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Das Schicksal

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Für alles Werdende und alles Seiende gilt daß es wird und ist: entweder (a) nach Ursachen oder (b) beides ohne Ursachen, oder (c) auf beiden Gebieten teils mit teils ohne Ursache, oder (d) das Werdende geschieht alles mit Ursache, das Seiende aber ist teils mit teils ohne Ursache oder ganz und gar ohne Ursache; oder umgekehrt (e) das Seiende ist alles mit Ursache, das Werdende aber teils mit teils ohne, oder ganz und gar ohne Ursache.

Bei den ewigen Dingen nun kann man das Erste nicht auf andere Ursachen zurückführen da es eben Erstes ist; diejenigen ewigen Dinge aber die vom Ersten abhängen, mögen ihr Sein von jenem her haben, und um ihre Wirksamkeit zu bestimmen, muß man sie auf ihr Sein zurückführen; denn das ist ihr Sein, diese bestimmte Wirksamkeit an den Tag zu legen.

Was aber die werdenden Dinge angeht, das heißt diejenigen die immer da sind, aber nicht immer die gleiche Wirksamkeit hervorbringen, so muß man der Auffassung sein, daß sie alle auf Grund von Ursachen werden und etwas Ursachloses ist bei ihnen nicht zuzulassen; man darf weder einer erdichteten Atomabweichung Raum geben, noch einer plötzlichen Bewegung von Körpern die ohne vorhergehende Verursachung eintritt; aber auch keinen blinden Drang der Seele darf man anerkennen, ohne daß ein Bewegendes sie anstieße etwas zu tun was sie vorher nicht zu tun pflegte (gerade dies würde einen viel stärkeren Zwang für die Seele bedeuten, indem sie dann nicht sich selbst gehörte, sondern von derartigen Regungen hin und her gezerrt würde, die ja ungewollt, grundlos erfolgten); denn es bewegte sie entweder der Gegenstand ihres Wollens – und zwar ist der entweder außer ihr oder in ihr – oder ihres Begehrens; sonst, wenn kein Gegenstand eines Trachtens sie bewegte, würde sie überhaupt nicht in Bewegung geraten.

Von den Ursachen nun, nach denen alles geschieht, ist es leicht die dem Einzelgeschehen zunächst liegenden festzustellen und das Geschehen auf sie zurückzuführen. So ist die nächste Ursache dafür daß man auf den Markt geht: man möchte jemanden treffen oder eine Schuld einziehen; und so allgemein, die Ursache dafür daß man sich für dies oder das entscheidet und zu dem und dem sich aufmacht, ist daß dem Einzelnen gut scheint das und das zu tun. Für anderes wieder läßt sich die Ursache auf die Künste zurückführen, z. B. ist für die Genesung die Heilkunst und der Arzt Ursache. Und für das Reichwerden ein gefundener Schatz oder eine Schenkung von irgendwem, oder der Reichtum kommt aus Arbeit oder durch Kunst der Geldverwaltung. Und für das Kind ist die Ursache der Vater und die etwa von außen an der Zeugung mitwirkenden Ursachen, die sich eine aus der andern herleiten, zum Beispiel bestimmte Speisen; oder, als nur wenig entferntere Gründe, eine für die Zeugung günstige Neigung zum Säftefluß oder eine Frau die zu Geburten tauglich ist; und, allgemein genommen, die Natur.

[2]Wer bei diesen Ursachen angelangt innehält und sich weigert höher hinauf zu gehen, der ist vielleicht doch oberflächlich und will nur nicht auf diejenigen hören, welche zu den ersten und jenseitigen Ursachen aufsteigen. Denn wie kommt es, daß bei ein und demselben Geschehen, z. B. wenn der Mond scheint, der eine raubt, der andre nicht; daß bei gleichen Einflüssen aus der Atmosphäre der eine krank wird der andre nicht; daß auf Grund derselben Handlungen der eine reich wird, der andre arm bleibt? Auch die Verschiedenheit von Charakteren Gesinnungen Schicksalen erfordert ein Zurückgehen auf die entfernten Ursachen.

