte ich, als er endlich die Hand von meinem Mund nahm.

„Nun, ich versuche, uns zu retten und das `du´ war mir ehrlich gesagt sympathischer!“

„Retten? Das ist wohl ein Witz! Darüber kann ich nicht lachen. Hier ist niemand, und Sie oder Du ist mir gerade scheißegal! Ich koche vor Wut und wenn du jetzt nicht auf der Stelle von mir runtergehst, kratze ich dir die Augen aus! Runter. Sofort!“

„Òinsich. Du hast mich gebissen!“

„Selbst schuld!“

„Ich würde ja gerne runtergehen, aber hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, mo rùn, ist es sehr bequem.“

Hatte ich mich verhört oder hatte er eben tatsächlich auf gälisch ‚Liebste‘ zu mir gesagt?

„Du Mistkerl! Was zum Teufel soll hier nicht stimmen? Und wieso flüstern wir?“ Ich trat um mich und begann mich wieder zu winden.

„Schsch, bitte bleib ruhig, Sommersprosse. Sag mir, wo der Nebel plötzlich hin ist? Und was ist mit der guten, soliden schottischen Treppe, mit dem rostigen Geländer? Du erinnerst dich? Sieh hin. Was siehst du?“ Er nickte mit dem Kinn in Richtung Felswand und Treppe.

Vorsichtig folgte ich seinem Blick und ... „Ach du großer …! Ian, wo ist das Geländer hin?“ Es war beim Abstieg noch da, denn ich konnte immer noch die Stelle spüren, an der ich mir einen kleinen Metallsplitter geholt hatte.

„Du siehst, beziehungsweise siehst sie auch nicht, die Treppe!“

Entsetzt sog ich den Atem ein. Dort, wo die Treppe nebst Geländer gewesen war, gab es zwar noch einen Aufgang, das konnten wir erkennen, aber eben nicht die Treppe mit Geländer, die dort hingehörte!

„Gut!“, stellte Ians rauchige Stimme an meinem Ohr fest.

„Was soll daran gut sein?“, konterte ich.

„Ich dachte schon, ich vertrage nichts mehr. Hm, du weißt schon.“

Und ob ich es wusste: Whisky! Das Wasser des Lebens. Oh, ja! Ich konnte mich dumpf daran erinnern ...

Ian zog plötzlich geräuschvoll die Luft durch die Nase und ich roch es auch: Ein ekelhafter Gestank wehte zu uns her. Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich spürte, wie Ians Körper sich spannte wie ein Bogen.

„Ifrinn an Diabhuil! A Dhia, thoir cobhair!“, flüsterte Ian. Teufelshölle, Gott steh uns bei! Ja, das konnte sogar ich mit meinem wenigen Gälisch verstehen und es sorgte für Gänsehaut vor Angst.

Da war wieder diese seltsame Stimme in seinem Kopf. Ian biss die Zähne knirschend zusammen, so sehr irritierte ihn die ungewohnte Vibration.

Es sind zwei. Einer von links, einer von rechts. Neben dir im Sand sind ein Schwert und ein Dolch. Töte sie, oder sie töten euch!

Suchend sah er sich um. Doch er erblickte nur einen Turmfalken auf einem Felsvorsprung. Der Gestank wurde fast unerträglich. Er tastete neben sich die Sanddüne ab. Da sie in einer Kuhle lagen, waren sie von der Felsseite nicht auszumachen. Seine Hand ertastete Stahl. Er erahnte die Schärfe der Klinge mehr, als dass er sie fühlte und seine Hand grub sachte unter dem Sand weiter in Richtung Griff. Vorsichtig zog er das Schwert heraus.

„Was in drei Teufelsnamen tust du da, Ian?“

Er legte mir einen Dolch vor die Nase.

„Häh?“, fragte ich leise.

„Wenn ich jetzt sage, Isandora ...“

„Isa reicht, ich hasse meinen ...“

„Verdammt Weib, hör zu!“, unterbrach er mich barsch. „Frag nicht. Tu es einfach! Du läufst los, wenn ich jetzt sage. Du drehst dich nicht um! Verstanden?“ Sanft fügte er hinzu: „Bitte!“

Letztendlich war es dieses sanfte, verzweifelte „Bitte“, was mich dazu bewog, zu gehorchen. Seltsame Laute drangen zu uns, ein Schnalzen und ein antwortendes Knurren. Der Gestank ließ uns würgen. Ein Bild von verwesendem Fleisch und Aas ließ sich in meinem Kopf nieder. Igitt! Auf einmal ging alles sehr schnell.

