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Der Abstieg der Seele in die Leibeswelt

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Immer wieder wenn ich aus dem Leib aufwache in mich selbst, lasse das andre hinter mir und trete ein in mein Selbst; sehe eine wunderbar gewaltige Schönheit und vertraue in solchem Augenblick ganz eigentlich zum höheren Bereich zu gehören; verwirkliche höchstes Leben, bin in eins mit dem Göttlichen und auf seinem Fundament gegründet; denn ich bin gelangt zur höheren Wirksamkeit und habe meinen Stand errichtet hoch über allem was sonst geistig ist: nach diesem Stillestehen im Göttlichen, wenn ich da aus dem Geist herniedersteige in das Überlegen – immer wieder muß ich mich dann fragen: wie ist dies mein jetziges Herabsteigen denn möglich? und wie ist einst meine Seele in den Leib geraten, die Seele die trotz dieses Aufenthaltes im Leibe mir ihr hohes Wesen eben noch, da sie für sich war, gezeigt hat?

Heraklit, der uns ja gebietet hiernach zu forschen, lehrt notwendiges Umschlagen aus Gegensatz in Gegensatz, er spricht von der ‘Bahn hinauf und hinab’, von ‘Ausruhen im Wechsel’, von der ‘Plackerei, stets dem Nämlichen zu fronden und untertan zu sein’ – und überläßt uns damit bloßen Vermutungen; solche Rede uns deutlich zu machen hat er nicht nötig gefunden, wir sollen wohl von uns aus suchen, wie er selbst ja nur fand weil er gesucht hatte. Nicht anders Empedokles: Gesetz sei es, hat er gesagt, daß die fehlende Seele hinabstürze in diese Welt; er selbst sei herabgekommen ein ‘aus der Götterwelt Verbannter’, da er ‘traute dem rasenden Streit’; und hat uns damit nicht mehr Klarheit gegeben als wohl Pythagoras und seine Nachfolger, die in dieser Frage wie in vielen andern doch nur dunkle Andeutungen gaben; Empedokles übrigens hinderte auch noch die poetische Form an der Deutlichkeit. So bleibt uns denn nur der göttliche Platon. Er hat über die Seele und ihre Einkehr auf Erden vielfach in seinen Schriften ausführlich und meisterhaft gesprochen, von ihm dürfen wir hoffen Klarheit zu erlangen. Was lehrt nun dieser Philosoph?

Er lehrt, so stellt sich heraus, nicht überall das gleiche; seine wahre Absicht ist keineswegs ohne weiteres zu ersehen. Auf der einen Seite verwirft er durchgehend jegliches Sinnliche, er beklagt die Gemeinschaft der Seele mit dem Leib, er nennt den Leib ihre Fessel und ihr Grab und rühmt den Spruch der Geheimlehren nach dem die Seele ‘in Haft’ ist; ein andermal meint er offenbar mit ‘Höhle’ (wie Empedokles mit ‘Grotte’) die sichtbare Welt: denn er sagt ja, die Wanderung ‘zur geistigen Welt’, sagt er da, sei der Seele ‘Lösung aus den Fesseln’ und Aufstieg aus der Höhle; im Phaidros endlich ist ihm ‘Entfiederung’ die Ursache des Herabstiegs in diese Welt, bestimmte ‘Umläufe’ bringen die Seele nach dem Aufstieg auf die Erde zurück, ‘andre’ wieder sendet in diese Welt hinab ‘Richtspruch’, ‘Los’, Schicksal und Zwang. Im Gegensatz zu all diesen Stellen, wo er das Eintreten der Seele in den Körper verwirft, preist er aber im Timaios den Kosmos (und meint damit diese irdische Welt) und nennt ihn einen ‘seligen Gott’, und vom Schöpfer in seiner Güte sei ihm die Seele gegeben auf daß diese Welt geistbegabt sei, denn geistbegabt sollte sie sein, das aber war nicht möglich ohne die Seele; zu diesem Ende also entsandte Gott die Seele in das All, zu diesem Ende aber auch zu einem jeden von uns, um der Vollkommenheit des Alls willen; denn es sollten alle Arten von Wesen, die in der geistigen Welt waren, auch in der sinnlichen vorhanden sein.