So bleibt denn auch kein Philosoph bei den nächsten Gründen stehen: die Einen setzen körperliche Grundursachen an, z. B. die Atome; aus ihrer Bewegung, ihren Stößen und ihren wechselseitigen Verflechtungen lassen sie das Einzelne hervorgehen; so soll es sich verhalten und so geschehen, wie die Atome zusammengetreten sind, aufeinander einwirken und voneinander Wirkung erleiden; ja auch beim Menschen sollen die Triebe und Stimmungen sich so verhalten wie sie die Atome hervorbringen; das ist der Zwang wie er von den Atomen ausgeht, den sie in die Wirklichkeit einführen. Aber auch wer andere Körper als Urprinzipien zuläßt und von ihnen aus alles geschehen läßt, macht das Seiende zum Knecht des Zwanges, der von diesen Körpern ausgeht. Andre Denker gehen zurück auf die Grundursache des Alls und leiten von ihr alles ab; sie soll eine alles durchdringende Ursache sein, die alles einzelne nicht nur bewege sondern auch hervorbringe; diese setzen sie als das Schicksal und die eigentlich wirksame Ursache welche selber mit allen Dingen identisch sei; alles, nicht nur was sonst geschieht sondern auch unsere Gedanken sollen aus den Bewegungen jener Ursache entstehen, so wie bei einem Tier die einzelnen Teile nicht von sich aus bewegt werden sondern von dem Leitenden im Tier aus. Andre nehmen an, daß der Kreislauf des Weltalls der alles umfaßt, alles bewirke durch seine Bewegung und durch die Positionen und gegenseitigen Konstellationen der Gestirne, der Planeten wie der Fixsterne, und behaupten daß jedes einzelne Geschehen sich von dort herleite, wobei sie sich berufen auf die Vorhersage aus den Gestirnen. Ferner aber, wer annimmt daß die Ursachen miteinander verknüpft und nach oben verkettet sind, daß das Spätere immer dem Früheren folgt und auf es zurückgeht, da es durch das Frühere entsteht und ohne es nicht entstanden wäre, daß also das Spätere in der Knechtschaft des Früheren steht, der führt, wie sich zeigt, wieder eine andre Art von Schicksal ein. Und die Vertreter dieser Lehre wird man wohl, ohne das Wahre zu verfehlen, in zwei Gruppen teilen können: die einen lassen alles von einem Ersten abhängen, die andern nicht so. Davon wird noch zu handeln sein; jetzt soll unsere Untersuchung sich den Erstgenannten zuwenden, und dann der Reihe nach die Lehre der andern prüfen.

[3]Auf Körpern alles beruhen zu lassen, seien sie nun Atome oder sogenannte Elemente, und aus ihrer chaotischen Bewegung die Ordnung und die Vernunft und die lenkende Seele hervorgehen zu lassen, ist in beiden Fällen ein Unding und unmöglich, die unmöglichere aber von beiden Annahmen (wenn man so sagen darf) ist die Atomherleitung. Dagegen sind schon viele richtige Beweise ins Feld geführt. Aber auch wenn man derartige Grundursachen einmal setzen will, so folgt auch daraus noch nicht zwingend eine sich auf alle Dinge erstreckende Notwendigkeit und auch kein Schicksal in einem andern Sinne. Seien einmal die Atome das Urprinzip. Sie müssen dann doch sich bewegen teils nach unten (es sei angenommen daß es ein Unten gebe) teils quer wie es trifft, alle in verschiedenen Richtungen. Nichts also kann geordnet geschehen, da es ja keine Ordnung gibt; was aber dann entsteht, folgt, wenn es entstanden ist, durchaus einer Ordnung! Prophezeiung und überhaupt irgendeine Mantik würde es dann nicht geben, weder eine auf geregelter Kunst beruhende – denn welche geregelte Kunst gibt es für das Ungeordnete? – noch eine aus göttlicher Eingebung und Inspiration; denn auch hierbei muß das Künftige ein Bestimmtes sein. Die Körper würden dann, von den Atomen gestoßen, erleiden je was jene bringen, nach Notwendigkeit; aber die Handlungen und Leiden der Seele, auf welche Atombewegungen sollte man die wohl zurückführen? Auf was für einen Stoß (mag die Bewegung dabei abwärts gehen oder sonst irgendwo anstoßen) wollte man es zurückführen, wenn die Seele sich in qualitativ bestimmten Überlegungen, in qualitativ bestimmten Antrieben, oder wenn sie sich überhaupt in Überlegungen, Antrieben oder Bewegungen, seien sie erzwungen oder nicht, befindet? Und wenn sich dann die Seele den Affektionen des Leibes widersetzt? Und was sollen das für Atombewegungen sein, die den einen zwangsläufig zum Geometriker, den andern zum Erforscher der Arithmetik und Astronomie, einen dritten zum Weisen werden lassen? Muß doch überhaupt unsere eigentlich menschliche Wirksamkeit, ja geradezu unser Charakter als Lebewesen verloren gehen, wenn wir dahin gedrängt werden wohin jene Körper uns treiben, von welchen wir wie unbeseelte Körper gestoßen werden. Dieselben Einwände sind zu erheben gegen diejenigen welche andere Körper als Ursache aller Dinge ansetzen; und weiter: warm oder kalt machen können diese Körper uns und sogar, was an uns schwächer ist als sie, vernichten, von den seelischen Tätigkeiten aber kann keine durch sie zustande kommen, sie müssen von einer andern Grundursache ausgehen.