Ian schrie: „Jetzt! Lauf mo rùn, lauf!“, sprang auf und schwang das Claymore Schwert über seinem Kopf.

Ich umklammerte den Dolch und rannte, so schnell es der Sand zuließ zum Aufgang. Hinter mir hörte ich Ian. „Hold fast! Hold fast!“ Der Schlachtruf der MacLeod. Er ächzte vor Anstrengung. So ein Schwertkampf ist ein immenser Kraftaufwand, so viel wusste ich.

Ein Quietschen und Knurren lag in der Luft.

Es war furchterregend. Als ich beim Aufgang ankam, drehte ich mich um und sah die Hölle auf Erden! Ein kaltes Entsetzen griff nach meinem Herzen und ließ mich fast zur Salzsäule erstarren. Ich kniff fest die Augen zu, in der Annahme einer optischen Täuschung.

„O Gott, was zur Hölle ...?“Mir versagte die Stimme.

Ian stand breitbeinig zwischen zwei echsenähnlichen Gestalten und schwang sein Schwert auf eine derart gekonnte Art und Weise, dass ich ihn einen Moment lang nur verblüfft anstarren konnte. Gehörte der Kampf mit antiken Claymore Schwertern zum Unterhaltungsprogramm von Dunvegean Castle? Himmel, woher konnte er das?

Die Echsen waren nur halb so groß wie er, ihre Haut dunkelgrün und schuppig, wie die Haut eines Krokodils. Mit drei Fingern, die in langen, schwarzen Klauen endeten, hielten sie kurze, krumme Schwerter und schlugen auf Ian ein. Sein Haar hatte sich gelöst und er blutete aus mehreren kleinen Wunden. Mit einem Ausfallschritt traf er den einen Echsenmann mitten ins Herz. Ein widerlich schrilles Kreischen erscholl und gelbes Blut spritzte davon. Ian wirbelte herum und enthauptete den zweiten Echsenmann mit einer fließenden Bewegung. Vor Entsetzen hielt ich mir den Mund zu, um nicht zu schreien. Ian ließ erschöpft das Schwert sinken und schaute sich nach mir um.

Das war ein Fehler! Im selben Moment sah ich starr vor Schreck, wie sich zu Ians Füßen etwas regte. Mit entsetzt geweiteten Augen brüllte ich: „Aufgepasst! Hinter dir!“

Der Dolch in meiner Hand war schweißnass und meine Fingerknöchel hoben sich bleich davon ab, so krampfhaft umklammerte ich ihn.

Ian schrie vor Schmerzen und ich stöhnte vor Angst. In meinem Kopf vibrierte es. Jetzt!, befahl eine körperlose Stimme, und ich warf den Dolch. Er traf den Echsenmann direkt zwischen die Augen. Blind vor Tränen stolperte ich zurück.„Lieber Gott, bitte nicht! Tu mir das nicht an!“ Und lauter: „Ian! Ian, ich komme! Ian!“

Schluchzend ließ ich mich neben ihm in den Sand fallen. Er war bleich und überall mit Kratzern und kleinen Wunden übersät. Völlig außer mir, suchte ich hektisch nach seinem Puls.

„Bitte, bitte sag was! Bitte Ian, du darfst nicht tot sein!“ Ich ging sämtliche Gebete durch, die ich noch wusste und flehte alle Engel an, die mir einfielen. „Bitte sag doch etwas!“

Sein Puls schlug schnell, aber regelmäßig, nur rührte er sich nicht. Behutsam strich ich ihm die Haare aus dem Gesicht und wollte soeben meine Wange an seinen Mund legen, um seinen Atem zu spüren.„Ian?“

Er öffnete ein Auge. „Nur, wenn du da weitermachst, wo du aufgehört hast, ja? Du wolltest mich doch gerade wiederbeleben. Du weißt schon. So mit Kuss!“ Langsam setzte er sich auf und ich umarmte ihn vor Erleichterung.

„Nicht so fest, ich krieg ja keine Luft mehr, mo rùn!“

Abrupt drehte ich mich um, ging zwei Schritte und fing an, mich zu übergeben.

„Na, nicht, dass uns das jetzt zur Gewohnheit wird!“ Ian war aufgestanden und hielt mich fest, da ich immer mehr ins Schwanken geriet. „Schsch, alles ist gut. Lass es raus,Isa, dann geht’s gleich besser. Schsch.“ Beruhigend strich er mir übers Haar und ich ließ es zu.

