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Das Wesen der Seele (I)

Als wir die Frage untersuchten, welches eigentlich das Wesen der Seele sei, haben wir gezeigt, daß sie kein Körper ist, weiter daß sie unter den unkörperlichen Dingen keine Harmonie ist, den Begriff ferner der Entelechie haben wir abgelehnt, da er in dem Sinne, wie er vorgebracht wird, nicht zutrifft und keine Aufklärung über das Wesen der Seele geben kann; wenn wir weiter dargelegt haben daß sie zur geistigen Wesenheit gehört und zum göttlichen Bereich, so haben wir damit doch wohl etwas Deutliches über ihr Wesen ausgesagt. Indessen ist es besser noch weiter zu gehen. Damals gingen wir vor nach einer Einteilung in sinnliche und geistige Wirklichkeit, und haben die Seele dem Geistigen zugewiesen. Heute wollen wir diese Zuweisung an den geistigen Bereich zugrunde legen und auf einem anderen Wege des Näheren ihrer Artung nachgehen.

So sei gesagt: die einen Dinge sind primär teilbar, ihrem eigenen Wesen nach zerstreuen sie sich; das sind die Dinge, von denen kein Teil identisch ist mit einem andern Teil oder dem Ganzen, und deren Teil kleiner sein muß als das Gesamte: das aber sind die sinnlichen Größen, die Massen, von denen jede einen eigenen Ort innehat und bei denen es nicht möglich ist, daß dasselbe zugleich an mehreren Orten ist. Eine zweite Art von Sein ist dieser ersten entgegengesetzt: sie unterliegt in keinem Sinne einer Teilung, ist teillos und unteilbar, unterliegt keiner Ausdehnung, nicht einmal in der Vorstellung, sie bedarf keines Ortes, sie befindet sich in keinem der seienden Dinge, weder in Teilen noch im Ganzen, da sie auf allen Dingen zugleich gewissermaßen aufliegt, nicht als bedürfe sie jener als Stütze, sondern weil das andere nicht ohne sie sein kann noch will, sie ist ‘Seinsheit von immer gleichem Zustand’, gemeinsam für alles ihr Nachgeordnete wie der Mittelpunkt im Kreise, von dem alle zur Peripherie ausgehenden Linien abhängen, wobei sie ihn doch in sich selbst ruhen lassen, und erhalten von ihm ihr Werden und ihr Sein; so haben sie Teil an dem Punkt und das Ungeteilte ist ihnen Ursprung, aber indem sie von ihm abhängen sind sie doch von ihm aus vor- und fortgeschritten.