Vollbringt denn aber wirklich eine alldurchdringende Seele alles, indem jedes Einzelne als Teil sich so bewegt wie das Ganze es führt? Und muß man, wenn die Folgegründe von diesem ersten sich herleiten, ihre reihenweise Verbindung und Verkettung Schicksal nennen, so wie man bei einer Pflanze, für die die Wurzel ihre Grundursache ist, die von da aus sich über alle ihre Teile erstreckende Durchwaltung, der Teile gegenseitige Verflechtung und wechselseitiges Bewirken und Erleiden einen einheitlichen Verwaltungsplan und gewissermaßen das Schicksal der Pflanze nennen würde. Aber erstens, das Übersteigerte dieser Notwendigkeit, eines derartigen Schicksals, eben das hebt das Schicksal und die Ursachenkette und Verflechtung wieder auf. Denn wie es sinnlos wäre, wenn unsere Körperteile sich in ihrer Bewegung nach dem ‘Leitenden’ in uns richten, diese Bewegung Schicksal zu nennen – denn es ist ja das was die Bewegung hervorruft kein andres als das was sie entgegennimmt und von jenem den Antrieb dazu erhält, sondern das, was dem Gliede die Bewegung gibt, ist selbst das oberste Prinzip –, ebenso ist es beim All: wenn das All in Wirken und Leiden ein und dasselbe ist, und also nicht eines durch ein andres geschieht auf Grund von Ursachen die sich immer weiter auf ein anderes zurückführen, dann ist es also nicht wahr daß alles nach Ursachen geschieht, sondern Alles ist vielmehr Eins. Dann sind wir also nicht mehr wir und haben keine eigne Wirksamkeit mehr; wir überlegen nicht mehr selbst, sondern unsere Erwägungen sind Überlegungen eines andern; wir handeln auch nicht mehr, so wie nicht unsere Füße aufstampfen sondern wir mit den entsprechenden Teilen unseres Organismus. In Wahrheit aber muß doch jeder Einzelne ein Einzelner sein, es muß Handlungen und Überlegungen geben die unsere eigenen sind, die guten wie die bösen Taten des Einzelnen müssen aus ihm als Einzelnem kommen und man darf nicht dem All ihre Hervorbringung zuschieben – wenigstens nicht die der bösen.

[5]Aber vielleicht vollzieht sich das Einzelgeschehen nicht auf diese Weise, sondern der Himmelslauf regiert alles, die Bewegung der Gestirne, und ordnet ein jedes jenachdem wie ihre Stellung zueinander ist nach Aspekt, Aufgang, Untergang, Konjunktion. Denn auf Grund von Schlüssen aus den Gestirnen prophezeit man ja die zukünftigen Ereignisse, im All sowohl wie auch beim einzelnen Menschen, was für ein Geschick, ja auch was für eine Gesinnung er haben wird. Man sehe doch, sagen sie, wie auch die anderen Wesen, Tiere und Pflanzen infolge des sympathetischen Einflusses der Gestirne so wachsen wie abnehmen wie sonst unter ihrer Einwirkung stehen; die Gegenden der Erde seien unterschieden gemäß ihrer Lage zum Weltall, insbesondere zur Sonne; von der Erdgegend aber seien abhängig nicht nur Pflanzen und Tiere sondern auch die Menschen in Gestalt Größe Farbe, in Leidenschaften und Begierden, Lebensführung und Charakter. Somit ist die Himmelsbewegung Herr über alles.