[2]Daher wir notwendig, wenn wir bei ihm Belehrung suchen über unsere Seele, auch die Frage angreifen müssen, inwiefern das Seelische überhaupt mit dem Leibe Gemeinschaft haben kann, und wie man das Wesen des Kosmos sich zu denken hat, da doch in ihm die (Welt-) Seele weilt sei es freiwillig, gezwungen oder wie immer, und ob der Schöpfer mit Recht (die Weltseele in den Kosmos entsandte) oder ob (sie dort in der Lage ist) etwa wie unsere Seelen, die niedrigere Leiber zu regieren haben und daher sich tief hineinsenken müssen, wollen sie ihrer Herr werden, sonst würden die Bestandteile des Leibes sich voneinander lösen und zurückfallen je an den ihnen wesenseignen Weltort – während im Leibe des Alls alle Teile an ihrem wesensbestimmten Ort liegen –; sodann bedürfen die Leiber mannigfacher und beschwerlicher Fürsorge, weil von außen viel Fremdes auf sie ‘eindringt’, weil sie unter dem ständigen Druck der Notdurft stehen und weil ihre jämmerliche Gebrechlichkeit mancherlei Vorkehrung fordert. Der Welt-Leib dagegen fügt sich sozusagen jedem leisen Wink; denn er ist vollkommen, in sich geschlossen und sich selbst genug, es gibt nichts was wider sein Wesen wäre. Deshalb kann die Weltseele ohne Unterlaß so sein, wie zu sein der Wille ihres Wesens ihr gebietet, frei von Begierde und aller äußeren Einwirkung; denn die Welt scheidet nichts aus und nimmt nichts in sich auf. Daher es denn sogar von unserer Seele heißt, wenn sie zu jener der vollkommenen gelangt, werde sie mit ihr vollkommen, ‘wandle mit ihr in der Höhe und durchwalte den ganzen Kosmos’; wenn sie also Abstand nimmt, nicht drinnen in den Leibern ist, niemand zu eigen ist, dann werde sie wie die Allseele mit ihr das All durchwalten mit leichter Mühe. Nicht schlechthin also, das liegt in diesen Worten, ist es für die Seele ein Übel wenn sie dem Leibe Teil gibt am Heil und am Sein; Fürsorge für das Niedere verhindert ja nicht unter allen Umständen daß das Fürsorgende im höchsten und besten Sein verharre. Denn zwiefacher Art ist alle Fürsorge: das Allgemeine waltet durch ein ruhiges Gebieten, ein königliches Regieren; im Einzelnen vollzieht sich dann die Fürsorge durch ein eigenhändiges Tun, bei welchem das handelnde Subjekt vermöge der Berührung mit dem Objekt der Handlung an dem Objekt der Handlung ‘sich befleckt’. Nun läßt er die göttliche Seele stets auf die erste Art über die ganze Welt walten, sie bleibt in ihrem höheren Teile über sie erhaben und sendet nur den letzten Ausläufer ihrer Kraft in ihr Inneres hinab. Damit wird jeder Vorwurf gegen Gott, weil er die Allseele einem niederen Wesen eingepflanzt hat, hinfällig; die Seele ist nicht ausgestoßen aus dem ihr wesenseignen Sein; sie ist ja von Ewigkeit in diesem Zustand und wird es in Ewigkeit sein, und das kann unmöglich wider ihr Wesen sein, wenn anders es ihr ewig ohne Unterlaß und ohne Beginn eigen ist. Den Sternseelen sodann gibt er ausdrücklich die gleiche Beziehung zum Leib wie sie im All herrscht – er setzt auch die Sternleiber in die Umschwungsbahnen der Seele –; er wahrt also auch ihnen die ihnen gebührende Seligkeit.

Aus zwei Gründen wird die Gemeinschaft der Seele mit den Leibern als Ärgernis angesehen: sie sind ihr ‘ein Hindernis’ im reinen Denken, und sie ‘erfüllen’ sie mit Lüsten ‘Begierden’ und Schmerzen. Keins von beiden aber kann einer Seele widerfahren, die nicht ins Innere des Leibes versinkt, die keinem angehört, nicht sie ist dem Leib, sondern der Leib ihr untertan; und dieser Leib ist so geartet daß es ihm an nichts gebricht, daß er in keiner Richtung unvollkommen ist. So wird die Seele auch nicht mit Begierden oder Ängsten erfüllt; für solchen Leib braucht sie keines Unheils gewärtig zu sein, keine Mühe lenkt sie hinab, zieht sie fort von der hohen seligen Schau; sondern sie bleibt ohne Unterlaß dem oberen Reiche hingegeben und lenkt dabei unsere Welt in geruhiger Kraft.