Während also auf der einen Seite dies primär Unteilbare steht, das in der geistigen Welt und unter den wahrhaft seienden Dingen Anführer ist, und auf der anderen Seite das durchaus Teilbare in der sinnlichen Welt, gibt es noch eine von ihnen verschiedene Wesenheit, die über dem Sinnlichen steht, jedoch ganz in seiner Nähe, ja in ihm; diese ist nicht primär teilbar wie die Körper, aber sie wird teilbar an den Körpern. So wird denn bei einer Zerlegung der Körper die ihnen innewohnende Form gewiß auch zerteilt, weilt jedoch in jedem der Teile als ein Ganzes, sie wird eine Vielheit und bleibt doch dieselbe, aber jeder dieser ihrer Teile ist ganz vom andern getrennt, da sie ja durchaus teilbar geworden ist; so wie Farben und überhaupt alle Qualitäten und jede Form als ganze gleichzeitig vielen getrennten Dingen innewohnen kann, wobei kein Teil von ihr die gleichen Empfindungen hat wie der andere; so ist also auch diese dritte Wesenheit als durchaus teilbar anzusehen. Neben jener durchaus unteilbaren Wesenheit gibt es nun noch eine weitere, die als nächste Stufe nach jener kommt; sie hat von jener her die Unteilbarkeit, aber in einem aus ihr selber kommenden Hinaustreten drängt sie zu der andern Wesenheit und tritt so in die Mitte zwischen beide, dem ‘Unteilbaren’ (das heißt dem Ersten) und dem ‘den Körpern zugehörigen Teilbaren’ (dem den Körpern Anhaftenden). Sie tut das nicht in der Weise wie Farbe und alle Qualität, die als dieselbe an vielen Stellen ist an der Vielheit körperlicher Massen: da ist die Qualität in jedem Teil gänzlich getrennt von der andern, ebenso weit wie die Masse von der Masse entfernt ist; und auch wenn der Körper der Quantität nach einer ist, so kommt das je Identische (der Qualität), das sich an den einzelnen Teilen befindet, doch nicht in Gemeinschaft und Erlebniseinheit miteinander, weil dies Identische hier ein Eines, dort ein Andres ist; denn nur die Affektion ist identisch, die Wesenheit ist nicht identisch. Die Wesenheit aber die wir über dieser ansetzen, in der Nachbarschaft der unteilbaren Substanz, die ist Substanz und tritt dabei doch in Körper ein; bei ihnen widerfährt es ihr geteilt zu werden, was ihr vorher nicht geschah ehe sie sich den Körpern hingab. In welchen Körpern sie sein mag, und sei es der größte, überallhin ausgedehnte, so verliert sie, wenn sie sich dem ganzen Körper hingibt, nicht das Einssein. Nicht in dem Sinne wie der Körper eins ist; denn der Körper ist durch Kontinuität eins; von seinen Teilen aber das eine dies, das ein anderes und anderwärts; und auch nicht wie die Qualität Eins ist; sondern die zugleich teilbare und unteilbare Wesenheit, die wir Seele nennen, ist nicht in der Art des Kontinuierlichen eins, indem sie einen und dann wieder einen andern Teil hätte; sondern sie ist teilbar, sofern sie in allen Teilen des Dinges ist dem sie beiwohnt, und unteilbar, weil sie in allen diesen Teilen als ganze und in jedem beliebigen Teil als ganze ist. Wer das begreift, der ermißt die Größe der Seele und ihre Kraft und weiß, daß es ein göttliches, ein wunderbares Ding um sie ist und daß sie zu den Wesenheiten über aller Dinglichkeit gehört. Sie hat keine Größe und ist doch bei aller Größe, sie ist hier und ist auch wieder da, nicht mit einem andern Teil sondern mit demselben. So ist sie geteilt und wiederum nicht geteilt; oder richtiger: sie selbst ist nicht geteilt und endgültig in geteiltem Zustand, denn sie bleibt ja bei sich selbst ein Ganzes und teilt sich nur an den Körpern, da die Körper wegen ihrer eigenen Teilbarkeit sie nicht ungeteilt aufnehmen können, so daß also die Teilung eine Affektion der Körper ist, nicht der Seele.