Dagegen ist erstlich zu sagen, daß auch dieser Denker, wenn auch in anderer Weise, jenen Prinzipien unser Eigenes ausliefert, Wille und Affekt, schlechte Regungen und Triebe, und indem er uns selbst nichts zuteilt, beläßt er uns nur eine Existenz als fallende Steine und nicht als Menschen die von sich aus und aus ihrem Wesen eine eigene Wirksamkeit haben. Man muß uns aber das uns Eigene geben, und dann müssen auf bestimmte Dinge die nunmehr unser und uns eigen sind, bestimmte Dinge aus dem All einwirken; man muß unterscheiden was wir wirken und was wir infolge einer Notwendigkeit erleiden, und nicht alles jenen Himmelskörpern ausliefern. Ferner, es geht gewiß eine Wirkung auf uns aus von der Himmelsgegend und von der jeweiligen Atmosphäre, z. B. Erwärmung oder Abkühlung in der Mischung (aus der wir sind) – aber doch auch von unsern Erzeugern! Sind wir doch meist den Eltern ähnlich im Aussehen und in manchen irrationalen Affekten der Seele. Und weiter, auch dann wenn die Menschen an Aussehen gleich sind nach Himmelsgegenden, beobachtet man doch im Charakter und in der Sinnesart stärkste Abweichung; somit gehen diese Dinge offenbar von einem andern Grunde aus. Das Widerstehen ferner der Seele gegen die Mischungsverhältnisse der Körper und gegen die Begierden könnte man auch hier passend anführen. Wenn sie aber daraus, daß man aus der Beobachtung der Gestirnstellungen das dem einzelnen Geschehende voraussagen kann, schließen wollen daß dies Geschehen von den Sternen auch bewirkt werde, dann müßten ebenso auch die Vögel das, worauf sie deuten, bewirken, desgleichen alle Zeichen, aus denen die Seher wahrsagen. Zur genaueren Prüfung dieser Frage kann man ferner von Folgendem ausgehen. Sie behaupten, das was man auf Grund der Konstellation der Gestirne bei der Geburt des Einzelnen voraussagt, das geschehe auch durch die Sterne, sie seien nicht nur die Anzeiger sondern auch die Bewirker. Aber wenn die Astrologen von einem sagen er sei edler Herkunft, d. h. also väterlicher- und mütterlicherseits von angesehenen Eltern, wie kann man dann behaupten daß die Gestirne das bewirken, was ja an den Eltern schon vorher vorhanden ist, ehe die Gestirnkonstellation eintrat auf Grund derer sie prophezeien? Ja sie geben auch die Schicksale der Eltern nach der Nativität der Kinder an, sogar bei noch nicht geborenen Kindern geben sie auf Grund der elterlichen Nativität ihre künftigen Charaktere an und welche Schicksale sie haben werden, und nach dem Horoskop eines Bruders den Tod eines andern, nach dem von Frauen die Schicksale der Männer und umgekehrt. Wie kann aber die eigene Konstellation des Einzelnen das bewirken, dessen Eintreffen schon auf Grund der väterlichen Nativität prophezeit wird? Entweder muß doch schon jene elterliche Konstellation diejenige sein, die die Wirkung hat, oder, wenn jene nicht wirkt, dann doch auch nicht die eigene. Weiter aber, die Ähnlichkeit des Aussehens mit den Eltern bekundet ja deutlich, daß so Schönheit wie Häßlichkeit aus der Familie kommen und nicht aus der Gestirnbewegung.