[3]Die Menschenseele aber, die, wie es heißt, alle Übel und Mühsal im Leibe erduldet, da sie dort in Schmerzen Begierden Ängste und alle andern Übel gerät, weshalb denn auch der Leib ihre Fessel und ihr Grab heißt und diese Erdenwelt ihr Höhle und Grotte – seine Lehre von der Menschenseele wollen wir nunmehr darlegen; einen Widerspruch bringt sie nicht, da die Gründe des Abstiegs nicht dieselben sind. Im Geistes-Ort befindet sich all das Geistige als Ganzes und Gesamtes – wir nennen das intellegiblen Kosmos –, befinden sich aber auch die von ihm umschlossenen geistigen Kräfte, die Einzel-Geistwesen – denn der Geist ist nicht Einheit allein, sondern Einheit und Vielheit –; notwendig muß daher auch die Seele Einheit und Vielheit sein, und aus der einen müssen die vielen als verschiedene hervorgehen, aber nur in dem Sinne wie die verschiedenen Arten aus der einen Gattung, höhere und geringere, geisthaftere und solche die das Geistige weniger verwirklichen. Denn auch droben im Geist gibt es einerseits den Gesamt-Geist, der die andern potential enthält wie einen großen Organismus, anderseits die einzelnen Geiste, deren jeder eine Verwirklichung dessen ist was jener der Möglichkeit nach enthielt. So wenn wir uns eine Gemeinde, die ja beseelte Wesen umschließt, selbst beseelt denken: vollkommener und kräftiger ist dann freilich die Gesamtseele der Gemeinde, Seele sein können aber auch die Einzelseelen. Oder ein anderes Bild: von dem Gesamt-(Welt-) Feuer findet sich hier ein großes, da und dort kleine Stücke, die gesamte Substanz ist aber nur die des Gesamt-Feuers (oder richtiger: diejenige, aus welcher auch die des Gesamtfeuers erst herstammt).

Die Aufgabe der vernünftigen Seele aber ist gewiß das Denken; nicht aber das Denken allein, dann unterschiede sie ja nichts vom Geist. Denn da ihr außer ihrer Eigenschaft als geistige noch etwas anderes zufiel, das sie nicht Geist bleiben ließ, hat sie eine eigentümliche Wirksamkeit so gut wie jedes geistige Wesen: sie kann blicken auf das was über ihr ist, dann denkt sie, sie kann auf sich selbst blicken, dann ist sie formender, ordnender Regent des ihr Nachgeordneten. Auf der Stufe nämlich des Geistes durfte die Welt nicht stehen bleiben, wo die Möglichkeit gegeben war daß die Reihe sich fortsetzte in einem weiteren Gliede, welches zwar geringer ist, dessen Existenz aber mit Notwendigkeit folgt aus der Existenz dessen was vor und über ihm ist.