„Wo hast du den Trick mit dem Dolch gelernt?“, fragte er, als ich mich beruhigt hatte.

„Oliver Buchanan, mit vierzehn und ich bin im Schützenverein. Messer werfen und Langbogen. Bin, glaube ich, eine passable Schützin“, presste ich mit Anstrengung heraus.

„Passabel? Das ist leicht untertrieben! Du hast den Kerl genau zwischen den Augen getroffen. Das nenne ich mehr als passabel“, schnaubte er.

„Das musst du gerade sagen! Wo hast du gelernt so mit dem Schwert umzugehen? Hmm, was ich nicht verstehe: Du hattest ihn doch mitten ins Herz ...?“

„Allerdings. Nur scheinen diese Biester keins zu haben! Oder kannst du es dir sonst erklären?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Hat mich ganz schön erwischt, mit seiner Zunge – hm, oder eher Peitsche? Brennt wie Feuer. Muss irgendein Gift oder Säure enthalten.“

Ich sah von der heraushängenden, langen, gespaltenen Zunge zu Ians Handgelenk, das er mir zur Bestätigung direkt unter die Nase hielt.

„Ach du große Scheiße!“ Vorsichtig drehte ich sein Handgelenk, um es besser betrachten zu können. Es war voller Brandblasen, die sich wie ein Armreif um das Gelenk herum ausgebreitet hatten – genau in der Breite der Zunge. „Das sieht nicht gut aus, Ian.“ Mitleidig sah ich ihn an.

„Also für eine Frau fluchst du sehr gut und viel“, frotzelte er amüsiert und ich wich seinem Blick aus.

„Tut es sehr weh?“ Was für eine selten blöde Frage!

„Na ja, es ist nicht angenehm. So viel steht fest. Besser als Sterben ist es allerdings allemal!“

Wir fuhren beide gleichzeitig zusammen. Die Stimme war wieder da. Narren, flieht! Ihr habt nur eine Stunde Vorsprung. Sie kommen!

„Zeig dich, verdammt! Wer bist du? Wo bist du? Antworte! A‘ bhàs mhallaichte!“, schrie Ian und suchte mit den Augen die Gegend ab.

Wir bekamen keine Antwort und sahen nichts außer dem Turmfalken, der über uns schreiend seine Kreise zog. Ian holte meinen Dolch zurück und ich nahm ihn mit spitzen Fingern an mich. Er stieß die Echsenmänner mit dem Fuß an und durchsuchte sie äußerst vorsichtig. Sie trugen eine Art kurzen Harnisch mit so was wie einem Lendenschurz. Ihr Blut war giftgelb und ihr Geruch war atemberaubend ekelig. Da, wo Ohren sein sollten, waren Löcher. Ebenso war es bei der Nase. Es gab keine. Nur Löcher, die entfernt an die Nüstern eines Pferdes erinnerten. Die lange, blaue, gespaltene und wie wir nun wussten, säurehaltige Zunge, hing aus einem mit scharfen Zähnen ausgestattetem Maul. Die starren Augen hatten kein Lid, aber die schrill gelbe Pupille eines Raubtieres.

„Ian, ich will hier weg. Bitte.“

Er holte sein Claymore Schwert und wollte mich eben an die Hand nehmen, als ich es sah.

„Heilige Maria! Oh, nein!“ Ich stolperte einen Schritt auf den von mir getroffenen Echsenmann zu und blieb fassungslos stehen.

„Isa, was ist? Was tust du da? Nicht. Fass es nicht an! Du könntest dich verletzen!“

Ians Stimme klang besorgt, doch ich ignorierte ihn, war schon dabei, mit spitzen zitternden Fingern, angewidert unter dem Harnisch des Moorguhls ein buntes Tuch herauszuziehen.

„Verdammt, sguir!“ Ian fasste mich fest an der Schulter und riss mich weg.

„Du verstehst das nicht. Lass mich!“ Ich riss mich los und zog mit einem Ruck das mir so vertraute bunte Tuch hervor.

„Nein, oh nein, Sam!“, schluchzte ich. Die Verzweiflung war ein tiefes, schwarzes Loch und ich fiel und fiel. Die Schwärze nahm mir den Atem und ich sank bewusstlos in Ians Arme.

Das Steinerne Tor

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