Sodann muß man doch annehmen, daß zur selben Zeit vielerlei Tiere wie auch gleichzeitig Menschen geboren werden. Alle diese müßten ja nun dieselben sein, da sie die gleiche Konstellation haben; wie sollen aber im gleichen Augenblick sowohl Menschen wie Tiere von den Gestirnstellungen hervorgebracht werden? In Wahrheit entstehen alle Einzelwesen nach ihrer Natur[6], als Pferd weil aus einem Pferd, als Mensch weil aus einem Menschen und als Wesen von der und der Art, weil aus einem Wesen von der und der Art. Mag denn dabei die Himmelsbewegung mitwirken, indem sie den werdenden Wesen den Hauptanteil überläßt; mögen die Gestirne zur Gestaltung des Körpers vieles körperlich beitragen, Wärme und Kälte und die daraus sich ergebenden körperlichen Mischungsverhältnisse – aber unmöglich doch die Charaktere und Neigungen, insbesondere das was offensichtlich nicht untertänig ist den körperlichen Mischungsverhältnissen, z. B. wer zur Philologie neigt und wer zur Geometrie oder zum Würfelspiel, und wer Erfinder auf diesen Gebieten wird; Schlechtigkeit des Charakters aber, wie kann sie von ihnen die Götter sind, gegeben werden, und überhaupt die Übel die man ihnen, wenn sie in schlechten Zustand geraten, zuschreibt, weil sie untergehen und unter die Erde wandern? Als ob ihnen etwas sonderliches widerführe, wenn sie von uns aus gesehen untergehen, während sie doch immer auf der Himmelssphäre sich bewegen und immer die gleiche Stellung zur Erde haben. Auch darf man nicht sagen daß diese Götter, je nachdem sie den einen oder den andern Mitgott ‘anblicken’ in dieser oder jener Konstellation, schwächer oder stärker sind, so daß sie wenn es ihnen gut geht, uns wohltäten und im andern Falle uns schadeten; vielmehr soll man sagen, daß die Bewegung der Gestirne der Erhaltung der Welt dient, und daß sie daneben noch einen andern Nutzen gewährt: wenn man sie wie Buchstaben ansieht, kann man, wer diese Art von ‘Grammatik’ (Buchstabendeutung) versteht, die Zukunft aus ihrer Stellung ablesen indem man ihre Bedeutung nach der Analogie methodisch erschließt (Analogie im Sinne von: da der Vogel hoch fliegt, deutet das auf hochgemute Taten).

[7]Es bleibt noch übrig die Grundursache zu betrachten, die alles miteinander verflechten und gewissermaßen verketten und dem Einzelnen das Wie seines Seins geben soll, sie die als Einheit angesehen wird, von der aus alles vermöge der Keimformen geschieht. Diese Lehre steht jener andern nahe, welche jeden Zustand und jede Bewegung sowohl beim Menschen als überhaupt aus der Allseele herleitet; allerdings will sie einiges für den Menschen auch als einzelnen retten, so daß er etwas von sich aus tut. Sie bringt nun strikteste Notwendigkeit für alles mit sich; wenn alle Gründe gegeben sind, dann muß das Einzelne unter allen Umständen geschehen; denn nichts kann es mehr hindern oder anders geschehen machen, wenn alles schon im Schicksal gegeben ist. Sind also die Gründe des Geschehens derart, so können sie, da sie von einem einheitlichen Urgrund ausgehen, uns nichts andres übriglassen als uns zu bewegen wohin sie uns stoßen. Denn unsere Vorstellungen entstehen dann durch vorausliegende Ursachen, und unsere Antriebe auf Grund der Vorstellungen; unsere Selbstbestimmung ist dann leeres Wort; sie kommt auch keineswegs dadurch zur Geltung daß wir eigene Antriebe haben, da ja diese Antriebe auf Grund jener vorausliegenden Ursachen sich bilden; unser Anteil wäre dann gleich dem von Tieren und Säuglingen, die nach blinden Antrieben sich regen, und von Wahnsinnigen; denn auch diese haben eigene Antriebe, ja bei Gott, auch das Feuer hat Antriebe und alle Dinge, die ihrem inneren Aufbau unterworfen sind und ihm entsprechend sich bewegen. An diesen Tatsachen sind sie denn auch nicht vorbeigegangen und keiner von ihnen bestreitet sie; aber indem sie für diesen unsern Antrieb andere Ursachen suchen, bleiben sie nicht mehr bei jener ihrer Grundursache stehen.