[4]Die Einzelseelen also haben in sich einen geistigen Trieb, der sie zurückwendet zu ihrem Ursprung, sie haben auch eine Kraft, die auf die niedere Welt gerichtet ist; so wie das Licht abhängig ist von der Sonne über ihm und doch dem was unter ihm ist nicht kargt mit seiner Spende. Bleiben sie in der geistigen Welt mit der Allseele vereint, so haben sie Leidensfreiheit; bleiben sie im Kosmos bei ihr, so können sie mit ihr zusammen das All lenken, so wie die Helfer, die bei dem obersten König sind, mit ihm gemeinsam regieren ohne doch von der Königsburg hinabzusteigen. Denn sie sind ja dann in einer Ganzheit beisammen. Aber sie wenden sich ab von der Ganzheit in das Teil- und Eigensein, gleichsam müde der Gemeinschaft, und jede zieht sich in ihr Sondersein zurück. Tut sie das nun fortgesetzt, flieht die Gesamtheit, fällt ab in Geschiedenheit und richtet den Blick nicht mehr auf die geistige Welt, so wird sie zum Teil, vereinzelt sich und wird krank, sie gerät in Geschäftigkeit, richtet sich auf ein Teilwesen, und in der Absonderung von der Ganzheit läßt sie sich dann auf irgend ein Einzelding nieder, wendet sich ab von allem andern, kommt herab und neigt sich nieder in dies Einzelding, das dem Druck und Stoß aller andern Dinge ausgesetzt ist; so läßt sie das Ganze und regiert in Drangsal das Einzelne, nun kommt sie in Berührung mit dem Äußeren und muß sich ihm widmen, ist bei dem Einzelnen und senkt sich tief in es hinab. Hier widerfährt ihr dann wovon gesagt ist: sie ‘entfiedert’ sich und gerät in die Bande des Leibes; denn verscherzt hat sie die Unverletzlichkeit, die sie bei der Allseele hatte, als sie das Höhere lenkte (damals ergings ihr durchaus besser, als sie nach oben eilte); so fällt sie und ist gefangen, und beschäftigt sich mit ihrer Fessel und lebt nur mit den Sinnen (denn mit dem Geist zu leben hemmt sie zunächst der neue Aufenthalt); so ist sie, wie es heißt, ‘im Grabe’ und ‘in der Höhle’, wendet sie sich aber zurück zu geistigem Leben, dann wird sie ‘aus den Banden gelöst’ und ‘steigt hinauf’ (Erinnerung gibt ihr den Anstoß sich wieder hinzukehren zur Schau des wahren Seins, denn, trotz aller Erniedrigung, irgend ein Stück ihres Seins bleibt doch stets droben). So hausen denn die Seelen gleichsam in zwei Elementen wie Amphibien, im Wechsel sind sie genötigt bald dort oben, bald hienieden zu leben; die das Vermögen haben zu dauernderer Gemeinschaft mit dem Geiste, leben vorwiegend dort oben, hier unten die andern, denen Anlage oder Geschick jenes verwehrte. Das deutet denn auch Plato leise an: als er die Seelen aus dem zweiten Mischkrug sondert und zu Teilen werden läßt, da sagt er daß sie ‘notwendig’ ins Werden eintreten müssen, nachdem sie einmal Teilwesen dieser Art geworden sind. (Wenn er übrigens dort sagt, Gott habe die Seelen ‘gesät’, so ist das im gleichen Sinn zu verstehen wie er Gott sprechen, geradezu als Redner auftreten läßt: nur die Darstellung nötigt ihn, das, was wesenhaft existiert im All, aus Zeugung und Schöpfung hervorgehen zu lassen, weil sie nacheinander vorführen muß, was in Wahrheit ein stetes Nebeneinander von Sein und Werden ist.)

[5]So steht also nicht miteinander in Widerspruch das Säen der Seele ins Reich des Werdens und ihr Abstieg zur Vollendung des Alls, die Strafe, die Höhle, der Aufenthalt im Leib als einem Übel, die empedokleische Verbannung von Gott, Irrfahrt, Sünde auf welche die Strafe folgt, und das heraklitische Ausruhen in der Flucht: überhaupt die Freiwilligkeit und wiederum die Unfreiwilligkeit des Abstiegs. Denn alles was ins Niedere hinabgeht, tut das wider Willen; insofern es jedoch mit eigener Bewegung hinabgeht, wird in dem Schlechten, das ihm dabei widerfährt, eine Strafe für sein eigenes Tun gesehen. Da aber solches Handeln und solches Leiden für die Seele ewig notwendig ist nach dem Gesetz der Natur, und, was sie auf diesem Wege auf sich nimmt, einem andern (dem Leibe) zum Gewinn ausschlägt, so kann man ihr Herabsteigen von dem Oberen als ein Herabschicken durch Gott bezeichnen, ohne in Widerspruch mit der Wahrheit und mit sich selbst zu kommen. Denn auf den ersten Ursprung lassen sich auch die letzten Ausläufer zurückführen, mögen der Mittelglieder auch viele sein. Die Strafe nun für die Verfehlung gilt einmal für die Schuld des Hinabsteigens, dann für die bösen Taten hier unten. Die eine Strafe besteht in eben dem was der Seele beim Abstieg widerfährt; das mildere Maß der zweiten ist Eingehen in andere Leiber, und zwar vor der Zeit, was durch Richtspruch nach Verdienst verhängt wird (wobei ‘Richtspruch’ nur ein Ausdruck ist zur Verdeutlichung eines Geschehens, das nach göttlicher Satzung sich vollzieht); für schrankenlose Schlechtigkeit aber ist schwerere Buße verwirkt unter der Aufsicht ahndender Dämonen.