[2]Daß das Wesen der Seele ein solches sein mußte, daß es unmöglich eine Seele geben konnte die, anders als die geschilderte, entweder nur unteilbar wäre oder nur teilbar, sondern daß sie unbedingt in der dargelegten Weise beides sein muß, das ergibt sich aus Folgendem. Auf der einen Seite: hätte sie wie die Körper voneinander verschiedene Teile, so könnte nicht wenn ein Teil affiziert wird, ein andrer Teil zum Bewußtsein dieser Affektion kommen, sondern eine Teilseele, z. B. die am Zeh, würde als besondere und für sich seiende sich der Affektion bewußt werden. Es müßten dann, ganz allgemein gesprochen, viele Seelen sein, die im einzelnen Menschen walten, ja auch im Universum müßte nicht eine walten, sondern unendlich viele voneinander gesondert. Denn die Erklärung dieser Erscheinung durch die Kontinuität ist fruchtlos, wenn diese nicht zu einem wirklichen Einheitssystem führt. Man darf ja wirklich die Lehre nicht hinnehmen mit der sie sich selbst betrügen, daß die Wahrnehmungen durch ‘Weitergabe’ zum Leitenden Teil der Seele gelangen. Denn erstens, von einem leitenden Teil der Seele zu sprechen, ist undurchdacht. Wie wollen sie denn die Seele teilen, in welchem Sinne soll der eine Teil vom andern verschieden sein? Nach welchem quantitativen Maß wollen sie die beiden Teile zerlegen oder nach welcher qualitativen Differenz, wo es sich doch um eine einheitliche und kontinuierliche Masse handeln soll? Und weiter: soll nur das Leitende oder auch die andern Teile Wahrnehmungssinn haben? Im ersten Falle: wenn der Wahrnehmungsinhalt dann auf das Leitende selbst treffen soll, an welcher Stelle soll es seinen Sitz haben und die Wahrnehmung ausüben? Trifft aber der Wahrnehmungsinhalt auf einen andern Teil der Seele, so kann dieser Seelenteil, da er nicht mit Wahrnehmungssinn begabt sein soll, seine Affektion dem Leitenden ja nicht weitergeben, und es wird überhaupt keine Wahrnehmung zustande kommen. Aber auch wenn er unmittelbar auf das Leitende trifft, so muß er entweder nur auf einen Teil von ihm treffen, dann wird dieser die Wahrnehmung vollziehen, die übrigen Teile aber gar nicht erst, denn es wäre überflüssig; oder es müßten viele, ja unzählige Wahrnehmungen entstehen, die nicht alle gleich sind, sondern die eine sagt: ich bin ursprünglich affiziert, die andre: ich habe die Affektion einer andern wahrgenommen, und an welcher Stelle die Affektion eingetreten ist, kann keine wissen außer der ersten; vielleicht wird auch jeder Teil der Seele irrtümlich annehmen, daß die Affektion dort stattgefunden hat wo er selber ist. Soll aber nicht nur das Leitende, sondern jeder Seelenteil mit Wahrnehmung begabt sein, weswegen ist dann das Eine noch das Leitende und die andern nicht? Und wozu muß die Wahrnehmung dann noch bis zu Jenem hinaufgelangen? Und wie kann es dann das aus vielen, etwa Gehörs- und Gesichts-Wahrnehmungen Kommende als einheitlichen Gegenstand erkennen? Auf der andern Seite: setzen wir die Seele als durchaus einheitlich, als durchaus unteilbar und als in sich ruhende Einheit, und alles dessen überhoben was Vielheit und Geteiltheit ist, so kann, was immer die Seele erfaßt, nicht in seiner Ganzheit beseelt sein, sondern die Seele würde gleichsam im Mittelpunkt des Einzelwesens sich niederlassen und die ganze Masse des Lebewesens unbeseelt lassen.

Mithin muß die Seele in dem gezeigten Sinne ‘zugleich Einheit und Vielheit’, geteilt und ungeteilt sein; man darf daran nicht deshalb zweifeln weil unmöglich etwas das identisch und einheitlich ist, an vielen Orten zugleich sein könne. Denn wenn wir das uns nicht zulassen wollen, so kann es die Wesenheit nicht geben welche das Universum zusammenhält und durchwaltet, welche doch alles zumal umfaßt und es leitet mit Vernunft; Vielheit ist sie, da ja die Dinge viele sind, eine muß sie sein, da es Ein Zusammenhaltendes geben muß: durch die Vielfältigkeit ihrer Einheit spendet sie allen Teildingen Leben, durch die Ungeteiltheit ihrer Einheit leitet sie alles mit Vernunft. So kann auch das was keine Vernunft hat, dieses Eine, das Leitende, nachahmen.

Das also ist der Sinn des göttlichen Rätselwortes: ‘Aus beiden, der unteilbaren in immer gleichem Zustand befindlichen Wesenheit und der bei den Körpern befindlichen teilbaren, mischte er (der Gott) eine dritte Art von Wesenheit zusammen.’ So ist denn in diesem Sinne die Seele EINS UND VIELES, die Formen an den Körpern VIELES UND EINS, die Körper nur VIELES, das Höchste aber nur EINS.

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