[8]Welche Ursache nun die außer den behandelten auftauchen kann, läßt nichts Grundloses übrig und wahrt dabei die Auseinanderfolge und Ordnung der Ereignisse und beläßt uns zugleich doch ein Eigensein, macht ferner die Vorhersagen und Prophezeiungen nicht unmöglich? Die Seele ist ein andersartiges Prinzip, sie muß man in die Welt einführen, nicht nur die Allseele sondern mit ihr auch die Einzelseele, denn sie ist kein geringes Prinzip; damit bringt man alle Dinge in Verflechtung, denn sie entsteht nicht, so wie die andern Dinge aus Samen, sondern sie ist selbst eine erstbewirkende Ursache. Solange die Seele nun ohne Leib ist, ist sie völlig Herr über sich und frei und steht außerhalb der innerweltlichen Verursachung; gerät sie aber in den Leib, so ist sie nicht mehr in Allem unabhängig, da sie dann in eine Reihe mit andern Dingen gestellt ist. Zufälle sind es meist die ringsherum alle Dinge lenken, unter die sie beim Eintritt in diese Welt geraten ist; so handelt sie teils um deretwillen, teils aber ist sie die überlegene und lenkt die Dinge wie sie will. Und zwar hat die gute Seele über mehr Dinge Gewalt, die geringe über weniger; denn wenn eine der Mischung ihres Körpers ein wenig nachgibt, so ist sie gezwungen zu begehren, zu zürnen, sie wird durch Armut unterwürfig, durch Reichtum hochmütig, durch Macht tyrannisch; die andere aber, die guten Wesens ist, stemmt sich eben diesen Umständen entgegen und verwandelt sie eher als sie verwandelt wird, teils ändert sie sie, teils gibt sie ihnen ohne schlecht zu werden nach.

[9]Notwendig also ist (für die Seele) nur das, was geschieht auf Grund eines Zusammenwirkens von Wille und Schicksal; denn was sollte sonst noch für sie notwendig sein? Wo aber alle Gründe gegeben sind, da geschieht alles nach Notwendigkeit; und zu diesen äußeren Ursachen gehört auch das was etwa von der Himmelsbewegung einwirkt. Wenn nun die Seele durch den Einfluß des Äußeren sich wandelt und dann etwas tut, gleichsam in blindem Drang sich fortreißen läßt, dann ist diese Handlung, und auch dieser Zustand, nicht freiwillig zu nennen; so auch wenn sie an sich geringer ist und nicht immer richtige und leitende Antriebe hat. Wenn aber ihre Antriebe die ihr wesenseigene Vernunft rein und leidenschaftslos zum Leiter haben, so ist allein ein solcher Antrieb selbstbestimmt und freiwillig zu nennen, und das ist das uns eigene Wirken, das nicht von anderswoher kommt, sondern von innen aus der reinen Seele, von einem Urgrund also, der leitet und Herr ist, und nicht aus Unwissenheit Irrtum erleidet und der Gewalt der Begierden unterliegt, die wenn sie an sie herankönnen sie treiben und zerren, und unser Tun nicht mehr Handeln sein lassen sondern bloßes Erleiden.

[10]So ist also das Ergebnis unserer Überlegung daß alles nur angezeigt wird (durch die Gestirne), und daß alles nach Ursachen geschieht, aber nach doppelten: ein Teil des Geschehens ist durch die Seele, ein Teil durch die äußeren Ursachen veranlaßt. Wenn die Seelen in all ihrem Handeln der wahren Vernunft folgen, so ist ihr Handeln selbstbestimmt, wenn aber nicht, so sind sie gehindert an ihrem eignen Handeln und erleiden mehr als sie handeln. Daher, wenn sie unverständig ist, andere Dinge der Grund sind (und vielleicht ist es richtig, diese Handlungen schicksalbestimmte zu nennen, wenigstens wenn man der Meinung ist daß das Schicksal der Grund für das äußere Geschehen ist); unsere besten Handlungen aber gehen von uns selbst aus; denn derart ist unser Wesen wenn wir allein sind. Die Guten tun das Gute nach eigenem Willen, die andern aber nur dann, wenn sie einmal aufatmen dürfen und ihnen gewährt wird das Gute zu tun; auch sie empfangen die Einsicht, wenn sie einsichtig sind, nicht anderswoher, sondern es fällt dann nur die Hinderung an der Einsicht fort.

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