So also kommt die Seele, ob sie gleich ein Göttliches ist und von den oberen Räumen stammt, in den Leib, sie, ein zweiter Gott im Range, schreitet hinab in diese Welt mit freigewollter Wendung, um ihrer Kraftfülle wegen, zu formen, was unter ihr ist. Gelingt es ihr rasch wieder zu entfliehen, so bleibt sie unversehrt, hat obendrein Erkenntnis des Schlechten gewonnen, die Schlechtigkeit in ihrem Wesen erkannt, sie hat ihre eigenen Kräfte ans Licht gebracht und ihr Wirken und Schaffen offenbart; im Bereich des Körperlosen ruhend wären diese Kräfte unnütz, da sie ewig unverwirklicht blieben, und der Seele selbst bliebe unbewußt was sie in sich trägt, wenn es nicht in Erscheinung träte, nicht aus ihr hervorginge. Denn überall bringt erst die Verwirklichung das Vermögen zu Tage, welches sonst durchaus verborgen bliebe und geradezu ausgelöscht wäre und nicht existent, da es niemals zu realem Sein käme. Wenn jetzt jedermann sich bewundernd vor der Größe des Innen beugt, so hat ihn erst die schöne Mannigfaltigkeit der Außenwelt dazu geführt; er ermißt die Herrlichkeit des Geistigen daran, daß es das reizende Wunderwerk dieser Erdenwelt vollbracht hat. So wie [6]nun das Eine nicht allein existieren durfte – sonst bliebe ja alles verborgen da es in dem Einen der Gestalt ermangelt, ja es würde überhaupt kein Ding existieren wenn das Eine bei sich selbst stehen bliebe und es gäbe nicht die Vielheit unserer Erdendinge die von dem Einen her erzeugt sind wenn nicht die ihm nachgeordneten Wesen, die den Rang von Seelen einnehmen, aus ihm herausgetreten wären –; ebenso durften auch nicht allein die Seelen existieren ohne daß in Erscheinung tritt was durch sie seine Existenz erhält; wohnt doch jedem Wesen inne ein Streben das ihm Nachgeordnete hervorzubringen und sich zu entfalten, wie aus einem Samen von einem teillosen Ursprung aus fortzuschreiten zum Ziel der sinnlichen Erscheinung, wobei jedoch die obere Stufe stets an dem ihr eigenen Ort verharrt und das Niedere nur gleichsam aus sich gebiert vor übergewaltiger Kraft, deren Fülle es in sich trägt und die es nicht in Schranken der Kargheit zurückhalten durfte, sondern sie mußte immer weiter schreiten bis die gesamte Wirklichkeit die letzte mögliche Stufe erreicht hatte, getrieben von der unermeßlichen Kraft welche ihre Wirkung über alles hin sendet und sich keinem vorenthalten mochte; denn nichts konnte hindern daß jegliches Ding, je im Grad seines Vermögens, am Wesen des Guten Anteil erhielt. So mußte auch die Materie, existierte sie von Ewigkeit, als existierend notwendig Teil erhalten an der Kraft die allen Dingen je nach deren Vermögen das Gute spendet; aber auch wenn ihre Entstehung erst eine notwendige Folge der ihr übergeordneten Ursachen war, durfte sie nicht abgesondert bleiben, als ob das Obere, das ihr doch schon die Existenz gleichsam in Gnade geschenkt hatte, nun aus Unvermögen einhalten müßte ehe es zu ihr gelangt ist. So ist das vollkommenste Schöne das es im Bereich des Sinnlichen gibt (der Kosmos) eine Offenbarung des vollendeten Guten im geistigen Reich, seiner Kraft und seiner Güte; verbunden ist auf ewig die gesamte Wirklichkeit, das geistig und das sinnlich Seiende, das Geistige das aus eigener Kraft ist, und das Sinnliche das unvergängliches Sein gewonnen hat durch Teilhabe an Jenem, indem es nach Vermögen das geistige Sein nachahmt.

[7]Wenn das Sein denn in diese beiden Seiten zerfällt, die geistige und die sinnliche, so ist es gewiß besser für die Seele im Geistigen zu weilen; allein sie muß notwendig auch am Sinnlichen teilhaben da ihr Wesen solcherart ist; und sie darf nicht mit sich selber hadern, daß sie, wo nun einmal nicht alles auf der Stufe des Höheren ist, eine Mittelstelle in der Wirklichkeit einnimmt, daß sie obgleich dem Göttlichen zugehörig doch am untersten Rande des geistigen Reiches steht, und der sinnlichen Welt als ihr Grenznachbar etwas von ihrem Sein dargibt, und dagegen Einwirkungen von jener zurückempfängt sofern sie bei der Lenkung nicht ihre eigne Sicherheit wahrt, sondern in übermäßiger Hingabe sich in die Tiefe hinabsenkt und die ungeteilte Gemeinschaft mit der Allseele aufgibt; sie hat ja auch die Möglichkeit des Wiederaufstiegs und hat dann hinzugewonnen die Kunde von den Dingen die sie hienieden sah und erlebte, hat erfahren was es eigentlich heißen will in der oberen Welt zu leben, hat gleichsam deutlicher das Höhere erkannt durch den Vergleich mit dem Gegenteil. Denn erst die Erfahrung des Schlechten gibt denjenigen eine deutliche Erkenntnis des Guten, deren Kraft zu schwach ist das Schlechte durch reine Wissenschaft vor aller Erfahrung zu erkennen.

Wie die Selbstentfaltung des Geistes ein Abstieg ist bis zum unteren Rand der nächst niederen Stufe – denn er darf nicht gleich zum Jenseitigen aufsteigen, er muß Wirkungen aus sich hervorbringen, er kann nicht in sich beharren sondern muß nach der Notwendigkeit und dem Gesetz des Seins bis zur Seele hinab; dort ist Ziel und Ende dieses Abstiegs, ihr überträgt er die tiefere Stufe und dann erst kehrt er zurück nach oben –; so auch die Tätigkeit der Seele, das Unten ist für sie diese Erdenwelt, das Oben die Schau des wahrhaft Seienden. Den Einzelseelen wird solche Schau nur zeitweise und langsam zuteil, sie befinden sich im Niederen und bedürfen erst der Rückwendung zum Oberen; die aber Seele des Alls heißt, ist gar nicht wirklich in das Niedere eingetreten, so kann sie, gefeit gegen Übel, das unter ihr Liegende durch bloße Betrachtung geistig erfassen und dabei in steter Verknüpfung mit dem Oberen bleiben, sie vermag beides zugleich, von oben zu empfangen, in diese Welt zu spenden (denn ganz ohne Berührung mit der unteren Welt konnte sie als Seele ja nicht bleiben).

[8]Und wenn man denn so kühn sein soll wider die geltende Meinung die eigne Ansicht bestimmter auszusprechen: auch unsere Seele ist nicht gänzlich hinabgesunken, sondern immer bleibt ein Teil ihres Wesens in der geistigen Welt; nur hat meist, was in der Sinnenwelt weilt, die Oberhand – richtiger: es wird selbst vergewaltigt von dem Wirrsal – und hindert so daß uns zu Bewußtsein kommt, was der oberste Seelenteil schaut. (Denn das geistige Erleben der Seele tritt erst dann in uns ein, wenn es herabsteigt und in das Bewußtsein kommt. Wir wissen ja alles was in einem beliebigen Teil der Seele geschieht, erst dann wenn es in die ganze Seele eingeht; der Begierde zum Beispiel werden wir nicht inne, solange sie im begehrenden Seelenteil bleibt, sondern erst wenn wir sie erfassen mit dem inneren Wahrnehmungssinn oder dem Nachdenken oder beidem). Denn alles was Seele ist trägt in sich ein Stück, das unten zum Leibe hin, und eines, das oben zum Geiste hin liegt; die gesamte, die Welt-Seele lenkt mit ihrem dem Leibe zugewandten Teile das Weltall und bleibt selbst in der Höhe, frei von Mühe, denn nicht durch Berechnen und Überlegen wie wir tut sie dies, sondern durch reinen Geist (so wie ‘die Kunst auch nicht rechnet und grübelt’); … die Seelen die in ein Teilding eingetreten sind und ihm zugehören, haben aber ebenfalls das über die niedere Welt Erhabene; nur sind sie abgelenkt durch die Sinne und beschäftigt durch die Aufnahme vieler Dinge, die wider ihr Wesen sind und Schmerz und Verwirrung bringen; denn das wofür sie zu sorgen haben ist ein Teilding, ist unvollkommen und hat rings umher viel Fremdes und viel wonach es trachtet; auch ist es gelüstig, und mit der Lust umgarnt es die Seele. Jener obere Teil der Seele aber ist unempfänglich für alle zeitweilige Lust, und lebt wie es solchem Sein gemäß ist.

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